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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 328/00, Beschluss v. 10.08.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 328/00 - Beschluß v. 10. August 2000 (LG Stuttgart)

Verwerfung der Revision als unbegründet; Tatauswirkungen

§ 349 Abs. 2 StPO; § 46 StGB

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 23. Februar 2000 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Ergänzend zum Vorbringen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

Die Geschädigte hat einen Selbstmordversuch begangen, nachdem sie "aus dem Umfeld" des Angeklagten mit dem Ziel, sie zur Zurücknahme ihrer Anzeige zu veranlassen, massiv bedroht worden war. Daß dies auf Veranlassung des Angeklagten geschehen sei, ist nicht festgestellt. Gleichwohl begegnet die von der Strafkammer vorgenommene strafschärfende Berücksichtigung dieses Nachtatgeschehens keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken: Auswirkungen der Tat können dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn sie für den Täter (zum Tatzeitpunkt) vorhersehbar waren (st. Rspr., vgl. nur BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatauswirkungen 4 m.w.N.). Die Strafkammer hat ausdrücklich festgestellt, daß die genannten Folgen für den Angeklagten vorhersehbar waren, hat diese Annahme allerdings nicht näher begründet. Jedoch ist allgemein bekannt, daß zumal gewaltsam begangene Sexualdelikte zu auch sehr schwerwiegenden psychischen Folgen beim Opfer führen können; daher bedarf die Annahme, daß solche Folgen einer Sexualstraftat für den Täter, wenn auch nicht notwendig in allen Einzelheiten, so doch in ihrem Kern vorhersehbar waren, keiner näheren Darlegung, wenn nicht besondere Umstände vorliegen (BGH, Beschluß vom 13. März 1997 1 StR 72/97 -, insoweit in StV 1999, 195 nicht abgedruckt; vgl. auch zusammenfassend G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung 2. Aufl. Rdn. 241 m.w.N.).

Der Senat hat erwogen, ob hier deshalb derartige Umstände vorliegen, weil der Selbstmordversuch der Geschädigten unmittelbar erst durch den auf sie ausgeübten Druck, die Anzeige zurückzunehmen, ausgelöst wurde. Dies war jedoch zu verneinen: Die Urteilsfeststellungen ergeben, daß die zuvor "unbekümmerte" Geschädigte, die nach der Tat "wie gelähmt" war und bei der Anzeigeerstattung Weinkrämpfe erlitt, schon durch das eigentliche Tatgeschehen erheblich psychisch beeinträchtigt wurde. Diese Beeinträchtigung hat sich ersichtlich im nachfolgenden Geschehensablauf weiter ausgewirkt. Bei der Frage, warum schwerwiegende Folgen, die auf durch die Tat verursachte psychische Schäden zurückgehen, letztlich ausgelöst wurden, können hinsichtlich der Vorhersehbarkeit für den Täter und des Umfangs der in diesem Zusammenhang gebotenen Darlegungen keine anderen Maßstäbe gelten, als hinsichtlich der Frage, wie sich diese Schäden im einzelnen ausgewirkt haben. Es ist im Kern ohne weiteres vorhersehbar, daß alles, was mit einem nachfolgenden Strafverfahren zusammenhängt, für das durch die Tat psychisch geschädigte Opfer eines Sexualdelikts äußerst belastend sein und auch zu schwerwiegenden selbstschädigenden Handlungen führen kann. Daher waren auch insoweit nähere Ausführungen nicht zwingend geboten.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Einer Entscheidung über den Antrag von Rechtsanwältin T. aus R. vom 8. Mai 2000, ihre Bestellung als Beistand für die Nebenklägerin auf das Rechtsmittelverfahren auszudehnen, bedarf es nicht, da sie von der Strafkammer durch Beschluß vom 19. Januar 2000 zum Beistand für die Nebenklägerin bestellt worden ist und diese Bestellung auch für das Revisionsverfahren gilt (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO, 44. Aufl. § 397a Rdn. 17).

Bearbeiter: Karsten Gaede