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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 590/00, Beschluss v. 08.03.2001, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 590/00 - Beschluß v. 8. März 2001 (LG Traunstein)

Freiheitsberaubung; Begriff des Einsperrens (Überwindbarkeit)

§ 239 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Eine Einsperrung im Sinne des § 239 Abs. 1 StGB muß nicht unüberwindlich sein. Es genügt, daß die Benutzung der zum regelmäßigen Ausgang bestimmten Vorrichtungen für den Zurückgehaltenen ausgeschlossen erscheint. Dazu kann es ausreichen, daß für ihn unter den gegebenen Umständen die Entfernung auf außergewöhnlichem Wege oder mit ungewöhnlichen Mitteln nicht in Betracht kommt.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 25. September 2000 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat zur Verurteilung des Angeklagten wegen Freiheitsberaubung in zehn Fällen (Ziffer I. 7. der Urteilsgründe):

Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe S. jeweils im abgesperrten Keller eingesperrt und ihn dadurch seiner Freiheit beraubt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Eine Einsperrung im Sinne des § 239 Abs. 1 StGB muß nicht unüberwindlich sein. Es genügt, daß die Benutzung der zum regelmäßigen Ausgang bestimmten Vorrichtungen für den Zurückgehaltenen ausgeschlossen erscheint. Dazu kann es ausreichen, daß für ihn unter den gegebenen Umständen die Entfernung auf außergewöhnlichem Wege oder mit ungewöhnlichen Mitteln nicht in Betracht kommt (vgl. RGSt 8, 210, 211; Eser in Schönke/ Schröder, StGB 26. Aufl. § 239 Rdn. 6; Horn in SK-StGB § 239 Rdn. 5). So lag es hier. Nach den Feststellungen getraute sich der zur Tatzeit 16 bzw. 17jährige S. aus Angst vor weiteren Sanktionen und Schlägen (UA S. 13) und weil er sonst im Freien hätte übernachten müssen (UA S. 28) nicht, die Kellerschachtsicherung mittels eines Werkzeuges zu entfernen und so aus dem Kellerraum zu flüchten. Wenn der Tatrichter dies dahin würdigt, damit sei neben der Einsperrung durch Absperren des Kellers für das Opfer eine unüberwindliche psychische Schranke vor einer Flucht auf schwierigem und außergewöhnlichem Wege errichtet gewesen, so ist das tragfähig und aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dem steht auch nicht entgegen, daß N. S. in einem weiteren Fall, der zeitlich nach den als Freiheitsberaubung abgeurteilten Taten liegt, tatsächlich von der Fluchtmöglichkeit Gebrauch machte, denn im Anschluß daran versteckte er sich zwei Tage im Obergeschoß des Hauses hinter Umzugskartons, übernachtete dann bei einem Freund und begab sich schließlich freiwillig in ein Heim (UA S. 10). Dieser Geschehensablauf verdeutlicht ohne weiteres, daß die schließlich doch von ihm geschöpfte Kraft, die psychische Barriere vor der technisch möglichen Flucht aus dem abgesperrten Keller zu überwinden, jedenfalls für die zeitlich davorliegenden Freiheitsberaubungen nicht der Wertung entgegenstand, bis dahin sei das Eingesperrtsein für S. unter den bestehenden Rahmenbedingungen faktisch unüberwindlich gewesen.

Der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, daß das Landgericht zehn Fälle der Freiheitsberaubung als Mindestzahl gleichgelagerter Handlungen des Angeklagten innerhalb des bezeichneten Zeitraumes angenommen hat. Auch das begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Externe Fundstellen: NStZ 2001, 420

Bearbeiter: Karsten Gaede