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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 307

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 365/20, Urteil v. 25.02.2021, HRRS 2021 Nr. 307


BGH 3 StR 365/20 - Urteil vom 25. Februar 2021 (LG Oldenburg)

BGHSt 66, 48; Störung öffentlicher Betriebe (Begriff der Anlage; Geschwindigkeitsmessvorrichtung; öffentliche Sicherheit; doppelfunktionale Ausrichtung; Verhinderung des Betriebs).

§ 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB

Leitsätze

1. Eine Anlage im Sinne des § 316b Abs. 1 StGB ist eine systematische Zusammenstellung verschiedener Gegenstände für eine gewisse Dauer zu einem Funktionsablauf. Eine feste Verbindung mit dem Boden oder sonstige Ortsfestigkeit sind nicht erforderlich. (BGHSt)

2. Im Regelfall stellen Geschwindigkeitsmessvorrichtungen solche Anlagen dar und dienen der öffentlichen Sicherheit. (BGHSt)

3. Dass eine Sachgesamtheit ihrerseits einer übergeordneten Einrichtung dient, nimmt ihr nicht die Eigenschaft als Anlage. Zu einer solchen einschränkenden Auslegung des Gesetzes besteht kein Anlass. Dabei ist zu bedenken, dass eine Anlage regelmäßig Teil einer Einrichtung ist, das heißt einer aus Personen und Sachen zusammengesetzten Einheit. Mithin liefe der Anwendungsbereich der Anlage bei einer einschränkenden Auslegung weitgehend leer. (Bearbeiter)

4. Nicht jeder Gegenstand, der aus mehreren Bauteilen zusammengesetzt ist, stellt zugleich eine Anlage dar. Dagegen spricht bereits, dass ein Betrieb der Anlage möglich sein muss, sie also in Funktion gesetzt werden kann. Die bloße Nutzung eines Gegenstandes stellt noch keinen solchen Betrieb dar. Zudem kann zur näheren Abgrenzung die Verkehrsanschauung herangezogen werden. (Bearbeiter)

5. Eine Geschwindigkeitsmessanlage dient auch dann der öffentlichen Sicherheit i.S.d. § 316 Abs. 1 Nr. 3 StGB, wenn die Feststellung von Geschwindigkeitsverstößen durch entsprechende Messanlagen nicht allein Grundlage für eine folgende Ahndung etwaiger Ordnungswidrigkeiten sein, sondern auch den Gefahren des Straßenverkehrs entgegenwirken soll (sog. doppelfunktionale Ausrichtung). (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 25. Mai 2020 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Brandstiftung, Verabredung zum Verbrechen der Brandstiftung, Störung öffentlicher Betriebe und Beihilfe zur Störung öffentlicher Betriebe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sach- und eine Verfahrensrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

Das Landgericht hat zu den abgeurteilten Taten folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Der Angeklagte erfuhr von Plänen des Mitangeklagten, aus Rache und zur Bestrafung Fahrzeuge der Polizei sowie des Landkreises in Brand zu setzen und „Blitzer“ zu zerstören. Der Angeklagte pflichtete solchen Vorhaben schließlich bei und unterbreitete entsprechende Vorschläge. Vor diesem Hintergrund kam es zu den einzelnen Taten.

1. Am 20. April 2019 teilte der Angeklagte dem Mitangeklagten den Standort einer mobilen Geschwindigkeitsmessanlage mit. Er holte den Mitangeklagten ab und fuhr ihn zu dem Radargerät, um dieses einem gemeinsamen Tatplan entsprechend zu entfernen. Während es der maskierte Mitangeklagte an sich nahm, wendete der Angeklagte sein Fahrzeug. Der Mitangeklagte verstaute die Radaranlage zunächst im Bereich der Mittelkonsole. Er entsorgte sie alsdann auf Vorschlag des Angeklagten von einer Brücke aus in einem Gewässer. Zuvor hatte er vergeblich versucht, das Stativ abzutrennen, um es für sich zu behalten. Der Wiederbeschaffungswert des Lasermessgerätes Leivtec XV3 betrug rund 17.550 €.

2. Am 5. oder 6. Mai 2019 fuhr der Angeklagte in seinem Wagen unter anderem den Mitangeklagten. Auf dessen Aufforderung ließ er ihn nach Passieren einer stationären Geschwindigkeitsmessanlage aussteigen. Er sah, dass der Mitangeklagte dem Kofferraum eine Spaltaxt entnahm und sich maskierte. In spontaner Unterstützung des Vorhabens, die Anlage funktionsuntauglich zu machen, fuhr er den Wagen zu einer etwa 150 Meter entfernt liegenden Gaststätte und wartete dort weisungsgemäß auf den Mitangeklagten. So sorgte er dafür, dass der Pkw einerseits nicht am Tatort zu sehen war, andererseits aber als Fluchtfahrzeug in der Nähe zur Verfügung stand. Nachdem der Mitangeklagte die beiden Scheiben des Gerätes und die Kamera zerstört hatte, fuhr der Angeklagte mit ihm fort. Die Reparaturkosten für das Messgerät Traffipax TP HS beliefen sich auf über 14.700 €.

3. Während der Angeklagte und der Mitangeklagte am 7. Juli 2019 in dessen Pkw umherfuhren, entschieden sie sich, eine Polizeibeamtin für eine den Mitangeklagten belastende Aussage „zu bestrafen“ und dazu ihr Fahrzeug anzuzünden. Der Mitangeklagte stieg in etwa fünfzig Metern Entfernung vom Auto der Beamtin aus. Tatplangemäß übernahm der Angeklagte das Steuer und fuhr in der Nähe umher, um mit einem parkenden Fahrzeug keinen Verdacht zu erregen sowie eine spätere Identifizierung zu verhindern. Der Mitangeklagte entzündete an dem Wagen der Zeugin Kunststoffteile des Radkastens, so dass schließlich der gesamte Pkw in Flammen aufging. Die beiden Täter trafen sich, nahmen einen Fahrerwechsel vor und beobachteten den Brand aus der Distanz.

4. Am 15. November 2019 begaben sich der Angeklagte und der Mitangeklagte in eine rund achtzig Kilometer entfernte Ortschaft, um dort Fahrzeuge eines Taxiunternehmens anzuzünden. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte über eine seiner Freundin gestellte Taxirechnung verärgert war. Er hatte den Mitangeklagten für sein Vorhaben gewonnen, der seine Begleitung und Unterstützung bei der Brandlegung zugesagt hatte. Als der Mitangeklagte verabredungsgemäß auf das Unternehmensgrundstück zuging und mindestens zwei Fahrzeuge in Brand setzen wollte, wurde er von Polizeibeamten zu Boden gebracht. Daher gaben er und der Angeklagte ihr Vorhaben vorerst auf.

II.

Die Revision hat keinen Erfolg. Die Verfahrensrüge genügt nicht den nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu beachtenden Anforderungen. Die materiellrechtliche Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachbeschwerde hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen werden durch die Beweiswürdigung belegt und tragen den Schuldspruch; die Strafzumessungsentscheidung ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

1. Die Strafkammer hat die Tat vom 20. April 2019 zurecht als Störung öffentlicher Betriebe nach § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB gewertet.

a) Die Geschwindigkeitsmessvorrichtung stellt eine Anlage dar (im Ergebnis ebenso OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. August 2012 - 2 [7] Ss 107/12, DAR 2012, 647, 648; LK/König, StGB, 12. Aufl., § 316b Rn. 29; Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl., § 316b Rn. 6; NK-StGB/Zieschang, 5. Aufl., § 316b Rn. 22; SK-StGB/Wolter, 9. Aufl., § 316b Rn. 9; aA OLG Braunschweig, Urteil vom 18. Oktober 2013 - 1 Ss 6/13, juris Rn. 23 f.; MüKoStGB/Wieck-Noodt, 3. Aufl., § 316b Rn. 21; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 316b Rn. 5; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl., § 316b Rn. 4; BeckOK StGB/Stoll, 48. Ed., § 316b Rn. 9; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 316b Rn. 5; AnwK-StGB/Esser, 3. Aufl., § 316b Rn. 18; Bernstein, NZV 1999, 316, 321; Bachmann, ZIS 2014, 473, 476).

aa) Eine Anlage im Sinne des § 316b Abs. 1 StGB ist eine systematische Zusammenstellung verschiedener Gegenstände für eine gewisse Dauer zu einem Funktionsablauf. Eine feste Verbindung mit dem Boden oder sonstige Ortsfestigkeit sind nicht erforderlich.

Das allgemeine Wortlautverständnis der Anlage beinhaltet keine abgegrenzte Begriffsdefinition. Es impliziert jedoch, dass verschiedene Komponenten zusammenkommen. Dies ergibt sich überdies aus dem Gesetzeszusammenhang, der sich auf „eine dem Betrieb dienende Sache“ bezieht. Daraus folgt, dass die Anlage eine Konstruktion aus technischen Materialien voraussetzt (BGH, Urteil vom 3. März 1982 - 2 StR 649/81, BGHSt 31, 1, 2) und aus mehreren ihrem Betrieb dienenden Sachen besteht. Selbst wenn der Begriff der Sache strafrechtlich ausgelegt wird (vgl. zu § 242 StGB RG, Urteil vom 1. Mai 1899 - Rep. 739/99, RGSt 32, 165, 179), können zur Abgrenzung im Einzelfall die in §§ 93, 97 BGB zum Ausdruck kommenden Grundsätze herangezogen werden.

Allerdings ist in den Blick zu nehmen, dass nicht jeder Gegenstand, der aus mehreren Bauteilen zusammengesetzt ist, zugleich eine Anlage darstellt (vgl. zu einer Maschinenpistole und einem Streifenwagen BGH, Urteile vom 3. März 1982 - 2 StR 649/81, BGHSt 31, 1 f.; vom 22. Dezember 1982 - 1 StR 707/82, BGHSt 31, 185, 188). Dagegen spricht bereits, dass ein Betrieb der Anlage möglich sein muss, sie also in Funktion gesetzt werden kann (s. im Sinne eines „dynamischen Prozesses“ LK/König, StGB, 12. Aufl., § 316b Rn. 10). Die bloße Nutzung eines Gegenstandes stellt noch keinen solchen Betrieb dar. Zudem kann zur näheren Abgrenzung die Verkehrsanschauung herangezogen werden (s. in zivilrechtlicher Hinsicht etwa BGH, Urteil vom 11. November 2011 - V ZR 231/10, BGHZ 191, 285 Rn. 11 mwN).

Daneben verlangt eine „Anlage“ keine Ortsfestigkeit (vgl. etwa zum Wortgebrauch „Stereoanlage"; s. auch NK-StGB/Zieschang, 5. Aufl., § 316b Rn. 14). Dies verdeutlichen solche gesetzlichen Regelungen, die sich ausdrücklich auf ortsfeste Anlagen beschränken (beispielsweise § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwGO, § 7 Abs. 1 Satz 1 AtG, § 62 Abs. 1 Nr. 8 BImSchG, § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG; vgl. auch zum Begriff der „technischen Anlage“ nach § 22 Abs. 2 WHG aF BGH, Urteil vom 14. Juli 1969 - III ZR 216/66, MDR 1969, 915; zu mobilen Stromerzeugungsanlagen BFH, Beschluss vom 16. Oktober 2000 - VII R 27/98, BFHE 193, 242). Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Gesetzessystematik (so aber LK/König, StGB, 12. Aufl., § 316b Rn. 8; offen gelassen von BGH, Beschluss vom 15. Mai 2013 - 1 StR 469/12, BGHSt 58, 253 Rn. 18). Dass in verschiedenen Vorschriften desselben Abschnitts des Strafgesetzbuchs neben Anlagen etwa Beförderungsmittel (§ 315 Abs. 1 Nr. 1 StGB) oder Fahrzeuge (§ 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB) genannt sind, lässt zwar den Schluss zu, der Gesetzgeber habe diese dort nicht als Anlagen verstanden. Dem ist indes nicht zu entnehmen, dass Grund hierfür gerade die fehlende Ortsfestigkeit der genannten Gegenstände ist, zumal etwa - der im nächsten Abschnitt enthaltene - § 328 Abs. 3 StGB nach der Gesetzesbegründung sowohl ortsfeste als auch ortsveränderliche Anlagen erfassen soll (s. BT-Drucks. 12/192 S. 23).

Im Übrigen kann der Begriff der Anlage wegen seiner Weite nicht für die gesamte Rechtsordnung (etwa § 266 Abs. 2 HGB, § 3 Abs. 5 BImSchG, § 3 Abs. 2 UmweltHG, § 2 der Landesbauordnungen) einheitlich, sondern lediglich normbezogen ausgelegt werden. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Strafbarkeit der Störung öffentlicher Betriebe durch das Strafrechtsänderungsgesetz vom 30. August 1951 (BGBl. I S. 739, 745) - ursprünglich in § 316a StGB aF - normiert wurde als Ergänzung der verfassungsfeindlichen Sabotage gemäß § 88 StGB, vormals § 90 StGB aF (s. BTPlPr. I/158, 6329; BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1977 - StB 255/77, BGHSt 27, 307, 310). Die Gesetzesmaterialien enthalten jedoch keine nähere Konkretisierung dazu, was im Einzelnen unter einer Anlage zu verstehen ist. In einer späteren Gesetzesbegründung wurden im Zusammenhang mit Wehrmittelsabotage als Anlagen und Einrichtungen exemplarisch Befestigungsanlagen, militärische Flugplätze, technische Versuchsanstalten, ortsfeste Anlagen des Flugmeldedienstes, Radaranlagen und Munitionsfabriken genannt (vgl. BT-Drucks. IV/650 S. 598; zuvor bereits BT-Drucks. II/3039 S. 13). Zwar deuten diese Beispiele darauf hin, dass der Gesetzgeber größere Anlagen vor Augen hatte. Eine Beschränkung auf solche lässt sich dem aber nicht entnehmen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass eine objektive Abgrenzung einer gegebenenfalls erforderlichen Mindestgröße schwerlich möglich wäre und der von verschiedenen Gerätschaften in Anspruch genommene Raum angesichts des technischen Fortschritts eher abnimmt. Ferner ist für den von § 316b StGB geschützten ordnungsgemäßen Ablauf der für die Öffentlichkeit bestimmten Unternehmen, Einrichtungen und Anlagen (s. BT-Drucks. 13/8016 S. 28; BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1977 - StB 255/77, BGHSt 27, 307, 309 f.) nicht entscheidend, welchen Umfang eine Anlage hat.

Dass eine Sachgesamtheit ihrerseits einer übergeordneten Einrichtung dient, nimmt ihr nicht die Eigenschaft als Anlage (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. August 2012 - 2 [7] Ss 107/12, DAR 2012, 647, 648; LK/König, StGB, 12. Aufl., § 316b Rn. 9 f.; aA OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. März 1997 - 2 Ss 59/97, NStZ 1997, 342 f.). Zu einer solchen einschränkenden Auslegung des Gesetzes besteht kein Anlass. Dabei ist zu bedenken, dass eine Anlage regelmäßig Teil einer Einrichtung ist, das heißt einer aus Personen und Sachen zusammengesetzten Einheit (s. BGH, Urteil vom 3. März 1982 - 2 StR 649/81, BGHSt 31, 1, 2). Mithin liefe der Anwendungsbereich der Anlage bei einer einschränkenden Auslegung weitgehend leer.

bb) Nach den dargelegten Maßstäben handelt es sich bei der Messvorrichtung um eine Anlage. Unabhängig davon, dass Gerätschaften für die Geschwindigkeitsmessung im Allgemeinen aus verschiedenen, voneinander trennbaren Komponenten wie etwa aus Messeinheit, Rechnereinheit und Bedienelement zusammengesetzt sind, gilt dies jedenfalls für das im angefochtenen Urteil spezifizierte, mit einem Stativ versehene System (dazu etwa Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Aufl., Anhang zu § 3 StVO, Rn. 71 ff.; allgemein OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. August 2012 - 2 [7] Ss 107/12, DAR 2012, 647, 648; ablehnend Bachmann, ZIS 2014, 473, 476). Es ist darauf ausgelegt, für fortlaufende Messungen betrieben und nicht lediglich durch eine vor Ort anwesende Person zu einzelnen Messungen genutzt zu werden. Schließlich überschreitet es nicht den Wortlaut, mobile Messvorrichtungen ebenso wie stationäre als Anlagen anzusehen (vgl. beispielsweise Nr. 4.1 Abs. 2 des Erlasses Verkehrsüberwachung durch örtliche Ordnungsbehörden und Polizeibehörden, Hess. StAnz. 2015, 182, 183: „Geschwindigkeitsmessungen erfolgen durch den Einsatz ortsfester oder nicht ortsfester Geschwindigkeitsmessanlagen.“).

b) Die Geschwindigkeitsmessanlage diente der öffentlichen Sicherheit. Diese beinhaltet im Sinne der polizeilichen Generalklausel die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung (s. allgemein BVerfG, Urteile vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 u.a., BVerfGE 141, 220 Rn. 312; BVerwG, Urteil vom 10. April 2013 - 4 C 3.12, BVerwGE 146, 176 Rn. 17). Es ist nicht geboten, den insofern näher konturierten Begriff in dem hier gegebenen Zusammenhang anders zu verstehen. Mithin unterfällt der öffentlichen Sicherheit auch die Beachtung der Verkehrsregeln, insbesondere die Einhaltung der vorgegebenen Geschwindigkeitsbegrenzungen. Die Feststellung von Geschwindigkeitsverstößen durch entsprechende Messanlagen soll nicht allein Grundlage für eine folgende Ahndung etwaiger Ordnungswidrigkeiten sein, sondern vielmehr den Gefahren des Straßenverkehrs entgegenwirken.

Eine solche doppelfunktionale Ausrichtung von sowohl repressiven als auch präventiven Maßnahmen lässt die angestrebte Gefahrenabwehr nicht entfallen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2018 - 1 BvR 142/15, BVerfGE 150, 244 Rn. 71 f.). Dies gilt umso mehr, als allgemeines vorrangiges Ziel der Verkehrsüberwachung die Verkehrsunfallprävention ist (Nr. 2 Satz 1 der niedersächsischen Richtlinien für die Überwachung des fließenden Straßenverkehrs durch Straßenverkehrsbehörden, Nds. MBl. 1994 S. 1555; s. auch BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2010 - 2 BvR 759/10, NJW 2010, 2717 Rn. 14; BGH, Urteil vom 23. Februar 2005 - VIII ZR 129/04, NJW 2005, 1490, 1491; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Januar 1997 - 5 B 2601/96, NJW 1997, 1596; BayObLG, Beschluss vom 17. Februar 1999 - 2 ObOWi 751/98, NJW 1999, 2200). Dafür kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Messung angekündigt ist oder verdeckt geschieht (ebenso LK/König, StGB, 12. Aufl., § 316b Rn. 29; anders OLG Braunschweig, Urteil vom 18. Oktober 2013 - 1 Ss 6/13, juris Rn. 24; Bernstein, NZV 1999, 316, 318; Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl., § 316b Rn. 6). Daher bedarf keiner weiteren Ausführungen, inwieweit ein mittelbares Dienen (vgl. zu § 317 StGB BGH, Urteil vom 10. August 1993 - 1 StR 168/93, BGHSt 39, 288, 290) oder rein repressiv eingesetzte Anlagen (ablehnend OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. März 1997 - 2 Ss 59/97, NStZ 1997, 342, 343; dagegen Bachmann, ZIS 2014, 473, 476) zur Verwirklichung des § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB ausreichen können.

c) Die Täter verhinderten den weiteren Betrieb der Messanlage, indem sie zunächst wesentliche zur Anlage gehörende Sachen beseitigten und dann zerstörten. Da sie gerade durch das Fortschaffen und Entsorgen die Fortführung der Geschwindigkeitsmessung beeinträchtigten, ist der zweiaktige Tatbestand verwirklicht (s. allgemein BGH, Beschluss vom 15. Mai 2013 - 1 StR 469/12, BGHSt 58, 253 Rn. 21). Dass danach die Einwirkung auf „eine dem Betrieb dienende Sache“ vorausgesetzt wird, hindert die Anwendung der Norm auf solche Fälle nicht, in denen nicht nur eine einzelne, sondern mehrere oder gegebenenfalls sämtliche die Anlage darstellenden Gegenstände betroffen sind. Liegt eine Anlage im Sinne des Gesetzes vor, kann sich die Tathandlung nicht bloß auf eine, sondern auch auf sämtliche ihrer Komponenten beziehen. Zwar wird eine Zerstörung eines Großteils oder aller Einzelteile regelmäßig ohne weiteres den Betrieb der Anlage stören oder hindern. Dies lässt allerdings nicht den Umkehrschluss zu, wegen der Zweiaktigkeit der Norm könne eine solche komplette Zerstörung nicht tatbestandsmäßig sein, da gleichsam die erste Stufe und die zweite Stufe zusammenfielen.

d) Der Angeklagte handelte als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB).

aa) Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, handelt mittäterschaftlich, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat das Tatgericht aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitung- soder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Erschöpft sich demgegenüber die Mitwirkung nach dem Willen des sich Beteiligenden in einer bloßen Förderung fremden Handelns, so fällt ihm lediglich Beihilfe zur Last (st. Rspr.; s. insgesamt etwa BGH, Beschluss vom 28. April 2020 - 3 StR 85/20, juris Rn. 4 mwN).

bb) Demgemäß war der Angeklagte Mittäter. Er erbrachte erhebliche Tatbeiträge. So gab er den Anstoß zu der Tat, indem er den Mitangeklagten über die mobile Messanlage informierte, fuhr diesen zum Tatort sowie die Gerätschaft von dort weg und schlug deren sodann umgesetzte Entsorgung in einem Gewässer vor. Ferner wollte er selbst die Idee, einen mobilen Blitzer „abzuholen“, in die Tat umsetzen.

2. In Bezug auf die folgende Tat vom 5./6. Mai 2019 ist der Angeklagte der Beihilfe zur Störung öffentlicher Betriebe schuldig (§ 316b Abs. 1 Nr. 3, § 27 Abs. 1 StGB). Die stationäre Geschwindigkeitsmessanlage stellt aus den bereits dargelegten Gründen ebenfalls eine der öffentlichen Sicherheit dienende Anlage dar. Bei der vom Mitangeklagten zerschlagenen Kamera sowie den beiden Scheiben handelt es sich um dem Betrieb dienende Sachen. Durch deren Zerstörung wurde der Betrieb verhindert. Der Angeklagte leistete dem Täter vorsätzlich Hilfe, indem er auf diesen aufforderungsgemäß wartete und dessen Flucht ermöglichte.

3. Des Weiteren hat sich der Angeklagte als Mittäter wegen Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 4, § 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht. Auch wenn er das Kraftfahrzeug der Polizeibeamtin nicht selbst in Brand setzte, ist ihm die Tat nach den zuvor aufgezeigten Grundsätzen mittäterschaftlich zuzurechnen. So entschied er sich gemeinsam mit dem Mitangeklagten, die Geschädigte für eine frühere Aussage „zu bestrafen“. Obschon diese Angaben den Mitangeklagten betrafen, hatte der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen selbst ein eigenes Interesse an der Tat und das Ziel, die Beamtin für ihre Tätigkeit bei der Verfolgung von Verkehrsdelikten zu sanktionieren. Insoweit ist letztlich nicht entscheidend, dass er den Tatbestand nicht selbst verwirklichte, sondern vor Ort lediglich Unterstützungshandlungen erbrachte und dazu das Fahrzeug des Mitangeklagten übernahm.

4. Im letzten Fall verabredete der Angeklagte mit dem Mitangeklagten ein Verbrechen der Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 Nr. 4, § 30 Abs. 2 Variante 3 StGB).

Die in Aussicht genommene Tat war genügend konkretisiert. Ein Rücktritt vom Versuch der Beteiligung (§ 31 StGB) ist nicht gegeben.

5. Schließlich ist der Strafausspruch insgesamt nicht zu beanstanden.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 307

Externe Fundstellen: BGHSt 66, 48; NJW 2021, 3266; NStZ 2022, 229; StV 2021, 506

Bearbeiter: Christian Becker