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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 825

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 302/21, Beschluss v. 15.03.2022, HRRS 2022 Nr. 825


BGH 2 StR 302/21 - Beschluss vom 15. März 2022 (LG Köln)

Beihilfe (Voraussetzungen; nachträgliches Einverständnis); erfolgsqualifizierte Delikte (Körperverletzung mit Todesfolge; Vorsatz des Täters, nicht gebilligter oder gewollter Erfolg; Erfassung des wesentlichen Unrechtsgehalt und Angriffsrichtung; keine Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs notwendig; keine Körperverletzung von gänzlicher anderer Art der Beschaffenheit als die vom Teilnehmer gewollte und vorgestellte; Fahrlässigkeit in Bezug auf den Taterfolg: Gefahr der schweren Folge typischerweise an Begehungsweise anhaftend, kein Vorsatz des Gehilfen auf die Körperverletzungshandlung).

§ 27 StGB; § 211 StGB; § 227 StGB; § 222 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Für das, was schon vollständig abgeschlossen ist, vermag das nachträgliche Einverständnis eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Gehilfen nicht mehr zu begründen.

2. Bei erfolgsqualifizierten Delikten - wie dem des § 227 StGB - wird die strafrechtliche Haftung des Teilnehmers für den von ihm weder gewollten noch gebilligten Erfolg nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass der Täter diesen vorsätzlich herbeigeführt hat. Sofern der Täter dem Misshandelten, insoweit über den Vorsatz des Teilnehmers hinausgehend, mit Tötungsvorsatz eine Verletzung zufügt, die auch zum Tode des Opfers führt, kann sich daraus eine Strafbarkeit wegen Teilnahme an einer Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) ergeben. Aber ausgehend von dem Grundsatz, dass der Teilnehmer für eine entsprechende Strafbarkeit jedenfalls den wesentlichen Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung der Haupttat erfassen muss, haftet er nur für die Folgen derjenigen Handlungen des Täters, die er in seine entsprechenden Vorstellungen einbezogen hatte.

3. Dies bedarf indes nicht der Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs, so dass eine Verurteilung wegen Teilnahme an einer Körperverletzung mit Todesfolge auch dann in Betracht kommen kann, wenn der Teilnehmer zwar keine Kenntnis vom Mitführen eines später zur Tötung eingesetzten Messers durch den Täter hatte, in Bezug auf die Körperverletzung der Vorsatz des Teilnehmers aber auch auf die Verwendung von Schlagwerkzeugen oder die Intensivierung der Verletzungshandlungen im Falle der Gegenwehr bezogen war. Ausreichend für eine Verurteilung eines Teilnehmers nach § 227 StGB - hierzu aber auch erforderlich - ist, dass die von dem Täter dem Opfer mit Tötungsvorsatz zugefügten Körperverletzungen nicht gänzlich von anderer Art und Beschaffenheit sind, als der Teilnehmer wollte und es sich vorstellte.

4. § 18 StGB lässt allein in Bezug auf den Taterfolg Fahrlässigkeit genügen. Ähnlich wie bei der Mittäterschaft ist entscheidend, dass sich der Teilnehmervorsatz gerade auch auf die Begehungsweise bezieht, der die Gefahr der schweren Folge typischerweise anhaftet. § 18 StGB findet dagegen keine Anwendung, wenn der Tod des Tatopfers auf einer Körperverletzungshandlung beruht, die nicht vom Vorstellungsbild des Gehilfen gedeckt war, mag deren Begehung auch erkennbar gewesen sein. In diesen Fällen besteht auch bezogen auf die Tathandlung lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gegen den Gehilfen, so dass dessen Strafbarkeit nach § 227 Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB ausscheidet und allenfalls eine solche nach § 222 StGB in Betracht kommt.

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 22. Dezember 2020, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen „Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Beihilfe zum versuchten Mord in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen“ unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Den Angeklagten P. hat es wegen „Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen“ - ebenfalls unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einer Vorverurteilung - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es Adhäsionsentscheidungen getroffen.

Gegen das Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, die sie auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts stützen. Der Angeklagte S. hat zudem Verfahrensbeanstandungen angebracht und die Kostenbeschwerde nach § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO erhoben. Die Rechtsmittel haben auf die Sachrüge hin Erfolg; auf die Verfahrensrügen kommt es nicht an.

I.

Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Nachdem bei einem Einbruch in eine durch den Nichtrevidenten K. betriebene Bar mehrere tausend Euro entwendet worden waren, lobte dieser zur Ergreifung der Täter eine Belohnung aus. Hierauf wurde der Angeklagte P. aufmerksam, der zusammen mit den später Geschädigten A., Pl. und R. an einem weiteren Einbruch beteiligt gewesen war und aus deren Gesprächen geschlossen hatte, dass diese zuvor in die Bar des K. eingedrungen gewesen sein mussten. P. teilte K. mit, dass er wisse, wer für den Einbruch bei ihm verantwortlich sei und dass von den betreffenden Personen beabsichtigt sei, das Diebesgut für eine Nacht in der Kneipe des Zeugen C. („ N. “) zu lagern. Der Nichtrevident entschloss sich zusammen mit seinem Bruder, dem gesondert verfolgten I. K., die Geschädigten für ihre „Verfehlung zu bestrafen“. Hierzu gewannen sie auch den gesondert verfolgten Ak., Präsident einer regionalen Abteilung („Chapter“) der „Hells Angels“, sowie den Angeklagten S. .

Die Gruppe um den Nichtrevidenten traf sich entsprechend einer Verabredung am 20. November 2015 gegen 2.40 Uhr vor dem“ N.“ mit P.

Dieser bestätigte, dass sich die gesuchten Einbrecher im zu dieser Zeit geschlossenen“ N.“ befänden und verließ anschließend die Örtlichkeit. In diesem Moment traf - nicht ausschließbar zufällig - der Zeuge C. ein, den die Gruppe in ihre Gewalt brachte, indem ihm von I. K. eine nach Absprache mit Ak. mitgeführte Schusswaffe an den Kopf gehalten und er von den Beteiligten in den Vorraum des“ N.“ gedrängt wurde. Die Geschädigten Su. - der Kellner - und A. wurden im Inneren auf Geräusche an der Tür aufmerksam und gingen von einer Rückkehr P. s aus; mit einem körperlichen Angriff rechnete niemand der Geschädigten.

Während der Angeklagte S. mit dem Zeugen C. zunächst im Eingangsbereich verblieb und diesen von einem Eingreifen abhielt, drangen die anderen aus der Gruppe um den Nichtrevidenten schreiend in die Kneipe ein. I. K. fügte dem Geschädigten Su. durch einen Schlag mit der Pistole einen Schädel-Impressionsbruch zu, so dass dieser bewusstlos zu Boden ging. Die Geschädigten A. und R. wurden durch Schüsse in die Oberarme bzw. die Leistengegend ebenso verletzt wie durch den Einsatz stumpfer Gewalt. Der Nichtrevident K. hielt währenddessen den am Ende des Raums sitzenden Geschädigten Pl. von einer Flucht ab. Trotz dessen flehender Bitte, ihn zu verschonen, schoss Ak. - dem die Schusswaffe zwischenzeitlich übergeben worden war - Pl. aus kurzer Distanz in den Oberkörper, so dass dieser innerhalb kurzer Zeit verstarb. Nachdem der Versuch I. K. s, weitere Schüsse auf die am Boden liegenden übrigen Geschädigte abzugeben, aus technischen Gründen misslungen war, floh die Gruppe aus dem“ N. “.

2. Der Nichtrevident K. habe sich, so das Landgericht, in Mittäterschaft mit seinem Bruder sowie dem Ak. wegen Heimtückemords zum Nachteil des Geschädigten Pl. sowie - jeweils tateinheitlich - eines versuchten Heimtückemords und einer gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten A. und R. sowie schließlich wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten Su. strafbar gemacht. Zu diesen Taten habe der Angeklagte S. Beihilfe geleistet, indem er den K. zum Tatort gefahren und dort den Zeugen C. von einem Eingreifen abgehalten habe. Ein entsprechender Gehilfenvorsatz läge vor. Das überfallartige nächtliche Eindringen der Gruppe in das beengte“ N.“ spreche für eine bewusste Gewalteskalation. Zudem sei dem Angeklagten die Gewaltbereitschaft seines Bruders und Ak. s bekannt gewesen. Er habe gewusst, dass Ak. kurz vor der Tat an einem anderen Überfall beteiligt gewesen sei; hierbei sei ebenfalls eine Schusswaffe verwendet worden, um so den Tatopfern erhebliche Verletzungen zuzufügen. Dass auch bei der hiesigen Tat eine Schusswaffe zum Einsatz kommen würde, habe er spätestens erkannt, als dem Zeugen eine solche an den Kopf gehalten worden sei. Schließlich habe der Angeklagte den Zeugen selbst dann noch unbeirrt weiter bewacht, als die ersten Schüsse auf die Geschädigten gefallen seien, was dafür spreche, dass er sich mit deren Tötung von Anfang an abgefunden habe.

3. Auch der Angeklagte P. habe Beihilfe zu den Taten des Nichtrevidenten geleistet, indem er diesem den Aufenthaltsort der für den Einbruch verantwortlichen Geschädigten mitgeteilt habe. Jedoch sei bei ihm lediglich ein Gehilfenvorsatz in Bezug auf Körperverletzungshandlungen gegeben, da er zwar von der Gewaltbereitschaft der Beteiligten gewusst habe, nicht jedoch habe festgestellt werden können, dass er Kenntnis vom Mitführen einer Schusswaffe gehabt habe. Deren Einsatz sei aber für ihn vorhersehbar gewesen, weswegen ihm in Bezug auf den Tod des Geschädigten Pl. Fahrlässigkeit im Sinne der § 227, § 18 StGB zur Last falle.

II.

Das Urteil hält einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Hinsichtlich des Angeklagten S. erweist sich die Beweiswürdigung des Landgerichts zum Gehilfenvorsatz - auch eingedenk des nur eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. nur Senat, Urteile vom 1. Februar 2017 - 2 StR 78/16, NStZ-RR 2017, 183, 184; vom 1. Juli 2020 - 2 StR 326/19 Rn. 8; BGH, Urteil vom 24. März 2015 - 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179 jeweils mwN) - als lückenhaft.

a) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. Die Strafbarkeit wegen Beihilfe setzt danach in objektiver Hinsicht eine von einem anderen vorsätzlich begangene rechtswidrige Haupttat sowie deren Förderung durch den Gehilfen voraus. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite muss sich der Vorsatz des Gehilfen auf die Haupttat beziehen und sowohl die Verwirklichung der hinreichend konkretisierten Tat des anderen als auch die Förderung dieser Tat durch einen eigenen Unterstützungsbeitrag umfassen. Einzelheiten der Haupttat braucht der Teilnehmer nicht zu kennen; indes muss er jedenfalls den wesentlichen Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung der Haupttat erfassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 109; vom 13. Januar 2015 - 1 StR 454/14, NStZ-RR 2015, 75, 76; Beschlüsse vom 20. Januar 2011 - 3 StR 420/10, NStZ 2011, 399, 400; vom 16. Dezember 2020 - 4 StR 297/20, NStZ-RR 2021, 78, 79; vgl. auch Schönke/Schröder-StGB/Heine/Weißer, 30. Aufl., § 27 Rn. 29).

b) Hiervon ausgehend hat das Landgericht bei der Beurteilung des Gehilfenvorsatzes wesentliche Umstände nicht erörtert, die gegen die Annahme sprechen können, der Angeklagte S. habe Beihilfe zu Tötungsdelikten leisten wollen.

aa) Die durch das Landgericht im Rahmen seiner Würdigung herangezogenen Beweisanzeichen wie die Uhrzeit des Überfalls, die räumlichen Begebenheiten sowie das überfallartige Eindringen weisen weder für sich betrachtet noch in der Gesamtschau eine solche Besonderheit auf, dass ohne Weiteres aus ihnen nicht nur auf einen Vorsatz des Angeklagten auf (bloße) Körperverletzungs-, sondern auch auf Tötungshandlungen geschlossen werden kann. Hiervon ist auch das Landgericht noch zutreffend ausgegangen.

bb) Soweit das Landgericht folgerichtig dem Verhalten des Angeklagten S. während der Tat im Rahmen der Beweiswürdigung maßgebliche Bedeutung beigemessen hat, hat es entscheidend auf den Umstand abgestellt, dass der Angeklagte auch nach den ersten Schüssen auf die Geschädigten den Zeugen C. unbeirrt weiter bewachte und hieraus abgeleitet, dass der Angeklagte die Tötung der Geschädigten billigend in Kauf genommen habe. Dies greift indes zu kurz.

(1) Das Landgericht hat nicht in den Blick genommen und erörtert, dass der Angeklagte nach den Feststellungen das“ N.“ nicht wie die übrigen Beteiligten gestürmt hatte, sondern er zunächst mit dem Zeugen im Eingangsbereich verblieben war und erst im Laufe des Überfalls hineingerufen wurde. Dies hätte zur Erörterung drängen müssen, welche Schussabgaben der Angeklagte optisch oder akustisch wahrnahm oder warum er auch ohne optische Wahrnehmung von tödlichen Schüssen ausgegangen ist, zumal sich der Angeklagte dahingehend eingelassen hat, nur gesehen zu haben, wie - zum Ende des Geschehens - auf den Geschädigten Pl. geschossen worden sei. Zwar hat sich der Angeklagte auch dahingehend eingelassen, dass ein Schalldämpfer seiner Einschätzung nach nicht verwendet worden sei, was nahelegt, dass er sämtliche Schüsse jedenfalls hörte. Dies trägt indes die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte S. habe die Tötung eines Geschädigten billigend in Kauf genommen, nicht ohne Weiteres. Anders als bei optischer Wahrnehmung lässt sich allein aus der Geräuschentwicklung eines Schusses regelmäßig nicht dessen Zielrichtung ableiten.

(2) Näherer Erörterung hätte auch die Frage bedurft, welche Reaktion von dem Angeklagten in der Kürze der Zeit - auch mit Blick auf die Gewaltbereitschaft der übrigen Beteiligten - zu erwarten gewesen wäre, sollte er mit den Tötungshandlungen nicht einverstanden gewesen sein. Denn in den Urteilsgründen wird in anderem Zusammenhang die Dynamik des Geschehensablaufs betont; auch hat die Strafkammer festgestellt, dass das gesamte Geschehen zwischen Eintreffen am Tatort und der Flucht der Angreifer nach den tödlichen Schüssen auf Pl. nur ca. zwei Minuten gedauert hat. Die Möglichkeiten des Angeklagten S., sich vom Handeln der anderen zu distanzieren, waren damit in einem Umfang begrenzt, der es nicht ohne Weiteres nahelegt, dass aus fehlender Distanzierung auf einen Gehilfenvorsatz im Hinblick auf ein Tötungsdelikt geschlossen werden könnte, insbesondere, wenn er lediglich den Schuss auf den Geschädigten Pl. optisch wahrgenommen haben sollte. Für das, was schon vollständig abgeschlossen ist, vermag das nachträgliche Einverständnis eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Gehilfen nicht mehr zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2011 - 3 StR 310/11, NStZ 2012, 264 mwN).

cc) Die im Übrigen getroffenen Feststellungen und Wertungen tragen für sich genommen die Annahme eines Gehilfenvorsatzes im Hinblick auf ein Tötungsdelikt ebenfalls nicht. Einen über die bloße Abrede der Gruppe um den Nichtrevidenten, die Geschädigten „bestrafen“ und hierfür im“ N.“ mit einer körperlichen Auseinandersetzung „überfallartig“ beginnen zu wollen, hat die Strafkammer keinen weiteren - ausdrücklichen - Tatplan festgestellt, in den der Angeklagte S. eingebunden gewesen wäre; die Planung des Überfalls war vorwiegend durch den Nichtrevidenten und dessen Bruder zusammen mit Ak. vorgenommen worden. Auch vermochte die Strafkammer nicht zu klären, aus welchen Beweggründen sich der Angeklagte S. an der Tat beteiligte. Er war jedenfalls - nach den Urteilsgründen - bei Betreten der Gaststätte möglicherweise von dem Gedanken geleitet, bei den Geschädigten solle Furcht vor weiteren Repressalien aufgebaut werden (vgl. zum Tötungsvorsatz bei „Denkzettel“-Fällen Senat, Urteil vom 8. März 2017 - 2 StR 429/16, NStZ-RR 2017, 243, 244; Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 2 StR 312/15, NJW 2016, 1970, 1971; BGH, Urteile vom 9. September 1986 - 5 StR 98/86, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 4). Nicht ausgeschlossen erscheint, dass sich - dieses Tatmotiv als gegeben unterstellt - die Tötungshandlungen innerhalb des“ N.“ aus Sicht des Angeklagten S. als ein spontanes Entgleiten der Situation darstellte (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 8. November 2011 - 3 StR 310/11, NStZ 2012, 264). Hierzu verhalten sich die Urteilsgründe nicht.

2. Auch die Verurteilung des Angeklagten P. wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Diese ist durch die getroffenen Feststellungen nicht belegt.

a) Allerdings wird bei erfolgsqualifizierten Delikten - wie dem des § 227 StGB - die strafrechtliche Haftung des Teilnehmers für den von ihm weder gewollten noch gebilligten Erfolg nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass der Täter diesen vorsätzlich herbeigeführt hat (vgl. Senat, Urteil vom 3. Juni 1964 - 2 StR 14/64, BGHSt 19, 339, 341). Sofern der Täter dem Misshandelten, insoweit über den Vorsatz des Teilnehmers hinausgehend, mit Tötungsvorsatz eine Verletzung zufügt, die auch zum Tode des Opfers führt, kann sich daraus eine Strafbarkeit wegen Teilnahme an einer Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 1. April 1952 - 1 StR 867/51, BGHSt 2, 223, 226). Aber ausgehend von dem Grundsatz, dass der Teilnehmer für eine entsprechende Strafbarkeit jedenfalls den wesentlichen Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung der Haupttat erfassen muss, haftet er nur für die Folgen derjenigen Handlungen des Täters, die er in seine entsprechenden Vorstellungen einbezogen hatte.

Dies bedarf indes nicht der Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs, so dass eine Verurteilung wegen Teilnahme an einer Körperverletzung mit Todesfolge auch dann in Betracht kommen kann, wenn der Teilnehmer zwar keine Kenntnis vom Mitführen eines später zur Tötung eingesetzten Messers durch den Täter hatte, in Bezug auf die Körperverletzung der Vorsatz des Teilnehmers aber auch auf die Verwendung von Schlagwerkzeugen (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juni 2009 - 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 309, 310) oder die Intensivierung der Verletzungshandlungen im Falle der Gegenwehr (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2004 - 5 StR 15/04, NStZ 2004, 684) bezogen war. Ausreichend für eine Verurteilung eines Teilnehmers nach § 227 StGB - hierzu aber auch erforderlich - ist, dass die von dem Täter dem Opfer mit Tötungsvorsatz zugefügten Körperverletzungen nicht gänzlich von anderer Art und Beschaffenheit sind, als der Teilnehmer wollte und es sich vorstellte (vgl. BGH, Urteil vom 1. April 1952 - 1 StR 867/51, BGHSt 2, 223, 226; vom 20. Mai 1986 - 1 StR 224/86, NJW 1987, 77 f.; vom 25. November 2015 - 1 StR 349/15, NStZ-RR 2016, 43, 45; vgl. auch BeckOK-StGB/Eschelbach, 53. Edition, § 227 Rn. 20).

b) Ausgehend hiervon belegen die Feststellungen nicht, dass der durch den Schusswaffeneinsatz hervorgerufene Tod des Geschädigten Pl. dem Angeklagten P. im Sinne der § 227 Abs. 1, § 18, § 27 Abs. 1 StGB zugerechnet werden kann.

Zwar erkannte der Angeklagte P. - wie die Strafkammer festgestellt hat - die Gefahr von Körperverletzungshandlungen. Aus der Gesamtschau der Urteilsgründe wird auch deutlich, dass er von einer gemeinschaftlichen und daher nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB qualifizierten Begehungsweise ausging. Dies allein trägt indes nicht die Annahme, der Angeklagte P. habe den Tod eines Geschädigten als spezifische Folge der Gewalteinwirkung voraussehen können. Die Strafkammer hat ausdrücklich nicht festzustellen vermocht, dass der Angeklagte wusste, dass I. K. eine Schusswaffe mit sich führte. Weitergehende Feststellungen dazu, von welchen Handlungen der Angeklagte P. konkret ausgegangen ist, hat die Strafkammer nicht getroffen. Damit wird nicht belegt, dass der Angeklagte P. zumindest den wesentlichen Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung der Haupttat - tödlicher Schuss auf ein Tatopfer - erfasst hatte.

Dass für den Angeklagten P. die Verwendung einer Schusswaffe nicht außerhalb des für ihn Vorhersehbaren gelegen habe, wie die Strafkammer annimmt, genügt nicht für die Begründung einer Strafbarkeit nach § 227 Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB. Der qualifizierte Taterfolg des § 227 Abs. 1 StGB kann dem Angeklagten P. nur dann zugerechnet werden, wenn dieser ausgehend von der von seinem Vorsatz umfassten Körperverletzungshandlung darauf hätte schließen können, dass diese den Tod des Tatopfers zur Folge haben konnte.

Denn § 18 StGB lässt allein in Bezug auf den Taterfolg Fahrlässigkeit genügen. Ähnlich wie bei der Mittäterschaft ist entscheidend, dass sich der Teilnehmervorsatz gerade auch auf die Begehungsweise bezieht, der die Gefahr der schweren Folge typischerweise anhaftet (MüKo-StGB/Hardtung, 4. Aufl., § 18 Rn. 63 mwN; BeckOK-StGB/Kudlich, 53. Edition, § 18 Rn. 24). § 18 StGB findet dagegen keine Anwendung, wenn der Tod des Tatopfers auf einer Körperverletzungshandlung beruht, die nicht vom Vorstellungsbild des Gehilfen gedeckt war, mag deren Begehung auch erkennbar gewesen sein. In diesen Fällen besteht auch bezogen auf die Tathandlung lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gegen den Gehilfen, so dass dessen Strafbarkeit nach § 227 Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB ausscheidet und allenfalls eine solche nach § 222 StGB in Betracht kommt.

3. Die aufgezeigten Rechtsfehler entziehen den Verurteilungen der Angeklagten im Hinblick auf alle tateinheitlich mitverwirklichten Delikte und damit dem gesamten Schuldspruch die Grundlage. Das Urteil war daher, soweit es die Beschwerdeführer betrifft, aufzuheben; die Kostenbeschwerde des Angeklagten S. wird damit gegenstandlos (vgl. KK-StPO/Gieg, 8. Aufl., § 464 Rn. 14). Der Senat hebt auch die getroffenen Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht umfassende eigene, in sich widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen (§ 353 Abs. 2 StPO). Auch die Adhäsionsentscheidung kann insoweit keinen Bestand haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Dezember 2018 - 5 StR 373/18, NJWSpezial 2019, 249, 250; vom 18. Dezember 2019 - 1 StR 431/19, wistra 2020, 256, 257). Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

III.

Ergänzend bemerkt der Senat:

1. Bei einer erneuten audiovisuellen Vernehmung des in der Türkei inhaftierten I. K. wird das neue Tatgericht gleichfalls sicherzustellen haben, dass die Verfahrensgarantien des deutschen Strafprozessrechts gewahrt bleiben (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 15. September 1999 - 1 StR 286/99, BGHSt 45, 188, 194 f.; vom 18. Mai 2000 - 4 StR 647/99, BGHSt 46, 73, 76).

2. Das neue Tatgericht wird sich eingehend mit der Frage zu befassen haben, auf welchen Zeitpunkt im Hinblick auf die Tötung des Pl. bei der Prüfung der Heimtücke abzustellen ist (vgl. etwa BGH NStZ 2015, 31, 32; NStZ 2018, 654; NJW 2020, 2421, 2423) und ob sich insoweit der Gehilfenvorsatz auf die mögliche Annahme des Heimtückemerkmals erstreckte.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 825

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß