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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 834

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 377/20, Urteil v. 10.06.2021, HRRS 2021 Nr. 834


BGH 5 StR 377/20 - Urteil vom 10. Juni 2021 (LG Dresden)

Verwertbarkeit von Erkenntnissen einer gefahrenabwehrrechtlich zulässigen Durchsuchung im Strafverfahren (Gemengelage; doppelfunktionale Maßnahme; kein Vorrangverhältnis zwischen Strafprozessordnung und Gefahrenabwehrrecht; rechtsmissbräuchliche Umgehung der strafprozessualen Anordnungsvoraussetzungen); Beweiswürdigung (Überzeugungsbildung; Indiztatsachen; Gesamtwürdigung).

§ 103 StPO; § 161 StPO; § 163 StPO; § 261 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Es besteht weder ein allgemeiner Vorrang der Strafprozessordnung gegenüber dem Gefahrenabwehrrecht noch umgekehrt ein solcher des Gefahrenabwehrrechts gegenüber der Strafprozessordnung. Auch bei Vorliegen eines Anfangsverdachts einer Straftat ist ein Rückgriff auf präventivpolizeiliche Ermächtigungsgrundlagen rechtlich möglich. Insbesondere bei sogenannten Gemengelagen, in denen die Polizei sowohl repressiv als auch präventiv handeln kann und will, bleiben strafprozessuale und gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen grundsätzlich nebeneinander anwendbar.

2. Erkenntnisse aus einer gefahrenabwehrrechtlich zulässigen Durchsuchung können auch im Strafverfahren verwendet werden. Etwas Anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die Voraussetzungen einer rechtsmissbräuchlichen Umgehung der strafprozessualen Anordnungsvoraussetzungen unter dem Deckmantel einer tatsächlich nicht bezweckten Gefahrenabwehr gegeben sind.

3. Die tatrichterliche Beweiswürdigung ist sachlich-rechtlich fehlerhaft, wenn sich das Tatgericht darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Erst eine solche Gesamtwürdigung entscheidet letztlich darüber, ob das Gericht die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen gewinnt.

4. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtschau dem Tatgericht die entsprechende Überzeugung vermitteln. Beweisanzeichen können nämlich wegen ihrer Häufung und gegenseitigen Durchdringung die Überzeugung von der Richtigkeit eines Vorwurfs begründen. Der Beweiswert einzelner Indizien ergibt sich zudem regelmäßig erst aus dem Zusammenhang mit anderen Indizien, weshalb der Inbezugsetzung der Indizien zueinander im Rahmen der Gesamtwürdigung besonderes Gewicht zukommt.

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 25. März 2020 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte S. in den Fällen 4, 5 und 8 der Urteilsgründe freigesprochen worden ist.

Auf die Revision der Angeklagten C. wird das vorgenannte Urteil, soweit es sie betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Ihre weitergehende Revision wird verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte C. wegen schweren Bandendiebstahls unter Einbeziehung zweier Geldstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Den Angeklagten S. hat es vom Vorwurf des schweren Bandendiebstahls in 13 Fällen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Revision der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch des Angeklagten S. in den Fällen 4, 5 und 8 der Urteilsgründe hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Revision der Angeklagten C. führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des sie betreffenden Strafausspruchs; im Übrigen erweist sich ihr Rechtsmittel als unbegründet.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts schloss sich die Angeklagte C. zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor dem 1. Mai 2017 mit mindestens drei Personen sowie mit polnischen Auftraggebern zu einer Bande zusammen, die in Deutschland hochwertige PKW entwendete und diese in Polen verwertete, um sich hieraus eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu erschließen. In Ausführung dieser Abrede fuhren die Angeklagte und eine gesondert Verfolgte am 1. Mai 2017 drei männliche Bandenmitglieder in die Nähe eines Autohauses in M. Aus dem Autohaus entwendeten die Männer drei Fahrzeuge im Gesamtwert von knapp 80.000 Euro, die nach Polen verbracht wurden. Auf der Rückfahrt koordinierte die Angeklagte C. zusammen mit einem anderen Bandenmitglied per Mobiltelefon die Fahrer und den Auftraggeber. Für ihre Tatbeteiligung erhielt sie einen Lohn in Zloty im Gegenwert von 40 Euro, den sie für ihren Lebensunterhalt und den Erwerb von Drogen einsetzte.

2. Dem Angeklagten S. lag zur Last, sich derselben Bande angeschlossen zu haben. Im Rahmen dieser Abrede habe er sich in der Nacht vom 25. auf den 26. April 2017 am Diebstahl zweier Fahrzeuge im Gesamtwert von 20.000 Euro in L. (Fälle 4 und 5 der Urteilsgründe) und an dem schon beschriebenen Diebstahl der drei PKW in dem Autohaus in M. (Fall 8 der Urteilsgründe) beteiligt.

Von der Richtigkeit dieser Vorwürfe gegen den Angeklagten S. hat sich das Landgericht nicht überzeugen können. Zwar habe die Angeklagte C. den Angeklagten, der sich nicht eingelassen hat, in der Hauptverhandlung belastet. Diese Angaben hat das Landgericht indes nicht für glaubhaft befunden. Die Prüfung einer „Aussagekonstanz bzw. -entwicklung“ hinsichtlich der Schilderungen der Angeklagten sei nicht möglich gewesen, weil ihre Angaben im Ermittlungsverfahren einem Beweisverwertungsverbot nach § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO unterfielen. Auch Unterlagen und Gegenstände, die bei der Durchsuchung eines durch den Angeklagten S. und einen gesondert Verfolgten genutzten PKW im Mai 2017 aufgefunden wurden, seien wegen eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt aus §§ 102, 105 Abs. 1 StPO unverwertbar.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch des Angeklagten S. in den Fällen 4, 5 und 8 der Urteilsgründe hat mit der Sachrüge Erfolg; eines Eingehens auf die erhobenen Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.

1. Der Freispruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, weil sich die ihm zugrundeliegende Beweiswürdigung aus mehreren Gründen als nicht tragfähig erweist.

a) Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Es hat jedoch das Urteil darauf zu überprüfen, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 - 5 StR 181/16, NStZ 2017, 600 mwN). Erst eine solche Gesamtwürdigung entscheidet letztlich darüber, ob das Gericht die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen gewinnt. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtschau dem Tatgericht die entsprechende Überzeugung vermitteln. Beweisanzeichen können nämlich wegen ihrer Häufung und gegenseitigen Durchdringung die Überzeugung von der Richtigkeit eines Vorwurfs begründen. Der Beweiswert einzelner Indizien ergibt sich zudem regelmäßig erst aus dem Zusammenhang mit anderen Indizien, weshalb der Inbezugsetzung der Indizien zueinander im Rahmen der Gesamtwürdigung besonderes Gewicht zukommt (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2015 - 1 StR 292/15).

b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

aa) Die Beweisergebnisse werden teilweise schon nicht in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise dargelegt. So wird bei der Darstellung der Ergebnisse der Telekommunikationsüberwachung eine Vielzahl überwachter Telefonanschlüsse benannt, aber deren (möglicher) Bezug zu Tatgeschehen oder -beteiligten nicht nachvollziehbar erläutert. Auch hinsichtlich eines in der Habe des Angeklagten S. sichergestellten Mobiltelefons bleibt ein - vom Landgericht offenbar angenommener - Tatbezug unerklärt. Im Hinblick auf die Ausführungen des Landgerichts zu Stimmenvergleichen wird nicht deutlich, zu welchen Taten die Stimmen in Bezug stehen sollen.

bb) Zudem erweist sich die Beweiswürdigung als lückenhaft. Der Angeklagte S. ist wegen mehrfacher Bandendiebstähle sowie wegen der Verabredung zu einem Bandendiebstahl mit der Angeklagten C. und den drei an der Tat in M. beteiligten männlichen Personen nach dem identischen modus operandi rechtskräftig verurteilt worden. Den Urteilsgründen lässt sich indes nicht entnehmen, ob das Landgericht diesen lediglich bei den persönlichen Verhältnissen erwähnten Umstand als Beweisanzeichen in seine Überlegungen eingestellt hat.

cc) Zudem hat das Landgericht die einzelnen Indizien in ihrer Beweisbedeutung verkürzt, indem es sie jeweils nur isoliert abgehandelt, aber nicht zueinander in Beziehung gesetzt hat.

c) Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO), soweit der Angeklagte S. in den Fällen 4, 5 und 8 der Urteilsgründe freigesprochen worden ist.

2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Nach den bisher ersichtlichen Verfahrenstatsachen besteht kein Beweisverwertungsverbot aus § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO hinsichtlich der den Angeklagten S. belastenden Angaben der Angeklagten C. in zwei polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen.

Mit der Erklärung zu ihren Strafvorstellungen betreffend die Angeklagte C. gegenüber deren Verteidigerin hat die Staatsanwaltschaft § 136a StPO nicht verletzt. Eine Täuschung (§ 136a Abs. 1 Satz 1 6. Var. StPO) der Angeklagten über die Nachweisbarkeit aller ihr vorgeworfener Taten liegt nicht vor; dass die Staatsanwaltschaft ihre Strafvorstellungen auf der Grundlage derjenigen Taten entwickelt hat, deretwegen seinerzeit ausweislich des ergangenen Haftbefehls dringender Tatverdacht bestand, begegnet keinen Bedenken.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts liegt auch kein Fall einer unzulässigen Sanktionsschere vor. Weder stellt der durch die Staatsanwaltschaft für den Fall eines Geständnisses und einer Aufklärungshilfe im Sinne des § 46b StGB angekündigte Strafantrag (zwei Jahre und neun Monate bis drei Jahre und drei Monate) das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils (§ 136a Abs. 1 Satz 3 2. Alt. StPO) dar, noch handelt es sich bei dem für den Fall des Schweigens und ohne den mit einer Strafrahmenverschiebung verbundenen vertypten Milderungsgrund des § 46b StGB in Aussicht gestellten Strafantrag (fünf Jahre und sechs Monate bis sechs Jahre und sechs Monate) um eine mit den Grundsätzen eines fairen Strafverfahrens nicht zu vereinbarende Androhung einer die Schuldangemessenheit übersteigenden Strafe (vgl. zu einem anderen Sachverhalt BGH, Beschluss vom 12. Januar 2005 - 3 StR 411/04, NStZ 2005, 393).

b) Auch die Unterlagen und Utensilien, die im Mai 2017 bei der Durchsuchung eines unter anderem durch den Angeklagten S. genutzten Fahrzeugs gefunden wurden, unterliegen nach den bisher ersichtlichen Verfahrenstatsachen keinem Beweisverwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt (§§ 102, 105 Abs. 1 StPO).

Die Durchsuchung des PKW durch die Polizei war gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2, § 24 Nr. 1, § 27 Abs. 1 Nr. 1 SächsPolG (in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung) ohne richterliche Anordnung zulässig. Nach diesen Vorschriften kann die Polizei eine Person und die von ihr mitgeführten Sachen durchsuchen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person Sachen mit sich führt, die beschlagnahmt werden dürfen. Bei der gegebenen Sachlage bestand der auf Tatsachen basierende Verdacht, dass sich im Fahrzeug Aufzeichnungen oder Utensilien befinden, deren Beschlagnahme zum Schutz Einzelner vor unmittelbar bevorstehenden Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung oder zur Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 SächsPolG) erforderlich ist.

Zwar hat die Polizei in einem die Fahrzeugdurchsuchung nachträglich dokumentierenden Vermerk eine Gefahr im Verzug und damit ein Merkmal der strafprozessualen Durchsuchung erwähnt; gleichzeitig ist die Durchsuchung aber mit der Gefahr der unmittelbar bevorstehenden Durchführung bzw. Beendigung von Kfz-Diebstählen und damit unter Hinweis auf gefahrenabwehrrechtliche Befugnisse begründet worden. Damit steht es im Einklang, dass die Beschlagnahme der in dem Fahrzeug sichergestellten Aufzeichnungen und Utensilien ausweislich einer von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Beschlagnahmebescheinigung nach den §§ 26, 27 SächsPolG angeordnet wurde.

Es besteht weder ein allgemeiner Vorrang der Strafprozessordnung gegenüber dem Gefahrenabwehrrecht noch umgekehrt ein solcher des Gefahrenabwehrrechts gegenüber der Strafprozessordnung. Auch bei Vorliegen eines Anfangsverdachts einer Straftat ist ein Rückgriff auf präventivpolizeiliche Ermächtigungsgrundlagen rechtlich möglich. Insbesondere bei sogenannten Gemengelagen, in denen die Polizei sowohl repressiv als auch präventiv handeln kann und will, bleiben strafprozessuale und gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen grundsätzlich nebeneinander anwendbar (vgl. BGH, Urteile vom 26. April 2017 - 2 StR 247/16, BGHSt 62, 123 mwN; vom 17. Januar 2018 - 2 StR 180/17, NStZ-RR 2018, 146; Beschluss vom 8. Dezember 2015 - 3 StR 406/15, NStZ-RR 2016, 176). War die Durchsuchung damit gefahrenabwehrrechtlich zulässig, konnten die daraus gewonnenen Erkenntnisse auch im Strafverfahren verwendet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2015 - 3 StR 406/15 aaO; Urteil vom 26. April 2017 - 2 StR 247/16 aaO). Für eine rechtsmissbräuchliche Umgehung der strafprozessualen Anordnungsvoraussetzungen einer Eingriffsmaßnahme unter dem Deckmantel einer tatsächlich nicht bezweckten Gefahrenabwehr (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2017 - 2 StR 247/16 aaO) ist hier nichts ersichtlich. Der Umstand, dass nach der Durchsuchung keine gefahrenabwehrenden Sofortmaßnahmen ergriffen wurden, lässt schon angesichts der Vielzahl der aufgefundenen, teilweise fremdsprachigen Aufzeichnungen und der Beschlagnahme auch von Einbruchswerkzeugen nicht darauf schließen, dass mit der Durchsuchung tatsächlich keine präventiven Zwecke verfolgt wurden. Dafür, dass die Polizei eine gefahrenabwehrrechtliche Grundlage für ihre Maßnahme nur behauptet haben könnte, weil sie nach einer abgelehnten Festnahme- und Beschlagnahmeanregung bei der Staatsanwaltschaft G. am Vorabend bei einem strafprozessualen Durchsuchungsantrag ein ebensolches Resultat befürchtete (vgl. BGH aaO), sieht der Senat angesichts des abweichenden Antragsgegenstands und -adressaten keinen Anhalt.

In Anbetracht der gefahrenabwehrrechtlichen Eingriffsgrundlage kann dahinstehen, ob die ermittlungstaktischen Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls auch die Annahme von Gefahr im Verzug im Sinne des § 105 Abs. 1 StPO nahelegten. Jedenfalls lag eine Unverwertbarkeit der aufgefundenen Beweismittel nach der gebotenen Abwägung fern.

III.

1. Die Sachrüge der Angeklagten C. führt zur Aufhebung des sie betreffenden Strafausspruchs; eines Eingehens auf die nur gegen den Strafausspruch gerichtete Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.

Das Landgericht hat die Voraussetzungen des Strafmilderungsgrundes der Aufklärungshilfe nach § 46b StGB nicht erörtert, obwohl nach den Urteilsgründen dazu Anlass bestand. Denn die Strafkammer hat bei der Prüfung der Strafaussetzung zur Bewährung ausdrücklich zugunsten der Angeklagten C. verwertet, dass sie schon im Ermittlungsverfahren „durch ihr Aussageverhalten von Beginn der Inhaftierung an sich gegen vermeintliche Mitglieder der Bande gestellt und damit hinter ihrer Vergangenheit einen Schlussstrich gezogen“ hat. Damit liegt ein sachlich-rechtlicher Erörterungsmangel vor, weil nach den Urteilsgründen die Voraussetzungen des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB naheliegend erfüllt sein können, ohne dass das Landgericht diese Norm geprüft und gegebenenfalls erwogen hat, ob es von der in seinem pflichtgemäßen Ermessen liegenden Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung Gebrauch macht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. November 2019 - 5 StR 525/19; vom 16. November 2017 - 3 StR 460/17; jeweils mwN). Das Urteil beruht hierauf (§ 337 Abs. 1 StPO), weil sich der Fehler auf die Strafrahmenwahl und die Bemessung der Strafe ausgewirkt haben kann.

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Einbeziehung der früheren Geldstrafen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hierzu ausgeführten Gründen nicht gegen den Grundsatz der Spezialität (§ 83h IRG) verstößt. Eine etwa erforderliche Entscheidung über den Anrechnungsmaßstab der in Polen erlittenen Auslieferungshaft (§ 51 Abs. 4 Satz 2 StGB) wäre in der Urteilsformel zu treffen.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 834

Bearbeiter: Christian Becker