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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 458

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 34/23, Beschluss v. 14.02.2023, HRRS 2023 Nr. 458


BGH 5 StR 34/23 - Beschluss vom 14. Februar 2023 (LG Berlin)

Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch bei Subsumtionsfehlern des erkennenden Gerichts zum Schuldspruch.

§ 344 Abs. 1 StPO; § 318 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Das Revisionsgericht darf grundsätzlich diejenigen Entscheidungsteile nicht nachprüfen, deren Überprüfung von keiner Seite begehrt wird. Insbesondere berühren etwaige Subsumtionsfehler des erkennenden Gerichts und daraus resultierende Mängel des Schuldspruchs die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung, die den Schuldspruch von der Beanstandung ausnimmt, nicht. Vielmehr hat das Revisionsgericht im Fall eines auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsmittels die revisionsrechtliche Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung auf der Basis des Schuldspruchs des angefochtenen Urteils vorzunehmen, auch wenn dieser - zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten - auf einer rechtsfehlerhaften Subsumtion und damit unzutreffenden rechtlichen Einordnung des Tatgeschehens beruht.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 24. Oktober 2022 im Schuldspruch dahingehend berichtigt, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 18 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, schuldig ist.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 19 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rechtsfolgenentscheidung mit Ausnahme der Anordnung der Einziehung beschränkte Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Korrektur des Schuldspruchs (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen 19 Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen. Ausweislich der Urteilsgründe hat es jedoch lediglich 18 Taten festgestellt und auch nur insoweit Einzelstrafen verhängt und aus diesen eine Gesamtstrafe gebildet. Bei dem unter II.19 der Urteilsgründe dargestellten Geschehen handelt es sich dagegen um Feststellungen zum (straflosen) Nachtatverhalten des Angeklagten, und zwar die Zahlung eines Geldbetrages an die Landeskasse im Vorgriff auf die im hiesigen Strafverfahren erwartete Einziehung des Wertes von Taterträgen.

Damit entbehrt der Schuldspruch für - neben den ausgeurteilten, mit Feststellungen unterlegten 18 Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - ein weiteres solches Verbrechen (19. Tat) einer Grundlage. Er hatte in diesem Umfang zu entfallen. Die erklärte Beschränkung der Revision steht dem nicht entgegen, da diese insoweit unwirksam ist. Zwar darf das Revisionsgericht grundsätzlich diejenigen Entscheidungsteile nicht nachprüfen, deren Überprüfung von keiner Seite begehrt wird (BGH, Beschluss vom 26. September 2019 - 5 StR 206/19, BGHSt 64, 209, 214). Insbesondere berühren etwaige Subsumtionsfehler des erkennenden Gerichts und daraus resultierende Mängel des Schuldspruchs die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung, die den Schuldspruch von der Beanstandung ausnimmt, nicht. Vielmehr hat das Revisionsgericht im Fall eines auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsmittels die revisionsrechtliche Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung auf der Basis des Schuldspruchs des angefochtenen Urteils vorzunehmen, auch wenn dieser - zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten - auf einer rechtsfehlerhaften Subsumtion und damit unzutreffenden rechtlichen Einordnung des Tatgeschehens beruht (BGH, Urteil vom 5. Mai 2022 - 3 StR 412/21, NStZ-RR 2022, 290 f. mwN).

Dies gilt jedoch dann nicht, wenn auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen zu dem nicht angefochtenen Schuldspruch überhaupt keine Strafe hätte verhängt werden dürfen (vgl. BGH, Urteile vom 5. Mai 2022 - 3 StR 412/21 aaO; vom 10. März 2016 - 3 StR 347/15, NStZ 2016, 733, 736; vom 22. Februar 1996 - 1 StR 721/95, NStZ 1996, 352, 353) oder ein Schuldspruch mit zugehörigen Feststellungen überhaupt fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2019 - 5 StR 206/19, BGHSt 64, 209, 215). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor.

2. Die Aufhebung der Verurteilung wegen einer Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge berührt den Strafausspruch nicht, da das Landgericht Einzelstrafen nur für 18 festgestellte Taten festgesetzt und hieraus eine Gesamtstrafe gebildet hat.

3. Die weitere Überprüfung des Urteils aufgrund der - im Übrigen wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten - Revision hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 458

Bearbeiter: Christian Becker