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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 332

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 155/20, Beschluss v. 02.02.2021, HRRS 2021 Nr. 332


BGH 2 StR 155/20 - Beschluss vom 2. Februar 2021 (LG Frankfurt am Main)

Untreue (Vermögensnachteil: Zulässigkeit einer pauschalen Betrachtungsweise bei „Schmiergeldzahlungen“: notwendige Feststellung eines vereinbarten Preisaufschlages).

§ 266 Abs. 1 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Eine pauschale Betrachtungsweise bei der Feststellung des Vermögensnachteils kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere dann genügen, wenn an den Treunehmer im Rahmen eines von ihm für seinen Treugeber vermittelten Vertragsschlusses eine „Schmiergeldzahlung“ fließt, die aus den Leistungen des Treugebers an dessen Geschäftspartner bewirkt wird. Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass jedenfalls in Höhe des „Schmiergelds“ der entsprechende Betrag dem Treugeber auch in Form von günstigeren Vertragskonditionen - Preisnachlass bzw. -aufschlag - hätte gewährt werden können.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 6. September 2019 mit den Feststellungen aufgehoben

a) in den Fällen II.2 48-70 der Urteilsgründe (Komplex m.),

b) im Gesamtstrafenausspruch,

c) soweit gegen ihn als Alleinschuldner ein 702.339,90 € übersteigender Einziehungsbetrag angeordnet worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen - Betruges in 33 Fällen, davon in 31 Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue sowie der Beihilfe zur Untreue in 14 Fällen (II.1 der Urteilsgründe Komplex D. - Fälle 1-47), - Untreue in 23 Fällen jeweils in Tateinheit mit Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (II.2 der Urteilsgründe Komplex m. - Fälle 48-70), - Betruges in 14 Fällen jeweils in Tateinheit mit Untreue (II.3 der Urteilsgründe Komplex G. - Fälle 71-84), - sowie wegen Betruges (II.4 der Urteilsgründe Komplex P. - Fall 85) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 751.320,90 € als Alleinschuldner und in Höhe von 87.769,94 € als Gesamtschuldner mit seiner Ehefrau angeordnet.

Hiergegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat auf die Sachrüge hin den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges in 33 Fällen, davon in 31 Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue, sowie der Beihilfe zur Untreue in 14 Fällen (Fälle 1-47), des Betruges in 14 Fällen jeweils in Tateinheit mit Untreue (Fälle 71-84) sowie wegen Betruges (Fall 85) weist weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Jedoch hält die Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue in 23 Fällen jeweils in Tateinheit mit Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (Fälle 48-70) sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Dies führt auch zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs sowie einer Korrektur der Einziehungsentscheidung.

Zu den Fällen 48-70 hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte wurde ab November 2009 als Einzelkaufmann unter seiner Firma D. als sogenannter „Interimsmanager“ der B. in F. (B.) tätig. Kaufmännischer Geschäftsführer der B. war zum damaligen Zeitpunkt der Zeuge Dr. K., dem es oblag, im Rahmen eines eigenen Ermessensspielraums über die Verwendung von Mitteln der B. zu bestimmen.

Der Angeklagte hatte in seiner Funktion als Interimsmanager die Personalabteilung eigenverantwortlich zu organisieren und zu führen. Ein ihm durch Beratungsverträge übertragener Aufgabenbereich war die Rekrutierung von Fach- und Führungskräften. Ihm war ein vertragliches Wettbewerbsverbot dahingehend auferlegt, dass er sein Wissen und Können nicht in die Dienste eines konkurrierenden Unternehmens stellen oder ein solches gründen durfte. Als Vergütung erhielt er ein monatliches Pauschalhonorar von 15.000 €.

Alsbald stellte der Angeklagte fest, dass bei der B. aufgrund des Fachkräftemangels und aufgrund einer beständigen Fluktuation von Mitarbeitern dauerhaft Bedarf an Personaldienstleistungen bestand. Darin erblickte er die Möglichkeit, sich mit der Vermittlung von Personal ein „zweites berufliches Standbein“ zu schaffen. „Unter Missachtung des ihm auferlegten Konkurrenzverbots“ gründete er im Jahr 2011 mit dem Zeugen Dö. die m. GmbH (m.), wobei beide jeweils 50 Prozent der Gesellschaftsanteile hielten. Zweck der Gesellschaft war es, medizinisches Fachpersonal, zunächst für die B. in F., zu rekrutieren. Der Angeklagte und der Zeuge Dö. hegten jedoch die Hoffnung, dass die m. auf Grund erfolgreicher Arbeit längerfristig im Sektor „Kliniken“ insgesamt Fuß fassen und an Aufträge für sämtliche berufsgenossenschaftlichen Kliniken in Deutschland gelangen würde.

In der Folge überzeugte der Angeklagte den Zeugen Dr. K., dass es sinnvoll sei, bei der Suche nach Fachpersonal auch externe Personaldienstleister zu beauftragen. Dieser gab dem Angeklagten „freie Hand“ und befugte ihn gegenüber der Finanzbuchhaltung mit der Prüfung und Freizeichnung von Rechnungen von ihm beauftragter Personaldienstleistungsunternehmen.

Der Angeklagte übte fortan das ihm eingeräumte Ermessen ausschließlich zugunsten der m. aus, indem er dem Zeugen Dö. jeweils den Bedarf der B. an medizinischem Fachpersonal mitteilte, der dann das benötigte Personal suchte. Der Angeklagte selbst entfaltete in Bezug auf die Vermittlung der einzelnen Mitarbeiter keine weitere Tätigkeit für die m. In mindestens 23 Fällen erfolgreicher Vermittlung im Zeitraum von September 2011 bis Oktober 2013 stellte die m. der B. jeweils 30 Prozent des Bruttojahresgehaltes des jeweiligen Arbeitnehmers - insgesamt 264.235,34 € - in Rechnung. Die Rechnungen waren direkt an den Angeklagten adressiert und wurden von diesem zur Auszahlung freigezeichnet. Der Angeklagte rechnete seinerseits - entsprechend einer mit dem Zeugen Dö. auf dessen Veranlassung getroffenen Vereinbarung - gegenüber der m. 20 Prozent der seitens der B. geleisteten Summe als „Vermittlungsprovision“ ab. Ohne diese Vereinbarung hätte dem Angeklagten entsprechend seiner Beteiligung an der m. ein hälftiger Gewinnanteil zugestanden, was der Zeuge Dö. angesichts der Arbeitsverteilung zwischen ihm und dem Angeklagten als nicht angemessen empfunden hatte.

Bei der Beauftragung der m. durch die B. ließ der Angeklagte sich zumindest auch von der Aussicht auf diese „Provisionen“ leiten.

2. Das Landgericht hat den Angeklagten, der die gegen ihn insoweit erhobenen Vorwürfe - auch was seine Motivation zur Auftragserteilung an die m. anbelangt - im Tatsächlichen eingeräumt hat, in den Fällen 48-70 jeweils wegen Untreue in Tateinheit mit Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr verurteilt.

Was den Tatbestand der Untreue anbelangt, habe der Angeklagte die ihm eingeräumte Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der B. verletzt. Er habe der B. im Zusammenhang mit der Personalsuche nicht den „günstigstverfügbaren“ Preis weitergegeben, sondern der m. jeweils zu einem um seine eigene „Provision“ überhöhten Preis Aufträge erteilt.

Zudem sei der Angeklagte im geschäftlichen Verkehr bestechlich gewesen. Als Beauftragter der B. habe er die m. unlauter bevorzugt, da er sich bei der Auftragsvergabe auch von der Vorteilsgewährung - die „Provision“ für jede erfolgreiche Vermittlung eines Arbeitnehmers - habe leiten lassen.

II.

1. Der Schuldspruch wegen Untreue in den Fällen 48-70 erweist sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Eine Treuepflichtverletzung des Angeklagten sowie ein der B. daraus resultierender Vermögensnachteil sind nicht ausreichend belegt. Soweit die Strafkammer lediglich auf einen um die dem Angeklagten zugeflossenen „Provisionen“ überhöhten Preis abgestellt hat, hätte dies näherer Begründung bedurft.

a) Zwar kann eine solche von dem Landgericht vorgenommene - pauschale - Betrachtungsweise nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere dann genügen, wenn an den Treunehmer im Rahmen eines von ihm für seinen Treugeber vermittelten Vertragsschlusses eine „Schmiergeldzahlung“ fließt, die aus den Leistungen des Treugebers an dessen Geschäftspartner bewirkt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - 5 StR 299/03, NJW 2005, 300, 305 f.; Urteil vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 314 f.). Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass jedenfalls in Höhe des „Schmiergelds“ der entsprechende Betrag dem Treugeber auch in Form von günstigeren Vertragskonditionen - Preisnachlass bzw. -aufschlag - hätte gewährt werden können (vgl. BGH, aaO).

b) Hiervon kann vorliegend auf Grundlage der bisherigen Feststellungen jedoch nicht ausgegangen werden. Die ausdrückliche Vereinbarung eines Preisaufschlags in Höhe der jeweils an den Angeklagten geflossenen Zahlungen auf den von der m. von der B. für jede Vermittlung ansonsten geforderten Betrags ist nicht festgestellt.

Auch kann in der Zahlung durch die m. an den Angeklagten unter den hier festgestellten Umständen keine „verdeckte Schmiergeldzahlung“ gesehen werden, die - entsprechend der Wertung des Landgerichts - die B. zusätzlich zu ihrer eigentlichen vertraglichen Leistung zu bewirken gehabt und zu einer Überhöhung des von ihr an die m. gezahlten Entgelts geführt hätte. Zwar entfaltete der Angeklagte - was das Landgericht festgestellt hat - bei den einzelnen Vermittlungen keine weiteren Tätigkeiten mehr für die m. Auch wurden die an den Angeklagten erfolgten Auszahlungen von ihm und dem Zeugen Dö. als „Vermittlungsprovisionen“ bezeichnet. Gleichwohl begegnet die Annahme der Strafkammer, es handele sich bei diesen Zahlungen um Provisionen, die zu einem überhöhten Preis geführt hätten, durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Dem Angeklagten stand als Gesellschafter der m. grundsätzlich nach § 29 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GmbHG ein Anspruch auf den hälftigen Anteil am Gewinn der m. zu. Die mit dem Zeugen Dö. auf dessen Veranlassung getroffene „Provisionsvereinbarung“ führte diesbezüglich hinsichtlich der allein auf diesem liegenden Arbeitslast zu einer gesellschaftsinternen Umverteilung des zu erwartenden Gewinns, die bei wirtschaftlicher Betrachtung zu einer Reduzierung des dem Angeklagten ansonsten zustehenden gesetzlichen Anspruchs führte.

2. Die Aufhebung der Verurteilung wegen Untreue in den Fällen 48-70 entzieht auch dem Schuldspruch wegen tateinheitlich begangener Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr die Grundlage.

3. Die Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen 48-70 bedingt auch die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.

4. Die Einziehungsanordnung in Höhe von 751.320,90 € war um den auf die Fälle 48-70 entfallenden Betrag von 48.981 € zu reduzieren.

III.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Der neue Tatrichter wird zu berücksichtigen haben, dass eine Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue auch dann in Betracht kommen kann, wenn es sich bei den an ihn geflossenen Zahlungen nicht um einen Preisaufschlag auf den seitens der B. an die m. gezahlten Betrag handeln sollte.

a) Eine Treuepflichtverletzung des Angeklagten könnte sich daraus ergeben, dass er aus sachfremden Erwägungen - geleitet von der Aussicht auf an ihn fließende „Provisionszahlungen“ - ausschließlich die m. beauftragte, ohne möglicherweise wirtschaftlichere Angebote konkurrierender Personaldienstleistungsunternehmen in Betracht zu ziehen. Ein Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB läge in einem solchen Falle dann vor, wenn sich der von der m. geforderte Preis von 30 Prozent des Bruttojahresgehalts des jeweils an die B. vermittelten Arbeitnehmers im Vergleich zur Marktsituation als übersetzt darstellen würde.

b) Unter Umständen könnte eine Treuepflichtverletzung des Angeklagten auch dann gegeben sein, wenn es ihm trotz der Bevollmächtigung durch den - möglicherweise nur unvollständig informierten - Zeugen Dr. K. zur Beauftragung externer Personaldienstleister jedenfalls oblegen hätte, die Personalsuche weiterhin in eigener Person als „Interimsmanager“ der B. durchzuführen, statt eine von ihm selbst zu diesem Zweck gegründete GmbH gegen Entgelt damit zu beauftragen. In einem solchen Falle läge der Schaden der B. in der gesamten für die jeweilige Vermittlung an die m. geleisteten Zahlung.

2. Der neue Tatrichter wird näher in den Blick zu nehmen haben, worin die für die eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr erforderliche Unrechtsvereinbarung liegt. Eine solche könnte bereits der Abschluss des Gesellschaftsvertrags zur Gründung der m. darstellen, sofern der Angeklagte diese zusammen mit dem Zeugen Dö. in der - gegebenenfalls stillschweigenden - Übereinkunft gegründet haben sollte, sie bei der anstehenden Vergabe von Personaldienstleistungen für die B. zu bevorzugen und hierfür an dem Gewinn der m. beteiligt zu werden. In einem solchen Fall läge in der Entgegennahme eines infolge der nachfolgenden Vereinbarung mit dem Zeugen Dö. reduzierten „Gewinnanteils“ (Provision) für die Bevorzugung der m. jeweils eine neue eigenständige Tat gemäß § 299 Abs. 1 StGB a.F. (vgl. Senat, Urteil vom 11. Februar 2009 - 2 StR 339/08, NStZ 2009, 445, 446; Beschluss vom 25. Oktober 2017 - 2 StR 252/16, wistra 2018, 472, 473 Rn. 18 f. jeweils mwN).

Sollte der Entschluss zur Bevorzugung der m. erst nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags getroffen worden sein, wäre in Betracht zu ziehen, ob eine Unrechtsvereinbarung in der Abrede zwischen dem Zeugen Dö. und dem Angeklagten über die an diesen zu zahlenden „Vermittlungsprovisionen“ liegen kann. Hierbei wird in besonderem Maße zu prüfen sein, inwieweit der Angeklagte im Rahmen dieser Vereinbarung einen Vorteil für die Bevorzugung der m. gefordert oder sich versprochen lassen haben könnte, soweit diese Abrede zu einer bloßen Reduzierung seines gesetzlichen Gewinnanteils an der m. führte. Dies könnte jedenfalls dann der Fall sein, wenn die entsprechende Vereinbarung mit dem Zeugen Dö. für den Angeklagten erforderlich war, um sein Bestreben zur Schaffung eines „zweiten beruflichen Standbeins“ in die Tat umzusetzen, insbesondere, um sich so - ohne eigenen Arbeitseinsatz auf Seiten der m. ? der weiteren Mitarbeit des Zeugen Dö. in der gemeinsamen Gesellschaft sicher zu sein. Auch insoweit gilt, dass in jeder neuen Beauftragung der m. und einer nachfolgenden „Provisionszahlung“ eine neue eigenständige Tat im Sinne des § 299 Abs. 1 StGB a.F. gegeben wäre.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 332

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner