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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 917

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 585/24, Urteil v. 23.04.2025, HRRS 2025 Nr. 917


BGH 2 StR 585/24 - Urteil vom 23. April 2025 (LG Limburg a. d. Lahn)

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Beweiswürdigung: Gesamtschau; Verwendungsbereitschaft, Luftdruckwaffen; Verwendungsabsicht: Messer zum Portionieren, funktionseingeschränktes Springmesser, aggressives Verhalten des Angeklagten, Drogen- und Bargeldbestand in der Wohnung); Strafzumessung (Cannabis als weiche Droge).

§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG; § 34 KCanG; § 261 StPO

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Limburg a. d. Lahn vom 14. August 2024 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis, mit Besitz von Betäubungsmitteln und mit vorsätzlichem Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hat es ein sichergestelltes Smartphone eingezogen.

Mit ihrer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Rüge beanstandet die Staatsanwaltschaft die Nichtverurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision hat Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen erfolgte am 24. Januar 2024 eine Durchsuchung des von dem Angeklagten gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder genutzten Wohnhauses.

In den dem Angeklagten zuzuordnenden Räumlichkeiten wurde eine Tasche aufgefunden, in der sich u.a. 8.940 Euro Bargeld, 34,27 Gramm Amphetamin, 116 Ecstasy-Tabletten, 17,83 Gramm Kokain, 447,17 Gramm Haschisch, 7,37 Gramm Streckmittel, eine Feinwaage, fünf Messer (ein Springmesser, ein Teppichmesser, drei Klappmesser) sowie Schuldnerlisten befanden. Die Messer wiesen zum Teil bräunliche Verfärbungen auf und dienten der Portionierung von Betäubungsmitteln. Das Springmesser war in der Funktion eingeschränkt, da die Klinge nicht vollständig heraussprang und arretierte.

In einem Turnbeutel fanden sich weitere 17.950 Euro Bargeld, in einer Rewe-Tüte 1.090 Xanax-Tabletten, fünf Flaschen Hustensirup, 130 Tilidin-Tabletten - jeweils originalverpackt - sowie 121,99 Gramm Marihuana. Auf dem Nachttisch wurden weitere 3,32 Gramm Haschisch, auf dem Schreibtisch in einer Gürteltasche u.a. 4,06 Gramm Haschisch, ca. 70 Xanax-Tabletten, 20 Tilidin-Tabletten, 18 Oxydolor-Tabletten, 2,47 Gramm Marihuana und 0,92 Gramm Kokain sichergestellt.

Verteilt an verschiedenen Stellen in der Wohnung verwahrte der Angeklagte drei Luftdruckpistolen und -revolver, getrennt davon zugehörige Luftdruckwaffenmunition und für den Betrieb erforderliche Gaskartuschen. Um die Luftdruckwaffen schussbereit zu machen, hätte ein in der Waffenhandhabung geübter Schütze etwa eine Minute benötigt.

Das aufgefundene Bargeld von insgesamt 26.890 Euro, auf dessen Rückzahlung der Angeklagte verzichtet hat, stammte weit überwiegend aus vorangegangenen Betäubungsmittelgeschäften, die der Angeklagte bereits seit mehreren Jahren betrieb. Daneben hatte er noch offene Forderungen gegen seine Abnehmer in Höhe von ca. 10.000 Euro.

Die aufgefundenen Xanax-Tabletten waren überwiegend zum Eigenkonsum bestimmt, ebenso 2,47 Gramm Marihuana und 7,38 Gramm Haschisch. Sämtliche übrigen Betäubungs- und Arzneimittel wollte der Angeklagte gewinnbringend verkaufen. So fanden sich auf dem Mobiltelefon des Angeklagten selbst erstellte „Werbevideos“, in denen dieser Betäubungsmittel und Arzneimittel anpreist und auf denen einzelne der aufgefundenen CO2-Waffen nebst Munition und Geldbündel zu sehen sind. Die Übergabe der bestellten Betäubungs- und Arzneimittel erfolgte stets im öffentlichen Raum, wobei der Angeklagte keine der Luftdruckwaffen und keines der Messer mit sich führte.

2. Die Voraussetzungen eines bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG hat die Strafkammer nicht festzustellen vermocht. Die Luftdruckpistole und die Luftdruckrevolver hätten nur mit erheblichem Zeitaufwand von mindestens einer Minute schussbereit gemacht werden können und seien damit nicht verwendungsfähig gewesen. Die in der Tasche mit den Betäubungsmitteln aufgefundenen fünf Messer seien zwar zur Verletzung von Personen geeignet, aber nicht dazu bestimmt gewesen.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

1. Der Schuldspruch enthält Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten. Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft und lässt die gebotene Gesamtwürdigung aller beweisrelevanten Umstände vermissen. Zum einen fehlt es an einer geschlossenen Darstellung der Einlassung des Angeklagten, zum anderen hat sich das Landgericht nicht hinreichend mit der Zweckbestimmung der zusammen mit den Drogen in einer Tasche verwahrten fünf Messer auseinandergesetzt.

a) Die Beweiswürdigung ist lückenhaft, weil es an einer geschlossenen Darstellung dazu fehlt, was genau der Angeklagte hinsichtlich der Verwendung der Messer ausgesagt hat, insbesondere warum er eine Vielzahl von Messern in der Tasche mit den Drogen bereithielt.

b) Zudem ist die Beweiswürdigung auch deshalb lückenhaft, weil sich das Landgericht nicht im erforderlichen Umfang damit auseinandergesetzt hat, ob die bereitgehaltenen fünf Messer - zumindest auch - Verteidigungszwecken dienten. So wäre eine Gesamtschau hinsichtlich aller Waffen (Schusswaffen und Messer) und hinsichtlich des Verhaltens des Angeklagten bei der Durchsuchung seiner Wohnung vorzunehmen gewesen.

aa) Zwar hat das Landgericht - sachverständig beraten - rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die drei bereitgehaltenen Luftdruckwaffen nicht ohne erheblichen Zeitaufwand schussbereit hätten gemacht werden können, so dass insoweit mangels Verwendungsbereitschaft der Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht erfüllt war (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2020 - 3 StR 433/19, NStZ 2020, 554 Rn. 17 ff.).

bb) Zu den Messern führt die Strafkammer aus, diese seien zwar zur Verletzung von Personen geeignet, aber von dem Angeklagten nicht zur Verletzung von Personen, sondern lediglich zum Portionieren der Betäubungsmittel bestimmt gewesen. Entgegenstehende Feststellungen hätten sich nicht treffen lassen, zumal die Klingen des Springmessers und eines Klappmessers bräunliche Verfärbungen aufgewiesen hätten.

Dabei lässt das Landgericht außer Acht, dass nur an zwei von fünf Messern entsprechende Anhaftungen gefunden wurden, und erörtert nicht, warum für das Portionieren gleich fünf Messer notwendig gewesen sein sollen. Im Übrigen stünde einer Verwendungsabsicht nicht entgegen, dass ein Teil der Messer unter anderem dem Schneiden von Haschischplatten diente, zumal das Springmesser - weil funktionseingeschränkt - zwar nicht unter das Waffengesetz fällt, es sich aber nach dessen Anl. 1 zu § 1 Abs. 4, Abschnitt 1, Unterabschnitt 2, Nr. 2.1.1 grundsätzlich um eine gekorene Waffe handelt, die - sofern gebrauchsbereit im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG - regelmäßig zur Verletzung von Personen geeignet und vom Täter auch dazu bestimmt ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - 1 StR 78/14, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 WaffG 2 Rn. 21 mwN).

Hinsichtlich der Absicht zur Verwendung der Messer hätte das Landgericht auch das hochaggressive Verhalten des Angeklagten bei der Durchsuchung seiner Wohnung in den Blick nehmen müssen. Zwar bezeichnet sich der Angeklagte selbst als „der freundliche Dealer von nebenan.“ Allerdings mussten ihm bei der Durchsuchung wegen seines bedrohlichen Auftretens gegenüber den Polizeibeamten Handfesseln angelegt werden. So äußerte er gegenüber den Beamten mehrfach, „dass er durch die geschlossene Badezimmertür geschossen hätte, wenn er seine Waffen zur Hand gehabt hätte. … Wenn man ihn in seinem Bett angetroffen hätte, hätte er sofort Zugriff auf seine Waffe gehabt und ohne zu zögern auf die Polizei geschossen.“ Zusätzlich zu dieser hochaggressiven Grundeinstellung hat das Landgericht auch nicht in seine Überlegungen einbezogen, dass der Angeklagte in seiner Wohnung zusammen mit den Drogen Bargeld aus dem Betäubungsmittelhandel in Höhe von insgesamt 26.890 Euro aufbewahrte, was einen eigenständigen und zusätzlichen Anreiz beinhaltete, seine Interessen auch unter Zugriff auf vorhandene gefährliche Gegenstände durchzusetzen (BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 - 1 StR 394/16, NStZ 2017, 714 Rn. 17).

c) Die Aufhebung der Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfasst auch die Verurteilung nach dem Konsumcannabisgesetz und die an sich rechtsfehlerfreie Verurteilung nach dem Arzneimittelgesetz, da sämtliche Tatbestände tateinheitlich verwirklicht wurden.

2. Damit bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung.

Der Senat weist daraufhin, dass gegebenenfalls auch eine Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis in Betracht kommt, wobei dem Umstand, dass Cannabis eine weiche Droge ist, aus gesetzessystematischen Gründen keine strafmildernde Wirkung mehr beigemessen werden darf, weil das Konsumcannabisgesetz Regelungen allein zu dieser Droge enthält (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2024 - 6 StR 73/24, StV 2024, 598 Rn. 8).

Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Besitzes von Betäubungsmitteln ist nach den bisherigen Feststellungen nicht belegt, da ein Eigenkonsumvorrat hinsichtlich des Kokains, des Amphetamins und der Ecstasy-Tabletten nicht festgestellt ist.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 917

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede