HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

März 2012
13. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Die "sole or decisive”-Regel zur Würdigung nicht konfrontierter Zeugenaussagen – not so decisive anymore

Besprechung zum Urteil EGMR HRRS 2012 Nr. 1 (Al-Khawaja and Tahery vs. UK)

Von Prof. Dr. Frank Meyer, LL.M, Universität Zürich

I. Einleitung

Die Spruchpraxis des EGMR zum Konfrontationsrecht des Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK ist wohl das komplexeste Gebilde in der Rechtsprechung zum Fairnessgrundsatz. Vor allem die Heranziehung nicht konfrontierter Zeugenaussagen gestaltet sich für die Strafverfolgungsorgane wie ein Hürdenlauf, bei dem man leicht ins Straucheln geraten kann. Vor der Ziellinie ragte zudem oftmals eine schier unüberwindbare Mauer auf: die "sole or decisive"-Regel, wonach eine nicht konfrontierte Zeugenaussage weder die einzige noch die entscheidende Grundlage einer Verurteilung bilden durfte. Diese Mauer hat die Große Kammer mit ihrem Urteil in "Al-Khawaja u. Tahery" eingerissen und durch eine einfache Hürde ersetzt, welche die Strafverfolgungsbehörden, je nach den Möglichkeiten ihres Kriminaljustizsystems, überspringen oder umlaufen können. Damit erreicht vor allem das Vereinigte Königreich als Beschwerdegegnerin ihr Ziel. Die Entscheidung der Großen Kammer muss vor dem Hintergrund eines Angriffs höchster englischer Gerichte auf die "sole or decisive"-Regel gesehen werden. In den Ausgangsverfahren der Beschwerdeführer Al-Khawaja und Tahery hatten sich die zuständigen Gerichte durch die "sole or decisive"-Regel unangemessen eingeengt und der Möglichkeit beraubt gefühlt, über eine Sicherstellung der Verlässlichkeit der Zeugenaussage auf anderem Wege doch zu einer Verwertung bzw. Verurteilung kommen zu können. Dabei gingen die englischen Gerichte davon aus, dass der Criminal Justice Act of 2003 ihnen diese Möglichkeit verschaffte und sich daher als angemessener, von der EMRK zu akzeptierender alternativer Pfad zur Wahrung der Verfahrensfairness darstellte. Der EGMR hat diesem Ansinnen zunächst eine deutliche Absage erteilt[1] und im Schrifttum die Hoffnung geweckt, dass er zumindest den Kern des Konfrontationsrechts als ein zwingendes Mindestrecht einstufen würde, das den allgemeinen Fairnessgedanken in Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht nur illustriert und damit keiner Gesamtabwägung mehr zugänglich ist[2]. Der Supreme Court des Vereinigten Königreichs legte in der Entscheidung R v. Horncastle and others (2009 UKSC 14) jedoch nach und entschied sich unter ausdrücklichem Widerspruch gegen das Urteil des EGMR dafür, die "sole or decisive"-Regel nicht anzuwenden. Beschwichtigend fügte Lord Phillips hinzu, dass der Gerichtshof hoffentlich umgehend Gelegenheit finden werde, sich mit den Gründen des Supreme Court aufgeschlossen auseinanderzusetzen. Diese Einladung zum interjustiziellen Diskurs griff die Große Kammer auf. Ihre Antwort soll im Anschluss im Kontext der EGMR-Rechtsprechung zu Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK knapp dargelegt werden (II.), bevor im Schlussabschnitt auf die grundrechts- und prozessdogmatischen Folgen der Entscheidung eingegangen wird (III.).

II. Das Konfrontationsrecht in Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK und seine Fortbildung in "Al Khawaja u. Tahery"

Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK verlangt, dass Beweise in Anwesenheit des Angeklagten in der (mündlichen) Hauptverhandlung erhoben werden und dem Angeklagten gestattet wird, Belastungszeugen in angemessener und ausreichender Weise zu befragen, um deren Glaubwürdigkeit auf die Probe stellen zu können.[3] Dieses Konfrontationsrecht findet auf alle Verfahrensmodelle Anwendung. Anders als die englischen Gerichte den EGMR in kühner Weise glauben machen wollten, ist es in seiner konkreten Form nicht konstruiert worden, um Schwächen des kontinentalen Verfahrensmodells zu kurieren. Einer – insofern konsequenten – Forderung nach einer Befreiung von den strengen Vorgaben des Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK für common law-Systeme erteilt die Große

Kammer eine Absage;[4] nicht ohne süffisant anzumerken, dass sich die zu behandelnde Rechtsfrage gar nicht hätte stellen können, wenn die englischen Gerichte den geschilderten und rechtsvergleichend substantiierten traditionellen Hearsay-Regeln des common law selber noch folgen würden.[5]

Die Große Kammer wendet sich dann dem konkreten Fall zu und durchmisst das gesamte komplexe Rechtsprechungsgebäude von Abs. 3 lit. d. So hält die Große Kammer eingangs im Einklang mit seiner ständigen Rechtsprechung fest, dass das Konfrontationsrecht nicht absolut ist, sondern Einschränkungen zulässt, soweit sie aus sachlichen Gründen dringend notwendig (strictly necessary) sind und sich auf das unerlässliche Maß beschränken.[6] Zu den sachlichen Gründen (good reason for non-attendance) gehören auch eine tatsächliche Unmöglichkeit oder die Furcht von Zeugen. Vorliegend war die Verlesung früherer Aussagen erfolgt, weil der entscheidende Zeuge Selbstmord begangen hatte (Al-Khawaja) oder aus Furcht (Tahery) nicht in der Hauptverhandlung aussagen wollte. Die Große Kammer unterscheidet zwei Arten von Furcht: Furcht, die auf Drohungen des Beschuldigten zurückzuführen ist oder allgemeine Furcht vor den möglichen Folgen einer Aussage vor Gericht.[7] Bei zurechenbaren Drohungen darf sich der Angeklagte nicht mehr auf Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK berufen. Bei allgemeiner Furcht muss diese objektivierbar sein und mit den Verteidigungsinteressen abgewogen werden. Eine so begründete Abwesenheit, die sich auf das unumgängliche Mindestmaß beschränken muss, wäre überdies durch andere Maßnahmen zu kompensieren. Die Große Kammer räumt ein, dass gerade die Abgrenzung zwischen einer rein subjektiv eingebildeten Furcht und objektivierbaren Drohungen in der Praxis oft schwerfallen mag. Das Tatgericht müsse sich dieser Differenzierungsaufgabe aber stellen und effektiv ermitteln, welcher Art die Furcht eines nicht erscheinungswilligen Zeugen ist.[8] Die Große Kammer präzisiert damit zugleich die Anforderungen zur Erfüllung des besonders strengen Begründungserfordernisses für die Fallkategorie der Furcht.

Liegt ein begründeter, sachlicher Grund für die fehlende konfrontative Befragung vor und konnten auch keine Ausgleichmaßnahmen für erlittene Nachteile bei der Kontrolle von Belastungszeugen getroffen werden, ist eine besonders sorgfältige Beweiswürdigung vorzunehmen.[9] Der Beweiswert nicht konfrontierter Zeugenaussagen ist als deutlich verringert anzusetzen. In keinem Fall durfte die Verurteilung bisher allein oder in entscheidendem Ausmaß (solely or to a decisive degree) auf die Aussagen eines anonymen oder nicht zugänglichen Zeugen gestützt werden.[10] Als entscheidend gilt ein Beweismittel erst dann, wenn es für den Ausgang des Verfahrens in vorhersehbarer Weise oder ausweislich des vorliegenden Urteils bestimmend (determinative) war.[11] Diese Prüfung ist in großem Masse auch von den vorhandenen weiteren Beweismitteln und ihrem Beweiswert abhängig. Dass die Bestimmung, was "sole" oder "decisive" ist, im Einzelfall durchaus Schwierigkeiten bereiten kann, ist der Großen Kammer bewusst, doch befindet sie zu Recht, dass eine solche Einstufung durch Berufsrichter bei Abschluss der Beweisaufnahme möglich sein muss.[12] Im Fall "Al Khawaja" hätte die Sache damit schon erledigt sein können, weil ersichtlich ausreichende andere Erkenntnisquellen vorlagen. Weil die Große Kammer im Prozessverhalten des Tatgerichts implizit eine andere Einschätzung erkennen wollte, wurde die "sole or decisive"-Regel aber entscheidungserheblich. Im Fall "Tahery" hing die Verurteilung von vornherein einzig und allein von der Aussage des furchtsamen Hauptbelastungszeugen ab.

Im Anschluss an "Lucà" und die Kammerentscheidung in "Al-Khawaja u. Tahery" war davon ausgegangen worden, dass diese Regel absolut zu verstehen war[13] und die Konventionsstaaten eine nicht konfrontierte Aussage selbst dann nicht verwerten durften, wenn sie kein Verschulden an der Prozesslage traf oder sie über andere Möglichkeiten zu verfügen glaubten, um die Glaubhaftigkeit der Aussage sicherzustellen. Mit der Bedeutung des Konfrontationsrechts als rechtliches Minimum (minimum right) schien es unvereinbar, seine Unterschreitung in einer Gesamtbetrachtung durch Heranziehung anderer Faktoren aufzuwiegen.[14] Die lange erwartete Leitentscheidung der Großen Kammer v. 15.12.2011 präzisiert jetzt das Verhältnis des Konfrontationsrechts in Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK zum Gesamtrecht. Die Große Kammer stellt ganz im Sinne der englischen Gerichte klar, dass Verletzungen von Abs. 3 lit. d, wie es auch schon für andere Teilrechte des Abs. 3, z. B. Abs. 3 lit. c, angenommen worden war, nicht automatisch zu einem Fairnessverstoß führen, sondern als besonders gewichtig in eine Gesamtwürdigung des Verfahrens einzubeziehen sind.[15] Die "sole or

decisive"-Regel sei zu starr und unflexibel, weil sie verbleibende Möglichkeiten absolut ausschließe, sich anderweitig von der Zuverlässigkeit der Information zu überzeugen. Die Große Kammer will damit zugleich eine Anpassung an die (schon jetzt flexiblere) Behandlung von anderen Art. 6 Abs. 3 EMRK-Verstößen erreichen.[16]

Künftig soll im Rahmen einer Gesamtbewertung zu ermitteln sein, ob das betreffende Kriminaljustizsystem angemessene Schutzmechanismen und Verfahrensregeln zum Ausgleich der Verkürzung des Konfrontationsrechts zur Verfügung stellt, die eine faire und einwandfreie Bewertung der Zuverlässigkeit des Beweismittels gestatten. Wegen der Gefahren, die mit der Zulassung solcher Beweise verbunden sind, müssen dabei strengste Maßstäbe angelegt werden (most searching scrutiny). Präzisierend ist dazu anzumerken, dass die "sole or decisive"-Regel auf zwei Haupterwägungen beruht, nämlich einerseits dem (substanziellen) Risiko, dass bewusst unwahre oder schlicht falsche Aussagen nicht mehr ausgeschlossen werden können und andererseits, dass dem Angeklagten (prozessual) keine Möglichkeit zu einer effektiven Verteidigung bleibt. Wie und durch welche ausgleichenden Schutzvorkehrungen diesen Risiken begegnet werden kann, bleibt jedoch zumindest für die zweite prozedurale Ratio relativ offen. Lässt sich die Verlässlichkeit des Beweismittels belegen, droht die Frage der wirksamen Verteidigung dagegen nachrangig zu werden. Nicht zuletzt aus diesem Grund findet im US-amerikanischen Prozessrecht eine untrennbare Verquickung beider Erwägungen statt. Jeder entscheidungsrelevante Beweis vom Hörensagen gilt als inhärent unzuverlässig, wenn er nicht im Kreuzverhör "getestet" wurde. Ausgerechnet diese ursprüngliche (dem common law entstammende) Grundannahme des Konfrontationsrechts wird von der Großen Kammer verworfen.[17] Auch wenn die Große Kammer weiterhin kompensierende prozedurale Elemente einfordert, liegt ihr Hauptaugenmerk doch bei der substanziellen Komponente. Entscheidend ist die Gewährleistung der tatsächlichen Verlässlichkeit der Zeugenaussage.

Die Große Kammer prüft dann das Vorliegen hinreichender schützender und kompensierender Verfahrensregelungen. Nicht genügen soll die bloße Belehrung der Jury (jury instructions) über die Gefahren des Beweises vom Hörensagen und dessen stark geschmälerten Beweiswert[18] oder die abstrakte Möglichkeit des Angeklagten, durch eigene Aussage oder Benennung von Zeugen den Gegenbeweis zu erbringen. Andererseits hält die Kammer es für möglich, im Rahmen einer normalen Beweisaufnahme unzulässige Beweismittel zuzulassen, welche Glaubwürdigkeit oder Aussagekonsistenz des abwesenden Zeugen erschüttern könnten.[19] Stellt sich am Ende heraus, dass keine anderen Maßnahmen zur Sicherstellung der Verlässlichkeit anstelle einer Konfrontation verfügbar sind, ist aus Sicht der Großen Kammer die Durchführung eines fairen Verfahrens auch in der Gesamtbewertung nicht mehr möglich.[20] Bei Anlegung eines strengen Prüfungsmaßstabs ist letztlich also möglicherweise alles doch nur "halb so wild". Die "sole or decisive"-Regel verliert zwar ihren absoluten Anspruch, bleibt aber ein strenges Instrument zum Schutz des Konfrontationsrechts. Pessimisten könnten demgegenüber zu der Vermutung neigen, dass gerade Tatgerichte weidlich von der neuen Freiheit Gebrauch machen werden. Es wird dann zuallererst darauf ankommen, ob das Gericht sich selbst von der Verlässlichkeit des nicht konfrontierten Beweismittels überzeugen kann. Im Anschluss käme es dann zu einer primär argumentativen Übung, das objektive Vorliegen der Zuverlässigkeit und hinreichender schützender Ausgleichsmechanismen im Urteil überzeugend darzulegen. Wie das funktioniert, ist von den diversen Beweiswürdigungslösungen zur Vermeidung von Beweisverwertungsverboten weidlich bekannt. Die Ausführungen der Großen Kammer geben sowohl zur Hoffnung als auch zur Sorge Anlass. Im Fall "Tahery" ließ die Große Kammer die theoretische Möglichkeit zum Gegenbeweis auch in Kombination mit sorgfältigen jury instructions nicht genügen.[21] Im Fall "Al Khawaja" setzte sich die Große Kammer dagegen sogar über unzureichende jury instructions hinweg, die gerade ein Mindestschutzelement sein sollten und konstruierte die Existenz ausreichender Sicherungsmechanismen, um das für richtig erkannte Ergebnis erzielen zu können, obgleich sie in der Sache primär das (gut begründbare und schon vorher zu prüfende) Vorliegen anderer ausreichender Beweise betrafen.

III. Die Folgen für das Konfrontationsrecht

Die "sole or decisive"-Regel durfte bislang aus guten Gründen zum nicht hintergehbaren Wesensgehalt des Konfrontationsrechts gerechnet werden.[22] Die Große Kammer nimmt ihr diese besondere Bedeutung und gibt das Konfrontationsrecht in seiner bisherigen Begründung als Mindestgarantie bedauerlicherweise auf.[23] Soweit sich die Verlässlichkeit des nicht konfrontierten Beweises auf einem anderen fairen Weg gewährleisten lässt, will die Große Kammer aus einer Verletzung von Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK nicht mehr automatisch auf die Verletzung des Gesamtrechts schließen. Sie öffnet den Wesenskern des Konfrontationsrechts damit für prozesssystem- und rechtskulturadäquate Ausgleichsmechanismen in den Vertragsstaaten; wie z. B. den Criminal Justice Act of

2003 und Police and Criminal Evidence Act 1984. Die Position der staatlichen Strafverfolgungsorgane wird dadurch sowohl gegenüber dem Beschuldigten als auch gegenüber der EMRK deutlich gestärkt.

Vieles wird in der Zukunft gleichwohl davon abhängen, wie "substanziell" oder "prozedural" der EGMR die nunmehr erforderlichen Schutz- und Ausgleichsmechanismen verstehen wird. Seine Ausführungen lassen ein signifikantes Übergewicht bei der substanziellen Komponente erkennen. Aber auch prozedurale Aspekte sind präsent. Doch verlieren sie sich ebenso wie die einschlägigen streitgegenständlichen Normen des Vereinten Königreichs (insb. § 78 Police and Criminal Evidence Act 1984) in ihrer sprachlichen Vagheit. Diese ist ein Einfallstor für richterliches Ermessen und Garantin für ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit in einem elementaren Gewährleistungsbereich der Verteidigungsrechte. Letztlich ist den Ausführungen der Großen Kammer implizit, dass das Interesse der Rechtsgemeinschaft an effektiver Strafverfolgung grundsätzlich durchschlägt, wenn der Beweis intrinsisch verlässlich erscheint. Dabei schöpfen gerade die Mindestgarantien des Abs. 3 ihre Existenzberechtigung daraus, diesem Leitmotiv klare Grenzen aufzuzeigen und einen nicht abwägbaren Kerngehalt der Verfahrensfairness armieren.

Von einem europaweit gültigen Mindestlegitimationselement für die Fairness eines Strafverfahrens sinkt das Konfrontationsrecht nun zu einem, wenn auch schwergewichtigen, Gradmesser für die Anforderungen an alternative Wege zur Gewährleistung der Zuverlässigkeit von Zeugenaussagen und ausgleichenden Sicherungsmechanismen herab. Aus einem ehemals zwingenden subjektiven Recht wird de facto eine bloße Beweismethode, die im Prozess der Wahrheitsfindung nicht alternativlos ist. Es entbehrt nicht der Ironie, dass es (ausgerechnet) ein Common-Law-Land ist, das den wesensprägenden Grundpfeiler des Konfrontationsrechts in Europa zu Fall bringt. Freuen darf sich über diesen auch der BGH. Seiner im Schrifttum zuvor oft kritisierten Stufentheorie[24] wird durch die Große Kammer indirekt Absolution erteilt; ein echter windfall, der eine effektive fairnessgestützte Verteidigung in Zukunft noch schwerer machen dürfte. Die weithin praktizierte Wegabwägung fundamentaler, legitimitätsstiftender Verfahrensgarantien wird weiter erleichtert.


[1] EGMR, 20.1.2009, Al-Khawaja u. Tahery, Nr. 26766/05 u. 22228/06, Z. 26 = HRRS 2019 Nr. 459.

[2] Karpenstein/Mayer-Meyer, EMRK (2012), Art. 6 Rn. 209, 211.

[3] EGMR, 15.6.1992, Lüdi, Nr. 12433/86, Z. 47; EGMR, 23.4.1997, van Mechelen, 55/1996/674/861-864; EGMR, 31.10.2001, Solakov, Nr. 47023/99.

[4] EGMR, 15.12.2011 (GK), Al-Khawaja u. Tahery, Nr. 26766/05 u. 22228/06, Z. 109, 130 = HRRS 2012 Nr. 1.

[5] Als Basis dient ein rechtsvergleichender Abschnitt der Entscheidung, der mit den USA schließt; insb. die Crawford-Entscheidung des U.S. Supreme Court, U.S. S.C. No. 02-9410, Urt. v. 8. März 2004 (Crawford v. Washington), HRRS 2004 Nr. 690; dazu auch Walther HRRS 2004, 310, 315 ff.

[6] EGMR, 23.4.1997, van Mechelen, 55/1996/674/861-864, Z. 58; Demko ZStR 122 (2004), 416, 418 ff.; Wohlers ZStR 123 (2005), 144, 163 ff.

[7] EGMR, 15.12.2011 (GK), Al-Khawaja u. Tahery, Nr. 26766/05 u. 22228/06, Z. 122 = HRRS 2012 Nr. 1.

[8] EGMR, 15.12.2011 (GK), Al-Khawaja u. Tahery, Nr. 26766/05 u. 22228/06, Z. 124 = HRRS 2012 Nr. 1 – Es müssen sich objektive Gründe für die Furcht und Beweise für diese Gründe finden.

[9] Frowein/Peukert, EMRK, 3. Aufl. (2009), Art. 6 Rn. 310; Karpenstein/Mayer-Meyer (Fn. 2 ), Art. 6 Rn. 210.

[10] EGMR, 23.4.1997, van Mechelen, 55/1996/674/861-864, Z. 55, 63; EGMR, 26.3.1996, Doorson, Nr. 20524/92, Z. 76; EGMR, 27.2.2001, Lucà, Nr. 33354/96 = HRRS 2006 Nr. 62.

[11] EGMR, 15.12.2011 (GK), Al-Khawaja u. Tahery, Nr. 26766/05 u. 22228/06, Z. 131 = HRRS 2012 Nr. 1.

[12] EGMR, 15.12.2011 (GK), Al-Khawaja u. Tahery, Nr. 26766/05 u. 22228/06, Z. 134 = HRRS 2012 Nr. 1 .

[13] EGMR, 20.1.2009, Al-Khawaja u. Tahery, Nr. 26766/05 u. 22228/06, Z. 28 = HRRS 2009 Nr. 459 ; EGMR, 27.2.2001, Lucà, Nr. 33354/96, Z. 40 = HRRS 2006 Nr. 62.

[14] EGMR, 20.1.2009, Al-Khawaja u. Tahery, Nr. 26766/05 u. 22228/06, Z. 26 = HRRS 2009 Nr. 459 ; EGMR, 24.4.2007, V. gegen Finnland, Nr. 40412/98, Z. 73.

[15] EGMR, 15.12.2011 (GK), Al-Khawaja u. Tahery, Nr. 26766/05 u. 22228/06, Z. 147 = HRRS 2012 Nr. 1 .

[16] EGMR, 15.12.2011 (GK), Al-Khawaja u. Tahery, Nr. 26766/05 u. 22228/06, Z. 145 f . = HRRS 2012 Nr. 1 .

[17] EGMR, 15.12.2011 (GK), Al-Khawaja u. Tahery, Nr. 26766/05 u. 22228/06, Z. 139 = HRRS 2012 Nr. 1 .

[18] EGMR, 15.12.2011 (GK), Al-Khawaja u. Tahery, Nr. 26766/05 u. 22228/06, Z. 164 = HRRS 2012 Nr. 1 – Auch die eindringlichste jury instruction reiche allein nicht!

[19] EGMR, 15.12.2011 (GK), Al-Khawaja u. Tahery, Nr. 26766/05 u. 22228/06, Z. 149 = HRRS 2012 Nr. 1 .

[20] EGMR, 15.12.2011 (GK), Al-Khawaja u. Tahery, Nr. 26766/05 u. 22228/06, Z. 165 = HRRS 2012 Nr. 1 .

[21] EGMR , 15.12.2011 (GK), Al-Khawaja u. Tahery, Nr. 26766/05 u. 22228/06, Z. 159 = HRRS 2012 Nr. 1 .

[22] Dies betonen auch Judge Sajo und Judge Karakas in ihrer joint partly dissenting and partly concurring opinion. Sie fundieren dies mit einer Analyse des Fallrechts des Gerichtshofs. Daraus ergibt sich, dass die "sole or decisive"-Regel in eine Kategorie von Regeln fällt, deren Verletzung nicht wiedergutgemacht werden kann.

[23] Systematisch schwächt der EGMR damit grundsätzlich die Stellung der Teilrechte gegenüber dem Gesamtrecht.

[24] Ein Konventionsverstoß sollte nach Auffassung des BGH bei fehlerhafter Beweiswürdigung schon vor dem Urteil ausgeräumt werden können, wenn das Verfahren dem Gericht in seiner Gesamtheit einschließlich der Art und Weise der Beweiserhebung und -würdigung dennoch fair erschien (BGHSt 51, 150, 154 = HRRS 2007 Nr. 39 ; verfassungsrechtlich bestätigt durch BVerfG NJW 2010, 925 = HRRS 2009 Nr. 1114 ; KK-Schädler, 6. Aufl. ( 2008 ), Art. 6 Rn. 53; krit. Dehne -Niemann HRRS 2010, 189, 192 ff.; Karpenstein/Mayer-Meyer (Fn. 2 ), Art. 6 Rn. 214 ff. Der Großen Kammer des EGMR stand diese Rechtsfortbildung aufgrund seiner Rolle als supranationaler Menschenrechtsgerichtshof aber prozessdogmatisch wenigstens zu.