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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, StB 2/00, Urteil v. 16.05.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH StB St (R) 2/00 - Urteil v. 16. Mai 2000 (OLG Dresden)

BGHSt 46, 67; Versicherungspflicht eines Steuerbevollmächtigten; Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums.

§ 67 StBerG; § 17 StGB

Leitsatz BGHSt

Zur Versicherungspflicht eines Steuerbevollmächtigten nach § 67 StBerG während der Dauer der Bestellung.

Entscheidungstenor

Die Revision des Steuerbevollmächtigten gegen das Urteil des Senats für Steuerberater - und Steuerbevollmächtigtensachen beim Oberlandesgericht Dresden vom 2. Dezember 1999 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Gegenstand der Entscheidung ist die Frage, ob ein bestellter Steuerbevollmächtigter auch dann eine Berufshaftpflichtversicherung nach § 67 StBerG abschließen muß, wenn er keine Berufstätigkeit ausübt.

I.

1. Dem Steuerbevollmächtigten wurden zwei Berufspflichtverletzungen im Sinne des § 89 Abs. 1 StBerG angelastet. Zum einen sei er Mitteilungspflichten über das Ausscheiden aus der ersten und den Wiedereintritt in die zweite Steuerberatungsgesellschaft nicht nachgekommen. Zum anderen das ist Gegenstand der Revision - habe er gegen die sich aus § 67 Satz 1 StBerG ergebende Pflicht zum Abschluß einer Berufshaftpflichtversicherung verstoßen. Die Kammer für Steuerberater - und Steuerbevollmächtigtensachen des Landgerichts Chemnitz hat lediglich den Verstoß gegen die Mitteilungspflichten für gegeben erachtet; sie hat gegen den Steuerbevollmächtigten eine Warnung nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 StBerG ausgesprochen. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat der Senat für Steuerberater - und Steuerbevollmächtigtensachen des Oberlandesgerichts Dresden den Steuerbevollmächtigten auch wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht nach § 67 Satz 1 StBerG verurteilt. Er hat dem Steuerbevollmächtigten einen Verweis erteilt und eine Geldbuße auferlegt (§ 89 Abs. 1, § 90 StBerG). Das Oberlandesgericht hat die Revision gemäß § 129 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StBerG zugelassen, weil es sich bei der Frage des Bestehens einer Versicherungspflicht im Falle der Nichtausübung des Berufs um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handle.

2. Der Betroffene, ein in der DDR ausgebildeter Diplom - Wirtschaftler, war zunächst bis Ende 1995 als vorläufig bestellter Steuerbevollmächtigter (§ 40a StBerG) bei einer Steuerberatungsgesellschaft angestellt. Sodann war er ab Januar 1996 bis Ende 1997 zwei Jahre lang arbeitslos. In diesem Zeitraum bestand keine Berufshaftpflichtversicherung nach § 67 StBerG; allerdings übte der Betroffene während dieser Zeit auch keine Tätigkeit als Steuerbevollmächtigter aus. Im Dezember 1997 wurde er endgültig als Steuerbevollmächtigter bestellt, nachdem er die nach § 40a Abs. 4 StBerG erforderliche Prüfung abgelegt hatte. Im Januar 1998 fand er schließlich wieder eine Anstellung bei einer Steuerberatungsgesellschaft.

3. Das Oberlandesgericht ist - anders als das Landgericht - der Auffassung, daß der Steuerbevollmächtigte verpflichtet war, für die Jahre 1996 und 1997 eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. In dieser Zeit sei er selbständiger Steuerbevollmächtigter gewesen, da er nicht in einem Angestelltenverhältnis gestanden hätte. Als solcher sei er nach § 67 StBerG auch dann versicherungspflichtig gewesen, wenn er keine Tätigkeit als Steuerbevollmächtigter ausgeübt habe. Das folge auch aus § 51 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) vom 12. November 1979 (BGBl I 1922). Nach dieser Bestimmung haben Steuerbevollmächtigte die Versicherung "während der Dauer ihrer Bestellung" aufrechtzuerhalten. Der Steuerbevollmächtigte habe fahrlässig gehandelt; ein Verbotsirrtum habe nicht vorgelegen.

4. Die Revision wendet sich gegen die Verurteilung wegen des Verstoßes gegen § 67 StBerG. Die Bestimmung des § 67 sei nicht hinreichend bestimmt. Der Betroffene sei 1996 und 1997 zudem kein selbständiger Steuerbevollmächtigter im Sinne des § 67 StBerG gewesen, denn er habe weder beabsichtigt, in dieser Zeit seinen Beruf geschäftsmäßig auszuüben, noch habe er dies tatsächlich getan. Haftpflichtgefahren hätten daher nicht erwachsen können. Jedenfalls habe aber ein Verbotsirrtum vorgelegen. Schließlich sei die konkrete Sanktionsbemessung rechtsfehlerhaft.

II.

Die Revision des Steuerbevollmächtigten hat keinen Erfolg.

1. Die in § 67 StBerG geforderte Versicherungspflicht des Steuerbevollmächtigten knüpft allein an dessen Bestellung an. Es kommt nicht darauf an, ob der selbständige Steuerbevollmächtigte auch tatsächlich den Beruf ausübt und ob deshalb mit Haftpflichtansprüchen konkret zu rechnen ist.

Nach § 67 Satz 1 StBerG müssen selbständige Steuerbevollmächtigte gegen die aus ihrer Berufstätigkeit sich ergebende Haftpflichtgefahr angemessen versichert sein. Aus dieser Vorschrift ergibt sich somit die Verpflichtung eines jeden Berufsangehörigen, gegen solche Gefahren versichert zu sein (BGHSt 35, 263, 264). Lediglich angestellte Steuerbevollmächtigte (§ 58 StBerG) sind von der Versicherungspflicht befreit, soweit sie in der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung ihres Arbeitgebers mitversichert sind (Gehre, Steuerberatungsgesetz 3. Aufl. § 67 Rdn. 6; Kuhls, Steuerberatungsgesetz § 67 Rdn. 3 und 8).

a) Der Betroffene erfüllte im fraglichen Zeitraum das Merkmal der Selbständigkeit.

Steuerbevollmächtigte üben einen freien Beruf aus (§ 32 Abs. 2 StBerG); sie haben diesen unabhängig und eigenverantwortlich auszuüben (§ 57 Abs. 1, § 60 StBerG). Nach § 57 Abs. 4 Nr. 2 StBerG gilt eine Tätigkeit als (unselbständiger) Arbeitnehmer grundsätzlich als nicht vereinbar mit dem Beruf eines Steuerbevollmächtigten. Das Gesetz sieht lediglich für bestimmte Angestelltentätigkeiten (§ 57 Abs. 3 Nr. 4: Lehrer an Hoch- und Fachschulen und §§ 58, 59: angestellter Steuerbevollmächtigter, öffentlich-rechtliches Dienst- oder Amtsverhältnis) Ausnahmen vor. Das Tatbestandsmerkmal der Selbständigkeit grenzt somit den verpflichteten Personenkreis lediglich von den (mitversicherten) angestellten Steuerbevollmächtigten ab. Daraus folgt im Umkehrschluß, daß ein Steuerbevollmächtigter, der nicht unter die Ausnahmeregelungen für Angestellte fällt, den Regelfall erfüllt und demnach selbständig im Sinne des § 67 StBerG ist (vgl. auch BVerwG BB 1986, 1614 zu § 54 Abs. 1 WPO).

b) § 67 Satz 1 StBerG ist auch nicht einschränkend dahin auszulegen, daß der Steuerbevollmächtigte nur dann versicherungspflichtig ist, wenn und solange er tatsächlich (selbständig) den Beruf ausübt.

aa) Eine solche Auslegung läßt sich dem Wortlaut der Bestimmung nicht entnehmen. Wie ausgeführt, dient das Merkmal der Selbständigkeit in § 67 StBerG allein der Abgrenzung von mitversicherten Angestellten. Ein zusätzliches Erfordernis im Sinne von tatsächlich ausgeübter Tätigkeit verlangt die "Selbständigkeit` nicht. Die Versicherungspflicht knüpft somit allein an die Eigenschaft als (selbständiger) Steuerbevollmächtigter an. Steuerbevollmächtigter ist nach der Legaldefinition des § 42 StBerG, wer nach den Vorschriften des StBerG als solcher bestellt ist. Mit der Bestellung nach § 40 bzw. der vorläufigen Bestellung nach § 40a StBerG beginnen die allgemeinen und besonderen Berufspflichten des Steuerbevollmächtigten, wie sie im Dritten Abschnitt des Zweiten Teils des Steuerberatungsgesetzes normiert sind (Gehre aa0 § 40 Rdn. 11), zu denen auch die Versicherungspflicht des § 67 StBerG gehört.

Diese gesetzliche Regelung wird durch § 51 Abs. 1 DVStB dahin konkretisiert, daß die Versicherung "während der Dauer der Bestellung" aufrechtzuerhalten ist. Diese Bestimmung in der Verordnung erweitert aber die gesetzlichen Voraussetzungen nicht; sie umschreibt lediglich die schon dem Gesetz immanente umfassende Versicherungspflicht näher. Deshalb kann auch aus dem Vergleich mit den entsprechenden Bestimmungen für Wirtschaftsprüfer (§ 54 Abs. 1 WPO) und Rechtsanwälte (§ 51 Abs. 1 BRAO) die ebenso wie § 51 Abs. 1 DVStB explizit die Aufrechterhaltung "während der Dauer der Bestellung" vorschreiben - nicht der Umkehrschluß gezogen werden, der Gesetzgeber habe die Versicherungspflicht für Steuerbevollmächtigte enger regeln wollen als für die anderen Berufsgruppen

bb) Eine einschränkende Auslegung dahin, daß eine Versicherungspflicht nur bei tatsächlich ausgeübter Tätigkeit bestünde, ergibt sich auch nicht daraus, daß § 67 verlangt, daß Steuerbevollmächtigte "gegen die aus ihrer Berufstätigkeit sich ergebenden Haftpflichtgefahren" versichert sein müssen. Haftpflichtgefahren sind nämlich nicht schon dadurch zuverlässig ausgeschlossen, daß der Steuerbevollmächtigte nicht die Absicht hat, beruflich tätig zu werden, gegenüber den zuständigen Stellen lediglich eine solche Absicht bekundet, oder wenn er sich dieser Absicht entsprechend verhält.

Daß ein Steuerbevollmächtigter bei Ausübung seiner Tätigkeit zahlreichen Haftpflichtgefahren (vgl. Gehre aa0 § 67 Rdn. 1; Kuhls aa0 § 67 Rdn. 1) ausgesetzt ist, bedarf keiner näheren Begründung. Aber auch dann, wenn er nicht vorhat, den Beruf auszuüben, kann er sich nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anspruchsgrundlage des § 63 StBerG schon allein mit der Ablehnung eines Auftrages schadenersatzpflichtig machen.

Die bloße Erklärung, nicht selbständig tätig sein zu wollen, führt -anders als ein förmlicher Verzicht (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 StBerG) - nicht zum Erlöschen der Bestellung. Der Steuerbevollmächtigte ist dadurch nicht gehindert, im Beruf tätig zu sein. Das Bundesverwaltungsgericht (aa0) weist deshalb bei der Beantwortung der entsprechenden Rechtsfrage zu dem insoweit gleichlautenden § 54 Abs. 1 WPO zutreffend darauf hin, daß die bloße Erklärung, nicht selbständig tätig sein zu wollen, als Anknüpfungspunkt für die Regelung der Versicherungspflicht ungeeignet ist. Eine solche Erklärung hat der Betroffene zudem erst Ende 1997 abgegeben.

Noch viel weniger gilt das für die (innere) Absicht, untätig zu bleiben. Der Steuerbevollmächtigte kann sich - ebenso wie ein Wirtschaftsprüfer (BVerwG aa0) - nicht durch freiwilliges Nichtstun den Pflichten entziehen, die ihm mit der Bestellung auferlegt sind. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß diese Absicht dadurch nach außen zum Ausdruck kommt, daß der Steuerbevollmächtigte keine Niederlassung begründet (vgl. § 34 Abs. T StBerG). Aufgrund der Nichtbegründung der Niederlassung vermutet das Gesetz zwar, daß der Steuerbevollmächtigte den Beruf nicht ausüben wolle (Gehre aa0 § 46 Rdn. 12), weshalb nach § 46 Abs. 3 Nr. 1 StBerG die Bestellung widerrufen werden kann. Solange aber die Bestellung nicht widerrufen ist, ist der Steuerbevollmächtigte nicht an der Berufsausübung gehindert. Unerheblich ist auch, ob dem Betroffenen aufgrund seiner Arbeitslosigkeit eine Tätigkeit sozialversicherungsrechtlich untersagt war.

cc) Dieses Ergebnis folgt auch aus der systematischen Auslegung. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 3 StBerG ist es ein zwingender Widerrufsgrund, wenn der Steuerbevollmächtigte nicht die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung unterhält. Hingegen bildet es nur einen fakultativen Widerrufsgrund (§ 46 Abs. 3 StBerG), wenn der Steuerbevollmächtigte keine Niederlassung begründet und daher (mutmaßlich) nicht geschäftsmäßig tätig ist, oder wenn er dauernd unfähig ist, seinen Beruf ordnungsgemäß auszuüben. Diese differenzierende Regelung in derselben Norm zeigt, daß der Gesetzgeber das Problem der tatsächlichen Berufsausübung und einer vorübergehenden Untätigkeit durchaus gesehen und bedacht hat; gleichwohl hat er bei der Versicherungspflicht darauf gerade nicht abgestellt.

dd) Daß § 67 Satz 1 StBerG die Versicherungspflicht allein von dem objektiven Kriterium der Bestellung abhängig macht, folgt auch aus dem Zweck der Vorschrift. Ebenso wie beim Wirtschaftsprüfer (§ 54 WPO) und Rechtsanwalt (§ 51 BRAO) soll die Versicherungspflicht sicherstellen, daß es kein relevantes Risiko der Tätigkeit gibt, das nicht finanziell abgesichert ist (zum Wirtschaftsprüfer: BVerwG aa0). Sie dient dem Schutzbedürfnis des rechtsuchenden Publikums (BGH - Anwaltssenat - NJW-RR 1997, 20). Dieses soll darauf vertrauen können, daß eventuelle Schadensersatzansprüche im Rahmen des vorgegebenen Versicherungsschutzes ohne weiteres durchsetzbar sind (BGHZ 137, 200 - Anwaltssenat). Dem insoweit identischen Regelungszweck steht nicht entgegen, daß die Berufe des Steuerberaters bzw. Steuerbevollmächtigten, des Wirtschaftsprüfers und des Rechtsanwalts ansonsten unterschiedliche Berufsbilder haben und daß die berufsrechtlichen Materien nicht deckungsgleich sind.

Wegen dieses herausragenden Schutzzwecks ist das Nichtunterhalten der vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung ein zwingender Widerrufsgrund für die Bestellung (§ 46 Abs. 2 Nr. 3 StBerG). Nach § 55 DVStB muß deshalb auch der Versicherungsabschluß vor der Bestellung nachgewiesen werden. Der Bundesgerichtshof erachtet auch aus diesen Gründen in ständiger Rechtsprechung (BGHSt 35, 263; BGH DStR 1994, 409) einen Verstoß gegen die Versicherungspflicht als so schwerwiegende Berufspflichtverletzung, daß dies regelmäßig den Ausschluß aus dem Beruf rechtfertigt.

c) Die Auslegung des § 67 Satz 1 StBerG nach Wortlaut, systematischer Stellung und Zweck ergibt somit, daß das Gesetz nicht abgedeckte Haftpflichtrisiken zuverlässig ausschließen will. Dieses Ziel ist auch aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt (vgl. BGHZ 137, 200 zu § 51 BRAO). Die Vorschrift ist deshalb allein in der hier gefundenen Auslegung geeignet, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten und geht nicht über das hinaus, was zum Schutz des rechtsuchenden Publikums erforderlich ist. Allein das Abstellen auf das objektive Kriterium der Bestellung führt zu einer Auslegung, bei der § 67 StBerG hinreichend bestimmt ist. An subjektive, in das Belieben des Steuerbevollmächtigten gestellte Umstände darf und kann die gesetzliche Versicherungspflicht deshalb nicht anknüpfen.

Die Versicherungspflicht besteht daher auch dann, wenn der selbständige Steuerbevollmächtigte keine Berufstätigkeit ausübt (ebenso Gehre aa0 § 67 Rdn. 5; Kuhls aa0 § 67 Rdn. 5; Empfehlungen der Bundessteuerberaterkammer zur Berufshaftpflichtversicherung Abschnitt II Nr. 5 Abs. 3). Für ihn gilt insoweit nichts anderes als für andere rechtsberatende Berufe wie Wirtschaftsprüfer (BVerwG aa0) und Rechtsanwälte (vgl. BGH NJW-RR 1997, 696; BGHZ 137, 200: Kanzlei nur im Ausland; Ehrengerichtshof für Rechtsanwälte Hamburg BRAK-Mitt. 1998, 44).

2. Das Oberlandesgericht hat mit rechtsfehlerfreier Begründung einen (unvermeidbaren) Verbotsirrtum ausgeschlossen.

Unvermeidbar ist ein Verbotsirrtum, wenn der Täter trotz der ihm nach den Umständen des Falles, seiner Persönlichkeit sowie seines Lebens- und Berufskreises zuzumutenden Anspannung des Gewissens die Einsicht in das Unrechtmäßige seines Handelns nicht zu gewinnen vermochte. Das setzt voraus, daß er alle seine geistigen Erkenntniskräfte eingesetzt und etwa aufkommende Zweifel durch Nachdenken oder erforderlichenfalls durch Einholung von Rat beseitigt hat. Wird die Rechtsauffassung des Täters durch eine gerichtliche oder behördliche Entscheidung oder durch die Rechtsauskunft einer sachkundigen, unvoreingenommenen und mit der Erteilung der Auskunft keinerlei Eigeninteresse verfolgenden Person bestätigt, begründet dies die Unvermeidlichkeit eines Irrtums, wenn der Täter auf die Richtigkeit der Entscheidung oder Auskunft vertraut hat und nach den für ihn erkennbaren Umständen auch vertrauen durfte (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1999 - 2 StR 365/99 -).

Das Oberlandesgericht hat zu Recht angenommen, daß ein Irrtum des Betroffenen über die Versicherungspflicht nicht schon deshalb unvermeidbar war, weil die Oberfinanzdirektion Chemnitz in ihrem Schreiben vom 11. Dezember 1997 die Rechtsansicht vertreten hat, es bestünde keine Versicherungspflicht, wenn keine selbständige Berufsausübung beabsichtigt sei. Vielmehr war der Betroffene gehalten, eine Rechtsauskunft der zuständigen Stelle, nämlich seiner Berufskammer, einzuholen. Nur auf deren Auskunft hätte er vertrauen dürfen (vgl. OLG Frankfurt/Main DStR 1996, 1304). Dort wäre ihm mitgeteilt worden, daß er versicherungspflichtig war.

3. Die Bemessung der Sanktion enthält keinen durchgreifenden Rechtsfehler. Der Senat schließt aus, daß ohne die möglicherweise bedenkliche (vgl. BGH NStZ 1998, 244) Erwägung von der fehlenden Einsicht eine mildere berufsgerichtliche Maßnahme verhängt worden wäre.

Externe Fundstellen: BGHSt 46, 67; NJW 2000, 2366

Bearbeiter: Rocco Beck