HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 276
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 25/24, Beschluss v. 27.11.2024, HRRS 2025 Nr. 276
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:
Wer Cannabissetzlinge in Besitz nimmt, um ihren Ertrag nach weiterer Aufzucht in einer eingerichteten Plantage gewinnbringend zu verkaufen, verwirklicht den Tatbestand des Handeltreibens mit Cannabis, ohne dass ihre Einpflanzung in der Plantage erforderlich ist.
2. Der Senat fragt bei dem 5. und dem 6. Strafsenat an, ob an der anderslautenden Rechtsauffassung festgehalten wird (vgl. Urteil vom 15. März 2012 - 5 StR 559/11; Beschluss vom 27. Mai 2021 - 5 StR 337/20; Urteil vom 2. November 2022 - 6 StR 239/22), sowie vorsorglich bei den anderen Strafsenaten, ob dortige Rechtsprechung der beabsichtigten Entscheidung entgegensteht und gegebenenfalls an dieser festgehalten wird.
Das Landgericht hat den Angeklagten am 9. Oktober 2023 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und 899 sichergestellte Cannabissetzlinge eingezogen. Dagegen wendet er sich mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision.
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt im Januar 2023 oder davor richtete der Angeklagte an einem unbekannt gebliebenen Ort in Deutschland eine Plantage mit dem Ziel ein, Marihuana zu erzeugen und es gewinnbringend weiterzuverkaufen. Die Plantage war spätestens am 11. April 2023 vollständig eingerichtet und bot Platz für mindestens 899 Cannabispflanzen. Sie war hinsichtlich Bewässerung, Düngung, Belüftung und Beleuchtung technisch so beschaffen, dass die angebauten Pflanzen einen Mindestertrag von 25 Gramm Marihuana je Pflanze mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 5%, mithin einen Gesamtertrag von 22.475 Gramm mit 1.123,75 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) pro Ernte erbracht hätten. Jährlich wären drei Ernten möglich gewesen.
Am 11. April 2023 fuhr der Angeklagte mit seinem PKW in die Niederlande und übernahm bei einem Züchter 899 weibliche Cannabissetzlinge, um sie anschließend zu der Plantage zu transportieren, sie dort in größere Pflanztöpfe umzutopfen und nach Erreichen der Erntereife Erträge in der beschriebenen Größenordnung zu erzielen. Die zwölf bis 15 Zentimeter großen Setzlinge hatten Wurzeln ausgebildet. Sie waren in mit Erde befüllten Pflanzmulden von sieben Kunststoffplatten (sog. Setzlingstrays) eingebracht. Bei einer polizeilichen Kontrolle im Anschluss an den Grenzübertritt nach Deutschland wurden die Setzlinge entdeckt und sichergestellt. Sie hatten nach Trocknung ein Gewicht von 200,15 Gramm und enthielten 7,005 Gramm THC.
2. Das Landgericht hat die Tat als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gewertet. Bereits der Ankauf und der Transport der Cannabissetzlinge mit dem Ziel, Cannabisprodukte zu gewinnen und zu veräußern, stellten eine auf den Umsatz mit Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit und keine bloßen Vorbereitungshandlungen dar.
Der Senat beabsichtigt - dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend - den Schuldspruch des angefochtenen Urteils dahin zu ändern, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Cannabis schuldig ist, den Strafausspruch aufzuheben sowie die Sache unter Verwerfung der weitergehenden Revision im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Die Urteilsfeststellungen vermögen indes den Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht mehr zu tragen; denn am 1. April 2024 ist das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) vom 27. März 2024 in Kraft getreten (BGBl. I Nr. 109). Diese Gesetzesänderung ist gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen. Nach ihr unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern bestimmt sich die Strafbarkeit der hier zu beurteilenden Tat nach dem Konsumcannabisgesetz (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2024 - 3 StR 211/24, juris Rn. 4 mwN).
2. Der Senat sieht durch das festgestellte Verhalten den Tatbestand des Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG als erfüllt an, ebenso das Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG für einen besonders schweren Fall (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 2024 - 2 StR 388/24, juris Rn. 3 mwN). Da das Landgericht die verhängte Freiheitsstrafe dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 StGB entnommen hat, ist die neue Rechtslage in jedem Fall für den Angeklagten günstiger im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB und somit der rechtlichen Würdigung zugrunde zu legen (zum gebotenen konkreten Vergleich im Einzelfall s. BGH, Beschlüsse vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24, NStZ 2024, 547 Rn. 5; vom 11. Juni 2024 - 3 StR 159/24, NStZ-RR 2024, 282, 283 f.).
a) Die Tathandlungen des § 34 Abs. 1 KCanG hat der Gesetzgeber ausdrücklich an die Begrifflichkeiten des Betäubungsmittelgesetzes angelehnt; hinsichtlich des Handeltreibens gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG ist in den Gesetzesmaterialien darüber hinaus auf die zum Betäubungsmittelgesetz ergangene Rechtsprechung Bezug genommen (s. BT-Drucks. 20/8704 S. 94). Deshalb sind die Grundsätze, die zu den in § 29 Abs. 1 BtMG unter Strafe gestellten Handlungsformen entwickelt worden sind, auf das Konsumcannabisgesetz zu übertragen (s. BGH, Beschlüsse vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968 Rn. 10; vom 4. Juli 2024 - 6 StR 369/24, juris Rn. 10; vom 9. September 2024 - 2 StR 243/24, juris Rn. 10; vom 2. Oktober 2024 - 3 StR 296/24, juris Rn. 10; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 324 f.).
Als Handeltreiben im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG ist mithin jede eigennützige, auf den Umsatz von Cannabis gerichtete Tätigkeit zu verstehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256 mwN; vom 14. Mai 2024 - 3 StR 45/24, juris Rn. 6 [zum KCanG]). Ein tatsächlich erfolgreiches Umsatzgeschäft ist danach für die Tatvollendung nicht erforderlich. So stellt der als bindend gewollte Abschluss eines Erwerbsgeschäfts ein vollendetes Handeltreiben unabhängig davon dar, ob das zu liefernde Rauschgift vorhanden ist oder bereitsteht (s. BGH, Urteil vom 14. April 1999 - 3 StR 22/99, NJW 1999, 2683, 2684 mwN; Beschluss vom 21. April 2009 - 3 StR 107/09, juris Rn. 8; Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 407/12, BGHSt 58, 99 Rn. 28). Daher hindert es die Tatbestandsverwirklichung nicht, wenn die später als Verkaufsgegenstand vorgesehenen Drogen noch nicht oder nicht in ihrer konkreten Gestalt existieren. In Fällen des - erst begonnenen - Anbaus von Cannabispflanzen ist für die Beurteilung der Handelsmenge als nicht gering dementsprechend der voraussichtlich zu erzielende, zur Veräußerung bestimmte Ertrag maßgebend, nicht der Pflanzenbestand zur Tatzeit (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 407/12, aaO, Rn. 25 ff.; ferner BGH, Beschluss vom 9. September 2024 - 2 StR 279/24, juris Rn. 5, 8 [zum KCanG]).
b) Nach diesen Maßstäben ist für die Annahme eines Handeltreibens im Fall des beabsichtigten Verkaufs von - noch - anzubauenden Cannabispflanzen nicht entscheidend, ob der Täter den Tatbestand des Anbaus bereits verwirklicht oder zumindest nach seiner Vorstellung zu dessen Verwirklichung unmittelbar angesetzt hat. Vielmehr genügt es jedenfalls, wenn er den Besitz von Cannabispflanzen erlangt, wobei ausreicht, dass es sich um sogenannte Setzlinge handelt.
aa) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen befanden sich in den Pflanzmulden der Kunststoffplatten Cannabissetzlinge und damit Cannabis nach § 1 Nr. 8 KCanG. Unter den - nicht gesetzlich definierten - Begriff des Cannabissetzlings fallen Jungpflanzen und Sprossteile ohne Blüten- oder Fruchtstände, die zur Aufzucht von Cannabispflanzen verwendet werden sollen, sich aber von dem gesetzlich nicht als Cannabis eingeordneten Cannabissteckling im Sinne des § 1 Nr. 6 KCanG dadurch unterscheiden, dass sie eingepflanzt sind (s. BT-Drucks. 20/8704 S. 91; Patzak/Fabricius/Patzak, BtMG, 11. Aufl., § 1 KCanG Rn. 8; zur gleichgelagerten rechtlichen Einordnung nach dem früher anzuwendenden BtMG Patzak, NStZ 2012, 515).
bb) Die Übernahme von Cannabissetzlingen in der Absicht, die zu einem späteren Zeitpunkt erwarteten Blüten als Marihuana (vgl. § 1 Nr. 6 und 8 KCanG) gewinnbringend zu verkaufen, stellt bereits eine auf den Umsatz von Cannabis gerichtete Tätigkeit dar. Sie ist nicht dem Stadium der straflosen Vorbereitung - ebenso wenig demjenigen des Versuchs (§ 34 Abs. 2 KCanG) - zuzurechnen.
Als bloße Vorbereitungshandlungen sollen aus dem grundsätzlich weit verstandenen Tatbestand des Handeltreibens lediglich Verhaltensweisen ausgeschieden werden, die nach wertender Betrachtung noch keine Nähe zu einem konkreten Umsatzgeschäft aufweisen, sondern in dessen Vorfeld liegen (s. BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 1994 - 3 StR 54/94, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 43; vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 265 f.; Patzak/Fabricius/Patzak, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 243, 376). Maßgeblich für diese Abgrenzung ist, ob aufgrund des zu beurteilenden Verhaltens der in Aussicht genommene Umsatz konkretisiert werden kann (s. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, aaO, S. 266); dazu müssen Art und Menge der Droge hinreichend bestimmt werden können. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Tathandlung ein Umsatzgeschäft tatsächlich fördert oder überhaupt dazu geeignet ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1982 - 2 StR 593/81, BGHSt 30, 359, 361; Beschluss vom 11. Juni 2001 - 1 StR 111/01, juris; Patzak/Fabricius/Patzak, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 227).
Anders als das bloße Bereithalten von für den Betrieb einer Plantage eingerichteten Räumlichkeiten oder das Herbeischaffen von Gerätschaften und gärtnerischem Material zu ihrem Betrieb (vgl. BGH, Beschluss vom 3. August 2011 - 2 StR 228/11, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 78 Rn. 4 f.) sind bei der Inbesitznahme von Cannabissetzlingen Art und Menge der Droge hinreichend konkretisiert. Der Entschluss des Täters, eine bestimmte Rauschgiftmenge zu veräußern, verdichtet sich durch die Übernahme einer konkreten Anzahl von Setzlingen auf die von diesen zu erwartenden Erträge, auch wenn das zu verkaufende Marihuana als solches noch nicht vorhanden ist. Darauf, dass die Setzlinge selbst nicht Gegenstand späterer Verkaufsgeschäfte werden sollen, sondern die zu veräußernden pflanzlichen Erzeugnisse erst noch zu gewinnen sind, kommt es nicht an (so aber BGH, Urteil vom 15. März 2012 - 5 StR 559/11, NStZ 2012, 514 Rn. 6 ff.). Insoweit unterscheidet sich dieser Fall nicht von demjenigen, in der die Pflanzen schon in eine Plantage eingebracht wurden. In beiden Konstellationen kann der erwartete und damit später umzusetzende Ertrag anhand der Jungpflanzen bestimmt werden (s. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 407/12, BGHSt 58, 99 Rn. 25 ff.). Deshalb trägt der Einwand nicht, die durch Aufzucht zu gewinnenden Blütenstände seien noch nicht existent und die Pflanzen daher nur stofflicher Träger der künftig zu erzeugenden Droge (so allerdings BGH, Beschluss vom 15. März 2012 - 5 StR 559/11, NStZ 2012, 514 Rn. 8).
Dies gilt umso mehr, als das Gesetz, wie dargelegt (s. unter aa]), Cannabissetzlinge anders als -stecklinge und weiteres Vermehrungsmaterial als Cannabis und damit gerade nicht als ein von der Droge verschiedenes Vorprodukt einordnet. Folglich bezieht sich ein Erwerb der Setzlinge unmittelbar auf das regulierte Rauschmittel und ist mithin bereits als ein Teil des tatsächlich vollzogenen Umsatzgeschäfts zu beurteilen (s. Patzak, NStZ 2012, 515, 516; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 599; allgemein zum Handeltreiben durch Inbesitznahme BGH, Urteile vom 20. Januar 1982 - 2 StR 593/81, BGHSt 30, 359, 361; vom 23. September 1992 - 3 StR 275/92, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 35). Es kann dahinstehen, ob die Frage anders zu beurteilen wäre, falls im Zeitpunkt der Inbesitznahme der Setzlinge die Plantage noch einzurichten ist und daher noch weitere Vorbereitungen für deren Betrieb getroffen werden müssen (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2012 - 5 StR 559/11, NStZ 2012, 514 Rn. 6 ff. mwN); denn nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen war dies hier nicht der Fall.
cc) Der Tatbestand des Anbaus von Cannabispflanzen, der das Erzielen pflanzlichen Wachstums durch gärtnerische Bemühungen umfasst (s. BGH, Urteil vom 6. September 2023 - 6 StR 107/23, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Anbau 3 Rn. 8; BeckOK BtMG/Hollering/Köhnlein, 25. Ed., § 34 KCanG Rn. 85; Patzak/Fabricius/Patzak, 11. Aufl., BtMG § 29 Rn. 43), hat keine Begrenzungsfunktion für denjenigen des Handeltreibens mit Cannabis (vgl. aber BGH, Urteile vom 15. März 2012 - 5 StR 559/11, NStZ 2012, 514 Rn. 10; vom 2. November 2022 - 6 StR 239/22, NStZ 2023, 681 Rn. 19 f.; Beschluss vom 3. August 2011 - 2 StR 228/11, NStZ 2012, 43 f.; MüKoStGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl., § 29 BtMG Rn. 66).
Auch anderen Tatbeständen des § 29 Abs. 1 BtMG und des § 34 Abs. 1 KCanG, die ebenfalls Teilakt eines Handeltreibens sein können, kommt eine derartige Sperrwirkung nicht zu. So wird in Fällen des sogenannten Verbalhandels, in denen es zur Abwicklung des vereinbarten Drogenkaufs nicht mehr kommt, die Strafbarkeit des Händlers weder durch die Tatbestände des Erwerbs oder des Sichverschaffens - einschließlich der Entgegennahme (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juni 2024 - 3 StR 158/24, NStZ-RR 2024, 311, 312) - noch denjenigen des Besitzes begrenzt (vgl. BGH, Urteile vom 1. Juli 1954 - 3 StR 657/53, BGHSt 6, 246, 247; vom 12. August 1986 - 1 StR 360/86, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 4; vom 14. April 1999 - 3 StR 22/99, NJW 1999, 2683, 2684 ff.). Diesbezüglich können bereits ernsthafte An- und Verkaufsbemühungen für die Tatvollendung genügen (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2004 - 2 StR 232/04, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 61; Beschlüsse vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252; vom 24. Januar 2023 - 6 StR 500/22, StV 2023, 467 Rn. 5; BeckOK BtMG/Becker, 25. Ed., § 29 Rn. 84 ff.).
Im Gesetz und in den Gesetzesmaterialien findet sich kein Anhalt dafür, den Anbau anders zu behandeln als jene Begehungsformen und ihm - im Gegensatz zu ihnen - eine die Strafbarkeit wegen Handeltreibens begrenzende Wirkung zuzusprechen. Eine solche Privilegierung des Anbautäters kann weder dem Betäubungsmittelgesetz noch dem Konsumcannabisgesetz entnommen werden. Die gesetzlichen Handlungsformen können sich zwar im Einzelfall überschneiden; ein Rechtssatz, wonach die Erfüllung eines Tatbestandes von der Verwirklichung eines anderen abhängt, ist aber jedenfalls für die hier zu beurteilende Konstellation nicht anzuerkennen. Jede vom Gesetzgeber gewählte Handlungsbeschreibung betrifft einen spezifischen Umgang mit dem Betäubungsmittel beziehungsweise Cannabis (zum KCanG vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 90 ff.), den er als für sich gesehen strafwürdig erachtet und für den der jeweilige Grundtatbestand den gleichen Strafrahmen vorgibt.
Die Annahme einer Begrenzung durch den Anbautatbestand führte schließlich zu Wertungswidersprüchen. Einigt sich der Täter mit einem Abnehmer darauf, ihm den Ertrag einer noch nicht mit Pflanzen bestückten Cannabisplantage zu liefern, steht nach den vorgenannten Grundsätzen der Annahme des vollendeten Handeltreibens nichts entgegen, obwohl die mit dem Inverkehrbringen des Rauschgifts einhergehende spezifische Gefährdungslage für das geschützte Rechtsgut (dazu BVerfG, Beschluss vom 18. September 2006 - 2 BvR 2126/05, NJW 2007, 1193, 1194) bei diesem Geschehen noch deutlich entfernter liegt als in dem Fall, in dem sich der Täter (gegebenenfalls - wie hier - sogar wirkstoffhaltige) Cannabispflanzen beschafft und ebenfalls den Entschluss fasst, den späteren Ertrag zu veräußern.
dd) Die vorgenommene Auslegung überdehnt nicht in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise den Tatbestand des Handeltreibens (so aber BGH, Urteil vom 15. März 2012 - 5 StR 559/11, NStZ 2012, 514 Rn. 9). Denn sie hat nicht zur Folge, dass jede nur entfernt auf einen Güterumsatz gerichtete Handlung als tatbestandsmäßig anzusehen wäre. Ein, wie dargestellt (s. oben bb]), wesentliches Kriterium zur Abgrenzung des Handeltreibens zu straflosen Vorbereitungshandlungen ist die hinreichende Konkretisierung des Umsatzgeschäfts, auf welches das in Rede stehende Verhalten gerichtet ist. Daher fallen typische Vorbereitungshandlungen, wie etwa der Ankauf von Gerätschaften für einen späteren Anbau, auch dann nicht unter § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, wenn die Vorschriften im dargelegten Sinne verstanden werden.
1. Der Senat sieht sich aufgrund abweichender Rechtsprechung anderer Strafsenate gehindert, wie beabsichtigt zu entscheiden. Soweit er selbst in früheren Entscheidungen eine anderslautende Rechtsauffassung vertreten hat (s. Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 407/12, BGHSt 58, 99 Rn. 29; offengelassen von Beschluss vom 15. Februar 2011 - 3 StR 491/10, NJW 2011, 1461 Rn. 7), hält er daran nicht mehr fest.
a) Der 5. Strafsenat hat entschieden, die Übernahme und der Transport von Cannabissetzlingen seien nicht als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu werten, weil der Täter dadurch noch nicht unmittelbar zum Anbau angesetzt habe; es handele sich um Tätigkeiten im Vorbereitungsstadium. Denn der Tatbestand des Anbaus begrenze insoweit denjenigen des Handeltreibens. Ein anderes Verständnis des ohnehin sehr weiten Begriffs des Handeltreibens sei mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG in hohem Maße problematisch. Da diese Verhaltensweisen weitere Tatbestände des § 29 Abs. 1 BtMG erfüllten und damit bereits strafbewehrt seien, bestehe auch keine kriminalpolitische Notwendigkeit für eine derartige ausdehnende Auslegung (s. Urteil vom 15. März 2012 - 5 StR 559/11, NStZ 2012, 514 [zudem mit dem Argument der dort noch nicht eingerichteten Plantage]; Beschluss vom 27. Mai 2021 - 5 StR 337/20, NStZ-RR 2021, 250).
Der 6. Strafsenat hat sich dem sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung angeschlossen (s. Urteil vom 2. November 2022 - 6 StR 239/22, NStZ 2023, 681 Rn. 19).
b) Der 2. Strafsenat hat im Anschluss an eine Entscheidung des Senats (Beschluss vom 15. Februar 2011 - 3 StR 491/10, NJW 2011, 1461) ebenfalls darauf erkannt, dass der Tatbestand des Anbaus von Betäubungsmitteln insoweit eine Begrenzungsfunktion für denjenigen des Handeltreibens entfalte, als er den Versuch erst mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Aussaat oder zum Anpflanzen beginnen lasse. Hierzu komme es regelmäßig erst mit dem Heranschaffen des Cannabissaatguts oder der -setzlinge an die vorbereitete Fläche oder zu den vorbereiteten Pflanzgefäßen (s. Beschluss vom 3. August 2011 - 2 StR 228/11, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 78). Im dortigen Fall erwarb der Angeklagte allerdings keine Setzlinge, so dass die Entscheidung nicht tragend auf die oben dargelegten Erwägungen zu deren Inbesitznahme gestützt ist. In einem späteren Urteil hat der 2. Strafsenat ausdrücklich offengelassen, ob er sich der Rechtsansicht des 5. Strafsenates zur Einordnung der Übernahme und des Transports von Cannabissetzlingen als straflose Vorbereitungshandlungen anschließt (s. Urteil vom 29. September 2016 - 2 StR 591/15, juris Rn. 17).
2. Da, wie ausgeführt (s. oben II. 2. a]), die Erwägungen zum Betäubungsmittelgesetz auf das Konsumcannabisgesetz zu übertragen sind, fragt der Senat gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 und 3 GVG beim 5. und 6. Strafsenat an, ob an der genannten Rechtsauffassung festgehalten wird, sowie vorsorglich bei den anderen Strafsenaten, ob dortige Rechtsprechung der beabsichtigten Entscheidung entgegensteht und gegebenenfalls an dieser festgehalten wird.
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 276
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede