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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 135/01, Beschluss v. 25.04.2001, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 135/01 - Beschluß v. 25. April 2001 (LG Traunstein)

Strafzumessung bei schwerem sexuellem Mißbrauch eines Kindes (Beginn der Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit)

§ 176a StGB; § 46 StGB; § 20 StGB; § 3 JGG; § 19 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 28. November 2000 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Beischlaf zwischen Verwandten, zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, soweit er verurteilt wurde, mit der Sachrüge.

Das Rechtsmittel hat, soweit es dem Schuldspruch gilt, aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift bezeichneten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Strafausspruch kann jedoch nicht bestehen bleiben:

Das Landgericht hat gegen den zur Tatzeit 19 Jahre alten Angeklagten wegen schädlicher Neigungen und wegen der Schwere der Schuld Jugendstrafe verhängt, weil er im Juni oder Juli 1999 seine damals zwölf Jahre alte Schwester veranlaßte, an ihm den Oralverkehr auszuüben und mit ihr an drei Tagen im September 1999 den Vaginalverkehr durchführte.

Zu Lasten wird gewertet, daß der Angeklagte die Unerfahrenheit und Abhängigkeit seiner sieben Jahre jüngeren Schwester aus Bequemlichkeit und Selbstsucht ausgenutzt hat, um seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Dabei wird aber nicht erkennbar berücksichtigt, daß die sexuellen Kontakte zwischen dem Angeklagten und seiner Schwester, die sich im Laufe der Zeit freilich intensivierten, zu einer Zeit begannen, da er noch nicht schuldfähig war. So hat das Landgericht den Angeklagten von einem Teil der in diesem Zusammenhang gegen ihn erhobenen Vorwürfe freigesprochen, weil entweder nicht geklärt werden konnte, ob der Angeklagte zu den betreffenden Tatzeitpunkten bereits 14 Jahre alt gewesen ist oder weil nicht auszuschließen war, daß er noch nicht reif genug war, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (§ 3 JGG). Hinsichtlich weiterer Vorwürfe ist das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung eingestellt worden.

Auch kann bei Wiederholungstaten gegen dasselbe Opfer, denen - wie im vorliegenden Falle - eine persönliche Beziehung zugrunde liegt, die Hemmschwelle für die späteren Taten - aus dem Angeklagten nicht voll anzulastenden Gründen - von Tat zu Tat niedriger geworden sein. Dies kann sich bei der Höhe der Strafe zugunsten des Angeklagten auswirken.

Bearbeiter: Karsten Gaede