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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 476

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 343/20, Beschluss v. 13.01.2021, HRRS 2021 Nr. 476


BGH 2 StR 343/20 - Beschluss vom 13. Januar 2021 (LG Hanau)

Verbindung und Trennung rechtshängiger Strafsachen (Entscheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts bei Relevanz nicht nur für die örtliche, sondern auch die sachliche Zuständigkeit).

§ 4 Abs. 2 Satz 2 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Die Verbindung von Strafsachen, die nicht nur die örtliche, sondern auch die sachliche Zuständigkeit betrifft, kann nicht durch Vereinbarung der beteiligten Gerichte, sondern in Fällen, in denen die verschiedenen Gerichte nicht alle zu dem Bezirk des ranghöheren gehören, nur durch Entscheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts herbeigeführt werden.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 9. Juni 2020 mit den Feststellungen aufgehoben,

a) im Fall II. 1 der Urteilsgründe sowie

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe die entfällt, und

c) soweit eine Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung unterblieben ist.

2. Hinsichtlich der Tat im Fall II. 1 der Urteilsgründe wird die Sache an das Amtsgericht - Strafrichter - Offenbach am Main zurückgegeben.

Im Übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Rüge materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. a) Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II. 1 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten hat keinen Bestand, weil das Landgericht insoweit nicht für die Entscheidung zuständig war. Dieser Mangel ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten.

Das Landgericht Hanau hat das beim Amtsgericht - Strafrichter - Offenbach am Main gegen den Angeklagten aufgrund der Anklage der Staatsanwaltschaft Darmstadt vom 21. Januar 2019 anhängige und durch Beschluss vom 28. Oktober 2019 eröffnete Verfahren nach Vorlage durch das Amtsgericht mit Beschluss vom 26. Februar 2020 übernommen und zu dem beim Landgericht anhängigen Verfahren hinzuverbunden. Dieser Verbindungsbeschluss ist unwirksam, weil er nicht von dem hierfür gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 StPO zuständigen Gericht erlassen worden ist. Die Verbindung von Strafsachen, die nicht nur die örtliche, sondern auch die sachliche Zuständigkeit betrifft, kann nicht durch Vereinbarung der beteiligten Gerichte, sondern in Fällen, in denen - wie hier - die verschiedenen Gerichte nicht alle zu dem Bezirk des ranghöheren gehören, nur durch Entscheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts herbeigeführt werden (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH StV 2019, 221). Gemeinschaftliches oberes Gericht für das zum Landgerichtsbezirk Darmstadt gehörende Amtsgericht Offenbach am Main und das Landgericht Hanau ist das Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Infolge der Unwirksamkeit des Verbindungsbeschlusses ist das zum Amtsgericht - Strafrichter - Offenbach am Main angeklagte Verfahren dort rechtshängig geblieben. Der Senat gibt die Sache insoweit in entsprechender Anwendung des § 355 StPO an das Amtsgericht zurück, das insoweit auch über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden haben wird.

b) Die Aufhebung im Fall II. 1 der Urteilsgründe entzieht dem Gesamtstrafenausspruch des Landgerichts seine Grundlage. Er entfällt.

2. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II. 2 der Urteilsgründe weist im Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Auch die Verhängung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Eine Entscheidung darüber, ob diese Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, hat das Landgericht angesichts der verhängten, nicht aussetzungsfähigen Gesamtfreiheitsstrafe nicht getroffen. Dies wird nunmehr - nach Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe und nachdem eine grundsätzlich aussetzungsfähige Einzelstrafe verblieben ist - von der neu zur Entscheidung berufenen Strafkammer nachzuholen sein. Nach den im Urteil mitgeteilten und vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift näher dargelegten Umständen zur Person des Angeklagten kann der Senat nicht ausschließen, dass der Tatrichter die Voraussetzungen für eine Strafaussetzung zur Bewährung angenommen hätte (§ 56 Abs. 1 und 2 StGB).

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 476

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede