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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 951

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 39/21, Urteil v. 18.08.2021, HRRS 2021 Nr. 951


BGH 5 StR 39/21 - Urteil vom 18. August 2021 (LG Kiel)

Rechtsbeugung durch Notveräußerung von Tieren (elementarer Rechtsverstoß; bewusste und schwerwiegende Entfernung von Recht und Gesetz; Verfahrensverstoß; Nachteil einer Partei; unrichtige Rechtsanwendung oder Ermessensausübung; Gesamtbetrachtung; Staatsanwalt als tauglicher Täter; subjektiver Tatbestand; bedingter Vorsatz; überzeugungswidriger Regelverstoß; Sperrwirkung).

§ 339 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Als eine Beugung des Rechts im Sinne von § 339 StGB kommen nur elementare Rechtsverstöße in Betracht. Erfasst sind nur Rechtsbrüche, bei denen sich der Richter oder Amtsträger bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache bewusst in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei von Recht und Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an eigenen Maßstäben ausrichtet.

2. Eine unrichtige Rechtsanwendung oder Ermessensausübung reicht für die Annahme einer Rechtsbeugung selbst dann nicht aus, wenn sich die getroffene Entscheidung als unvertretbar darstellt. Insoweit enthält das Merkmal der Beugung des Rechts ein normatives Element, dem die Funktion eines wesentlichen Regulativs zukommt. Ob ein elementarer Rechtsverstoß vorliegt, ist auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände zu entscheiden. Dabei kann neben dem objektiven Gewicht und Ausmaß des Rechtsverstoßes insbesondere Bedeutung erlangen, von welchen Motiven sich der Richter leiten ließ.

3. In subjektiver Hinsicht muss sich der Täter des § 339 StGB bewusst in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernen. Der Senat kann offenlassen, ob dies dahingehend zu verstehen ist, dass ein bewusst überzeugungswidriger Regelverstoß vorliegen muss, es also nicht genügt, wenn der Täter lediglich mit der Möglichkeit einer rechtlich nicht mehr vertretbaren Entscheidung rechnet und sich damit abfindet (vgl. BVerfG HRRS 2020 Nr. 97), oder ob hinsichtlich des Vorliegens eines Rechtsverstoßes bedingter Vorsatz ausreicht (vgl. BGH HRRS 2014 Nr. 293).

4. Eine Rechtsbeugung kann grundsätzlich auch durch einen Verstoß gegen Verfahrensrecht begangen werden. In diesem Fall ist es jedoch erforderlich, dass durch die Verfahrensverletzung die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei begründet wurde, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss. Daneben kann auch Bedeutung erlangen, welche Folgen der Verstoß für eine Partei hatte, inwieweit die Entscheidung materiell rechtskonform blieb und von welchen Motiven sich der Richter oder Amtsträger bei der Entscheidung leiten ließ.

5. Der Tatbestand der Rechtsbeugung entfaltet Sperrwirkung, so dass Richter oder andere Amtsträger wegen Straftaten, die in einem inneren Zusammenhang mit der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache stehen, nur belangt werden können, wenn sie sich zugleich wegen Rechtsbeugung strafbar gemacht haben. Dies gilt zwar nicht, wenn ein Richter oder Amtsträger im Rahmen seiner Tätigkeit bei Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache eine hiervon unterscheidbare, nicht zwingend durch die Leitung oder Entscheidung der Sache erforderte eigenständige Tat begeht, die für sich alleine gegen Strafgesetze verstößt. Anders verhält es sich aber, soweit die tateinheitliche Straftat nicht gelegentlich der Leitung oder Entscheidung der Rechtssache, sondern gerade durch deren fehlerhafte Entscheidung begangen worden sein soll.

6. Ein Staatsanwalt kann Täter einer Rechtsbeugung sein, wenn er wie ein Richter in einem rechtlich vollständig geregelten Verfahren zu entscheiden hat und dabei einen gewissen Grad sachlicher Unabhängigkeit genießt.

Entscheidungstenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 14. August 2020 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die der Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte vom Vorwurf der Rechtsbeugung in zehn Fällen (in einem Fall in Tateinheit mit Diebstahl) aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die hiergegen von der Staatsanwaltschaft eingelegte, im weiteren Revisionsverfahren auf die Freisprüche in den Fällen 1 sowie 7 bis 10 beschränkte und mit der Sachrüge geführte Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, bleibt ohne Erfolg.

I.

Der Angeklagten liegt - soweit entscheidungserheblich - zur Last, als für die Verfolgung von Tierschutzsachen zuständige Staatsanwältin in vier Fällen (Fälle 7 bis 10) beschlagnahmte Tiere ohne Anhörung der Berechtigten bzw. Mitteilung an diese missbräuchlich notveräußert zu haben. Zudem habe sie in einem Fall beschlagnahmte Tiere ohne Rechtsgrundlage und gegen den Willen des Tierhalters an einen Dritten verkauft, was zugleich einen Diebstahl darstelle (Fall 1).

II.

1. Das Landgericht hat insoweit Folgendes festgestellt:

a) Die Angeklagte ist seit 2005 Staatsanwältin. Bereits 2006 kam sie in F. erstmals mit der Notveräußerung von Tieren in Berührung, als in einem ihrer Fälle 26 beschlagnahmte Hunde nach Anhörung der Beteiligten und entsprechender Notveräußerungsanordnung des Gerichts von der Richterin persönlich mittels von ihr selbst entworfener Kaufverträge freihändig an verschiedene interessierte Käufer veräußert wurden. Die Angeklagte ließ sich von der als besonders sorgfältig bekannten Richterin diese Unterlagen zusenden und verwandte sie 2007 als Grundlage einer eigenen mehrseitigen Notveräußerungsanordnung nebst Kaufvertragsentwürfen zum freihändigen Verkauf. Zum Einsatz kamen diese Unterlagen - unter Einbindung des Leitenden Oberstaatsanwalts - in einem Ermittlungsverfahren gegen den Halter von 65 beschlagnahmten Hunden, wobei ihr Abteilungsleiter zuvor signalisiert hatte, dass auch in dem geschilderten Verfahren 2006 besser schon im Ermittlungsverfahren eine Notveräußerung hätte erfolgen sollen. Beschwerden hiergegen wies das Landgericht wegen prozessualer Überholung (gutgläubiger Erwerb der Tierkäufer) als unzulässig zurück, eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Angeklagte wurde nach Prüfung durch den Behördenleiter verworfen. Nach diesen ersten Erfahrungen mit Notveräußerungen war die Angeklagte zunächst in einem anderen Bereich tätig, bis sie Anfang 2011 das Tierschutzdezernat in K. übernahm.

In diesem Dezernat gab es bis dahin nicht viele Verfahren. Die bisherigen zeichneten sich nach ihrer Analyse vor allen Dingen dadurch aus, dass Tiere trotz wiederholter Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bei demselben Tierhalter belassen wurden, so dass es erneut zu solchen Verstößen kam. Sie nahm sich vor, im Gegensatz dazu frühzeitig auf die gerichtliche Einziehung der Tiere (§ 19 TierSchG) und entsprechende vorläufige Maßnahmen (§§ 111b ff. StPO) hinzuwirken. Zugleich organisierte sie Treffen mit den Amtsveterinären ihres Bezirks und warb dafür, die Staatsanwaltschaft frühzeitig bei Verdachtsfällen einzubinden. Die Zahl relevanter Tierschutzverfahren nahm daraufhin zu. In enger und engagierter Zusammenarbeit mit den Amtsveterinären und der Polizei prüfte sie bei entsprechenden Hinweisen auf relevante Tierschutzverstöße - insbesondere beim Verdacht, dass einem Tier länger anhaltende oder sich wiederholende Schmerzen oder Leiden zugefügt werden (§ 17 Nr. 2 Buchst. b TierSchG) - den Anfangsverdacht, erwirkte bei dessen Annahme einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss und sorgte teilweise auch schon organisatorisch für den Fall vor, dass vorgefundene Tiere zur Beweissicherung oder wegen zu erwartender Einziehung bei unzumutbaren Haltungsbedingungen nicht beim Tierhalter belassen werden können. Sie vertrat dabei die - auch von Teilen der Literatur, ihrem Abteilungsleiter und dem Ermittlungsrichter geteilte - Auffassung, dass staatliche Stellen bei der Feststellung untragbarer Zustände unverzüglich reagieren müssten und die Tiere nicht in tierschutzwidrigen Haltungen belassen dürften, weshalb auch die Einziehung solcher Tiere rechtmäßig sei, bei denen nachvollziehbar die Gefahr bestehe, dass sie ebenfalls Opfer rechtswidriger Taten werden könnten (sogenannte „Herden-“ bzw. „Stallrechtsprechung“). Gerade dies führte bei erwartbar tierschutzwidrigen Zuständen zu einem ganz erheblichen Aufwand, da Transport und Unterbringung für zahlreiche oft unterversorgte und behandlungsbedürftige Tiere vor einer Durchsuchung organisiert werden mussten.

Ihr umtriebiges Engagement, dieser umgreifende Ansatz und ihre alles an sich ziehende, nichts delegierende zeitaufwändige Arbeitsweise führten bald zu einem erheblichen zusätzlichen Arbeitsanfall und zur Überlastung, zumal die Angeklagte noch in ein Großverfahren aus ihrem ehemaligen Dezernat eingebunden war. Es kam zu unübersehbaren Rückständen, die unbearbeiteten Akten in ihrem Büro stapelten sich. Belastungsbedingt entwickelte sie eine schematische und oberflächliche Arbeitsweise.

Wie in Tierschutzverfahren typisch zeichnete sich in den meisten Fällen schon vor der Beschlagnahme ab, dass die Kosten für Unterbringung, Behandlung und Versorgung der Tiere deren Wert rasch übersteigen würden, was eine Notveräußerung rechtfertigte. Die Angeklagte sah es - auch vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen in F. - als ihre Pflicht an, beizeiten eine solche Notveräußerung zu prüfen und zu veranlassen, damit die laufenden Kosten während der Beschlagnahme nicht unvertretbar anstiegen; dies diente auch den Interessen der Beschuldigten, die die Kosten bei späterer Verurteilung zu tragen hatten. Auch ihr Abteilungsleiter hatte ihr deutlich gemacht, dass sie die Kosten im Blick haben müsse. Wie allgemein für zulässig gehalten, fertigte und unterschrieb sie anstelle der Rechtspfleger die nach dem Muster ihrer ersten Erfahrungen erstellten Notveräußerungsanordnungen selbst. Hierzu wartete sie nach der Beschlagnahme zunächst die tiermedizinische Befunderhebung (Beweissicherung) und die Bescheidung etwaiger Widersprüche gegen die gerichtlich angeordnete Beschlagnahme durch das Amtsgericht ab, allerdings nicht den Abschluss etwaiger Beschwerdeverfahren bei dem Landgericht, weil sich diese nach ihrer Erfahrung teilweise über Monate hinziehen konnten. Wertgutachten holte sie nur bei nicht ganz wertlosen Tieren ein, ließ sich ansonsten auch durch Viehhändler oder die Untersteller der Tiere Kaufangebote und Einschätzungen zum realen Marktwert geben. Beim Verkauf von Tieren ohne wirtschaftlichen Wert nahm sie einen Verkauf zu dem von Tierheimen oder anderen Unterstellern vorgeschlagenen, teilweise nur symbolischen Preis vor. Aufgrund von Arbeitsüberlastung, schlechter Aktenführung und einer nicht zielführenden Arbeitsweise gerieten der Angeklagten teilweise auch beschlagnahmte Tiere aus dem Blick, so dass erhebliche Kostenrechnungen aufliefen und sie dann in verschiedenen Verfahren an einem Tag mehrere Notveräußerungen vornahm. Tiere einer Haltung wollte sie möglichst als Gesamtheit an Tierheime veräußern. Insgesamt ordnete die Angeklagte in ihrem Tierschutzdezernat auf diese Weise zwischen Anfang 2011 und März 2014 in 30 Verfahren mit 50 Anordnungen die Notveräußerung von Tieren an.

Eine Anhörung der betroffenen Tierhalter vor der beabsichtigten Notveräußerung nahm die Angeklagte entgegen der damals geltenden Sollvorschrift des § 111l Abs. 4 Satz 1 StPO aF zunächst nur vereinzelt vor. Erst nach zwei Dienstaufsichtsbeschwerden und nach einem Hinweis ihres Abteilungsleiters tat sie dies ab Dezember 2012 (also auch in den Fällen 7 bis 10) durchgängig. Mit einer Ausnahme kam sie hingegen der damals in § 111l Abs. 4 Satz 2 StPO geregelten Pflicht, den davon Betroffenen die Anordnung sowie Zeit und Ort der Notveräußerung mitzuteilen, nicht nach. Aus Sicht der Strafkammer ist es wahrscheinlich, dass sich die Angeklagte im Tatzeitraum bis zuletzt nicht darüber klar war, dass eine solche Benachrichtigung gesetzlich vorgeschrieben war.

b) Im Einzelnen kam es zu den folgenden Fällen, die Gegenstand des Revisionsverfahrens sind:

Fall 1: Mit dem landwirtschaftlichen Betrieb des Zeugen B. war das Veterinäramt seit 2009 wegen dem Tierwohl stark abträglicher Haltungsbedingungen von Rindern befasst. Im Herbst 2011 wandte sich die Amtstierärztin wegen fortgesetzter Verstöße gegen das Tierschutzgesetz an die Angeklagte, die ein Ermittlungsverfahren gegen den Zeugen B. eröffnete. Anfang Dezember 2011 wurden nach Angaben der Amtstierärztin schwere Verstöße gegen das Tierschutzrecht festgestellt, insbesondere wegen des schlechten Ernährungszustandes der Rinder. In der Folge erklärte die Amtstierärztin, um eine tiergerechte Haltungssituation zu schaffen, sei eine Reduktion des Tierbestandes angezeigt; der Zeuge B. sei mit der Versorgung der Tiere überfordert und psychisch auffällig, am besten belasse man ihm einen Teil der Tiere, um ihm sein Selbstbild als Rinderhalter zu erhalten. Diese Einschätzung teilte die Angeklagte nach entsprechend positiven Erfahrungen mit einer freiwilligen Bestandsreduktion bei einem anderen überforderten Rinderhalter; dabei hatte sie insbesondere auch im Blick, dass der nicht unerhebliche Verkaufspreis bei einem solchen Vorgehen beim Tierhalter verbleiben konnte, während bei einer Notveräußerung und späteren Einziehung der Verkaufspreis der Staatskasse zufiel.

Ende Januar 2012 wurde aufgrund richterlicher Anordnung der Hof des Zeugen B. durchsucht. Auf den ersten Blick zeigte sich ein desolater Ernährungszustand der nicht tiergerecht gehaltenen Rinder, die bei vernageltem Stallfenster und eingefrorenen Tränken teilweise bis auf die Knochen abgemagert waren. Mangels Einstreu und Ausmistung war ein Großteil der Tiere entzündungsgefährdend stark verschmutzt. Eine Kuh musste vor Ort getötet werden, bei einem Kalb gab es - wie drei Jahre zuvor - Hinweise auf ernährungsbedingte Knochenbrüche. Die Angeklagte erklärte gegenüber dem Zeugen B. die Beschlagnahme seiner Rinder und teilte mit, dass sein Tierbestand auf zehn Tiere reduziert werden solle, was im polizeilichen Durchsuchungsbericht als „Auflage“ notiert wurde. Sie erklärte ihm, wenn ein Großteil der Tiere binnen weniger Wochen verkauft werden könne, werde sie bei Gericht beantragen, dass ihm im Falle einer Verurteilung zehn Tiere verbleiben. Der Zeuge war ratlos und wandte sich an den Tierhändler S., dem er seit 2009 schon mehrfach Tiere verkauft hatte. Der verstand das Gespräch dahingehend, dass der Zeuge B. selbst den Großteil seines Bestandes verkaufen solle. Die Amtstierärztin hatte im Rahmen der Durchsuchung verstanden, dass die Tiere staatlich verkauft werden; die Angeklagte legte ihr daraufhin dar, dass die beschlagnahmten Rinder dem Zeugen B. später rückübertragen würden, damit er sie verkaufen könne. Hierbei ging es ihr darum, dass der ersichtlich in wirtschaftlich beengten Verhältnissen lebende Zeuge B. den Verkaufserlös erhielt.

Die Rinder wurden in Absprache mit der Amtstierärztin auf dem Hof belassen und durch Betriebshelfer versorgt. Widerspruch gegen die Beschlagnahme erhob der Zeuge nicht. In der Folgezeit kam es zu Schwierigkeiten mit den Betriebshelfern, benachbarten Landwirten, denen der Zeuge B. misstraute; es kam zu mehreren Polizeieinsätzen deswegen. Bei der amtstierärztlichen Begutachtung kam die Amtstierärztin Ende Januar 2012 zu dem Ergebnis, dass die Rinderhaltung hochgradig tierschutzwidrig sei und durch systematische Unterernährung gegen § 17 TierSchG verstoße. Bei der Untersuchung wurde in Blutproben eine bei Rindern anzeigepflichtige Herpeserkrankung festgestellt, die die Marktgängigkeit der Tiere erheblich einschränkte und beim Milchvieh dazu führte, dass dieses nur noch zum Schlachtpreis zu verkaufen war. Am 7. Februar 2012 eröffnete die Angeklagte dem Zeugen B., dass er sich kooperativer verhalten müsse (der Zeuge hatte den Betriebshelfern teilweise den Stall nicht geöffnet) und die Milchkühe binnen 14 Tagen als Schlachtvieh verkauft werden müssten. Hinzugezogen hatte sie dabei als Vertrauten des Zeugen B. den Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Bo. Mitte Februar 2012 verkaufte der Zeuge im Einvernehmen mit der Angeklagten, die insoweit die Beschlagnahme aufhob, fünf seiner Rinder an den Zeugen S. .

Auf Anraten des Bo. hatte sich der Zeuge B. an einen Rechtsanwalt gewandt. Mit diesem, dem Zeugen Bo. und dem Zeugen B. traf sich die Angeklagte am 17. Februar 2012, um zu klären, wie mit dem Tierbestand weiter zu verfahren sei. Den Vorschlag des Anwalts, die Rinder zum freihändigen Verkauf durch den Zeugen B. freizugeben, lehnte die Angeklagte ab, da sie Zweifel hatte, ob dies zeitnah geschehen würde. Zudem sollte es sich nicht um einen nur zum Schein vorgeschobenen Kaufinteressenten handeln, der die Tiere dem Zeugen B. später wieder überlassen könnte. Sie wollte den Verkauf deshalb lieber selbst steuern und suchte Kaufinteressenten. Zu einer einvernehmlichen Lösung kam es nicht.

Die Angeklagte nahm Kontakt zum Zeugen S. auf, der ihr von der Amtstierärztin als vertrauter Viehhändler des Zeugen B. benannt worden war. S. informierte einen weiteren Viehhändler, beide gaben der Angeklagten gegenüber nach Besichtigung des Viehbestandes Angebote ab. Der Zeuge S. bot am 21. Februar 2012 einen marktüblichen Preis von 24.000 Euro für 60 Rinder; die Angeklagte gab ihm zu verstehen, dass er den Zuschlag habe. Ein anderer Viehhändler bot erst 13.500, dann 17.500 Euro für 54 Rinder. Der Zeuge B. hatte sich ebenfalls um einen Viehhändler bemüht, der sich, als er von der Beschlagnahme der Tiere erfuhr, an die Angeklagte wandte. Sie erklärte ihm, dass ein Termin zur Abholung der Tiere bereits bestimmt und der Verkauf vereinbart sei, so dass sie keine weiteren Gebote mehr entgegennehme. Der Zeuge B. erfuhr vom Zeugen S. von dem vereinbarten Preis und war enttäuscht; er bat den Zeugen, „mehr herauszuholen“; der erklärte aber, er habe den Zuschlag erhalten.

Wenige Tage später wurden 60 ausgewachsene Rinder abgeholt, wobei die Angeklagte mit Polizeikräften vor Ort war und beim Abtransport half. Der Zeuge B. war auch anwesend und half teilweise. Mit der Angeklagten sprach er an diesem Tag nicht, sondern lediglich mit dem ihm bekannten Zeugen S. Die Angeklagte hielt es für möglich und fand sich damit ab, dass der Zeuge - was auch zutraf - mit dem Verkauf seiner Tiere und dem Abtransport nicht einverstanden war und nur unter dem Eindruck staatlicher Übermacht nicht widersprach. Der Zeuge B. erhielt einen Kaufbeleg und den Kaufpreis abzüglich Transportkosten per Scheck. Später wurde der Zeuge wegen dreier Verstöße gegen das Tierschutzgesetz im Zeitraum 2009 bis 2012 schuldig gesprochen; zudem wurde ihm für zwei Jahre verboten, Milchkühe und mehr als 15 Mastrinder zu halten.

Fall 7: Nach einem anonymen Hinweis auf Missstände bezüglich der Pferdehaltung der Zeugin R., in deren Folge ein Tier verendet sei, gab es Anfang 2013 - inzwischen musste ein weiteres Pferd getötet werden - einen Kontrolltermin in Anwesenheit der Amtstierärztin. Diese stellte sieben deutlich unterernährte Pferde in schlechter körperlicher Verfassung bei vernachlässigter Pferdehaltung fest und informierte wegen des Verdachts einer Straftat nach § 17 Nr. 2 Buchst. b TierSchG die Angeklagte. Diese leitete ein Ermittlungsverfahren ein. Als der zuständige Ermittlungsrichter auf ihren Antrag mangels Aktenvorlage keinen Durchsuchungsbeschluss erlassen wollte, ordnete sie wegen Gefahr im Verzug selbst die Durchsuchung an und begründete dies mit der Besorgnis, die Beschuldigte könne die Tiere oder Beweise beiseiteschaffen. Die sieben Pferde wurden auf Anordnung der Angeklagten gegen den Willen der Zeugin R. als Beweismittel und als mögliche Einziehungsgegenstände beschlagnahmt. Die beabsichtigte Notveräußerung wurde angesprochen, womit die Zeugin nicht einverstanden war. Eine Amtsveterinärin kam bei der Begutachtung der Tiere zum Ergebnis, dass Auszehrung und Hunger erhebliche, länger andauernde Leiden im Sinne von § 17 TierSchG verursacht hätten. Für die Zeugin R. meldete sich ein Rechtsanwalt, legte Widerspruch gegen die Beschlagnahme ein und verlangte unverzüglich die Herausgabe der Tiere und Akteneinsicht. Das Amtsgericht bestätigte die Beschlagnahme der Tiere, weil deren Einziehung in Betracht komme. Beschränkte Akteneinsicht - unter Aussparung des aktuellen Standorts der Tiere, damit deren Untersteller nicht behelligt würden - wurde verfügt. Nachdem zwischenzeitlich weitere Untersuchungen angeordnet und erhebliche Unterbringungskosten von etwa 4.000 Euro aufgelaufen waren (bei einem von einem Sachverständigen geschätzten Gesamtwert von 1.450 Euro), traf die Angeklagte Notveräußerungsanordnungen, woraufhin die Tiere zwischen Mai und Oktober 2013 unter Einbindung der Rechtspflegerin verkauft wurden. Dem Verteidiger der Zeugin R. wurde ergänzend, allerdings nicht umfassend Akteneinsicht gewährt, einer weiteren Verteidigerin im Oktober 2013 ebenso. Die im Dezember 2013 erhobene Beschwerde gegen die Bestätigung der Beschlagnahme wurde durch das Landgericht als unzulässig verworfen, weil sie wegen des zwischenzeitlichen Vollzugs der Notveräußerungsanordnung prozessual überholt sei. Später wurde die Zeugin R. wegen quälerischer Tiermisshandlung durch Unterlassen verurteilt und die Einziehung des Veräußerungserlöses angeordnet. Die Berufungskammer stellte insbesondere fest, dass mildere Mittel als die umgehende Entfernung der Tiere nicht geeignet gewesen wären, deren Leiden zu beenden, und auch eine Anweisung an die Zeugin R., die Pferde selbst zu verkaufen, nicht ausgereicht hätte.

Fall 8: Im Betrieb des Zeugen T. wurden durch das Veterinäramt seit 2011 wiederholt erhebliche und auch strafbare Verstöße gegen Tierschutzbestimmungen bei der Rinder- und Schweinehaltung festgestellt und beanstandet, vom Zeugen aber nicht abgestellt. Ende Dezember 2012 wandte sich deshalb die Amtstierärztin an die Angeklagte und regte unter Beifügung einer umfangreichen Materialsammlung Ermittlungen an, weil die Tiere seit Ende 2011 Opfer von Tathandlungen nach § 17 Nr. 2 Buchst. b TierSchG seien. Aufgrund richterlicher Anordnung und nach Vorbereitung des Abtransports kam es Mitte März 2013 zur Durchsuchung beim Zeugen T. Die anwesenden Tierärzte stellten bei den Rindern diverse Erkrankungen und Verletzungen, Abmagerungen sowie eine Unterversorgung mit geeignetem Futter und Wasser fest, was sie als Straftat nach § 17 Nr. 2 Buchst. b TierSchG einstuften. Die Angeklagte beschlagnahmte daraufhin die vorgefundenen 142 Rinder als Beweismittel und Einziehungsgegenstände. Die Haltung der Schweine wurde von den Tierärzten als noch ausreichend eingestuft. Die Angeklagte erklärte dem Zeugen T., dass er gegen die Beschlagnahme Widerspruch erheben könne und sie nach der Beweissicherung die Notveräußerung der Tiere beabsichtige, wozu er sich in den nächsten Tagen äußern könne. Durch die Amtstierärztin wurden bei einer Vielzahl von Rindern eine chronische Unterernährung und erheblich schmerzhafte Erkrankungen festgestellt. Anfang April bestätigte das Amtsgericht die Beschlagnahme der Tiere als Einziehungsgegenstände nach § 19 TierSchG. Der Verteidiger des Zeugen T. erhob dagegen Beschwerde. Am 21. Mai 2013 leitete die Angeklagte die Akten der Beschwerdekammer des Landgerichts zu, zwei Tage später ordnete sie die Notveräußerung der noch beschlagnahmten Rinder an. Zu diesem Zeitpunkt waren für die Unterbringung und Versorgung der Tiere bereits Kosten in Höhe von mehr als 30.000 Euro angefallen. Nachdem sich die Angeklagte über die Marktüblichkeit eines schriftlichen Angebots vergewissert hatte, wurden die Tiere einen Tag später durch die Rechtspflegerin veräußert, was die Angeklagte wenige Tage später dem Landgericht mitteilte. Die Beschwerde wurde schließlich - trotz prozessualer Überholung wegen fortbestehenden Feststellungsinteresses - als unbegründet verworfen. Das Strafverfahren gegen den Zeugen T. wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz ist noch nicht abgeschlossen.

Fall 9: Anonym wurde Ende Februar 2013 angezeigt, dass die Pferdehaltung auf dem Hof der Zeugen P. tierschutzrechtlich bedenklich sei. Die gehaltenen Pferde sähen abgemagert aus und erschienen krank, ein Pferd leide seit längerem an Durchfall, es stehe nicht ausreichend Futter zur Verfügung, der Inhaber des Betriebes habe finanzielle Schwierigkeiten. Im November 2012 hatte die Amtsveterinärin einen schlechten Ernährungszustand bei zwei Pferden sowie eine teils nicht tierschutzgerechte Haltung festgestellt, bereits seit April 2010 waren Tierschutzverstöße zur amtlichen Kenntnis gelangt. Die Amtsveterinärin äußerte in einem Telefonat mit der Angeklagten ihre Befürchtung, die Pferdehaltung habe sich über die Wintermonate verschlechtert. Die Angeklagte eröffnete ein Ermittlungsverfahren und erwirkte einen Durchsuchungsbeschluss. Nach entsprechenden Vorbereitungen zum Abtransport der Pferde und ihrer Unterbringung kam es Anfang April 2013 zur Durchsuchung. Ein hinzugezogener Tierarzt stellte schlechte Haltungsbedingungen und einen teils unbefriedigenden Allgemeinzustand der Pferde fest, insbesondere waren drei Stuten deutlich abgemagert, gleichwohl trächtig, teilweise apathisch, eine von ihnen mit durchtretenden Fesseln, eine andere zugleich ein noch nicht abgesetztes Fohlen stillend. Die Angeklagte beschlagnahmte alle elf Pferde. Dies teilte sie den Zeugen P. ebenso wie ihre Absicht mit, die Tiere bei Bestätigung des Verdachts noch im Ermittlungsverfahren notveräußern zu wollen; sie wies die Zeugen darauf hin, dass sie dazu Stellung und sich einen Anwalt nehmen könnten. Das Amtsgericht bestätigte die Beschlagnahme aller Tiere als Einziehungsgegenstände, auch der bislang nicht erheblich beeinträchtigten, unter Bezugnahme auf die sogenannte „Herdenrechtsprechung“. Ende Juni 2013 verwarf das Landgericht die hiergegen eingelegte Beschwerde, zuvor war dem Verteidiger beschränkte Akteneinsicht gewährt worden. Zwei Wochen später ordnete die Angeklagte nach Einholung eines Wertgutachtens die Notveräußerung aller Pferde an. Nach Anklageerhebung gegen die Zeugen P. wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz wurde das Verfahren gegen M. P. nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Das Verfahren gegen G. P. ist noch nicht abgeschlossen, wobei ein eingeholtes Gutachten bei allen Tieren zum Vorliegen der Eingangsvoraussetzungen des § 17 TierSchG kam.

Fall 10: Im September 2013 wurden bei der Zeugin K. durch das Ordnungsamt tierschutzwidrige Umstände festgestellt. Sie züchtete und verkaufte ohne die erforderliche Erlaubnis Hunde. Die Wohnräume, in denen sie mit über 20 Hunden und drei Kaninchen lebte, waren mit Hundekot und -urin belastet. Die hiervon informierte Angeklagte erwirkte einen Durchsuchungsbeschluss, der Anfang Oktober 2013 vollstreckt wurde. Die Zeugin K. war nicht anwesend und wurde fernmündlich informiert. Nach Öffnen der Tür fanden sich unter starkem Gestank nach Urin und umherliegendem Kot eine große Anzahl frei herumlaufender Hunde und in einer kleinen Abzäunung drei Kaninchen, die größere Stücke des Laminats in ihrer Umzäunung abgenagt hatten. Nach Einschätzung der Amtstierärztin, dass die Tiere aufgrund der Haltungsbedingungen länger anhaltende Leiden erfahren hätten, ordnete die Angeklagte die Beschlagnahme sämtlicher Tiere (26 Chihuahuas, drei Kaninchen, fünf Chihuahua-Kadaver aus der Tiefkühltruhe) an. Telefonisch wies die Angeklagte die Zeugin K. auf die Beschlagnahme und die Möglichkeit einer Notveräußerung hin. Die Begutachtung durch die Amtstierärztin erbrachte, dass die Art der Hundehaltung (ausschließlich im Haus, was aus Kratz- und Bissspuren an Wänden und Inventar, der Unmenge von Ausscheidungen und anderen Indizien gefolgert wurde) länger dauernde erhebliche Leiden im Sinne von § 17 Nr. 2 Buchst. b TierSchG verursacht habe. Dies gelte im Ergebnis auch für die ohne Rückzugsmöglichkeit ihren potentiellen Fressfeinden ausgesetzten Kaninchen. Nachdem ein Rechtsanwalt für die Zeugin Widerspruch eingelegt und gerichtliche Entscheidung nebst Akteneinsicht beantragt hatte, bestätigte das Amtsgericht die Beschlagnahme der Tiere als Beweismittel, auch unter Hinweis auf die Einziehung. Nach (überwiegend gewährter) Akteneinsicht legte der Verteidiger der Zeugin Beschwerde ein und beantragte gerichtliche Entscheidung „hinsichtlich der Anordnung der Notveräußerung“. Nachdem sich zunächst die Zeugin K. als Eigentümerin der Hunde bezeichnet hatte, meldeten sich in der Folge zwei weitere Zeuginnen über ihren Anwalt und behaupteten, Eigentümerinnen eines Teils der Hunde zu sein; dies glaubte die Angeklagte nicht. Anfang Dezember 2013 wurde die Beschwerde durch das Landgericht verworfen. Im Januar 2014 ordnete die Angeklagte die Notveräußerung der Chihuahuas an, wobei der Preis knapp über 8.000 Euro liegen sollte (ein Wertgutachten hatte 9.900 Euro ergeben); bis dahin waren bereits Unterbringungskosten von über 30.000 Euro entstanden. Die Notveräußerung erfolgte Ende Januar 2014 an den Deutschen Tierschutzbund, Landesverband Schleswig-Holstein, wobei die zuständige Rechtspflegerin zuvor nochmals bei der Angeklagten nachgefragt hatte, ob alle Voraussetzungen hierfür vorlägen; dies hatte die Angeklagte bejaht. Das Ermittlungsverfahren gegen die Zeugin K. wurde schließlich nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt. Im Dezember 2014 stellte das Amtsgericht fest, dass die Notveräußerung rechtswidrig gewesen sei, weil die Staatsanwaltschaft nicht nachgewiesen habe, dass die angefallenen Kosten den Wert der Tiere überstiegen hätten; die Zeugin sei für die Beschlagnahme und Notveräußerung zu entschädigen (vgl. demgegenüber aber auch Schleswig-Holsteinisches OLG, NJW.RR 2017, 598).

2. a) Das Landgericht hat die Einlassung der Angeklagten, ihr sei in den „Notveräußerungsfällen“ (hier Fälle 7 bis 10) nicht bewusst gewesen, dass sie zur Mitteilung der Notveräußerungsanordnung verpflichtet gewesen sei, nach umfassender Würdigung der Einlassung selbst und der weiteren Beweisergebnisse als nicht widerlegt erachtet. Vielmehr sei es nach den gesamten Umständen durchaus möglich, dass ihr die diesbezügliche Rechtswidrigkeit ihres Vorgehens tatsächlich in all der Zeit nicht klar geworden sei. Eine bewusst überzeugungswidrige Handhabung sei ebenso wenig festzustellen wie eine sichere Erkenntnis von der Unvertretbarkeit ihres Vorgehens. Dies ergebe sich etwa auch daraus, dass die Angeklagte ihre sämtlichen Vorlagen (aus denen ihr rechtsfehlerhaftes Vorgehen ersichtlich gewesen sei) ihren Kollegen zur allgemeinen Verfügung überlassen und um deren Verwendung in Vertretungsfällen gebeten habe. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, die Angeklagte habe das Notveräußerungsrecht zielgerichtet als Instrument missbraucht, um ungeeigneten oder tierquälenden Tierhaltern die gequälten oder gefährdeten Tiere wegzunehmen und in neue Hände zu geben, ließ sich nach Auffassung der Strafkammer ebenfalls nicht feststellen.

b) Zu Fall 1 hat das Landgericht der Angeklagten zwar nicht geglaubt, dass sie irrtümlich von einem Einvernehmen des Zeugen B. mit dem Verkauf an den anwesenden Zeugen S. und dem Verladen der Rinder am Tag des Abtransports ausgegangen sei. Vielmehr habe sie aufgrund der Gesamtumstände als naheliegende Möglichkeit erkannt und billigend in Kauf genommen, dass dies nicht der Fall sei. Mit direktem Vorsatz habe sie insoweit aber nicht gehandelt, weil der Zeuge B. dem Vorgehen nicht ausdrücklich widersprochen, sondern vielmehr beim Verladen mitgeholfen, seinen Anwalt nicht informiert und dem Käufer S. wenige Tage zuvor fünf Tiere von sich aus verkauft habe.

3. a) In rechtlicher Hinsicht hat das Landgericht in den Fällen 7 bis 10 den objektiven Tatbestand der Rechtsbeugung als erfüllt angesehen, weil die Angeklagte den Betroffenen entgegen ihrer gesetzlichen Pflicht die Notveräußerungsanordnung vor deren Vollzug nicht mitgeteilt habe. Dies sei auch objektiv unvertretbar gewesen, weil es dem klaren Wortlaut des § 111l Abs. 4 Satz 2 StPO aF widersprochen habe. Der Verstoß gegen die Mitteilungspflicht sei auch elementar, da die Betroffenen ohne Mitteilung von der Notveräußerungsanordnung nicht gegen diese erfolgreich nach § 111l Abs. 6 StPO aF hätten vorgehen und nur so den Eigentumserwerb der Käufer verhindern können. Inwieweit ihre Entscheidung materiell rechtskonform gewesen sei, spiele daneben keine entscheidende Rolle. Diese Verkürzung von Rechtsschutzmöglichkeiten habe sich auch zum Nachteil der davon Betroffenen ausgewirkt. Allerdings habe die Angeklagte in subjektiver Hinsicht nicht bewusst überzeugungswidrig gehandelt; bedingter Vorsatz reiche insoweit nicht aus. Unter einem anderen Gesichtspunkt als dem des Fehlens einer Mitteilung habe sich die Angeklagte ebenfalls nicht strafbar gemacht, insbesondere nicht unter dem einer (von der Staatsanwaltschaft zuvor nach § 154a Abs. 1 StPO ausgeschiedenen) Untreue zum Nachteil der Betroffenen oder der Staatskasse hinsichtlich der Unterbringungskosten.

b) Im Fall 1 habe sie objektiv gegen das Recht verstoßen, indem sie ohne Ermächtigungsgrundlage und jenseits eines förmlichen Einziehungsverfahrens die Rinder des Zeugen B. an den Zeugen S. verkauft habe. Die rechtsgrundlose Drittzueignung beschlagnahmter Sachen sei auch ein elementarer Verstoß gegen das Recht. Sie habe aber auch insoweit nicht mit direktem Vorsatz, sondern nur mit Eventualvorsatz gehandelt, weshalb sie nicht wegen Rechtsbeugung zu bestrafen sei. Zwar habe sie daneben den Tatbestand des Diebstahls erfüllt. Eine Strafbarkeit scheide aber aus, weil § 339 StGB aufgrund des inneren Zusammenhangs insoweit eine Sperrwirkung entfalte.

III.

Die mit der näher ausgeführten Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.

1. Die Beweiswürdigung weist keine Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten auf.

a) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist die Beweiswürdigung zum Vorstellungsbild der Angeklagten in den Fällen 7 bis 10 nicht zu beanstanden. Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei zur Überzeugung gekommen, die Angeklagte habe bis zu einem späteren Disziplinarverfahren keine Kenntnis von der Pflicht zur Mitteilung der Notveräußerungsanordnung und damit kein Bewusstsein von der Rechtswidrigkeit ihres Tuns gehabt.

aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Spricht es einen Angeklagten frei, weil es Zweifel nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatgerichts durch seine eigene zu ersetzen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich somit darauf, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie Lücken aufweist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden. Ferner ist die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden. Weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst ist es geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Mai 2017 - 5 StR 19/17 mwN).

bb) Gemessen an diesen Maßstäben ist die Beweiswürdigung des Landgerichts zum Vorstellungsbild der Angeklagten in den Fällen 7 bis 10 nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat die Einlassung der Angeklagten, sie habe im verfahrensgegenständlichen Zeitraum keine Kenntnis von der Mitteilungspflicht gehabt, durch eine Vielzahl von Beweisanzeichen bestätigt gesehen. Dabei hat es insbesondere darauf abgestellt, dass die Angeklagte dem Muster einer gründlich und gewissenhaft arbeitenden Richterin gefolgt sei, wonach bei einer gleichsam einaktigen, selbstgesteuerten Notveräußerung die Bedeutung der Mitteilung nicht zum Tragen komme, dass sich keine Anhaltspunkte für eine Befassung der Angeklagten mit dem Thema Mitteilungspflicht ergeben hätten, dass die Angeklagte von dritter Seite niemals ausdrücklich auf die Mitteilungspflicht aufmerksam gemacht worden sei, dass anderen Juristen der Verstoß gegen die Mitteilungspflicht nicht aufgefallen sei, dass keiner der mit ihren Fällen befassten Richter oder Kollegen sie darauf angesprochen habe, dass bei ihrer schematischen, oberflächlichen und flüchtigen Arbeitsweise ein solcher Fehler plausibel erscheine, dass sie ihre - eine Mitteilungspflicht nicht vorsehenden - Vorlagen anderen Kollegen zur Verfügung gestellt habe und dass sie der stellvertretenden Behördenleiterin Verfahren zur Übernahme wegen Entlastung vorgelegt habe, aus denen der Rechtsverstoß ersichtlich gewesen sei.

b) Auch die - von der Staatsanwaltschaft nicht angegriffene - Beweiswürdigung zu Fall 1 der Urteilsgründe weist keinen Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten auf.

2. Die rechtsfehlerfreien Feststellungen belegen eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Rechtsbeugung nicht.

a) Insoweit gilt:

aa) Als eine Beugung des Rechts im Sinne von § 339 StGB kommen nur elementare Rechtsverstöße in Betracht. Die Schwere des Unwerturteils wird dabei dadurch indiziert, dass Rechtsbeugung als Verbrechen eingeordnet ist und im Falle der Verurteilung das Richter- oder Beamtenverhältnis des Täters gemäß § 24 Nr. 1 DRiG, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG kraft Gesetzes endet. Die Regelung des § 339 StGB erfasst deshalb nur Rechtsbrüche, bei denen sich der Richter oder Amtsträger bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache bewusst in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei von Recht und Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an eigenen Maßstäben ausrichtet. Eine unrichtige Rechtsanwendung oder Ermessensausübung reicht daher für die Annahme einer Rechtsbeugung selbst dann nicht aus, wenn sich die getroffene Entscheidung als unvertretbar darstellt. Insoweit enthält das Merkmal der Beugung des Rechts ein normatives Element, dem die Funktion eines wesentlichen Regulativs zukommt. Ob ein elementarer Rechtsverstoß vorliegt, ist auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände zu entscheiden. Dabei kann neben dem objektiven Gewicht und Ausmaß des Rechtsverstoßes insbesondere Bedeutung erlangen, von welchen Motiven sich der Richter leiten ließ (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2021 - 4 StR 83/20, NStZ 2021, 365 m. Anm. Kudlich; Beschluss vom 14. September 2017 - 4 StR 274/16, BGHSt 62, 312, jeweils mwN).

bb) In subjektiver Hinsicht muss sich der Täter bewusst in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 24. Juni 2009 - 1 StR 201/09, NStZ 2010, 92, 93; Urteil vom 22. Januar 2014 - 2 StR 479/13, NJW 2014, 1192, 1193, jeweils mwN). Dies wird von der bisherigen Rechtsprechung teilweise dahingehend verstanden, dass ein bewusst überzeugungswidriger Regelverstoß vorliegen muss, es also nicht genügt, wenn der Täter lediglich mit der Möglichkeit einer rechtlich nicht mehr vertretbaren Entscheidung rechnet und sich damit abfindet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2020 - 2 BvR 1763/16, NJW 2020, 675 Rn. 60 mwN). Nach anderer Ansicht, die sich auf den Willen des historischen Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 7/1261, 22 f.) stützt, reicht hinsichtlich des Vorliegens eines Rechtsverstoßes bedingter Vorsatz aus (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - 2 StR 479/13, BGHSt 59, 144 mwN).

cc) Eine Rechtsbeugung kann grundsätzlich auch durch einen Verstoß gegen Verfahrensrecht begangen werden. In diesem Fall ist es jedoch erforderlich, dass durch die Verfahrensverletzung die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei begründet wurde, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss. Daneben kann auch Bedeutung erlangen, welche Folgen der Verstoß für eine Partei hatte, inwieweit die Entscheidung materiell rechtskonform blieb und von welchen Motiven sich der Richter oder Amtsträger bei der Entscheidung leiten ließ (BGH, Beschlüsse vom 14. September 2017 - 4 StR 274/16, BGHSt 62, 312; vom 15. August 2018 - 2 StR 474/17, NJW 2019, 789 Rn. 20; Urteil vom 13. Mai 2015 - 3 StR 498/14, NStZ 2015, 651, jeweils mwN).

dd) Der Tatbestand der Rechtsbeugung entfaltet zudem Sperrwirkung, so dass Richter oder andere Amtsträger wegen Straftaten, die in einem inneren Zusammenhang mit der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache stehen, nur belangt werden können, wenn sie sich zugleich wegen Rechtsbeugung strafbar gemacht haben (vgl. BVerfG, aaO; BGH, Urteile vom 23. Oktober 1996 - 5 StR 695/95, NStZ-RR 1997, 100; vom 20. Juni 1996 - 5 StR 54/96, NJ 1997, 35; vom 15. September 1995 - 5 StR 713/94, BGHSt 41, 247; vom 29. April 1994 - 3 StR 528/93, BGHSt 40, 125; vom 7. Dezember 1956 - 1 StR 56/56, BGHSt 10, 294, 298). Dies gilt zwar nicht, wenn ein Richter oder Amtsträger im Rahmen seiner Tätigkeit bei Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache eine hiervon unterscheidbare, nicht zwingend durch die Leitung oder Entscheidung der Sache erforderte eigenständige Tat begeht, die für sich alleine gegen Strafgesetze verstößt (vgl. BGH, Urteile vom 13. Mai 2015 - 3 StR 498/14, NStZ 2015, 651: Urkundenfälschung durch nachträgliche Änderung der Urteilsformel; vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655: Urkundenfälschung durch nachträgliche Änderung/Ergänzung der Urteilsgründe; vom 23. Mai 1984 - 3 StR 102/84, BGHSt 32, 357: Einstellung eines Verfahrens nach körperlicher Züchtigung von Jugendlichen). Anders verhält es sich aber, soweit die tateinheitliche Straftat nicht gelegentlich der Leitung oder Entscheidung der Rechtssache, sondern gerade durch deren fehlerhafte Entscheidung begangen worden sein soll (etwa Freiheitsberaubung durch rechtsfehlerhafte Anwendung der §§ 112 ff. StPO, vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2017 - 5 StR 19/17; Strafvereitelung im Amt durch rechtsfehlerhafte Haftbefehlsaufhebung bzw. Haftverschonung, vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 97/09, NStZ-RR 2010, 310). Denn in derartigen Fällen ermöglicht nur der Gleichklang der Anforderungen die Wahrung der für die Auslegung von § 339 StGB geltenden gewichtigen Gründe (vgl. zu diesen auch BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 2016 - 2 BvR 661/16, NJW 2016, 3711 Rn. 19).

b) Nach diesen Maßstäben liegt in den Fällen 7 bis 10 der Urteilsgründe keine Rechtsbeugung vor.

aa) Die Angeklagte ist zwar taugliche Täterin im Sinne von § 339 StGB. Sie war als Amtsträgerin zur Leitung und Entscheidung einer Rechtssache berufen. Ein Staatsanwalt kann Täter einer Rechtsbeugung sein, wenn er wie ein Richter in einem rechtlich vollständig geregelten Verfahren zu entscheiden hat und dabei einen gewissen Grad sachlicher Unabhängigkeit genießt (vgl. BGH, Beschluss vom 14. September 2017 - 4 StR 274/16, BGHSt 62, 312 mwN). Dies war vorliegend der Fall, denn nach § 111l Abs. 2 Satz 1 StPO in der damals geltenden Fassung war die Staatsanwältin zur Notveräußerung im Ermittlungsverfahren befugt, worüber sie in gewisser Unabhängigkeit rechtlich selbständig entscheiden durfte.

bb) Die Angeklagte hat auch in den Fällen 7 bis 10 objektiv gegen die zwingende Anhörungsvorschrift des damals geltenden § 111l Abs. 4 Satz 2 StPO verstoßen. Nach dem früheren § 111l Abs. 4 Satz 1 StPO sollen zum einen der Beschuldigte, der Eigentümer oder der sonst von einer Notveräußerung Betroffene vor deren Anordnung gehört werden. Gemäß § 111l Abs. 4 Satz 2 StPO aF waren ihnen aber zudem die Anordnung sowie Zeit und Ort der Veräußerung mitzuteilen, soweit dies ausführbar erscheint. Dies hat die Angeklagte unterlassen.

cc) Das Unterlassen der gebotenen Mitteilung erweist sich auch als Rechtsverstoß zum Nachteil „einer Partei“, denn die verfahrensrechtlichen Teilhabe- und Rechtsschutzmöglichkeiten der Betroffenen wurden dadurch verkürzt.

dd) Allerdings fehlt es der Angeklagten am notwendigen Vorsatz, so dass der Senat offenlassen kann, ob es sich beim Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 111l Abs. 4 Satz 2 StPO aF nach vorheriger Ankündigung einer Notveräußerung und nach Abwarten einer amtsgerichtlichen Bestätigung der Beschlagnahme der Tiere als Einziehungsgegenstände überhaupt um einen schwerwiegenden, elementaren Rechtsverstoß handelt. Dagegen könnte sprechen, dass sich nach den Urteilsfeststellungen die Beschlagnahmeanordnungen nach § 19 TierSchG iVm § 111b Abs. 1 StPO aufgrund der Verstöße der Tierhalter gegen das Tierschutzgesetz und der tierwohlgefährdenden Haltungsbedingungen als ebenso offensichtlich rechtmäßig darstellen wie die anschließende Notveräußerung der Tiere wegen des deutlichen Überwiegens der Aufbewahrungskosten über deren Wert (§ 111l Abs. 1 Satz 1 StPO aF; vgl. auch Schleswig-Holsteinisches OLG, NJW-RR 2017, 598; LG Hannover, NuR 2009, 659). Auch nach entsprechender Mitteilung wäre demnach kein anderes Ergebnis zu erwarten gewesen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagten nicht bewusst, dass sie nach der Ankündigung der Notveräußerungsanordnung auch noch zu deren Mitteilung und der Angabe von Ort und Zeit der Notveräußerung verpflichtet war. Auch dass sie ernsthaft mit dieser Möglichkeit rechnete und sich mit einem Rechtsverstoß insoweit abfand, belegt das Urteil nicht. Fehlte ihr aber diese Kenntnis, beugte sie nicht vorsätzlich das Recht, wenn sie die gebotene Mitteilung unterließ, sondern handelte im Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 StGB. Das Landgericht hat zwar einen hiervon etwas abweichenden rechtlichen Ansatz gewählt, indem es auf das Fehlen eines direkten Vorsatzes abgestellt hat. Weil nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen aber auch kein Eventualvorsatz vorlag, erweist sich der Freispruch in den Fällen 7 bis 10 unabhängig von der Frage, welche Anforderungen an den Vorsatz insoweit zu stellen sind, als tragfähig.

c) Auch in Fall 1 liegen nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen die Voraussetzungen des § 339 StGB nicht vor.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts handelte die Angeklagte nicht ohne Rechtsgrundlage, indem sie dafür sorgte, dass 60 Rinder vom Hof des Zeugen B. abtransportiert wurden und ihm hierfür ein marktüblicher Kaufpreis gezahlt wurde. Die ersichtlich unter Verstoß gegen § 17 TierSchG gehaltenen Tiere unterlagen der Einziehung nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 TierSchG. Sie waren von der Angeklagten nach § 111b Abs. 1 StPO als mögliche Einziehungsgegenstände durch Beschlagnahme sichergestellt und zugleich dem Zeugen B. nach § 111c Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 StPO belassen worden. Diese Maßnahme durfte die Angeklagte nach § 111c Abs. 6 Satz 3 StPO davon abhängig machen, dass der Zeuge B. bestimmte Auflagen erfüllt. Aufgrund der erheblichen Kosten der Tierversorgung (auch eines etwa notwendigen Abtransports und einer anderweitigen Unterbringung zur dauerhaften Beendigung des tierschutzwidrigen Zustandes) lagen - wie in den anderen Beschlagnahmefällen auch - die Voraussetzungen einer Notveräußerung nach § 111l Abs. 1 Satz 1 StPO aF vor (vgl. dazu auch Kluge, Tierschutzgesetz, § 19 Rn. 20 f.).

Die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der gerade auch im Rahmen des § 19 TierSchG zu beachten ist (vgl. BayObLG, NJW 1998, 3287) und bei allen vorläufigen Maßnahmen nach §§ 111b ff. StPO gilt (vgl. MüKoStPO/Bittmann, Vor §§ 111b-111p Rn. 4 mwN), kann zu milderen Maßnahmen Anlass geben. Dies gilt insbesondere, wenn vorläufige Maßnahmen im Ermittlungsverfahren wie eine Notveräußerung durch den Eigentumserwerb der Käufer zu endgültigen Rechtsfolgen führen. Rechtsgrundlage dieser milderen Maßnahmen sind die eben genannten Vorschriften, die weitergehende Eingriffsmöglichkeiten in das Eigentum von Tierhaltern begründen. Anstelle einer Notveräußerung der Tiere, die hier auch im Wege des freihändigen Verkaufs zu Gunsten der Staatskasse möglich gewesen wäre, durfte die Angeklagte deshalb - wie bei fünf Rindern auch geschehen - dem Tierhalter unter Aufhebung der Beschlagnahme selbst ermöglichen, die Rinder zur Beendigung des tierschutzwidrigen Zustandes und zur Abwendung der Einziehung zu verkaufen (vgl. dazu auch BayObLG, aaO; Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz, 7. Aufl., § 19 Rn. 5). Als milderes Mittel gegenüber der sonst lediglich in Frage kommenden Notveräußerung kam aber auch ein von der Angeklagten gleichsam „gesteuerter“ Verkauf zu marktüblichen Preisen zu Gunsten des Zeugen B. in Betracht. Insoweit konnte die Angeklagte aufgrund der nach der Vorgeschichte nicht unplausiblen Annahme, ohne eine solche „Steuerung“ sei ein zeitnaher - die Notwendigkeit einer Notveräußerung wegen Kostensteigerung nach § 111l Abs. 1 Satz 1 StPO aF hindernder - Eigenverkauf nicht zu erwarten und mit Missbrauchsmöglichkeiten behaftet, die wesentlichen Verhandlungen an sich ziehen. Dem Zeugen B. blieb dabei jederzeit die Möglichkeit, gegen die Beschlagnahme nach § 111e Abs. 2 Satz 3 StPO das Gericht anzurufen oder die von der Angeklagten ausgesprochene Anordnung des „gesteuerten“ Verkaufs nach § 111l Abs. 6 StPO aF gerichtlich überprüfen zu lassen. Gegenüber dem anwaltlich vertretenen Zeugen B. hatte die Angeklagte das von ihr beabsichtigte Vorgehen deutlich gemacht und offengelegt. Etwaige Dokumentationsdefizite in diesem Zusammenhang sind nicht geeignet, den Vorwurf der Rechtsbeugung zu begründen. Die Alternative hätte angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falls lediglich darin bestanden, die 60 Kühe notzuveräußern, wobei dem Zeugen B. letztlich kein Verkaufserlös verblieben wäre. Dass die Angeklagte aus Verhältnismäßigkeitsgründen einen für den Zeugen milderen Weg gewählt hat, begründet den Vorwurf der Rechtsbeugung nicht.

3. Unabhängig von der Frage einer etwaigen Sperrwirkung ist auch die Verwirklichung anderer Straftatbestände nicht ersichtlich, so dass der Freispruch aus tatsächlichen Gründen insgesamt Bestand hat.

a) In den Fällen 7 bis 10 erfüllt das Handeln der Angeklagten keinen anderen Straftatbestand, insbesondere nicht denjenigen der Untreue (§ 266 StGB).

b) Dies gilt auch für Fall 1: Weil das Handeln der Angeklagten auf der Grundlage von § 19 TierSchG iVm § 111l StPO aF rechtmäßig war, liegt insbesondere kein strafbarer Diebstahl der 60 Rinder vor. Dass die Angeklagte irrtümlich davon ausgegangen sei, ihr Handeln sei rechtswidrig, belegen die Feststellungen nicht. Auch eine Untreue zu Lasten der Staatskasse durch einen Verkauf zu Gunsten des Zeugen B. liegt nicht vor, da die Anwendung milderer Maßnahmen als der Notveräußerung lediglich auf einer vertretbaren Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beruhte.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 951

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 378

Bearbeiter: Christian Becker