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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 555

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 1855/19, Beschluss v. 14.04.2020, HRRS 2020 Nr. 555


BVerfG 2 BvR 1855/19 (2. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 14. April 2020 (LG Berlin)

Strafvollzug (Eilantrag gegen sofort vollzogene Disziplinarmaßnahme; Verletzung der Rechtsschutzgarantie durch Bemessung einer Stellungnahmefrist bis nach dem Ende der Maßnahme; nicht hinnehmbare Postlaufzeit von drei Tagen innerhalb des Gerichts).

Art. 19 Abs. 4 GG; § 114 Abs. 2 StVollzG

Leitsatz des Bearbeiters

Die Rechtsschutzgarantie verpflichtet die Gerichte zu situationsgerechtem Handeln ohne weiteres Zögern. Dem wird es nicht gerecht, wenn eine Strafvollstreckungskammer auf den Eilantrag eines Strafgefangenen gegen eine sofort vollzogene Disziplinarmaßnahme der Justizvollzugsanstalt eine Stellungnahmefrist setzt, die erst nach Beendigung des Vollzugs der Maßnahme abläuft, und wenn es zu Postlaufzeiten innerhalb des Gerichts von drei Tagen kommt.

Entscheidungstenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Beschwerdeführer den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 3. Juli 2019 nicht innerhalb der Monatsfrist ab Zustellung der Entscheidung vorgelegt hat (§ 93 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BVerfGG).

Es muss deshalb offenbleiben, ob es der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG genügt, wenn ein gerichtlicher Eilantrag im Hinblick auf eine nicht mehr rückgängig zu machende, sofort vollzogene Disziplinarmaßnahme nicht unverzüglich dem zuständigen Richter vorgelegt und bearbeitet wird. Ist der Antrag nicht schlüssig begründet, so wird das Gericht gleichwohl zu situationsgerechtem Handeln ohne weiteres Zögern verpflichtet sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Juni 1993 - 2 BvR 1808/92 -, Rn. 12). Wo die Dringlichkeit eines Eilantrages es erfordert, muss das angerufene Gericht, wenn es eine Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt einholt, die für eine rechtzeitige Entscheidung erforderliche Zügigkeit der Kommunikation sicherstellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. August 2011 - 2 BvR 1739/10 -, Rn. 29). Diese Maßstäbe sind bei Postlaufzeiten innerhalb des Gerichts von drei Tagen sowie der Verfügung einer Stellungnahmefrist, die zeitlich nach dem Ende des Vollzugs der Disziplinarmaßnahme liegt, nicht gewahrt.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 555

Bearbeiter: Holger Mann