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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 174

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 103/21, Beschluss v. 25.11.2021, HRRS 2022 Nr. 174


BGH 4 StR 103/21 - Beschluss vom 25. November 2021 (LG Bochum)

Hehlerei (Täter: Teilnehmer der Vortat; Absatzhilfe); Beihilfe (keine Beihilfe nach Beendigung der Haupttat); Betrug (Beendigung).

§ 259 StGB; § 27 StGB; § 263 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Auch der Teilnehmer an der Vortat kann Täter einer Hehlerei. Dies kommt lediglich dann nicht in Betracht, wenn der Betroffene unmittelbar am wirtschaftlichen Erfolg der Vortat teilhaben will, etwa im Sinne eines „Anrechts“ auf die Beute.

2. Absatzhilfe ist die Unterstützung des Vortäters beim Absatz der bemakelten Sache, wobei der Absatzhelfer „im Lager“ des Vortäters stehen muss.

3. Beihilfe im Sinne von § 27 StGB kann nur geleistet werden, solange das Haupttatgeschehen noch nicht vollständig abgeschlossen ist; nach Beendigung der Haupttat kommt eine strafbare Beihilfe nicht mehr in Betracht.

4. Ein Betrug ist beendet, wenn der Vermögensvorteil beim Täter endgültig eingetreten ist. Maßgeblich ist hierbei die Erlangung des (letzten) vom Tatplan umfassten Vermögensvorteils.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird

a) das Urteil des Landgerichts Bochum vom 30. Oktober 2020, soweit es ihn betrifft, im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte in den Fällen B.II.4.-7., 9. und 11. der Urteilsgründe der gewerbsmäßigen Hehlerei und im Fall B.II.3. der Urteilsgründe der versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei schuldig ist,

b) das vorgenannte Urteil, soweit es den Angeklagten betrifft, im Schuldspruch klarstellend wie folgt neu gefasst:

Der Angeklagte ist der gewerbsmäßigen Hehlerei in sechs Fällen, der versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei sowie der Beihilfe zur gewerbsmäßigen Hehlerei in drei Fällen schuldig.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug in sieben Fällen, wovon es in einem Fall beim Versuch blieb, und wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Hehlerei in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Schuldspruchänderung und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den Feststellungen - soweit für die Entscheidung von Bedeutung - verständigten sich der Mitangeklagte K. und der gesondert Verfolgte A. mit dem Angeklagten darauf, dass hochwertige Kraftfahrzeuge illegal, unter anderem durch von K. und weiteren Beteiligten zu begehende Betrugstaten zum Nachteil von Mietwagenunternehmen, beschafft und danach durch A. zur Verschleierung ihrer Herkunft manipuliert werden sollten, um sie anschließend gewinnbringend ins Ausland veräußern zu können. Der Angeklagte sollte hierbei als Mittelsmann und Dolmetscher zwischen K. und A. fungieren. Er erklärte sich wegen seiner schlechten wirtschaftlichen Situation bereit, gegen einen von K. für jede Tatbeteiligung zugesagten Lohn an dem Vorhaben mitzuwirken.

Der Mitangeklagte K. veranlasste sodann in den Fällen B.II.3.-7., 9. und 11. der Urteilsgründe (Teil 2) Dritte dazu, Fahrzeuge bei Mietwagenunternehmen unter Angabe falscher Personalien und Vorspiegelung der tatsächlich nicht bestehenden Bereitschaft zur späteren Rückgabe anzumieten. Die Fahrzeuge wurden jeweils irrtumsbedingt an die als Mieter auftretenden Beteiligten übergeben und danach zu A. gebracht, der sie u.a. mit falschen Kennzeichen und Fahrzeugpapieren versehen, die Fahrzeugidentifikationsnummer verändern und vorhandene GPS-Geräte entfernen sollte. Der Angeklagte wirkte hieran in sieben Fällen mit, indem er mindestens die Daten, die A. zur Herstellung falscher Fahrzeugdokumente verwenden sollte, absprachegemäß von K. an A. übermittelte. In einem der Fälle (Fall B.II.3.) konnte das Fahrzeug vor Fertigstellung der Arbeiten des A. durch die Polizei sichergestellt werden. In allen anderen Fällen wurden die Fahrzeuge wie geplant ins Ausland abgesetzt.

Das Landgericht hat die Beteiligung des Angeklagten an den vorgenannten Taten rechtlich als Beihilfe zum Betrug in sieben Fällen, wovon es in einem Fall beim Versuch blieb, gewürdigt.

2. Der Schuldspruch hält der auf die Sachrüge des Angeklagten gebotenen Nachprüfung in den Fällen B.II.3.-7., 9. und 11. der Urteilsgründe nicht stand. Die Feststellungen tragen die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begangener Beihilfe zum (versuchten) Betrug nicht, weil der Angeklagte die vom Landgericht als Beihilfehandlungen gewerteten Datenübermittlungen an A. erst nach Beendigung der Betrugstaten erbrachte.

a) Beihilfe im Sinne von § 27 StGB kann nur geleistet werden, solange das Haupttatgeschehen noch nicht vollständig abgeschlossen ist; nach Beendigung der Haupttat kommt eine strafbare Beihilfe nicht mehr in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2021 - 4 StR 314/20; Urteil vom 7. Februar 2008 - 5 StR 242/07, NJW 2008, 1460, 1461, jew. mwN). Ein Betrug ist beendet, wenn der Vermögensvorteil beim Täter endgültig eingetreten ist (BGH, Beschluss vom 16. April 2014 - 2 StR 435/13, NStZ 2014, 516, 517; vgl. auch BGH, Beschluss vom 28. November 2017 - 3 StR 266/17, NStZ-RR 2018, 211, 212). Maßgeblich ist hierbei die Erlangung des (letzten) vom Tatplan umfassten Vermögensvorteils (BGH, Urteil vom 10. November 2016 - 4 StR 86/16, NStZ 2018, 45, 46; Beschluss vom 18. November 2015 - 4 StR 76/15, NStZ-RR 2016, 42 mwN).

Die Betrugstaten waren hier jeweils auf die Erlangung des Besitzes, nämlich die den Berechtigten ausschließende faktische Herrschaftsgewalt an den Mietwagen, gerichtet. Diesen Vermögensvorteil hatten die Täter der Betrugstaten bereits in dem Zeitpunkt erlangt, in dem die Fahrzeuge durch das Mietwagenunternehmen an den jeweiligen Anmieter herausgegeben worden und dieser damit davongefahren war. Die danach beabsichtigten oder tatsächlich erfolgten Maßnahmen des A. zur Verschleierung der Identität der Fahrzeuge, welche der Angeklagte durch seine Beiträge unterstützte, dienten nur noch dazu, die Rückerlangung des Besitzes durch die Berechtigten zu erschweren.

b) Die fehlerfrei getroffenen Feststellungen rechtfertigen jedoch in allen vom Landgericht als Beihilfe zum Betrug gewerteten Fällen eine Verurteilung des Angeklagten wegen täterschaftlich begangener gewerbsmäßiger Hehlerei (§ 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB) bzw. im Fall B.II.3. der Urteilsgründe wegen Versuchs. Der Angeklagte leistete K. jeweils Absatzhilfe im Sinne des § 259 Abs. 1 StGB.

Absatzhilfe ist die Unterstützung des Vortäters beim Absatz der bemakelten Sache (vgl. BGH, Urteil vom 3. Oktober 1984 - 2 StR 166/84, BGHSt 33, 44, 47; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 259 Rn. 17 mwN), wobei der Absatzhelfer „im Lager“ des Vortäters stehen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 3 StR 402/07, NStZ 2008, 215, 216).

Dies ist hier der Fall: Der Angeklagte unterstützte durch seine vom Landgericht rechtsfehlerhaft als Beihilfe zu den Betrugstaten gewerteten Tatbeiträge, namentlich die Datenübermittlung an A., jeweils den - im Fall B.II.3. nur versuchten - Absatz der betrügerisch erlangten Fahrzeuge durch K. und stand hierbei „im Lager“ nicht der jeweiligen Erwerber, sondern des K. als (Mit-)Täter der Vortat. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte zudem die Absicht, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang in Gestalt der zugesagten Entlohnungen zu verschaffen. Damit sind die Voraussetzungen der gewerbsmäßigen Absatzhilfe im Sinne von § 259 Abs. 1, § 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB jeweils erfüllt, wobei es im Fall B.II.3. mangels Absatzerfolges beim Versuch blieb (vgl. BGH, Urteil vom 3. Oktober 1984 - 2 StR 166/84, BGHSt 33, 44, 47; Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 3 StR 402/07, NStZ 2008, 215, 216).

c) Dieser rechtlichen Würdigung steht nicht entgegen, dass der Angeklagte - nach den Feststellungen naheliegend - bereits dadurch eine auf alle Betrugstaten des K. bezogene Beihilfe geleistet hatte, dass er seine spätere Mitwirkung an den Manipulationen der Fahrzeuge bereits vorab zusagte (vgl. BGH, Beschluss vom 14. November 2001 - 3 StR 379/01, NStZ 2002, 200). Denn auch der Teilnehmer an der Vortat kann Täter einer Hehlerei sein (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 1956 - 5 StR 399/55, BGHSt 8, 390, 391 f.; Urteil vom 2. Juli 1996 - 1 StR 305/96, NStZ 1996, 493). Dies kommt lediglich dann nicht in Betracht, wenn der Betroffene unmittelbar am wirtschaftlichen Erfolg der Vortat teilhaben will, etwa im Sinne eines „Anrechts“ auf die Beute (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 1986 - 1 StR 224/86, NJW 1987, 77; OLG München, Beschluss vom 27. Juli 2006 - 5 St RR 103/06, NStZ-RR 2006, 371).

So lag es hier aber nicht, denn nach den Urteilsfeststellungen erstrebte der Angeklagte für seine Tatbeteiligung einen von K. zugesagten Gehilfenlohn. Dass das Landgericht die Beteiligungszusage nicht als - ggf. zu den Hehlereitaten im Verhältnis der Tatmehrheit stehende (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 1968 - 1 StR 25/68, BGHSt 22, 206, 207 ff.; Beschluss vom 14. November 2001 - 3 StR 379/01, NStZ 2002, 200 Rn. 11; anders für eine hier nicht gegebene Fallkonstellation BGH, Urteil vom 3. Oktober 1984 - 2 StR 166/84, BGHSt 33, 44, 47) - Beihilfe zum Betrug in sieben tateinheitlichen Fällen in den Blick genommen hat, beschwert den Angeklagten nicht.

3. Die Schuldspruchänderung auf die Revision des Angeklagten verletzt nicht das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2020 - 4 StR 519/19 mwN). Auch § 265 StPO steht nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass der - im Wesentlichen geständige - Angeklagte sich anders als geschehen hätte verteidigen können.

4. Die Schuldspruchänderung führt nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht geringere Einzelstrafen in den von der Korrektur betroffenen Fällen und eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte, hätte es statt des nach § 27, § 49 StGB gemilderten Strafrahmens des § 263 Abs. 3 StGB (im Fall B.II.3. weiter gemildert nach § 23 Abs. 2, § 49 StGB) den - höheren - Strafrahmen des § 260 Abs. 1 StGB (im Fall B.II.3. gemildert nach § 23 Abs. 2, § 49 StGB) angewendet.

5. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 174

Externe Fundstellen: NStZ 2022, 219; NStZ 2022, 250; NStZ-RR 2022, 51

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß