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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1201

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 55/20, Beschluss v. 23.09.2020, HRRS 2020 Nr. 1201


BGH 2 StR 55/20 - Beschluss vom 23. September 2020 (LG Köln)

Verbotene Geschäfte, Handeln ohne Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz; Begriff der Einlagengeschäfte: Abgrenzung zu anderen Anlageformen anhand der Partizipation am unternehmerischen Risiko).

§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG; § 32 Abs. 1 KWG; §§ 54 ff. KWG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Nach § 32 Abs. 1 KWG ist der gewerbsmäßige Betrieb von Bankgeschäften erlaubnispflichtig. Zu den von der Erlaubnispflicht umfassten Bankgeschäften zählen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG die so genannten Einlagengeschäfte. Das Einlagengeschäft ist in Nummer 1 legal definiert als die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird.

2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine Einlage in der Regel vor, wenn jemand von einer Vielzahl von Geldgebern, die keine Kreditinstitute im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG sind, fremde Gelder aufgrund typisierter Verträge zur unregelmäßigen Verwahrung, als Darlehen oder in ähnlicher Weise ohne Bestellung banküblicher Sicherheiten laufend annimmt und die Gelder nach Fälligkeit von den Gläubigern jederzeit zurückgefordert werden können. Eine Einlage ist dabei regelmäßig dadurch geprägt, dass das eingelegte Geld der Gewinnerzielung im damit finanzierten Aktivgeschäft dient. Notwendig ist danach jedenfalls, dass nach den zugrunde liegenden zivilrechtlichen Abreden das angelegte Geld nach Fälligkeit zurückzuzahlen ist. Insoweit ist die Einlage insbesondere von gesellschaftsrechtlichen Anlageformen (wie stillen Beteiligungen) abzugrenzen. Keine Einlage in diesem Sinne liegt deshalb vor, wenn nach dem zivilrechtlichen Grundgeschäft das eingelegte Geld an dem unternehmerischen Risiko des Aktivgeschäfts partizipieren soll.

3. Am Fall: Es liegt damit nahe, dass es sich um Investitionen handelte, bei denen das volle unternehmerische Risiko einer später möglicherweise eintretenden Zahlungsunfähigkeit des Empfängers bei den Geldgebern bestand; eine solche Anlage unterfiele indes nicht dem Begriff des Einlagengeschäfts und unterliegt damit nicht der bankaufsichtsrechtlichen Genehmigungspflicht. In Fällen hochspekulativer Anlagen erfordert es auch nicht der Schutzzweck der Norm, nämlich das breite Publikum vor Verlusten seiner Kapitalanlagen zu bewahren, diese Zahlungen als Einlagengeschäft anzusehen.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 27. September 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz in vier Fällen“ zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt und 60 Tagessätze wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung für bereits vollstreckt erklärt. Zudem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 130.000 Euro angeordnet. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, die mit der Sachrüge erfolgreich ist.

I.

1. Der Angeklagte ist gelernter Bankkaufmann mit dem zusätzlichen IHK-Abschluss „Fachberater für Finanzdienstleistungen“. Nach Beschäftigung bei verschiedenen Banken und Sparkassen war er seit 2008 als selbständiger Finanzdienstleister und Vermögensberater tätig. Als solcher arbeitete er eng mit dem gesondert verfolgten W. zusammen, der vorgab, einen „Weg zum Kapitalmarkt gefunden“ zu haben und Anlegern eine Verdoppelung ihrer Einlagen innerhalb Jahresfrist zu ermöglichen. Zu diesem Zweck hatte W. „Musterdarlehensverträge“ entwickelt. Nach deren Wortlaut sollten die Kunden ihm einen bestimmten Betrag für ein Jahr gegen eine Verzinsung von 4 % als Darlehen zur Verfügung stellen. Tatsächlich zahlten die Kunden absprachegemäß jedoch nur die Hälfte der im Vertrag ausgewiesenen Summe, so dass die Differenz zwischen dem tatsächlich eingezahlten Betrag und der im Vertrag ausgewiesenen Summe die von W. in Aussicht gestellte Rendite von 100 % zuzüglich der schriftlich vereinbarten Zinsen darstellte.

Teilweise vermittelte der Angeklagte dem gesondert verfolgten W. Anleger gegen Provision, teilweise schaltete er sich auch zwischen W. und die Kunden. So schloss er im Zeitraum Juli bis Dezember 2009 im eigenen Namen insgesamt zehn entsprechende „Darlehensverträge“ mit Anlegern ab, die ihm absprachegemäß 75 % der in dem jeweiligen Vertrag genannten Darlehenssumme zur Verfügung stellten. Parallel dazu schloss er selbst als Anleger mit W. „Darlehensverträge“ gleicher Art ab, wobei mündlich jeweils eine Rückzahlung vereinbart wurde, die dem Doppelten der tatsächlich geleisteten Anlage zuzüglich Zinsen entsprach. Die hieraus resultierenden „Forderungen“ bediente der Angeklagte gegenüber W. mit den Geldern, die er zuvor von seinen Kunden vereinnahmt hatte. Auf diese Art und Weise wollte der Angeklagte ? nach Rückzahlung an die Anleger ? für sich einen Gewinn von 50 % erwirtschaften. Rückzahlungen an seine Kunden hat der Angeklagte jedoch zu keinem Zeitpunkt erbracht.

2. Nach Teileinstellung von sechs Fällen gemäß § 154 Abs. 2 StPO und Beschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO im Übrigen hat das Landgericht den Angeklagten in den verbliebenen Fällen, durch die er insgesamt 130.000 Euro vereinnahmt hat, wegen vier Vergehen nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG verurteilt.

II.

Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht, weil sich ihnen nicht zweifelsfrei entnehmen lässt, dass es sich bei den von den Anlegern eingeworbenen Geldern um Einlagengeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG handelte.

1. Nach § 32 Abs. 1 KWG ist der gewerbsmäßige Betrieb von Bankgeschäften erlaubnispflichtig. Zu den von der Erlaubnispflicht umfassten Bankgeschäften zählen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG die so genannten Einlagengeschäfte. Das Einlagengeschäft ist in Nummer 1 legal definiert als die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine Einlage in der Regel vor, wenn jemand von einer Vielzahl von Geldgebern, die keine Kreditinstitute im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG sind, fremde Gelder aufgrund typisierter Verträge zur unregelmäßigen Verwahrung, als Darlehen oder in ähnlicher Weise ohne Bestellung banküblicher Sicherheiten laufend annimmt und die Gelder nach Fälligkeit von den Gläubigern jederzeit zurückgefordert werden können (BGH, Beschluss vom 24. August 1999 - 1 StR 385/99, BGHR KWG § 1 Einlage 1; vgl. auch BGH, Urteil vom 13. April 1994 - II ZR 16/93, BGHZ 125, 366, 380). Eine Einlage ist dabei regelmäßig dadurch geprägt, dass das eingelegte Geld der Gewinnerzielung im damit finanzierten Aktivgeschäft dient (BGH, Beschluss vom 17. April 2007 - 5 StR 446/06, NStZ 2007, 647). Notwendig ist danach jedenfalls, dass nach den zugrunde liegenden zivilrechtlichen Abreden das angelegte Geld nach Fälligkeit zurückzuzahlen ist. Insoweit ist die Einlage insbesondere von gesellschaftsrechtlichen Anlageformen (wie stillen Beteiligungen) abzugrenzen. Keine Einlage in diesem Sinne liegt deshalb vor, wenn nach dem zivilrechtlichen Grundgeschäft das eingelegte Geld an dem unternehmerischen Risiko des Aktivgeschäfts partizipieren soll (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2011 - 5 StR 563/10, NStZ 2011, 410).

2. Dass im vorliegenden Fall von einem Einlagengeschäft im vorgenannten Sinne ausgegangen werden kann, ist nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht belegt. Die bruchstückhafte Darstellung in den Urteilsgründen bezüglich der getätigten Kapitalanlagen trägt eine Verurteilung wegen unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften nicht.

Ersichtlich handelte es sich bei der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung nur vordergründig um einen Darlehensvertrag über die darin genannte Summe, da der ausgewiesene Betrag absprachegemäß nur zu 75 % zur Verfügung gestellt werden sollte. Das Landgericht hätte deshalb erwägen müssen, ob es sich gemäß § 117 Abs. 1 BGB insoweit nur um ein Scheingeschäft handelte, das nach § 117 Abs. 2 BGB ein anderes Rechtsgeschäft verdeckte. Mit der Frage, ob die eventuell verdeckten Geschäfte Bankgeschäfte waren, die einer Erlaubnispflicht unterlägen, hat sich die Strafkammer nicht auseinandergesetzt. Dazu bestand jedoch Veranlassung, weil sich den Urteilsgründen Umstände entnehmen lassen, welche die Annahme der unbedingten Rückzahlbarkeit - auch der tatsächlich eingebrachten Gelder - und damit das Vorliegen eines Einlagengeschäfts in Frage stellen. Insbesondere die in Aussicht gestellte außergewöhnliche Höhe der „Rendite“ von über 50 % legt nahe, dass das dem Angeklagten überlassene Geld Risikokapital sein sollte und es sich bei der „Rendite“ ersichtlich nicht um das marktübliche Entgelt für die Überlassung des Kapitals handelte. So gingen die Anleger offensichtlich davon aus, dass der Angeklagte und der hinter ihm stehende W. die ausgezahlten Gelder in gewinnträchtige Anlageprojekte investieren würden, einhergehend mit der Möglichkeit, am Gewinn aber auch unter Umständen am Verlust ihrer Anlagen beteiligt zu werden. Es liegt damit nahe, dass es sich um Investitionen handelte, bei denen das volle unternehmerische Risiko einer später möglicherweise eintretenden Zahlungsunfähigkeit des Empfängers bei den Geldgebern bestand; eine solche Anlage unterfiele indes nicht dem Begriff des Einlagengeschäfts und unterliegt damit nicht der bankaufsichtsrechtlichen Genehmigungspflicht. In Fällen hochspekulativer Anlagen erfordert es auch nicht der Schutzzweck der Norm, nämlich das breite Publikum vor Verlusten seiner Kapitalanlagen zu bewahren, diese Zahlungen als Einlagengeschäft anzusehen (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2011 - 5 StR 563/10, NStZ 2011, 410; BGH, Urteil vom 9. März 1995 - III ZR 55/94, BGHZ 129, 90, 96 f.).

Maßgeblich ist nach alledem, welche konkreten Vorstellungen die Anleger von der Verwendung und der Rückzahlung der ausgereichten Gelder hatten. Feststellungen hierzu fehlen völlig.

3. Das neue Tatgericht wird, sollte es erneut zu einer Verurteilung wegen unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften gelangen, den Strafrahmen des § 54 KWG in der zur Tatzeit gültigen Fassung zugrundezulegen und hinsichtlich der konkurrenzrechtlichen Beurteilung die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senatsurteil vom 18. Juli 2018 - 2 StR 416/16, NStZ 2020, 167; BGH, Beschluss vom 9. April 2019 - 1 StR 673/18, NStZ 2020, 169) in den Blick zu nehmen haben. Gegebenenfalls wird es auch zu bedenken haben, ob es den nach § 154a Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Vorwurf des Betrugs wieder in das Verfahren einbezieht.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1201

Externe Fundstellen: StV 2021, 738

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner