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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1345

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 94/20, Urteil v. 20.08.2020, HRRS 2020 Nr. 1345


BGH 3 StR 94/20 - Urteil vom 20. August 2020 (LG Koblenz)

Voraussetzungen des Computerbetrugs bei Bestellungen im Internet unter unbefugter Verwendung von Konto- bzw. Kreditkartendaten (Beeinflussung des Ergebnisses eines vermögensrelevanten Datenverarbeitungsvorgangs); Beschränkung der Revision; Gesamtstrafenbildung.

§ 263a StGB; § 55 StGB; § 318 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Bestellvorgänge im Internet unter unbefugter Verwendung von Konto- bzw. Kreditkartendaten können grundsätzlich den Tatbestand des Computerbetrugs (§ 263a StGB) erfüllen, sofern auf einen vermögensrelevanten Datenverarbeitungsvorgang Einfluss genommen wird. Voraussetzung hierfür ist, dass nicht eine natürliche Person, getäuscht über die Werthaltigkeit der synallagmatischen Forderung, über die Versendung der Ware bzw. die Erbringung der Dienstleistung entscheidet, sondern dass die Bestellung computergestützt abgewickelt wird.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 23. Oktober 2019 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

soweit der Angeklagte wegen Computerbetrugs in zehn Fällen verurteilt worden ist,

im Ausspruch über die beiden Gesamtfreiheitsstrafen,

im Ausspruch über den Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe vor der Maßregel; ausgenommen hiervon sind die Feststellungen zur Therapiedauer, die bestehen bleiben, d) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben

im Ausspruch über die beiden Gesamtfreiheitsstrafen,

im Ausspruch über den Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe vor der Maßregel; ausgenommen hiervon sind die Feststellungen zur Therapiedauer, die bestehen bleiben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Computerbetrugs in zehn Fällen, Diebstahls und gewerbsmäßiger Hehlerei in zwei Fällen schuldig gesprochen. Es hat deshalb unter Auflösung der durch Urteil des Amtsgerichts Neuwied vom 12. April 2019 gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe und Einbeziehung der dort sowie durch Urteil des Amtsgerichts Neuwied vom 30. März 2017 verhängten Einzelstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten festgesetzt. Die Strafkammer hat darüber hinaus die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein Jahr und drei Monate der Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Das Landgericht hat ferner „die Einziehung eines Betrages in Höhe von 7.628,40 € als Wertersatz“ angeordnet. Die gegen die Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts beanstandet, führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Teilaufhebung des Urteils; im Übrigen bleibt das Rechtsmittel erfolglos. Die auf die Sachrüge gestützte und auf den Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafen sowie die Anordnung des Vorwegvollzugs beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ist vollumfänglich begründet.

I. Das Landgericht hat - soweit für die Revision von Bedeutung - folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. a) Der Angeklagte trat bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung. Unter anderem ist er durch die Amtsgerichte Neuwied und Koblenz mit Strafbefehlen vom 30. August 2016 und 8. Mai 2017 zu Geldstrafen verurteilt worden. Diese Strafen sind durch Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 2. August 2017 im Wege der nachträglichen Gesamtstrafenbildung auf eine Gesamtgeldstrafe zurückgeführt worden, die zumindest zum Urteilszeitpunkt vollständig vollstreckt war. Mit Urteil vom 30. März 2017 hat das Amtsgericht Neuwied den Angeklagten zu einer Bewährungsstrafe (Bewährungszeit bis 6. April 2021) wegen einer im Zeitraum vom 2. bis zum 7. Dezember 2016 begangenen Tat verurteilt. Schließlich ist gegen den Angeklagten mit Urteil des Amtsgerichts Neuwied vom 12. April 2019 unter Einbeziehung der mit Urteil vom 30. März 2017 festgesetzten Freiheitsstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt worden. Die der Verurteilung vom 12. April 2019 zugrundeliegenden Taten wurden zwischen dem 30. Juli 2016 und dem 2. Februar 2017 begangen.

b) Der Angeklagte entschloss sich spätestens im September 2015 dazu, sich durch die Begehung von Eigentums- und Vermögensdelikten eine „erhebliche und dauerhafte“ Einnahmequelle zu verschaffen.

In Durchführung dieses Plans entwendete er am 10. September 2016 ein iPad und erwarb am 28. Juli 2017 ein Fahrrad, von dem er wusste, dass es aus einem Diebstahl stammte (Fälle II.1 und II.2 der Urteilsgründe). Zwischen dem 13. und 19. Dezember 2018 bestellte er in einem Onlineportal Waren im Gesamtwert von 8.981,79 € in der Absicht, diese nicht selbst zu bezahlen. Er verwendete deshalb bei der Bestellung die zuvor im Darknet erworbenen Kreditkartendaten eines Dritten sowie die Anmeldedaten und das Passwort für das Onlineportal einer weiteren Person, ohne hierzu berechtigt zu sein. Die Waren wurden ausgeliefert. Dem Betreiber des Onlineportals entstand dabei im Wege des „Charge-Back“ ein Schaden in Höhe von 7.844,25 € (Fälle II.3 der Urteilsgründe). Am 14. Dezember 2018 bestellte der Angeklagte darüber hinaus online ein Fahrrad zur Selbstabholung; er verwendete dabei unbefugt die Personalien einer anderen Person, um das Fahrrad nicht bezahlen zu müssen, und gab sich bei Abholung desselben als zur Entgegennahme befugter Schwager des vermeintlichen Bestellers aus (Fall II.4 der Urteilsgründe). Am 29. März 2019 übernahm er von einem Freund eine Mappe mit Zugangsdaten zum Online-Banking eines Dritten in der Absicht, diese für Bestellungen oder sonstige gewinnbringende Aktivitäten im Internet zu nutzen. Der Angeklagte handelte dabei in Kenntnis dessen, dass sein Freund die von dem Dritten versehentlich liegen gelassene Mappe ohne Berechtigung an sich genommen hatte (Fall II.5 der Urteilsgründe). Am 4. April 2019 „erwarb“ der Angeklagte im Darknet für 500 € von einer unbekannten Person eine Sofortüberweisung über 1.000 €. In Abwicklung dieses Geschäfts zog er den Betrag von 1.000 € zulasten des Kontos einer Zeugin unter Verwendung der im Fall II.5 der Urteilsgründe erlangten Daten auf das Konto des Dritten ein (Fall II.6 der Urteilsgründe).

Am 11. April 2019 verfügte der Angeklagte über Cannabis mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 6,71 g Tetrahydrocannabinol (THC), welches zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war. Durch den dabei zu erzielenden Verkaufserlös beabsichtigte er, seinen eigenen Betäubungsmittelkonsum zu finanzieren. Überdies bewahrte er Cannabis mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 1,76 g THC und Amphetaminpulver mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 519 mg Amphetaminbase in seiner Wohnung zum Eigengebrauch auf (Fall II.7 der Urteilsgründe).

2. Das Landgericht hat die Sachverhalte rechtlich als Diebstahl (Fall II.1 der Urteilsgründe), zwei Fälle der gewerbsmäßigen Hehlerei (Fälle II.2 und II.5 der Urteilsgründe), zehn Fälle des Computerbetrugs (Fälle II.3, II.4 und II.6 der Urteilsgründe) sowie Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.7 der Urteilsgründe) gewertet und Einzelstrafen zwischen sechs Monaten und zwei Jahren festgesetzt. Es hat die für Fall II.1 der Urteilsgründe festgesetzte Einzelstrafe von sechs Monaten unter Auflösung der durch Urteil des Amtsgerichts Neuwied vom 12. April 2019 gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und Einbeziehung der dort sowie durch Urteil des Amtsgerichts Neuwied vom 30. März 2017 verhängten Einzelstrafen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zurückgeführt. Betreffend die Fälle II.2 bis II.7 der Urteilsgründe hat es eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten festgesetzt. Mit Blick auf die angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat die Strafkammer bestimmt, dass ein Jahr und drei Monate der Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Sie hat ferner die Einziehung des Wertes der in Fall II.3 der Urteilsgründe erlangten Taterträge angeordnet.

II. Revision des Angeklagten

Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des jeweiligen Schuldspruchs in den Fällen II.3, II.4 und II.6 der Urteilsgründe und der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Dies zieht die Aufhebung der in den genannten Fällen verhängten Einzelstrafen, der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, des angeordneten Vorwegvollzugs sowie der Einziehungsentscheidung nach sich; im Übrigen ist das Rechtsmittel des Angeklagten aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen unbegründet.

1. Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II.3, II.4 und II.6 der Urteilsgründe wegen zehn tatmehrheitlicher Fälle des Computerbetrugs hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch nicht.

In Abgrenzung zum Tatbestand des Betrugs (§ 263 StGB) setzt der des Computerbetrugs (§ 263a StGB) die Beeinflussung des Ergebnisses eines Datenverarbeitungsvorgangs voraus. Das so manipulierte Ergebnis muss vermögensrelevant sein und unmittelbar zu einer Vermögensminderung führen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2018 - 4 StR 305/17, NStZ-RR 2018, 214, 215 mwN; LKStGB/Tiedemann/Valerius, 12. Aufl., § 263a Rn. 65 ff.).

Bestellvorgänge im Internet unter unbefugter Verwendung von Konto- bzw. Kreditkartendaten können grundsätzlich den Tatbestand des Computerbetrugs erfüllen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2014 - 2 StR 658/13, NStZ 2014, 644, 645; vom 2. Juli 2020 - 2 StR 226/18, juris Rn. 12 f.; LKStGB/Tiedemann/Valerius, 12. Aufl., § 263a Rn. 58; Schönke/Schröder/Perron, StGB, 30. Aufl., § 263a Rn. 15; SKStGB/Hoyer, 9. Aufl., § 263a Rn. 44; Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 263a Rn. 14b; Ullenboom, NZWiSt 2018, 26, 27 f.). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass auf einen vermögensrelevanten Datenverarbeitungsvorgang Einfluss genommen wird, mithin keine natürliche Person, getäuscht über die Werthaltigkeit der synallagmatischen Forderung, über die Versendung der Ware bzw. der Erbringung der Dienstleistung entscheidet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2014 - 2 StR 658/13, NStZ 2014, 644, 645; vom 2. Juli 2020 - 2 StR 226/18, juris Rn. 12 f.).

An diesen Maßstäben gemessen tragen die Feststellungen des Landgerichts eine Verurteilung wegen Computerbetrugs in den Fällen II.3, II.4 und II.6 der Urteilsgründe nicht. Konkrete Feststellungen zur computergestützten Abwicklung der Bestellungen fehlen. Angesichts der Umstände der Einzelfälle lassen sich solche hier überdies nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund, dass in den Fällen II.3 der Urteilsgründe offenbleibt, ob der Betreiber des Onlineportals oder die als Lieferanten genannten Händler Vertragspartner des Angeklagten waren. Ferner lässt sich den Urteilsgründen im Fall II.4 der Urteilsgründe nicht entnehmen, ob sich die Bestellung unter der unbefugten Nutzung falscher Personalien unmittelbar vermögensmindernd auswirkte, etwa durch Auslösen eines Zahlungsvorgangs zu Lasten eines Dritten, oder die Vermögensminderung - wie die bisherigen Feststellungen nahelegen - erst mit der Herausgabe des Fahrrads durch den Händler eintrat. Im Fall II.6 der Urteilsgründe schließlich sind die Feststellungen so lückenhaft, dass eine revisionsrechtliche Überprüfung nicht möglich ist, da nicht festgestellt ist, wer in welcher Weise auf das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs einwirkte beziehungsweise bei wem welcher Schaden eintrat.

2. Auch die Festsetzung der Gesamtfreiheitsstrafe über zwei Jahre hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Bei der Bildung dieser Gesamtfreiheitsstrafe, in die das Landgericht die in den Urteilen des Amtsgerichts Neuwied vom 30. März 2017 und 12. April 2019 sowie die für Fall II.1 der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafen einbezogen hat, ist es davon ausgegangen, die mit Strafbefehlen der Amtsgerichte Neuwied und Koblenz vom 30. August 2016 und 8. Mai 2017 verhängten Geldstrafen hätten außer Betracht zu bleiben, da „sie vollständig bezahlt wurden“. Weder aus dieser Formulierung noch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich jedoch, ob die Strafen bereits zum 12. April 2019 vollstreckt waren. Nur dann hätten sie bei der Gesamtstrafenbildung außer Betracht bleiben dürfen. Denn für die Einbeziehungsfähigkeit ist darauf abzustellen, ob das Gericht, das zuerst eine Strafe verhängt hat, die früher verhängten Strafen hätte aburteilen können, wenn sie ihm bekannt gewesen wären (BGH, Beschluss vom 28. November 1986 - 3 StR 499/86, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 1). Es ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte hierdurch beschwert ist.

3. Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, sind die jeweils zugehörigen Feststellungen aufzuheben. Ausgenommen hiervon sind lediglich die Feststellungen zur Therapiedauer, von denen auszuschließen ist, dass sie in Widerspruch zu den neu zu treffenden Feststellungen treten werden.

4. Hinsichtlich der Fälle II.3 der Urteilsgründe weist der Senat für die neue Verhandlung und Entscheidung auf Folgendes hin:

Die bisherigen Feststellungen tragen auch die konkurrenzrechtliche Bewertung nicht. Die Strafkammer geht von acht Bestellungen in demselben Onlineportal unter unberechtigter Nutzung derselben Zugangs- und Kreditkartendaten zwischen dem 13. und 19. Dezember 2018 aus, wobei drei Bestellungen auf den 18. und vier auf den 19. Dezember 2018 entfallen. Das Landgericht hat zur Abgrenzung der einzelnen Taten offensichtlich nach Tagen und Versandfirmen differenziert. Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich zumindest bei den Warenbestellungen vom 18. und 19. Dezember 2018 um Teile einer einheitlichen Tat handelt. Mehrere Bestellungen an einem Tag können Teil einer einheitlichen Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit sein, sofern sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang vorgenommen werden (BGH, Urteil vom 5. April 2017 - 2 StR 40/16, wistra 2017, 405 Rn. 11; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 1. Februar 2011 - 3 StR 432/10, juris Rn. 8, 19; vom 21. Mai 2014 - 4 StR 70/14, juris Rn. 4 jeweils mwN).

III. Revision der Staatsanwaltschaft

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat vollumfänglich Erfolg.

1. Die Revision ist wirksam auf die Aussprüche über die Gesamtstrafen und den Vorwegvollzug beschränkt. Die Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch wurde von der Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründungsschrift ausdrücklich erklärt. Unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV, wonach der Staatsanwalt seine Revision stets so rechtfertigen soll, dass klar ersichtlich ist, in welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils er seine Rechtsverletzung erblickt und auf welche Gründe er seine Rechtsauffassung stützt, ist der Umfang des Anfechtungswillens ferner durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 2014 - 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; vom 18. Dezember 2014 - 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88; vom 29. November 2018 - 3 StR 405/18, juris Rn. 4, jeweils mwN). Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung hat die Beschwerdeführerin zu erkennen gegeben, dass sie allein Rechtsfehler betreffend die Bildung der zweijährigen Gesamtstrafe rügt. Die Beschränkung ist auch weitgehend zulässig, denn die aufgezeigten Mängel betreffen weder die festgesetzten Einzelstrafen (vgl. BGH, Urteile vom 13. November 1997 - 4 StR 432/97, BGHR StPO § 318 Strafausspruch 2; vom 8. September 1999 - 3 StR 285/99, NStZ-RR 2000, 13 f., jeweils mwN) noch den Maßregelausspruch sowie die Einziehungsentscheidung. Indes sind von dem Rechtsmittel auch die Bildung der zweiten Gesamtfreiheitsstrafe über vier Jahre und sechs Monate sowie der angeordnete Vorwegvollzug erfasst. Denn mit Blick darauf, dass die Strafkammer das aus der Verhängung zweier Gesamtstrafen resultierende Gesamtstrafenübel bei der Bemessung beider Gesamtfreiheitsstrafen berücksichtigt hat, mithin nach der Würdigung des Landgerichts unter dem Aspekt des gerechten Schuldausgleichs eine Wechselwirkung zwischen den beiden Gesamtstrafen besteht, sind diese nicht getrennt anfechtbar (vgl. LR/Gössel, StPO, 26. Aufl., § 318 Rn. 88). Gleiches gilt für den angeordneten Vorwegvollzug, der maßgeblich von der Dauer der verhängten Strafe(n) abhängt (§ 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB).

2. Der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Die bisherigen Feststellungen des Landgerichts tragen schon nicht die rechtliche Bewertung, die Strafbefehle der Amtsgerichte Neuwied und Koblenz vom 30. August 2016 bzw. 8. Mai 2017 lösten keine Zäsurwirkung aus (vgl. II.2).

Bei der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren hat die Strafkammer überdies nicht berücksichtigt, dass die neu zu bildende Gesamtstrafe das Maß der früher schon gebildeten Gesamtstrafe (hier: zwei Jahre und sechs Monate) nicht unterschreiten darf (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1954 - 3 StR 189/54, BGHSt 7, 180, 183; Beschluss vom 4. Oktober 2001 - 4 StR 329/01, juris; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. November 2007 - 2 BvR 1995/07, juris; vgl. auch LK/Rissing-van Saan/Scholze, StGB, 13. Aufl., § 55 Rn. 31; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 55 Rn. 16; anders Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 55 Rn. 40).

Die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe über zwei Jahre zieht die Aufhebung der zweiten Gesamtfreiheitsstrafe und der Anordnung des Vorwegvollzugs nach sich (s.o.). Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat die jeweils zugehörigen Feststellungen auf. Ausgenommen hiervon sind lediglich die Feststellungen zur Therapiedauer, von denen auszuschließen ist, dass sie in Widerspruch zu den neu zu treffenden Feststellungen treten werden.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1345

Bearbeiter: Christian Becker