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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 914

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 972/21, Beschluss v. 16.08.2021, HRRS 2021 Nr. 914


BVerfG 2 BvR 972/21 (2. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 16. August 2021 (BGH / LG Magdeburg)

Strafrechtliche Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung und Subventionsbetruges (Bestimmtheitsgebot; Analogieverbot; Wortlautgrenze; keine ausdehnende Auslegung allein anhand des Normzwecks; faktischer Geschäftsführer als tauglicher Täter einer Insolvenzverschleppung; verfassungsgerichtliche Überprüfung der Strafzumessung nur anhand des Willkürmaßstabes; Recht auf ein faires Verfahren; rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung); Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde (Substantiierungserfordernis; Vorlage von Dokumenten; keine pauschale Bezugnahme; kein bloßes Einkopieren ohne inhaltliche Aufbereitung).

Art. 3 Abs. 1 GG; Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 103 Abs. 2 GG; § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG; § 92 BVerfGG; § 264 StGB; § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO; § 15a Abs. 4 InsO; § 6 Abs. 2 GmbHG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die grundsätzliche Frage, ob die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach auch der faktische Geschäftsführer unter den Begriff des „Mitglieds eines Vertretungsorgans“ zu fassen ist und tauglicher Täter einer Insolvenzverschleppung sein kann, mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot zu vereinbaren ist, bedarf keiner Entscheidung, wenn ein Beschwerdeführer lediglich die Anwendung des Straftatbestands der Insolvenzverschleppung auf ihn als inhabilen, aber faktischen Geschäftsführer im Einzelfall gerügt hat (Folgeentscheidung zu BGH, Beschluss vom 21. April 2021 - 6 StR 67/21 - [= HRRS 2021 Nr. 581]).

2. Art. 103 Abs. 2 GG enthält für die Gesetzgebung ein striktes Bestimmtheitsgebot sowie ein damit korrespondierendes, ein an die Rechtsprechung gerichtetes Verbot strafbegründender Analogie. Ausgeschlossen ist danach nicht nur eine gewohnheitsrechtliche oder rückwirkende Strafbegründung, sondern jede Rechtsanwendung, die tatbestandsausweitend über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht.

3. Der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation. Die Wortlautgrenze ist aus Sicht des Normadressaten zu bestimmen. Den Strafgerichten ist es verwehrt, eine Strafbestimmung über ihren eindeutigen, einer Auslegung nicht zugänglichen Wortlaut hinaus allein im Blick auf den Normzweck anzuwenden. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Fälle aus dem Anwendungsbereich eines Strafgesetzes herausfallen, obwohl sie ähnlich strafwürdig erscheinen mögen wie das pönalisierte Verhalten. Ob eine Strafbarkeitslücke bestehen bleiben oder durch eine neue Regelung geschlossen werden soll, ist allein Sache des Gesetzgebers.

4. Die Strafzumessung ist Sache der Tatgerichte und der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen, es sei denn, die Strafzumessung entfernt sich so weit von dem Gedanken des gerechten Schuldausgleichs, dass sie sich als objektiv willkürlich erweist.

5. Zur hinreichenden Substantiierung einer Verfassungsbeschwerde reicht eine lediglich pauschale Bezugnahme auf Dokumente nicht aus, denn das Bundesverfassungsgericht hat nicht die Aufgabe, eingereichte Unterlagen auf verfassungsrechtlich relevanten Vortrag hin zu durchsuchen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Beschwerdeführer auf eine Anlage verweist, mit der er Bestandteile der Verfahrensakte der Verfassungsbeschwerde beigegeben hat, oder ob er versucht, diese ohne inhaltliche Aufbereitung in die Beschwerdeschrift zu integrieren.

6. Eine Verletzung des Gebots der Verfahrensfairness ist nicht hinreichend dargelegt, wenn der Beschwerdeführer zum Beleg des als schleppend gerügten Verhandlungsgangs lediglich pauschal auf die von ihm vorgelegten Protokollbände verweist, ohne den Ablauf der jeweiligen Sitzungstage zu schildern.

Entscheidungstenor

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerden werden die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).

Gründe

I.

Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen ein Strafurteil des Landgerichts Magdeburg vom 15. Juni 2020 und einen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 21. April 2021.

Hintergrund des Strafverfahrens war der Betrieb zweier Unternehmen aus dem Bereich der Energieversorgung, der T. GmbH (T.) und der E. GmbH (E.). Nach den Feststellungen des Landgerichts erschlichen beide Beschwerdeführer Subventionen für die T., indem sie die Subventionsgeber über subventionserhebliche Tatsachen in Unkenntnis ließen. Der Beschwerdeführer zu 1 stellte zusätzlich als Alleingesellschafter und Geschäftsführer beziehungsweise faktischer Geschäftsführer beider Gesellschaften entgegen § 15a Abs. 1 Satz 1 der Insolvenzordnung (InsO) keinen Insolvenzantrag und schaffte Vermögenswerte der insolventen T. beiseite. Der Beschwerdeführer zu 2 stellte als wegen Vorverurteilungen nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) zwar inhabiler, aber dennoch ins Handelsregister eingetragener und faktischer Geschäftsführer der T. entgegen § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO den gebotenen Insolvenzantrag nicht rechtzeitig und schaffte Vermögenswerte der insolventen Gesellschaft beiseite. Außerdem schädigten beide Beschwerdeführer durch das pflichtwidrige Beiseiteschaffen von Vermögenswerten das Vermögen der T.

Die Ermittlungen in dem Tatkomplex begannen im Februar 2010. Nach Abschluss der Ermittlungen erhob die Staatsanwaltschaft im Mai 2015 Anklage zur Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts. Die Kammer eröffnete im September 2016 das Hauptverfahren gegen die Beschwerdeführer. Die Hauptverhandlung fand ab dem März 2018 statt. Nach 69 Sitzungstagen in etwa 14 Monaten erging am 15. Juni 2020 das angegriffene Urteil des Landgerichts. Es verurteilte den Beschwerdeführer zu 1 wegen Insolvenzverschleppung in zwei Fällen, Subventionsbetrugs in vier Fällen und Bankrotts in zehn Fällen, davon in neun Fällen in Tateinheit mit Untreue, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Den Beschwerdeführer zu 2 verurteilte es wegen Insolvenzverschleppung, Subventionsbetrugs in vier Fällen und Bankrotts in Tateinheit mit Untreue in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Des Weiteren ordnete es an, dass jeweils drei Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Der Bundesgerichtshof verwarf die gegen dieses Urteil gerichteten Revisionen beider Beschwerdeführer mit angegriffenem Beschluss vom 21. April 2021.

II.

Die Beschwerdeführer rügen eine Art. 103 Abs. 2 GG verletzende analoge, jedenfalls aber im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG willkürliche Anwendung der Straftatbestände des Subventionsbetrugs, der Beschwerdeführer zu 2 zusätzlich des Straftatbestands der Insolvenzverschleppung. Außerdem liege eine Verletzung des Gebots der Verfahrensfairness dadurch vor, dass die Gerichte nicht von einem durch eine überlange Verfahrensdauer begründeten Verfahrenshindernis ausgegangen seien. Zumindest sei die vorgenommene Strafzumessung willkürlich und rechtsstaatswidrig, weil es an einer angemessenen Kompensation für die überlange Verfahrensdauer fehle. Der Beschwerdeführer zu 1 rügt überdies eine Verletzung seiner Berufsausübungsfreiheit. Ihm werde durch die anstehende Strafvollstreckung die Möglichkeit genommen, weiter als Rechtsanwalt tätig zu sein. Diesen Umstand hätten die Gerichte bei der Strafzumessung nicht ausreichend berücksichtigt.

Ihre Verfassungsbeschwerden haben die bislang nicht inhaftierten Beschwerdeführer mit den Anträgen auf Erlass der einstweiligen Anordnung verbunden, jeweils die Vollstreckung aus dem angegriffenen Urteil bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden auszusetzen.

III.

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, denn die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erfüllt. Grundsätzliche Bedeutung kommt den Verfassungsbeschwerden nicht zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführer angezeigt, da sie unzulässig sind.

1. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG hat ein Beschwerdeführer den Sachverhalt, aus dem sich die Grundrechtsverletzung ergeben soll, substantiiert und schlüssig darzulegen (vgl. BVerfGE 81, 208 <214>; 113, 29 <44>; 130, 1 <21>). Ferner muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert aufzeigen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 28, 17 <19>; 89, 155 <171>; 140, 229 <232 Rn. 9>). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, erfordert die substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung die argumentative Auseinandersetzung mit den Gründen der angegriffenen Entscheidungen (vgl. BVerfGE 140, 229 <232 Rn. 9>; BVerfGK 14, 402 <417>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 26. November 2020 - 2 BvR 1510/20 -, Rn. 14). Dabei muss ein Beschwerdeführer detailliert darlegen, dass die Entscheidungen auf dem gerügten Grundrechtsverstoß beruhen (vgl. BVerfGE 89, 48 <60>) und insofern alle die Entscheidungen tragenden Gründe substantiiert in Zweifel ziehen (vgl. BVerfGE 105, 252 <264>). Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den verfassungsgerichtlich entwickelten Maßstäben zu begründen (vgl. BVerfGE 130, 1 <21>; 140, 229 <232 Rn. 9>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 26. November 2020 - 2 BvR 1510/20 -, Rn. 14; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Mai 2021 - 2 BvR 1336/20 -, Rn. 10); die allgemein gehaltene Behauptung eines Verfassungsverstoßes genügt dem nicht.

Zur Substantiierung kann außerdem die Vorlage von Dokumenten erforderlich sein, damit dem Bundesverfassungsgericht die Prüfung der Verfassungsbeschwerde ohne weitere Ermittlungen möglich ist (vgl. BVerfGE 93, 266 <288>; BVerfGK 5, 170 <171>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. September 2020 - 2 BvR 556/18 -, Rn. 25; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Mai 2021 - 2 BvR 1336/20 -, Rn. 11). Dementsprechend kann sich das Erfordernis der Vorlage angegriffener Entscheidungen, vorinstanzlicher Entscheidungen, gerichtlicher Schreiben, Sachverständigengutachten, in Bezug genommener Anlagen sowie von Schriftsätzen, Anträgen und Stellungnahmen sämtlicher Beteiligter ergeben (vgl. BVerfGE 112, 304 <314 f.>; BVerfGK 5, 170 <171>; 20, 249 <254>). Eine bloß pauschale Bezugnahme auf diese Dokumente reicht allerdings nicht aus, denn das Bundesverfassungsgericht hat nicht die Aufgabe, in Bezug genommene Dokumente und andere Anlagen auf verfassungsrechtlich relevante Tatsachen oder auf verfassungsrechtlich relevanten Vortrag hin zu durchsuchen (vgl. BVerfGE 80, 257 <263>; 83, 216 <228>; BVerfGK 19, 362 <363>). Es macht dabei keinen Unterschied, ob der Beschwerdeführer auf eine Anlage hinweist, mit der er vorangegangene Schriftsätze und übrige Bestandteile der Verfahrensakte der Verfassungsbeschwerde beigegeben hat, oder ob er versucht, diese - ohne weitere inhaltliche Aufbereitung - in die Beschwerdeschrift zu integrieren (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. März 2012 - 2 BvR 1382/09 -, Rn. 5; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Februar 2021 - 2 BvR 2166/19 -, Rn. 4).

2. Soweit die Beschwerdeführer die Verletzung des Gebots der Verfahrensfairness rügen, wird der Beschwerdevortrag diesen Anforderungen nicht gerecht. Die Beschwerdeführer beschränken sich bei der Darstellung der Prozessgeschichte weitgehend darauf, auf einen Einstellungsantrag aus dem Erkenntnisverfahren zu verweisen. Eine geordnete inhaltliche Aufbereitung des fachgerichtlichen Vortrags lassen sie vermissen. Daran ändert der Umstand nichts, dass sie Schriftsätze aus dem fachgerichtlichen Verfahren ohne weitere inhaltliche Aufbereitung in den Beschwerdeschriftsatz einkopiert haben. Die Verfassungsbeschwerden sind in diesem Punkt schon deshalb unzulässig.

Zudem ermöglicht der Vortrag keine tragfähige verfassungsrechtliche Prüfung, was ebenfalls zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerden führt (vgl. BVerfGE 93, 266 <288>; BVerfGK 5, 170 <171>). Insbesondere zum Gang der Hauptverhandlung bleibt der Vortrag fragmentarisch. Die Auflistung der Sitzungstage samt der Sitzungsdauer genügt nicht zur Überprüfung der Behauptung, durch eine schleppende Verhandlungsführung sei das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden, denn ein Beschwerdeführer muss zur Substantiierung seines Vortrags grundsätzlich den Ablauf der jeweiligen Sitzungstage schildern, damit geprüft werden kann, ob die Ursache für eine frühzeitige Beendigung des Verhandlungstags im Verantwortungsbereich der Justiz oder des Beschwerdeführers wurzelt (vgl. BVerfGK 12, 166 <167>). Der schlichte Verweis auf als Anlagen vorgelegte Protokollbände zum Beleg des als schleppend gerügten Verhandlungsgangs erfüllt als pauschale Bezugnahme auf diese Dokumente die Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG an einen hinreichend substantiierten Vortrag nicht.

3. Es ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass die Gerichte den Straftatbestand des Subventionsbetrugs in einer gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstoßenden Weise tatbestandsausweitend analog (a) oder willkürlich im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG (b) angewandt hätten.

a) aa) Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Die Bedeutung dieser Verfassungsnorm erschöpft sich nicht im Verbot der gewohnheitsrechtlichen oder rückwirkenden Strafbegründung. Art. 103 Abs. 2 GG enthält für die Gesetzgebung ein striktes Bestimmtheitsgebot sowie ein damit korrespondierendes, an die Rechtsprechung gerichtetes Verbot strafbegründender Analogie (vgl. BVerfGE 75, 329 <340>; 126, 170 <194>; 130, 1 <43>). Dabei ist „Analogie“ nicht im engeren technischen Sinn zu verstehen; ausgeschlossen ist vielmehr jede Rechtsanwendung, die - tatbestandsausweitend - über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht (vgl. BVerfGE 92, 1 <12>; 126, 170 <197>; 130, 1 <43>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2021 - 2 BvR 2023/20 u.a. -, Rn. 13).

Gegenstand der Auslegung gesetzlicher Bestimmungen kann immer nur der Gesetzestext sein. Somit erweist sich dieser als maßgebendes Kriterium. Der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation. Da Art. 103 Abs. 2 GG die Vorhersehbarkeit der Strafandrohung für den Normadressaten garantieren will, ist die Wortlautgrenze aus dessen Sicht zu bestimmen (vgl. BVerfGE 92, 1 <12>; 126, 170 <197>; 130, 1 <43>). Der Gesetzgeber hat also zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er ein bestimmtes Rechtsgut, dessen Schutz ihm wesentlich und notwendig erscheint, gerade mit den Mitteln des Strafrechts verteidigen will (vgl. BVerfGE 130, 1 <43>; 153, 310 <339 f. Rn. 72>; BVerfGK 10, 442 <445>; 14, 177 <182>). Den Gerichten ist es verwehrt, seine Entscheidung zu korrigieren (vgl. BVerfGE 126, 170 <197>; 130, 1 <43>). Würde erst eine über den erkennbaren Wortsinn der Vorschrift hinausgehende Deutung zur Strafbarkeit eines Verhaltens führen, so müssen sie zum Freispruch gelangen und dürfen nicht korrigierend eingreifen (vgl. BVerfGE 64, 383 <393>; 126, 170 <197>; 130, 1 <43>). Dies gilt auch dann, wenn infolge des Bestimmtheitsgebots besonders gelagerte Einzelfälle aus dem Anwendungsbereich eines Strafgesetzes herausfallen, obwohl sie ähnlich strafwürdig erscheinen mögen wie das pönalisierte Verhalten. Es ist dann Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob er die Strafbarkeitslücke bestehen lassen oder durch eine neue Regelung schließen will (vgl. BVerfGE 92, 1 <13>; 126, 170 <197>; BVerfGK 10, 442 <445>; 14, 177 <182>).

Den Strafgerichten ist es mithin nicht erlaubt, eine Strafbestimmung über ihren eindeutigen, einer Auslegung nicht zugänglichen Wortlaut hinaus allein im Blick auf den Normzweck anzuwenden; dies verstieße gegen das in Art. 103 Abs. 2 GG festgeschriebene Analogieverbot im Strafrecht (vgl. BVerfGE 26, 41 <42>; 47, 109 <121, 124>). Nicht verwehrt ist den Strafgerichten hingegen eine weite - seine Grenze aber nicht überschreitende - Auslegung des Wortlauts einer Strafbestimmung. Gerade wenn der Normzweck eindeutig und offensichtlich ist, kann eine daran orientierte weite Auslegung des Wortsinns geboten sein, denn unter dieser Voraussetzung kann der Normadressat das strafrechtlich Verbotene seines Handelns vorhersehen, was zu gewährleisten Sinn des Art. 103 Abs. 2 GG ist (vgl. BVerfGE 28, 175 <183>; 48, 48 <56>; 57, 250 <262>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Dezember 2003 - 2 BvR 1107/03 -, Rn. 3). Art. 103 Abs. 2 GG enthält allerdings auch Vorgaben für die Handhabung weit gefasster Tatbestände und Tatbestandselemente. Die Gerichte dürfen nicht durch eine fernliegende Interpretation oder ein Normverständnis, das keine klaren Konturen mehr erkennen lässt, dazu beitragen, bestehende Unsicherheiten über den Anwendungsbereich einer Norm zu erhöhen, und sich damit noch weiter vom Ziel des Art. 103 Abs. 2 GG entfernen (vgl. BVerfGE 71, 108 <121>; 87, 209 <224 ff., 229>; 92, 1 <19>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Juli 2015 - 2 BvR 2558/14 u.a. -, Rn. 64).

Bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung, ob die Strafgerichte diesen aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Vorgaben gerecht geworden sind, ist wegen des strengen Gesetzesvorbehalts auch eine strenge inhaltliche Kontrolle gefordert (vgl. BVerfGE 126, 170 <199>; 130, 1 <44>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Juli 2015 - 2 BvR 2558/14 u.a. -, Rn. 65). Sowohl die Überschreitung der Grenzen des Strafgesetzes als auch die Konturierung und Präzisierung ihres Inhalts betreffen die Entscheidung über die Strafbarkeit und damit die Abgrenzung von Judikative und Legislative. Die Klärung der insoweit aufgeworfenen Fragen ist Sache des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 126, 170 <199>; 130, 1 <44>).

Allerdings ist es auch bei der Rüge des Analogieverbots des Art. 103 Abs. 2 GG nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, seine Auffassung von der zutreffenden oder überzeugenden Auslegung des einfachen Rechts an die Stelle derjenigen der Strafgerichte zu setzen (vgl. BVerfG, Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Dezember 2000 - 2 BvR 1290/99 -, Rn. 19; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Dezember 2003 - 2 BvR 1107/03 -, Rn. 3). Es unterzieht ein - gegebenenfalls in höchstrichterlichen Obersätzen - gefestigtes Normverständnis einer inhaltlichen Kontrolle nur in dem Sinn, dass es zur Konturierung der Norm nicht evident ungeeignet ist (vgl. BVerfGE 26, 41 <43>; 126, 170 <200>). Insoweit werden - ebenso wie hinsichtlich der Anwendung der gegebenenfalls durch Obersätze konturierten und präzisierten Strafnorm - grundsätzlich keine Fragen des Verfassungsrechts aufgeworfen (vgl. BVerfGE 126, 170 <200>).

bb) Einen sich an diesen Maßstäben orientierenden Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG hat die Verfassungsbeschwerde nicht hinreichend substantiiert dargetan.

Das Landgericht hat die vom Bundesgerichtshof zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals der subventionserheblichen Tatsachen aufgestellten Leitlinien beachtet und die festgestellten Tatsachen nachvollziehbar und in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise unter dieses Tatbestandsmerkmal gefasst. Es begegnet daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Bundesgerichtshof - dem Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof folgend (vgl. BVerfGK 5, 269 <285 f.>) - die Verurteilung wegen Subventionsbetrugs unbeanstandet gelassen hat. Dass die § 264 StGB konkretisierende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbar wäre, haben die Beschwerdeführer weder behauptet noch ist ein Verstoß gegen das Analogieverbot aus sich heraus ersichtlich.

Der Beschwerdevortrag kann die vom Landgericht vorgenommene Auslegung und Anwendung des § 264 StGB auch deshalb nicht verfassungsrechtlich in Zweifel ziehen, weil er im Ergebnis auf den Wunsch nach einer verfassungsgerichtlichen Neubewertung des festgestellten Sachverhalts anhand des einfachen Rechts abzielt. Damit legen die Beschwerdeführer den falschen Maßstab an, denn Art. 103 Abs. 2 GG berührt die Zuständigkeit der Fachgerichte für die Auslegung und Anwendung des Strafrechts innerhalb des Wortsinns der Straftatbestände nicht (vgl. BVerfGE 126, 170 <200>).

b) Die Beschwerdeführer vermögen es überdies nicht, Willkür bei der Anwendung des Straftatbestands des Subventionsbetrugs hinreichend substantiiert aufzuzeigen. Der Vortrag, die Kammer habe um jeden Preis eine Verurteilung der Beschwerdeführer wegen Subventionsbetrugs erreichen wollen und daher willkürlich entschieden, geht über die allgemeine Behauptung eines Verfassungsverstoßes nicht hinaus und genügt den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG schon deshalb nicht (vgl. BVerfGE 140, 229 <232 Rn. 9>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Mai 2021 - 2 BvR 1336/20 -, Rn. 10).

4. Die Beschwerdeführer legen ebenfalls nicht hinreichend substantiiert dar, dass Tatgericht oder Revisionsgericht bei der Strafzumessung oder deren Überprüfung verfassungsrechtliche Vorgaben missachtet haben.

Der im Ergebnis auf die Überprüfung der Gewichtung einzelner Strafzumessungskriterien abzielende Beschwerdevortrag ist nicht geeignet, die die angegriffenen Entscheidungen tragenden Gründe verfassungsrechtlich in Zweifel zu ziehen. Die Strafzumessung ist Sache der Tatgerichte und der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen, es sei denn, die Strafzumessung entfernt sich so weit von dem Gedanken des gerechten Schuldausgleichs, dass sie sich als objektiv willkürlich erweist (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 ff.>; 54, 100 <108, 111>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Juli 2001 - 2 BvR 15/01 -, Rn. 5). Das Bundesverfassungsgericht kann nicht nachprüfen, ob die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte in jeder Hinsicht zutreffend gewichtet worden sind oder ob eine andere Entscheidung nähergelegen hätte (vgl. BVerfGE 95, 96 <141>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. September 2006 - 2 BvR 1603/06 -, Rn. 17).

Auch aus sich heraus lassen die angegriffenen Entscheidungen weder bei der Bildung oder Bewertung der Einzelstrafen noch der Gesamtstrafen einen Verfassungsverstoß erkennen. Das Tatgericht hat die einzelnen Strafzumessungsgesichtspunkte - darunter auch die berufsrechtlichen Folgen einer Verurteilung - nachvollziehbar dargestellt und in verfassungsrechtlich tragfähiger Weise gewürdigt. Eine willkürliche, den Gedanken des gerechten Schuldausgleichs missachtende Rechtsanwendung ist damit nicht ersichtlich. Mithin begegnet es auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Bundesgerichtshof die Strafzumessung unbeanstandet gelassen hat.

5. Auch soweit der Beschwerdeführer zu 2 geltend macht, die Anwendung des Straftatbestands der Insolvenzverschleppung auf ihn als inhabilen, aber faktischen Geschäftsführer verstoße gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG und verletze das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG, genügt der Beschwerdevortrag den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht.

Die - hier maßgebliche (vgl. BVerfGK 5, 269 <285 f.>) - Argumentation des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof, wonach die Feststellungen des Landgerichts eine Einordnung des Beschwerdeführers zu 2 als faktischen Geschäftsführer noch trügen, lässt keinen Verfassungsverstoß erkennen. Der Generalbundesanwalt stellt auf die ständige Rechtsprechung zur Rechtsfigur des faktischen Gesellschafters ab und begründet sein Ergebnis schlüssig und in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise mit der Außenwahrnehmung des Beschwerdeführers zu 2. Es ist nicht ersichtlich, dass die Rechtsauffassung der Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wäre und sich daher der Schluss aufdrängte, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 87, 273 <278 f.>). Dass auch eine andere einfachrechtliche Bewertung der Tatfrage, ob der Beschwerdeführer zu 2 faktischer Geschäftsführer der T. gewesen ist, möglich gewesen wäre, begründet keinen Verfassungsverstoß.

Nicht mit der Verfassungsbeschwerde gerügt ist die grundsätzliche Anwendung des Straftatbestands der Insolvenzverschleppung auf den faktischen Geschäftsführer. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach auch der faktische Geschäftsführer unter den Begriff des „Mitglieds eines Vertretungsorgans“ zu fassen ist und tauglicher Täter einer nach § 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 InsO strafbaren Insolvenzverschleppung sein kann (vgl. grundlegend BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - 4 StR 323/14, 324/14 -, juris), mit der Wortlautgrenze zu vereinbaren ist (vgl. kritisch dazu u.a. Bergmann, NZWiSt 2014, S. 81 <84>; Reinhart, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2017, InsO § 15a Rn. 23; O. Hohmann, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2019, InsO § 15a Rn. 60 ff.; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 64 Rn. 238 ff.; Himmelreich, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl. 2019, Teil 7 2. Kapitel Rn. 29 ff.). Ohnehin fehlt es im Beschwerdevortrag an der gebotenen Auseinandersetzung mit der Auslegung des Insolvenzrechts unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Maßstäbe, was - ihre Erhebung unterstellt - zur Unzulässigkeit einer entsprechenden Rüge führt (vgl. BVerfGE 140, 229 <232 Rn. 9>).

IV.

Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerden werden die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).

V.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 914

Bearbeiter: Holger Mann