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HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 69

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 161/01, Beschluss v. 18.12.2006, HRRS 2007 Nr. 69


BGH 1 StR 161/01 - Beschluss vom 18. Dezember 2006 (LG Bayreuth)

Keine zwingende Behandlung von ständig wiederholten Unmutsäußerungen eines Verurteilten als Rechtsmittel (Besonderheit bei Belehrung und Anfrage zu einem bestimmten Rechtsmittel; querulatorische Rechtsmittel; Kostenfolge).

Art. 19 Abs. 4 GG; Vor § 296 StPO; § 333 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Bei wiederholten und inhaltlich identischen Schreiben eines Verurteilten, die Worte wie "Widerspruch" oder "Einspruch" verwenden, kann es sich um bloße Unmutsäußerungen handeln. Es ist nicht geboten, in arbeits- und kostenaufwändigen förmlichen Verfahren derartige Schreiben eines Verurteilten stets erneut als Rechtsmittel auszulegen und zu bescheiden, wenn wegen ihrer offensichtlichen Unzulässigkeit bzw. Unstatthaftigkeit von vorneherein zwingend feststeht, dass sie nie zu irgend einem rechtlichen Erfolg des Antragstellers führen können. Besonderheiten gelten dann, zunächst seitens der Justiz ausdrücklich angefragt worden ist, ob der Verurteilte mit einem solchen Schreiben Revision einlegen wollte und er später eine Rechtsmittelbelehrung erhielt.

Entscheidungstenor

Der Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 25. Juli 2006 wird aufgehoben.

Die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 7. November 2000 wird als unstatthaft verworfen (§ 349 Abs. 1 StPO).

Der Verurteilte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1. H. A. wurde wegen mehrerer Sexualdelikte und anderer Straftaten am 7. November 2000 vom Landgericht Bayreuth zu langjähriger Freiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil ist nach Maßgabe der Revisionsentscheidung des Senats vom 9. Mai 2001 rechtskräftig, der Verurteilte verbüßt gegenwärtig die Strafe.

2. Der Verurteilte schreibt lange, im Einzelnen nicht immer ganz leicht verständliche Briefe, die z. B. mit "Unschuldig im Gefängnis" o. ä. überschrieben sind und in denen er seine Unschuld beteuert. Dabei verwendet er auch Worte wie "Einspruch", "Wiederaufnahme" o. ä. oder beantragt eine neue Verhandlung.

Nach sogar wiederholter eingehender grundsätzlicher rechtlicher Belehrung (mehrere Schreiben des Rechtspflegers des Bundesgerichtshofs an den Verurteilten, zuletzt vom 6. Oktober 2004) wird inzwischen seitens des Bundesgerichtshofs auf diese Briefe nicht mehr reagiert (vgl. auch Rautenberg in HK 3. Aufl. § 296 Rdn.7 a.E.).

3. Das (gemäß § 140a GVG für Wiederaufnahmeverfahren gegen Urteile des Landgerichts Bayreuth zuständige) Landgericht Hof sieht dementsprechende Briefe als immer neue Wiederaufnahmeanträge an, die dann gemäß § 366 Abs. 2 StPO ohne inhaltliche Prüfung als unzulässig verworfen werden, zuletzt durch Beschluss vom 22. Juni 2006. Anders als in den ersten Jahren der Strafhaft melden sich im Zusammenhang mit dem immer gleichen Vorbringen des Verurteilten keine Verteidiger mehr, ebenso wenig werden noch Anträge gemäß § 364b StPO gestellt.

4. In seinem Schreiben vom 30. Juni 2006 legte der Verurteilte dann nicht nur gegen den genannten Beschluss vom 22. Juni 2006 "Einspruch" ein, sondern gegen insgesamt acht Entscheidungen, wobei er zunächst sieben Beschlüsse des Landgerichts Hof aufführte und dann auch das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 7. November 2000. Das Landgericht Hof sieht in diesem Schreiben deshalb auch eine - nach seiner Auffassung vorrangig zu behandelnde - Revision und hat die Akte dementsprechend dem Landgericht Bayreuth zugeleitet. Dieses hat bei dem Verurteilten nachgefragt, ob sein Schreiben eine Revision sei, was er bejaht hat. Daraufhin hat das Landgericht Bayreuth die Revision durch Beschluss vom 25. Juli 2006 gemäß § 346 StPO als unzulässig verworfen.

Der nächste, inhaltlich mit sämtlichen früheren Briefen identische, mehrere Seiten lange Brief des Verurteilten beginnt mit den Worten "hiermit lege Einspruch" ein. Darauf wurden die Akten dem Senat vorgelegt. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, aus von ihm im Einzelnen dargelegten Gründen den Beschluss vom 25. Juli 2006 aufzuheben, da das Landgericht Bayreuth zum Erlass dieses Beschlusses nicht befugt gewesen sei, im Übrigen von einer Entscheidung über die Revision aber abzusehen.

5. Im Grundsatz stimmt der Senat der Auffassung des Generalbundesanwalts zu. Bei den Schreiben des Verurteilten handelt es sich der Sache nach um bloße Unmutsäußerungen; dass er ohne deutlichen Bezug zum sonstigen Inhalt seiner Schreiben dabei gelegentlich Worte wie "Widerspruch", "Einspruch" o. ä. verwendet, ändert daran nichts. Es ist nicht geboten, in arbeits- und kostenaufwändigen förmlichen Verfahren derartige Schreiben eines Verurteilten immer erneut als Rechtsmittel auszulegen und zu bescheiden (vgl. z. B. Frisch in SK-StPO vor § 296 Rdn. 212; Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen 6. Aufl. Rdn. 118), wenn wegen ihrer offensichtlichen Unzulässigkeit bzw. Unstatthaftigkeit von vorneherein zwingend feststeht, dass sie nie zu irgend einem rechtlichen Erfolg des Antragstellers führen können. Hinzu kommt, dass er vielfach über die Rechtslage belehrt und unterrichtet wurde, ohne dass dies irgendeinen erkennbaren Einfluss auf sein in Form und Inhalt immer identisches Vorbringen gehabt hätte. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Behandlung derartiger Eingaben als Rechtsmittel zwingend mit für den Verurteilten nachteiligen Kostenfolgen verbunden ist.

6. Vorliegend liegt die Besonderheit jedoch darin, dass zunächst seitens der Justiz ausdrücklich angefragt worden ist, ob er mit dem genannten Schreiben Revision einlegen wollte und er später im Hinblick auf den Beschluss des Landgerichts vom 25. Juli 2006 eine Rechtsmittelbelehrung erhielt. Daher hat der Senat den Verurteilten durch den Rechtspfleger des Bundesgerichtshofs nochmals eindringlich über die Rechtslage einschließlich der Kostenfolge eines unstatthaften Rechtsmittels belehren lassen. Der Verurteilte hat mitgeteilt, dass er sein Rechtsmittel nicht zurücknehme, er sei nämlich unschuldig.

7. Unter diesen Umständen war der Senat gehalten, so wie geschehen, förmlich zu entscheiden und damit zugleich dem Verurteilten die Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen. Hinsichtlich der Unstatthaftigkeit des Beschlusses des Landgerichts nimmt der Senat auf die Rechtsausführungen des Generalbundesanwalts Bezug (vgl. auch BGH bei Becker NStZ-RR 2001, 265 m.w.N.), über die Unstatthaftigkeit der Revision (§ 349 Abs. 1 StPO) und die mit einer förmlichen Entscheidung des Senats verbundene Kostenfolge (§ 473 StPO) ist der Verurteilte bereits belehrt. Dem ist nichts hinzuzufügen.

HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 69

Externe Fundstellen: NStZ 2007, 283

Bearbeiter: Karsten Gaede