HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 335
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 191/24, Beschluss v. 28.08.2024, HRRS 2025 Nr. 335
Der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Beschluss des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 26. März 2024 wird als unzulässig verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Betrugs in neun Fällen, Computerbetrugs in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Diebstahl, Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung sowie Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.
Gegen das am 20. Dezember 2023 in Anwesenheit des Angeklagten und seines Pflichtverteidigers verkündete Urteil hat der Angeklagte mit Schreiben vom selben Tag form- und fristgerecht Revision eingelegt. Ausweislich des am 18. Januar 2024 fertiggestellten Sitzungsprotokolls wurde der Angeklagte über Rechtsmittel belehrt. Eine Zustellung des Urteils an den Pflichtverteidiger unter der aus dem bisherigen Verfahren bekannten Anschrift scheiterte, da der Pflichtverteidiger unter dieser Anschrift nicht zu erreichen war. Eine Zustellung über das elektronische Postfach misslang, weil der Pflichtverteidiger ein Empfangsbekenntnis nicht zurücksandte. Vor diesem Hintergrund ordnete die Vorsitzende am 8. Februar 2024 die Zustellung an den Angeklagten mit einer schriftlichen Rechtsmittelbelehrung und mit dem Zusatz an, dass das Urteil an den Verteidiger nicht zugestellt werden konnte und deshalb dem Angeklagten übersandt werde. Mit Schreiben vom 15. Februar 2024, eingegangen beim Landgericht am 20. Februar 2024, teilte der Pflichtverteidiger seinen geänderten Kanzleisitz mit. Das Urteil wurde dem Angeklagten mit Rechtsmittelbelehrung am 21. Februar 2024 in der Justizvollzugsanstalt zugestellt. Eine Revisionsbegründung ging in der Folge nicht ein.
Mit Beschluss vom 26. März 2024 verwarf das Landgericht die Revision des Angeklagten als unzulässig, weil bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist keine Revisionsbegründung eingegangen war (§ 346 Abs. 1 StPO). Am 2. April 2024 ordnete die Vorsitzende die Zustellung des Beschlusses mit Rechtsbehelfsbelehrung an den Angeklagten an, der Verteidiger erhielt den Beschluss formlos unter Hinweis, dass die förmliche Zustellung an den Angeklagten erfolgt ist. Eine Zustellungsurkunde ist nicht zu den Akten gelangt. Auf dem Zustellungsauftrag vom 2. April 2024 ist vermerkt, dass die Zustellung an den Angeklagten am 4. April 2024 erfolgt ist; dies wird ebenso durch eine schriftliche Auskunft der Justizvollzugsanstalt bestätigt. Mit Schreiben vom 9. April 2024, eingegangen beim Landgericht am 15. April 2024, beantragte der Angeklagte die Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Beschluss vom 26. März 2024. Bis heute wurden keine Revisionsanträge gestellt.
Der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist unzulässig, weil der Angeklagte die Frist des § 346 Abs. 2 StPO versäumt hat.
Die Wochenfrist des § 346 Abs. 2 StPO begann mit Zustellung des Verwerfungsbeschlusses (§§ 36, 37 StPO i.V.m. § 166 ZPO) an den Angeklagten am 4. April 2024; § 145a Abs. 1 StPO hindert eine solche Zustellung nicht, denn diese Vorschrift begründet keine Rechtspflicht, Zustellungen an den Verteidiger zu bewirken (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 1963 - KRB 1/62, BGHSt 18, 352, 354; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 145a Rn. 6 mwN).
Der Wirksamkeit der Zustellung steht auch nicht entgegen, dass die Zustellungsurkunde fehlt, da eine hierdurch bewirkte Beurkundung des Zustellungsvorgangs keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Zustellung ist, sondern lediglich eine Möglichkeit ihres Nachweises (BT-Drucks. 14/4554 S. 15; OVG Berlin, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 N 27/03, NVwZ-RR 2004, 724; Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 37 Rn. 1). Den Nachweis einer Zustellung und ihres Zeitpunkts kann der Zustellende durch die in den einzelnen Vorschriften hierfür vorgesehenen Beurkundungen, aber auch in anderer Weise führen (BT-Drucks. 14/4554 S. 15; Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 37 Rn. 1; SSW-StPO/Claus, 5. Aufl., § 37 Rn. 49; KK-StPO/Schneider-Glockzin, 9. Aufl., § 37 Rn. 26). Vorliegend folgt der Nachweis der Zustellung aus dem auf dem Zustellungsauftrag (§ 176 Abs. 2 ZPO) abgedruckten Vermerk „Zugestellt am 4. April 2024“ in Zusammenhang mit der schriftlichen Auskunft der Justizvollzugsanstalt, dass die Zustellung des Beschlusses an den Angeklagten tatsächlich an diesem Tag erfolgt ist.
Damit lief die Wochenfrist vom 4. April 2024 bis zum 11. April 2024 (§ 43 StPO), so dass der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts vom 9. April 2024, der erst am 15. April 2024 bei Gericht eingegangen ist, verspätet war.
2. Im Übrigen wäre der Antrag auch unbegründet. Das Landgericht hat die Revision zu Recht gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen, da weder durch den Verteidiger noch durch den Angeklagten zu Protokoll der Geschäftsstelle Revisionsanträge gestellt worden sind und die Revision damit entgegen § 344 Abs. 1 StPO nicht begründet worden ist.
Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist von Amts wegen gemäß §§ 44, 45 Abs. 2 Satz 3 StPO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil eine formgerechte Revisionsbegründung bist heute nicht vorliegt. Der Angeklagte war auch nicht ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Begründung der Revision gehindert (§ 44 StPO). Weder aus dem Vorbringen des Angeklagten noch aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass dem Verteidiger überhaupt ein entsprechender Auftrag erteilt worden ist. Die Führung der Verteidigung ist aber Sache des Angeklagten und seines Verteidigers. Das Gericht ist nicht verpflichtet, die Kommunikation zwischen Verteidiger und Mandanten zu überwachen. Eine Verpflichtung zum Eingreifen besteht nur, wenn das Versagen eines Verteidigers für die Justiz offenkundig ist oder sie davon unterrichtet wird (EGMR, Urteil vom 22. März 2007 - 59519/00 - Staroszczyk/Polen Tz. 122, 133; BGH, Beschluss vom 22. Juli 2024 - 1 StR 165/24 Rn. 4 f.; Beschluss vom 29. April 2024 - 6 StR 86/24 Rn. 9; Beschluss vom 12. Januar 2021 - 3 StR 422/20 Rn. 7; Beschluss vom 11. März 2020 - 4 StR 68/20 Rn. 5 ff.). Allein der Umstand, dass das Landgericht das Urteil nicht an den Pflichtverteidiger zustellen konnte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Ein etwaiger Mangel war spätestens am 20. Februar 2024 - mithin noch einen Tag vor Zustellung des Urteils an den Angeklagten - mit Mitteilung der geänderten Anschrift des Pflichtverteidigers behoben.
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 335
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede