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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 428/00, Beschluss v. 17.10.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 428/00 - Beschluß v. 17. Oktober 2000 (LG München I)

Voraussetzungen der Unterbringungsanordnung

§ 63 StGB; § 20 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Eine Unterbringungsanordnung gemäß § 63 StGB setzt voraus, daß entweder die Voraussetzungen von § 20 StGB oder zumindest die Voraussetzungen des § 21 StGB sicher ("positiv") feststehen. Dabei kommt es entscheidend auf den Zustand des Täters zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung an.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 13. April 2000 mit Ausnahme der Feststellungen zu den rechtswidrigen Taten aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1. Die Strafkammer hat festgestellt, daß der Angeklagte zwischen Januar 1998 und August 1999 insgesamt 23 mit Strafe bedrohte Handlungen begangen hat, darunter 18 Diebstähle. Es handelte sich hierbei überwiegend um Diebstähle aus unverschlossenen Pkw's, bei denen der Angeklagte neben Radios und sonstigen Gegenständen vor allem Dokumente (Ausweise, Scheckkarten u.a.) erbeutete. Die übrigen Taten stehen im Zusammenhang mit Bemühungen des Angeklagten, die Beute zu verwerten, z. B. mit Hilfe der Scheckkarten einzukaufen.

Die Strafkammer hat den Angeklagten wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und hat gemäß § 63 StGB seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

2. Die auf die insoweit nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO), soweit sie sich gegen die Feststellungen zu den rechtswidrigen Taten richtet.

3. Im übrigen kann das Urteil keinen Bestand haben (§ 349 Abs. 4 StPO).

a) Beim Angeklagten trat erstmals etwa 1975 eine Psychose auf. Eine Reihe von Ermittlungsverfahren wurde wegen Schuldunfähigkeit eingestellt; 1983 wurde er wegen mehrerer Diebstähle, Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und anderer Delikte in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Näheres ist hierzu nicht mitgeteilt.

Zwischen 1990 und 1997 war der Angeklagte im Arbeitsleben integriert. In dieser Zeit war "die psychotische Persönlichkeitsstörung nur mäßig ausgeprägt". Nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes hat sich seine Persönlichkeit "wieder zum Negativen verändert".

b) Auf der Grundlage dieser auch insoweit nicht näher ausgeführten Feststellungen kommt die Strafkammer zu dem Ergebnis, es könne "nicht gesagt werden", ob die Persönlichkeitsstörung "zur Tatzeit abgeklungen war oder noch fortbestand". Es sei aber "nicht auszuschließen, daß ... Kritikfähigkeit und Impulskontrolle soweit aufgehoben waren, daß zumindest die Voraussetzungen des § 20 StGB nicht auszuschließen sind. Möglicherweise war auch die Willensfähigkeit des Angeklagten aufgehoben, so daß die Voraussetzungen des § 20 StGB zeitweise sogar positiv gegeben waren".

c) Eine Unterbringungsanordnung gemäß § 63 StGB setzt voraus, daß entweder die Voraussetzungen von § 20 StGB oder zumindest die Voraussetzungen des § 21 StGB sicher ("positiv") feststehen (st.Rspr., vgl. die Nachweise bei Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 63 Rdn. 4).

Die Feststellung, daß die Voraussetzung des § 20 StGB "möglicherweise ... positiv gegeben waren" ist schon in sich unklar. Was nur möglicherweise der Fall ist, steht nicht sicher fest.

Da die Strafkammer offen läßt, ob die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten zur Zeit der Taten abgeklungen war, ergibt auch eine Gesamtschau der Urteilsgründe nicht, daß beim Angeklagten zumindest die Voraussetzungen des - von der Strafkammer nicht ausdrücklich angesprochenen - § 21 StGB sicher vorlagen.

4. Schon allein dies führt dazu, daß die Unterbringungsanordnung keinen Bestand haben kann.

Im übrigen wird die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer zu beachten haben, daß es entscheidend auf den Zustand des Täters zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung ankommt (vgl. Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 63 Rdn. 12, vor § 61 Rdn. 10 m.w.Nachw.). Hier könnte die bisher nicht näher ausgeführte Annahme, daß (möglicherweise) "zeitweise" die Voraussetzungen des § 20 StGB vorlagen, dafür sprechen, daß es Änderungen im Zustand des Angeklagten gab oder gibt.

Im übrigen wird auch gegebenenfalls die bisher weitgehend unterbliebene Gesamtwürdigung hinsichtlich der Erheblichkeit der künftig zu erwartenden Taten und der daraus resultierenden Gefährlichkeit des Angeklagten (vgl. hierzu insgesamt Stree aaO § 63 Rdn. 13 ff. m.w.Nachw.) nachzuholen sein.

Bearbeiter: Karsten Gaede