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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 496

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, StB 8/20, Beschluss v. 07.04.2020, HRRS 2020 Nr. 496


BGH StB 8/20 - Beschluss vom 7. April 2020

Beschwerde gegen die Beschlagnahme eines sichergestellten Kraftfahrzeugs (Zulässigkeit; Begründetheit; Beschwerdebefugnis; Halter, Eigentümer; Möglichkeit einer Rechtsgutsbeeinträchtigung; fortbestehende Bedeutung als Beweismittel; Einziehung als Tatmittel).

§ 304 StPO; § 94 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Nach § 304 Abs. 2 StPO ist zur Beschwerde berechtigt, wer durch die beanstandete Maßnahme betroffen ist, mithin wer durch diese in der Wahrnehmung geschützter Rechte und Interessen beschränkt wird. Für die Zulässigkeit der Beschwerde ist dabei die Möglichkeit einer Rechtsgutsbeeinträchtigung ausreichend. Ob diese tatsächlich vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit des Rechtsmittels. Gemessen an diesen Maßstäben ist regelmäßig beschwerdebefugt, wer unter Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II plausibel geltend macht, Eigentümer eines beschlagnahmten Fahrzeugs und somit durch die Beschlagnahme des Fahrzeugs in seinen Rechten beeinträchtigt zu sein.

Entscheidungstenor

Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 27. August 2019 (3 BGs 261/19) wird verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschuldigten und weitere Personen ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Mordes an dem Regierungspräsidenten des Regierungsbezirks Kassel, Dr. L. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie der Beweismittel, auf die der dringende Tatverdacht gegen den Beschuldigten gestützt ist, wird Bezug genommen auf die Entscheidungen des Senats vom 15. Januar 2020 (AK 62/19) und 3. März 2020 (AK 63/19).

Mit Beschluss vom 27. August 2019 (3 BGs 261/19) hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs unter anderem die Beschlagnahme des sichergestellten Kraftfahrzeugs, eines VW Caddy Life, angeordnet, welches der Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Fahrt zum Tatort nutzte. Die Anordnung ist sowohl auf die Beweisbedeutung des PKWs (§ 94 Abs. 1 StPO) als auch auf die Sicherung der Vollstreckung einer möglichen Einziehung als Tatmittel (§ 111b Abs. 1 Satz 2 StPO, § 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB) gestützt.

Mit Schreiben vom 9. März 2020, ergänzt durch Stellungnahme vom 23. März 2020, hat die Ehefrau des Beschuldigten die Herausgabe des beschlagnahmten Kraftfahrzeugs unter Verweis darauf beantragt, sie sei Eigentümerin desselben.

Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Beschwerde zu verwerfen. Die weitere Beschlagnahme des Kraftfahrzeugs als Beweismittel sei mit Blick auf das wechselnde Einlassungsverhalten des Beschuldigten auch im derzeitigen Ermittlungsstadium erforderlich. Überdies bestehe die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte Eigentümer des VW Caddy Life sei und das Fahrzeug damit der Einziehung als Tatmittel unterliege.

Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Der Antrag auf Herausgabe des Kraftfahrzeugs ist jedenfalls mit Blick auf den Inhalt der Stellungnahme vom 23. März 2020 als Beschwerde gegen den Beschlagnahmebeschluss vom 27. August 2019 auszulegen. Dem gemäß § 304 Abs. 2 und 5 StPO zulässigen Rechtsmittel bleibt in der Sache der Erfolg versagt.

1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist die Rechtsmittelführerin mit Blick auf das von ihr geltend gemachte Eigentumsrecht beschwerdebefugt (§ 304 Abs. 2 StPO).

Nach § 304 Abs. 2 StPO zur Beschwerde berechtigt ist, wer durch die beanstandete Maßnahme betroffen ist, mithin wer durch diese in der Wahrnehmung geschützter Rechte und Interessen beschränkt wird (BeckOK StPO/Cirener, § 304 Rn. 11). Für die Zulässigkeit der Beschwerde ist dabei die Möglichkeit einer Rechtsgutsbeeinträchtigung ausreichend (vgl. MüKO StPO/Neuheuser, § 304 Rn. 38; KK/Zabeck, StPO, 8. Aufl., § 304 Rn. 30; vgl. auch HansOLG Hamburg, Beschluss vom 8. März 2017 - 2 Ws 36/17, juris Rn. 9 f.; OLG Koblenz, Beschluss vom 16. Februar 1990 - 1 Ss 44/90, NStZ 1990, 296). Ob diese tatsächlich vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit des Rechtsmittels (vgl. HansOLG Hamburg, Beschluss vom 8. März 2017 - 2 Ws 36/17, juris Rn. 9 f.).

Gemessen an diesen Maßstäben ist die Rechtsmittelführerin beschwerdebefugt. Denn sie hat unter Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II, in der sie als Halterin des VW Caddy Life eingetragen ist, plausibel geltend gemacht, Eigentümerin desselben und damit durch die Beschlagnahme des Fahrzeugs in ihren Rechten beeinträchtigt zu sein (vgl. KK/Zabeck, StPO, 8. Aufl., § 304 Rn. 28; BeckOK StPO/Cirener, § 304 Rn. 11).

2. Der Beschwerde bleibt in der Sache jedoch der Erfolg versagt. Der PKW unterliegt weiterhin als Beweismittel (a)) sowie zur Sicherung der Vollstreckung einer möglichen Einziehung (b)) der Beschlagnahme.

a) Die Beweisbedeutung des VW Caddy Life rechtfertigt auch im gegenwärtigen Ermittlungsstadium dessen amtliche Verwahrung (§ 94 Abs. 1 StPO).

Der Beschuldigte ist des ihm zur Last gelegten Mordes dringend verdächtig (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 2020 - AK 62/19, juris Rn. 7 ff.; vom 3. März 2020 - AK 63/19, juris Rn. 7 ff.).

Es besteht überdies die nicht fernliegende Möglichkeit (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 22. Oktober 1999 - StB 13/99, BGHR StPO § 94 Beweismittel 5), dass das beschlagnahmte Kraftfahrzeug weiterhin als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung ist (§ 94 Abs. 1 StPO). Zwar ist nach der Stellungnahme des Generalbundesanwalts die Spurensicherung an dem PKW auf der Grundlage des bisherigen Ermittlungsstandes abgeschlossen. Angesichts des wechselnden Aussageverhaltens des Beschuldigten (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 2020 - AK 62/19, juris Rn. 7 ff.; vom 3. März 2020 - AK 63/19, juris Rn. 7 ff.) erscheint es indes möglich, dass im weiteren Verfahrensverlauf eine erneute Untersuchung des VW Caddy Life erforderlich wird. So hat etwa der Beschuldigte erst zwei Monate nach seiner Erstvernehmung mitteilen lassen, Tarnkennzeichen verwendet zu haben, was durch eine ergänzende Begutachtung des Fahrzeugs verifiziert werden musste.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist mit Blick auf die Schwere der dem Beschuldigten zur Last liegenden Tat und der Bedeutung des daraus resultierenden Aufklärungsinteresses auch angesichts der bisherigen Dauer der Beschlagnahme von über neun Monaten gewahrt. Weniger einschneidende Maßnahmen der Sicherung des Beweismittels stehen nicht zur Verfügung. Angesichts der Vielschichtigkeit der Beweisbedeutung des Kraftfahrzeuges unter anderem als Spurenträger würden Alternativen - wie etwa eine fotografische Dokumentation - dem Beweissicherungsinteresse nicht hinreichend gerecht.

b) Auch die Voraussetzungen der Beschlagnahme zur Sicherung der Vollstreckung einer möglichen Einziehung des PKWs sind gegeben (§ 111b Abs. 1 Satz 2 StPO, § 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB).

Es liegen dringende Gründe für die Annahme vor, dass der VW Caddy Life als Tatmittel der Einziehung unterliegt. Der Beschuldigte nutzte entsprechend seinen insoweit konstanten Angaben das Kraftfahrzeug unter anderem für seinen Weg zum Tatort (§ 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB). Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ist der Beschuldigte auch Eigentümer des VW Caddy Life (§ 74 Abs. 3 Satz 1 StGB; zum Prüfungsmaßstab der Eigentümerstellung vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. November 2008 - III - 4 Ws 590/08, wistra 2009, 207, 208). Zwar hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, der PKW stehe in ihrem Eigentum, und zum Nachweis hierfür die Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt, in der sie als Halterin eingetragen ist. Die Haltereigenschaft ist indes lediglich ein Indiz für die Eigentümerstellung (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 1975 - VIII ZR 151/73, NJW 1975, 735, 736; MüKO BGB/Oechsler, 8. Aufl., § 932 Rn. 55 ff.), das vorliegend durch die eigenen Angaben der Beschwerdeführerin entkräftet wird. So hat diese in ihrer Zeugenvernehmung vom 15. Juni 2019 erklärt, das Fahrzeug werde ausschließlich von dem Beschuldigten genutzt, da sie schon seit längerer Zeit nicht mehr Auto fahre. Lediglich aus versicherungstechnischen Gründen sei das Kraftfahrzeug auf sie zugelassen. Auch hat der Beschuldigte in seiner verantwortlichen Vernehmung vom 25. Juni 2019 von „seinem Caddy“ gesprochen (vgl. Vernehmungsniederschrift Seite 95).

Das erforderliche Sicherungsbedürfnis ist gegeben. Denn für den Fall der Herausgabe des PKWs an die Beschwerdeführerin ist zu befürchten, dass später auf das Kraftfahrzeug nicht mehr zugegriffen werden kann.

Schließlich ist die Maßnahme auch verhältnismäßig (vgl. § 74 f StGB), insbesondere steht der Wert des erstmals im Jahr 2006 zugelassenen VW Caddy Life der vorläufigen Sicherung nicht entgegen.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 496

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2020, 171

Bearbeiter: Christian Becker