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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 537

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 307/19, Beschluss v. 11.03.2020, HRRS 2020 Nr. 537


BGH 4 StR 307/19 - Beschluss vom 11. März 2020 (LG Halle)

Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit (kein Strafklageverbrauch bei Einstellung allein durch die Staatsanwaltschaft).

§ 153 Abs. 1 StPO; § 153 Abs. 1 StPO; § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Im Gegensatz zu einer gerichtlichen Verfahrenseinstellung gemäß § 153 Abs. 2 StPO, nach der eine Fortführung des Verfahrens nur unter den Voraussetzungen des § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO möglich ist, kommt einer Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO allein durch die Staatsanwaltschaft kein auch nur begrenzter Strafklageverbrauch zu.

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle (Saale) vom 19. November 2018 dahin abgeändert, dass gegen die Angeklagte die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 447.547,99 Euro angeordnet wird.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Geldwäsche zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem hat es die Einziehung „des Wertes des Erlangten“ in Höhe von 447.548,49 Euro angeordnet. Ihre Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Einziehungsentscheidung war aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift angegebenen Gründen abzuändern. Im Übrigen weisen der Schuld- und der Rechtsfolgenausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.

2 2. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:

Der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren zunächst mit Verfügung vom 3. Dezember 2015 (Bd. XIV. d. A., Bl. 1) nach § 153 Abs. 1 StPO ohne Zustimmung des Gerichts eingestellt hat, weil sie allenfalls eine „fahrlässige Geldwäsche“ für nachweisbar hielt, begründet kein Verfahrenshindernis und steht der Aburteilung der Tat deshalb nicht entgegen. Im Gegensatz zu einer gerichtlichen Verfahrenseinstellung gemäß § 153 Abs. 2 StPO, nach der eine Fortführung des Verfahrens nur unter den Voraussetzungen des § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO möglich ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 26. August 2003 ? 5 StR 145/03, NJW 2004, 375, 376 ff.; siehe auch RG, Urteil vom 8. Mai 1931 ? I 1367/30, RGSt 65, 291), kommt einer Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO allein durch die Staatsanwaltschaft kein auch nur begrenzter Strafklageverbrauch zu (vgl. RG, Urteil vom 9. Oktober 1933 ? II 391/33, RGSt 67, 315, 316 [zur Einstellung mit Zustimmung des Gerichts]; Diemer in: Karlsruher Komm.z.StPO, 8. Aufl., § 153 Rn. 26; Schmitt in: Meyer-Großner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 153 Rn. 37; Schnabl in: SSW-StPO, 4. Aufl., § 153 Rn. 26; Peters in: Münch.Komm.z.StPO, 1. Aufl., § 153 Rn. 55; Weßlau in: SK-StPO, 5. Aufl., § 153 Rn. 43; Mavany in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 153 Rn. 59 mwN; a.A. Radtke, Die Systematik des Strafklageverbrauchs verfahrenserledigender Entscheidungen, 1993, S. 371 ff.; ders. in: Hohmann/Radtke, StPO § 153 Rn. 64). Denn anders als bei einem gerichtlichen Beschluss nach § 153 Abs. 2 StPO, der auf der Grundlage einer auch für ein Urteil ausreichenden Sachverhaltsaufklärung ergehen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 26. August 2003 ? 5 StR 145/03, NJW 2004, 375, 377; siehe auch RG, Urteil vom 9. Oktober 1933 ? II 391/33, RGSt 67, 315, 316), handelt es sich bei der staatsanwaltschaftlichen Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO strukturell um eine Entscheidung, der unter dem Gesichtspunkt des Verfahrensschutzes nicht die einem Urteilsverfahren ähnliche Verlässlichkeit zuzumessen ist. Auch die insoweit vergleichbaren staatsanwaltschaftlichen Verfahrenseinstellungen nach § 45 Abs. 1 JGG (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1957 ? 5 StR 390/56, BGHSt 10, 104; Höffler in: Münch.Komm.z.StPO, JGG § 45 Rn. 33; Eisenberg, JGG, 20. Aufl., § 45 Rn. 31 mwN) und § 31a Abs. 1 BtMG (vgl. Weber, BtMG, 5. Aufl., § 31a Rn. 145; Patzak in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 31a Rn. 134), bewirken nach allgemeiner Auffassung keinen Strafklageverbrauch. Da die Staatsanwaltschaft die von ihr am 20. Oktober 2016 (Bd. XV., Bl. 127 f. d. A.) verfügte Wiederaufnahme des Verfahrens auf neue Erkenntnisse und Tatsachen, die den Verdacht einer vorsätzlichen Tatbegehung begründeten, gestützt hat, liegt auch kein Verstoß gegen das Willkürverbot vor.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 537

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2020, 179; StV 2021, 770

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner