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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 46

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 309/22, Urteil v. 24.11.2022, HRRS 2023 Nr. 46


BGH 5 StR 309/22 - Urteil vom 24. November 2022 (LG Dresden)

Beweiswürdigung (Tatgericht; Urteilsgründe; Rechtsfehler; lückenhaft; Zweifelssatz; Indizien; Gesamtwürdigung; Einlassung des Angeklagten; unwiderlegt).

§ 261 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung setzt u.a. voraus, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt werden. Der Grundsatz in dubio pro reo ist dabei keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel. Etwaige den Angeklagten belastenden Indizien müssen zunächst mit vollem Gewicht in die Gesamtwürdigung eingestellt werden. Erst im Anschluss daran kommt - bei danach bestehenden Zweifeln - die Anwendung des Zweifelssatzes in Betracht. Es ist daher fehlerhaft, wenn jedes Indiz einzeln betrachtet und darauf jeweils isoliert der Zweifelssatz angewendet wird.

2. Die Urteilsgründe müssen nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt vielmehr von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalls ab; dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Insbesondere wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt oder sich von den Voraussetzungen eines gewichtigeren Straftatbestands nicht überzeugen kann, obwohl nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss es allerdings in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich wesentlichen, möglicherweise gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen.

3. Die Angaben eines Angeklagten brauchen selbst mit Blick auf den Zweifelsgrundsatz nicht schon deshalb als „unwiderlegt“ den Feststellungen zugrunde gelegt werden, weil es für ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit keine Beweise gibt. Vielmehr sind sie - nicht anders als andere Beweismittel - insbesondere auf ihre Plausibilität und anhand des übrigen Beweisergebnisses auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen.

4. Einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, können doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen.

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 28. April 2022 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen des Besitzes von Betäubungsmitteln und unerlaubten Waffenbesitzes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Staatsanwaltschaft erstrebt eine weitergehende Verurteilung des Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wendet sich hierzu mit ihrem auf die Sachrüge gestützten Rechtsmittel gegen den Schuldspruch. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision hat Erfolg.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Der Angeklagte bewahrte am 29. Juli 2021 auf einem großen Gartengrundstück in R., das mit einem Wohnhaus, einem Schuppen, einem Gewächshaus sowie einem Gehege für ein Wollschwein bebaut ist, im Schlafzimmer im Dachgeschoss des Wohnhauses in einem Weinzylinder 195,4 Gramm Marihuana mit einem THC-Gehalt von 24,3 Gramm und in einem weiteren Weinzylinder 20,8 Gramm Marihuana mit einem THC-Gehalt von 2,8 Gramm auf. In dem Fangnetz eines ebenfalls dort befindlichen Häckslers verwahrte er weitere 208,8 Gramm Marihuana mit einem THC-Gehalt von 7,3 Gramm. Dem Angeklagten war dabei aufgrund seiner Betäubungsmittelerfahrung und der Menge an Marihuana bewusst, dass sich der Besitz auf eine nicht geringe Menge bezog. Ferner bewahrte der Angeklagte auf einem ebenfalls in dem Schlafzimmer befindlichen Tisch fünf Tabletten Ecstasy mit einem Wirkstoffgehalt von insgesamt 0,95 Gramm MDMA-Base auf. In einem dort abgelegten Rucksack verwahrte er zudem 4,69 Gramm Methamphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 3,39 Gramm Methamphetamin-Base.

2. Hinsichtlich weiterer auf dem Grundstück aufgefundener Betäubungsmittel, nämlich

- 22 Cannabispflanzen, aufgefunden im Schuppen,

- 76 Cannabispflanzen in unterschiedlichem Wachstumsstadium, aufgefunden im Gewächshaus,

- 123 Cannabispflanzen, aufgefunden in zwei Kammern im Dachgeschoss des Wohngebäudes,

- zwei Cannabispflanzen, aufgefunden im Wollschweingehege,

- 67,7 Gramm Marihuana, aufgefunden in einem Eimer im Schuppen,

- 251,3 Gramm Marihuana, aufgefunden in einem schwarzen Plastikbeutel im Frostfach eines unter dem Vordach des Wohnhauses stehenden Kühlschranks, sowie

- 675,7 Gramm Marihuana, aufgefunden in einer Netto-Plastiktüte ebenfalls im genannten Kühlschrank,

hat sich die Strafkammer nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte diese in seinem Besitz hatte. Seine Einlassung, er sei auf dem seiner Lebensgefährtin gehörenden und an einen Dritten verpachteten Grundstück nur zu Gast gewesen und die aufgefundene Plantage mit Cannabispflanzen „gehe ihn … nichts an“, sei zumindest nicht zu widerlegen. So sei das DNA-Muster des Angeklagten im bewertbaren Befund einer am Gewächshaus gesicherten DNA-Spur nicht enthalten. Weitere Anhaltspunkte dafür, von wem die außerhalb des Dachgeschosses des Wohnhauses aufgefundenen Marihuanapflanzen und das getrocknete Marihuana stammten, hätten sich im Verlauf der Hauptverhandlung nicht ergeben.

3. Hinsichtlich der dem Angeklagten zugerechneten Marihuanamengen hat ihn das Landgericht allein wegen Besitzes, nicht aber wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt, weil keine ausreichenden und sicheren Anhaltspunkte dafür bestünden, dass diese zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt gewesen seien.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

1. Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht, dass die Beweiswürdigung (§ 261 StPO) sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht standhält, soweit das Landgericht hinsichtlich der außerhalb des Schlafzimmers aufgefundenen Betäubungsmittel keinen Besitz des Angeklagten festzustellen vermochte und soweit es sich hinsichtlich des im Schlafzimmer aufgefundenen Marihuanas zwar von einem Besitz, nicht aber von einem Handeltreiben des Angeklagten überzeugen konnte.

Das Revisionsgericht muss es zwar grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht Zweifel an dem Vorliegen eines den Angeklagten belastenden Sachverhalts nicht zu überwinden vermag. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich deshalb darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind, weil die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit übertriebene Anforderungen gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2021 - 5 StR 127/21 mwN).

Solche Rechtsfehler liegen hier vor.

a) Die Beweiswürdigung ist lückenhaft, soweit sich die Strafkammer nicht einmal hinsichtlich der dem Angeklagten zugerechneten Betäubungsmittel von einem Handeltreiben hat überzeugen können. Zwar müssen die Urteilsgründe nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalls ab; dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Insbesondere wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt oder sich wie hier von den Voraussetzungen eines gewichtigeren Straftatbestands nicht überzeugen kann, obwohl nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss es allerdings in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich wesentlichen, möglicherweise gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2022 - 5 StR 365/21).

Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. So hat in die Beweiswürdigung zur Frage eines Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht erkennbar Eingang gefunden, dass im Schlafzimmer des Angeklagten laut der Aussage eines bei der Durchsuchung eingesetzten Polizeibeamten, welche die Strafkammer für glaubhaft erachtet hat, auch neue Cliptütchen gefunden wurden, wie sie typischerweise beim Verkauf von Betäubungsmitteln an Endverbraucher als Verpackungsmaterial Verwendung finden. Außer Betracht gelassen hat das Landgericht zudem, dass dort laut derselben Zeugenaussage vier Feinwaagen gefunden wurden. Dies deutet darauf hin, dass der Angeklagte mehrere solcher im Betäubungsmittelhandel regelmäßig anzutreffender Geräte im Einsatz hatte.

In ihre Erwägungen einbezogen hat die Strafkammer aber nur eine einzige Feinwaage, die der Angeklagte über seinen ebay-Account erworben hatte, wobei die Strafkammer den Besitz dieses Geräts aber zu seinen Gunsten auf seinen Eigenkonsum zurückgeführt hat.

b) Die Strafkammer hat zudem im Hinblick sowohl auf das Handeltreiben als auch auf die Zurechnung weiterer Betäubungsmittel überzogene Anforderungen an ihre Überzeugungsbildung gestellt.

aa) Hierauf deutet bereits der Umstand hin, dass das Landgericht davon ausgegangen ist, es müsse die Einlassung des Angeklagten „widerlegen“. Denn die Angaben eines Angeklagten brauchen selbst mit Blick auf den Zweifelsgrundsatz nicht schon deshalb als „unwiderlegt“ den Feststellungen zugrunde gelegt werden, weil es für ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit keine Beweise gibt. Vielmehr sind sie - nicht anders als andere Beweismittel - insbesondere auf ihre Plausibilität und anhand des übrigen Beweisergebnisses auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2022 - 5 StR 282/21; Beschluss vom 12. November 2019 - 5 StR 451/19).

bb) Mit ihrer Erwägung, dass das dem Angeklagten zugeordnete Marihuana seinem Eigenkonsum gedient haben könnte, ist die Strafkammer sogar noch über seine Einlassung hinausgegangen. Denn auf eine solche Möglichkeit, für die das Urteil keine objektiven Anhaltspunkte benennt und die sich damit als hypothetisch erweist, hat sich nicht einmal der Angeklagte selbst berufen. Er hat allein bekundet, gelegentlich Crystal zu konsumieren, dies von Marihuana aber nicht behauptet.

cc) Die Beweiswürdigung der Strafkammer lässt zudem nicht erkennen, dass sich das Landgericht des Umstandes bewusst war, dass einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen können (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - 4 StR 603/19, NStZ 2021, 116). Es hat die Umstände, die für einen Besitz des Angeklagten auch an den übrigen aufgefundenen Marihuanamengen und für einen Handel mit Betäubungsmitteln sprechen, vielmehr isoliert abgehandelt und dann regelmäßig als nicht ausreichend „sicher“ aus seiner weiteren Betrachtung ausgeschieden. Dabei hat es teilweise erneut auch auf reine Hypothesen zurückgegriffen und potentiell gegenläufige Gesichtspunkte außer Betracht gelassen:

So hat die Strafkammer hinsichtlich der aufgefundenen Feinwaagen - auch wenn sie deren Anzahl nicht bedacht hat - grundsätzlich gesehen, dass die Verwahrung selbst nur eines solchen Geräts gemeinsam mit Betäubungsmittelvorräten auf einen Betäubungsmittelhandel hindeuten kann. Mit Blick auf den Eigenkonsum des Angeklagten hat sie jedoch ausgeführt, dass deshalb „kein sicheres Indiz“ für eine Handelstätigkeit gegeben sei, und diesen Umstand in die weitere Würdigung nicht mehr eingestellt.

Weiterhin hat das Landgericht durchaus erfasst, dass der Angeklagte in den Monaten vor der Durchsuchung zahlreiche weitere Gegenstände persönlich gekauft hatte, wie sie dann - zumindest in gleichem Fabrikat - im Zusammenhang mit den Marihuanaplantagen vorgefunden wurden, neben einer der vier Feinwaagen etwa einen Kanister Düngemittel, LED-Feuchtraumlampen und einen PVC-Schlauch. Diesen Umstand hat es jedoch für „nicht geeignet“ erachtet, um „den sicheren Beweis“ eines Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu führen. Dem möglichen Schluss auf einen Betrieb der Plantagen durch den Angeklagten hat es vielmehr sogleich die - wenn auch durch kein konkretes Beweisergebnis belegte und daher hypothetische - Möglichkeit gegenübergestellt, dass der Angeklagte für Freunde und Bekannte eingekauft haben könnte, um sie an dem ihm zur Verfügung stehenden Mitarbeiterrabatt teilhaben zu lassen. Zudem könne auch eine der anderen auf dem Grundstück regelmäßig anwesenden Personen die Gegenstände für eigene Zwecke genutzt haben. Warum der Angeklagte mehrfach Einkäufe tätigen und dann stets hinnehmen sollte, dass andere Personen das Erworbene für eigene Zwecke einsetzen, erörtern die Urteilsgründe dabei allerdings nicht.

Des Weiteren hat das Landgericht zwar implizit erkannt, dass die Auffindesituation indiziell für einen Mitbesitz des Angeklagten an all den über das gesamte Anwesen verteilten Marihuanamengen spricht, nachdem es ihm die im Schlafzimmer entdeckten Drogen bereits zuzurechnen vermochte. Es hat dem aber unmittelbar entgegengesetzt, dass sich auch andere Personen regelmäßig auf dem frei zugänglichen Grundstück aufgehalten hätten und zwei von ihnen wie der Angeklagte über einen Schlüssel für das Wohnhaus verfügten.

Speziell mit Blick auf die 123 in den beiden Kammern im Dachgeschoss aufgefundenen Cannabispflanzen hat die Strafkammer einerseits bedacht, dass der Angeklagte regelmäßig unmittelbar im Nachbarraum übernachtet und jedenfalls dort persönlich Marihuana verwahrt hatte. Gegenüber diesem Indiz hat sie jedoch andererseits „im Wege der Nichtausschließbarkeit angenommen“, dass ihm der Zugang zu den angrenzenden Dachkammern mit einem Vorhängeschloss versperrt gewesen sei; den Umstand hat sie sodann in die weitere Würdigung nicht mehr eingestellt. Die in diesem Zusammenhang angestellten Beweiserwägungen erweisen sich zudem ebenfalls als rechtsfehlerhaft: Der für diese Erwägung herangezogene Zeuge, ein an der Hausdurchsuchung mitwirkender Polizeibeamter, konnte sich laut Urteil zwar nicht erinnern, ob die Kammern überhaupt durch ein solches Schloss gesichert waren. Für ihre Hypothese genügte der Strafkammer hier jedoch, dass laut dem Zeugen immerhin eine Vorrichtung für ein Vorhängeschloss vorhanden gewesen sei. Dass einige der bereits genannten, vom Angeklagten jedenfalls in identischem Fabrikat erworbenen Gegenstände, nämlich ein Kanister Düngemittel und LED-Feuchtraumlampen, gerade im Bereich der beiden Kammern gefunden wurden, was für eine Zugangsmöglichkeit des Angeklagten sprechen kann, hat die Strafkammer in diesem Zusammenhang nicht erörtert. Nicht nur an dieser Stelle ist ihr zudem aus dem Blick geraten, dass sich alle Räumlichkeiten auf einem der Lebensgefährtin des Angeklagten gehörenden Grundstück befinden.

Im Ansatz zutreffend hat das Landgericht schließlich auch in den Blick genommen, dass der Angeklagte durch den Zeugen M. in dessen polizeilicher Vernehmung belastet worden war. Dieser Zeuge hatte bekundet, dass eine Person, die er als „Gärtner“ bezeichnete und mit der er nach Überzeugung der Strafkammer den Angeklagten meinte, mit Betäubungsmitteln handele und sich viel in einem Garten aufhalte. Hauptsächlich gehe es um Crystal; es solle dort aber auch eine Cannabisplantage geben. Wenn der „Gärtner“ im Garten sei, könne man dort auch „etwas“ kaufen. Einen Beweiswert hat die Strafkammer dieser Aussage jedoch sogleich wegen eines Widerspruchs in den Angaben abgesprochen, weil nämlich der Zeuge laut einer Vernehmung selbst bei dem „Gärtner“ Betäubungsmittel gekauft haben und laut einer anderen Vernehmung von dieser Kaufmöglichkeit nur von Dritten gehört haben will.

Das Landgericht hat mit dieser Vorgehensweise seine Aufgabe verfehlt, die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung einzustellen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 - 1 StR 46/21 mwN). Es hat vielmehr jedes Indiz einzeln betrachtet und dieses darüber hinaus mit der fehlerhaft isolierten Anwendung des Zweifelssatzes entwertet. Nur so konnte es zu dem - angesichts der Fülle der geschilderten Indizien schwer nachvollziehbaren - Fazit gelangen, dass sich „Anhaltspunkte“ für ein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln „im Verlaufe der Beweisaufnahme gerade nicht“ ergeben hätten. Der Grundsatz in dubio pro reo ist indes keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2021 - 5 StR 271/21). Richtigerweise hätten deshalb die zahlreichen den Angeklagten belastenden Indizien, die das Landgericht in den Blick genommen hat, zunächst mit vollem Gewicht in eine Gesamtwürdigung eingestellt werden müssen. Erst im Anschluss daran hätte - bei danach bestehenden Zweifeln - der Zweifelssatz angewendet werden dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2022 - 5 StR 320/21).

2. Obwohl es nach der Aufhebung des Schuldspruchs darauf nicht mehr ankommt, erweist sich auch der Ausspruch des Landgerichts zur Strafaussetzung zur Bewährung als rechtsfehlerhaft.

Die nach § 56 Abs. 1 und 2 StGB zu treffende Entscheidung ist zwar Aufgabe des Tatgerichts, dem auch insoweit ein weiter Beurteilungsspielraum zukommt, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 - 1 StR 128/16). Es ist aber erforderlich, dass das Urteil in einer der revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglichen Weise die dafür maßgebenden Gründe mitteilt. Für die Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren sind daher zunächst Ausführungen zum Vorliegen einer günstigen Legalprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB notwendig. Ferner muss das Tatgericht besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB darlegen, welche die Strafaussetzung zur Bewährung trotz des Unrechtsund Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, als nicht unangebracht erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 12. Mai 2021 - 5 StR 120/20).

Diese - auch auf die Sachrüge hin überprüfbaren - Darlegungsanforderungen verfehlt das Landgericht schon im Ansatz, weil die Urteilsgründe keinerlei Ausführungen zur Begründung der gewährten Strafaussetzung enthalten. Eine Überprüfung der landgerichtlichen Entscheidung ist damit nicht möglich.

III.

Das Urteil beruht auf den Rechtsfehlern (§ 337 Abs. 1 StPO). Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Das gilt - aufgrund der vom Landgericht angenommenen Tateinheit - auch für die an sich rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln und unerlaubten Waffenbesitzes.

Der Senat weist ergänzend auf Folgendes hin: Sollte sich das neue Tatgericht von den Voraussetzungen eines Handeltreibens des Angeklagten mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge überzeugen können, so wird es angesichts der im Erdgeschoss aufgefundenen Luftdruckwaffe wie auch angesichts der im Schlafzimmer des Angeklagten entdeckten Schreckschusswaffe und der dort vorhandenen Armbrust mit eingelegtem Pfeil den Qualifikationstatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) in den Blick zu nehmen und gegebenenfalls dazu Feststellungen zu 24 25 26 treffen haben (vgl. zur Relevanz der Bauart von Schreckschusswaffen nur BGH, Beschluss vom 29. April 2021 - 5 StR 104/21 mwN; zur notwendigen räumlichen Nähe von Betäubungsmitteln und Waffe BGH, Urteil vom 23. Januar 2020 - 3 StR 433/19, NStZ 2020, 554).

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 46

Bearbeiter: Christian Becker