HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 362
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 288/24, Urteil v. 16.10.2024, HRRS 2025 Nr. 362
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 18. Januar 2024
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis, sowie des Handeltreibens mit Cannabis in zwei Fällen schuldig ist,
b) aufgehoben in den Aussprüchen über die Strafen in den Fällen II.3 (1), (3), (4), (5) und (6) der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe, wobei die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten bleiben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
- Von Rechts wegen -
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Erfolg und ist im Übrigen unbegründet.
1. Nach den Feststellungen wollte sich der Angeklagte durch den Handel mit Betäubungsmitteln eine fortlaufende Einnahmequelle verschaffen. Spätestens ab 2020 bezog er Marihuana und Amphetamin im Kilogrammbereich mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils zehn Prozent von dem gesondert Verurteilten B. auf Kommission. Am 28. März 2020 bestellte der Angeklagte bei B. 900 Gramm Marihuana (Fall II.3 (1) der Urteilsgründe) und am 6. April 2020 zwei Kilogramm Amphetamin (Fall II.3 (2) der Urteilsgründe). Am 22. April 2020 bestellte er fünf Kilogramm Marihuana der Sorte Amnezia Haze, von denen er 410 Gramm behielt und die überwiegende Menge am 18. Mai 2020 wegen schlechter Qualität an seinen Lieferanten zurückgab (Fall II.3 (3) der Urteilsgründe). Am 29. April 2020 bestellte der Angeklagte ein Kilogramm Amphetamin; 700 Gramm des gelieferten Amphetamins gab er am 18. Mai 2020 wegen minderer Qualität zurück und behielt 300 Gramm, die er in der Folge gewinnbringend weiterverkaufte (Fall II.3 (4) der Urteilsgründe). Am 14. Mai 2020 bestellte er acht Kilogramm Marihuana, wobei B. nur fünf Kilogramm liefern konnte (Fall II.3 (5) der Urteilsgründe). Am 18. Mai 2020 erhielt der Angeklagte von B. ein Kilogramm Amphetamin zum gewinnbringenden Weiterverkauf (Fall II.3 (6) der Urteilsgründe). Der Angeklagte verkaufte die ihm gelieferten Drogen gewinnbringend an seine Abnehmer. Dabei lieferte der Fahrer B. s (R.) die Drogen regelmäßig an den Fahrer des Angeklagten („l. “), der sie an die Abnehmer des Angeklagten weitergab; im Fall II.3 (5) der Urteilsgründe wurde das Amphetamin dem Angeklagten übergeben. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Taten im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander stehen. Es hat in allen Fällen einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG verneint.
2. Der Schuldspruch hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung überwiegend nicht stand.
a) Dies gilt schon deshalb, weil bei der Revisionsentscheidung nach § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO das am 1. April 2024 in Kraft getretene Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis vom 27. März 2024 (KCanG; BGBl. I Nr. 109) zu berücksichtigen ist. Denn wegen des im Vergleich zu § 29a Abs. 1 BtMG milderen Strafrahmens lässt es im konkreten Einzelfall das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zu (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2024 - 6 StR 369/24, Rn. 3 mwN).
Daher sind die drei Taten, in denen der Angeklagte Cannabis veräußerte (Fälle II.3 (1), (3) und (5)), jeweils als Handeltreiben mit Cannabis zu bewerten (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG). Das Handeltreiben mit Cannabis „in nicht geringer Menge“ (vgl. zum Grenzwert BGH, Beschlüsse vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24; vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24; vom 15. Mai 2024 - 6 StR 73/24; vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24; vom 4. Juni 2024 - 4 StR 111/24) ist im Schuldspruch nicht zum Ausdruck zu bringen, weil es sich insoweit - anders als im Fall des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG - nicht um ein Qualifikationsmerkmal, sondern um ein Regelbeispiel eines besonders schweren Falles nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2024 - 6 StR 116/24).
b) Die konkurrenzrechtliche Wertung, an der sich durch das Inkrafttreten des KCanG nichts geändert hat (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24, Rn. 5), ist in den Fällen II.3 (3) (4) und (6) nicht frei von Rechtsfehlern. Insoweit liegt nicht Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB), sondern Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) vor.
aa) Überschneidungen der Ausführungshandlungen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln führen zur Annahme von Tateinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 - GSSt 4/17, BGHSt 63, 1, 8). Dafür genügen zwar kein allein subjektiv-motivatorischer Zusammenhang oder die bloße Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen. Erforderlich ist vielmehr, dass sich die tatbestandlichen Ausführungshandlungen in objektiver Hinsicht derart überschneiden, dass zumindest ein Teil der einheitlichen Handlung zur Erfüllung des einen wie des anderen Tatbestands beziehungsweise zur mehrfachen Verwirklichung desselben Tatbestands gleichermaßen beiträgt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2022 - 5 StR 20/22; vom 23. November 2021 - 4 StR 344/21; vom 16. Juli 2009 - 3 StR 148/09).
bb) So liegt es in den Fällen II.3 (3), (4) und (6) der Urteilsgründe.
Nach den Feststellungen übergab der Fahrer des Angeklagten („l. “) am 18. Mai 2020 an den gesondert verurteilten R. aus der Lieferung im Fall (3) stammende 308 Gramm Marihuana sowie 700 Gramm des aus der Lieferung im Fall (4) stammenden Amphetamins. Der Angeklagte hatte zuvor mit B. die Rückgabe der Drogen wegen deren schlechter Qualität vereinbart. Ebenfalls am 18. Mai 2020 übernahm der Fahrer „l.“ auch die Lieferung im Fall (6). Als die Drogen minderer Qualität zurückgegeben wurden, war das auf die zuvor gelieferte und zum Weiterverkauf bestimmte Gesamtmenge bezogene Handeltreiben noch nicht beendet. Eingedenk des weiten, auch die dem eigentlichen Drogenumsatz nachfolgenden Zahlungsvorgänge umfassenden Begriffs des Handeltreibens (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. April 2020 - 1 StR 641/19; vom 5. August 2014 - 3 StR 340/14) war nach den Vorstellungen der Beteiligten in den Fällen (3) und (4) der Drogenumsatz aus den vorausgegangenen Lieferungen bis zur Rückgabe der Teilmengen - auch ohne Umtausch oder Nachlieferung (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 7. Februar 2023 - 6 StR 427/22; vom 22. Januar 2010 - 2 StR 563/09; jeweils mwN) - noch nicht abgeschlossen.
Denn mit der vereinbarten Rückgabe des wegen der schlechten Qualität nicht absetzbaren Marihuanas beziehungsweise Amphetamins verringerte sich der vom Angeklagten an B. noch zu entrichtende Kaufpreis, wodurch die Zahlungspflicht unmittelbar beeinflusst wurde. Ohne die Rückgabe der für den Angeklagten nicht absetzbaren Teilmengen wäre das auf Rauschgiftumsatz gerichtete Handeln schon mangels beiderseitiger Erfüllung des Geschäfts (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2020 - 1 StR 641/19) nicht endgültig vollzogen. Nach den Feststellungen ist ferner naheliegend von nur einem Kontakt am 18. Mai 2020 zwischen dem Fahrer des Angeklagten „l.“ und dem gesondert verurteilten R. auszugehen, anlässlich dessen die beanstandeten Mengen aus den beiden Lieferungen der Fälle (3) und (4) zurückgegeben und das Amphetamin im Fall (6) übergeben wurden.
cc) Die Strafkammer ist in den Fällen II.3 (1), (2) und (5) auf Grundlage der getroffenen Feststellungen indessen rechtsfehlerfrei von einzelnen, für sich genommen mit dem Weiterverkauf jeweils eine Tat bildenden Erwerbshandlungen ausgegangen. Denn dafür, dass der Angeklagte die auf Kommission erhaltenen Drogen jeweils erst bei Erhalt einer neuen Lieferung bezahlte und deshalb Tateinheit anzunehmen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 - GSSt 4/17, BGHSt 63, 1, 8; Urteil vom 25. April 2013 - 4 StR 418/12, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 14), gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Von solchen ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz auszugehen, noch sind sonst zugunsten des Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen keine Anhaltspunkte bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 2022 - 6 StR 225/22, Rn. 14 mwN).
Zwar hat der gesondert verurteilte Fahrer B. s in dem gegen ihn geführten Strafverfahren angegeben, „regelhaft“ für B. Drogen transportiert und in „einzelnen Fällen Erlöse entgegengenommen und nachfolgend bei B. abgeliefert zu haben“. Dass die Strafkammer daraus nicht den Schluss gezogen hat, der Fahrer B. s habe gerade in den verfahrensgegenständlichen Fällen die Erlöse vom Angeklagten oder dessen unbekannt gebliebenem Fahrer erhalten, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
Der Angeklagte war nur einer von mehreren Abnehmern B. s und hat selbst nicht bestätigt, die vorangegangene Lieferung erst bei Erhalt der neuen Lieferung bezahlt zu haben. In die Übergabe der Drogen war er in den Fällen (1) bis (4) und (6) zudem selbst nicht eingebunden, während er nach den Feststellungen die Zahlungen persönlich an B. leistete. Darüber hinaus verfügte er wegen seiner seit 2019 bestehenden Verstrickung in den Drogenhandel über ausreichende finanzielle Mittel, so dass er zur Erfüllung seiner gegenüber B. bestehenden Zahlungsverpflichtungen nicht auf die Betäubungsmittelerlöse angewiesen war. Überdies kommunizierten der Angeklagte und B. nahezu täglich miteinander und trafen sich häufig, so dass der Angeklagte auch hinreichend Gelegenheit hatte, die bestellten Drogen getrennt von der neuen Lieferung zu bezahlen.
c) Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der umfassend geständige Angeklagte insoweit nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
3. Angesichts der hier geringeren Strafandrohung des KCanG können die in den Fällen II.3 (1) und (5) verhängten Strafen keinen Bestand haben. Die Änderung der konkurrenzrechtlichen Bewertung in den Fällen II.3 (3), (4) und (6) führt zur Aufhebung der in diesen Fällen verhängten Strafen, die in den Fällen (3) und (4) der Urteilsgründe entfallen. Die Aufhebung und der Wegfall der Einzelstrafen führen zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Die Feststellungen bleiben aufrechterhalten, weil sie von den Rechtsfehlern nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).
Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird bei der Strafzumessung im Fall II.3 (6) der Urteilsgründe den geänderten Schuldgehalt der Tat in den Blick zu nehmen haben. Werden vom ersten Tatgericht als rechtlich selbstständig erachtete Taten durch das Revisionsgericht zur Tateinheit verbunden, ist der Unrechtsgehalt dieser einen Tat gegenüber den bisher getrennt bewerteten Einzeltaten erhöht. Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) gebietet in einem solchen Fall nur, dass die Summe der bisherigen Freiheitsstrafen bei der Bemessung der für diese Tat neu festzusetzenden Strafe nicht überschritten wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. August 2023 - 5 StR 107/23, Rn. 4; vom 4. Oktober 2022 - 2 StR 319/21). Schließlich darf die neu zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe nicht höher ausfallen als die bisher verhängte Gesamtstrafe von drei Jahren.
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 362
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede