hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 688

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 151/21, Beschluss v. 08.06.2021, HRRS 2021 Nr. 688


BGH 5 StR 151/21 - Beschluss vom 8. Juni 2021 (LG Leipzig)

Strafzumessung und Strafrahmenwahl bei einem besonders schweren Fall der Nötigung.

§ 240 Abs. 1, Abs. 4 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Es ist nicht zulässig, Umstände, die bei der Strafrahmenwahl einen besonders schweren Fall (hier: der Nötigung) begründet haben, mit ihrem vollen Gewicht bei der konkreten Strafzumessung schärfend zu berücksichtigen. Das gilt nicht nur für die Modalitäten, die ein Regelbeispiel darstellen, sondern auch für Straferschwerungsgründe, die in ihrem Schweregrad als den Regelbeispielen gleichwertig angesehen werden.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 6. November 2020 im Strafausspruch aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freisprechung im Übrigen - wegen Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die mit der Sachrüge geführte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Der Strafausspruch hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Das Landgericht hat einen unbenannten besonders schweren Fall der Nötigung angenommen und die Strafe daher dem Strafrahmen des § 240 Abs. 4 Satz 1 StGB entnommen. Es hat dies rechtsfehlerfrei damit begründet, dass der Angeklagte die Nebenklägerin in Todesangst versetzt und hierdurch nachhaltig traumatisiert hat. Bei der Strafzumessung im engeren Sinn hat die Strafkammer diesen Umstand neben weiteren „ergänzend“ herangezogenen Gesichtspunkten nochmals strafschärfend berücksichtigt.

Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn es ist nicht zulässig, Umstände, die bei der Strafrahmenwahl einen besonders schweren Fall begründet haben, mit ihrem vollen Gewicht bei der konkreten Strafzumessung schärfend zu berücksichtigen. Das gilt nicht nur für die Modalitäten, die ein Regelbeispiel darstellen, sondern auch für Straferschwerungsgründe, die in ihrem Schweregrad als den Regelbeispielen gleichwertig angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 1997 - 2 StR 244/97, BGHR StGB § 50 Strafhöhenbemessung 6; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 701).

Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO), weil der Senat nicht ausschließen kann, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Beurteilung auf eine mildere Strafe erkannt hätte. Die Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 688

Bearbeiter: Christian Becker