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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 95

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 352/18, Urteil v. 29.11.2018, HRRS 2019 Nr. 95


BGH 3 StR 352/18 - Urteil vom 29. November 2018 (LG Oldenburg)

Strafzumessung bei der Verurteilung wegen Diebstahls (objektiver Verkehrswert der gestohlenen Sache zum Zeitpunkt der Tat als maßgebendes Strafzumessungskriterium; Berücksichtigung der Umsatzsteuer; Verhängung der Mindeststrafe trotz straferschwerender Gesichtspunkte).

§ 46 StGB; § 242 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Maßgebendes Strafzumessungskriterium beim Diebstahl ist der objektive Verkehrswert der gestohlenen Sache zum Zeitpunkt der Tat. Bestandteil dieses Verkehrswertes ist auch die Umsatzsteuer, soweit die Geschädigten diese im Falle der Veräußerung von einem Käufer vereinnahmen würden.

Entscheidungstenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 12. März 2018 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

Mit Urteil vom 17. Februar 2015 hatte das Landgericht den Angeklagten sowie die Mitangeklagten R. und D. wegen schweren Bandendiebstahls in zwölf Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, schuldig gesprochen, gegen den Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verhängt und gemäß § 111a Abs. 2 StPO aF festgestellt, dass ihm gegenüber auf den Verfall von Wertersatz in Höhe von 15.000 € nur deshalb nicht erkannt werde, weil Ansprüche der Verletzten entgegenstünden. Auf die dagegen eingelegte Revision des Angeklagten hatte der Senat mit Beschluss vom 14. Januar 2016 dieses Urteil - soweit es den Angeklagten betraf - mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Diese hat den Angeklagten nunmehr wiederum wegen schweren Bandendiebstahls in zwölf Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, schuldig gesprochen, diesmal aber nur zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte - vom Generalbundesanwalt nicht vertretene - Revision der Staatsanwaltschaft, die sich mit sachlich-rechtlichen Beanstandungen allein gegen den Strafausspruch, die diesem zu Grunde liegenden Feststellungen sowie die Strafaussetzung zur Bewährung wendet. Das - wirksam auf die genannten Punkte beschränkte - Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Die Strafzumessung weist im Ergebnis keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten - oder zu Lasten (§ 301 StPO) - des Angeklagten auf.

a) Im rechtlichen Ausgangspunkt gilt insoweit Folgendes: Die Strafzumessung ist Sache des Tatgerichts. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle durch das Revisionsgericht ist ausgeschlossen. Es ist vielmehr auf die Überprüfung von Rechtsfehlern beschränkt, die namentlich darin bestehen können, dass das Tatgericht von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist, seine Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, es gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen hat oder sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 5. April 2018 - 3 StR 13/18, juris Rn. 29).

b) Gemessen hieran ist gegen die Erwägungen, die dem Strafausspruch des Landgerichts zu Grunde liegen, im Ergebnis von Rechts wegen nichts zu erinnern. Insoweit nimmt der Senat zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts und bemerkt ergänzend:

aa) Soweit die Strafkammer bei der Schadensberechnung die gesetzliche Umsatzsteuer von 19 Prozent in Abzug gebracht hat, erscheint dies nicht unbedenklich. Zwar liegt es - anders als die Revision meint - fern, dass die anhand einer den Marktpreis der landwirtschaftlichen Fahrzeuge unter Berücksichtigung ihres Alters wiedergebenden Aufstellung ermittelten Werte keine Umsatzsteuer enthielten. Denn dann hätte für das Landgericht kein Anlass bestanden, diesen Abzug überhaupt in Betracht zu ziehen. Gegen einen Abzug der Umsatzsteuer spricht indes, dass maßgebendes Strafzumessungskriterium beim Diebstahl der objektive Verkehrswert der gestohlenen Sache zum Zeitpunkt der Tat ist. Bestandteil dieses Verkehrswertes ist aber auch die Umsatzsteuer, weil diese die Geschädigten als landwirtschaftliche Unternehmer im Falle der Veräußerung der Fahrzeuge von einem Käufer vereinnahmen würden (vgl. insoweit zum Diebstahl im Einzelhandel BGH, Beschluss vom 30. Mai 2017 - 3 StR 136/17, wistra 2017, 437 mwN). Letztlich kann dies jedoch dahinstehen; denn der Senat schließt aus, dass die Strafkammer, die dem Wert der Diebesbeute im Vergleich zu den übrigen Strafzumessungsfaktoren nur nachrangige Bedeutung beigemessen und die Einzelstrafen nach - groborientierend gebildeten - Schadensgruppen bemessen hat, auf höhere Strafen erkannt hätte, wenn sie die Umsatzsteuer nicht in Abzug gebracht hätte.

bb) Die verhängten Einzelfreiheitsstrafen von neun Monaten, zehn Mal einem Jahr sowie einem Jahr und zwei Monaten lösen sich - wie auch die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren - nicht von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein. Sie bewegen sich - unter Berücksichtigung der von der Strafkammer erörterten Strafzumessungserwägungen, insbesondere der zahlreichen Milderungsgründe - noch im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.

Das gilt auch für die Fälle, in denen das Landgericht lediglich auf die § 244a Abs. 1 StGB entnommene Mindeststrafe von einem Jahr erkannt hat. Der gesetzliche Strafrahmen erfasst zwar sowohl die denkbar leichtesten als auch die denkbar schwersten Fälle. Dies bedeutet aber nicht, dass die Mindeststrafe nur festgesetzt werden kann, wenn sich ein leichterer Fall als der abzuurteilende nicht mehr denken ließe. Trotz straferschwerender Gesichtspunkte kann deshalb auch dann die Mindeststrafe verhängt werden, wenn der Tatrichter in einer umfassenden Würdigung den strafmildernden Gesichtspunkten ein solches Gewicht beimisst, dass ihm diese Strafe dennoch angemessen erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2000 - 2 StR 573/99, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 14). Dem wird das angefochtene Urteil gerecht. Das Landgericht ist nach eingehender Erörterung der Strafzumessungstatsachen bei der Strafrahmenwahl, auf die es bei der konkreten Strafzumessung Bezug genommen hat, ersichtlich davon ausgegangen, dass die strafschärfenden Umstände durch die Wahl des Regelstrafrahmens ausreichend Berücksichtigung gefunden haben.

2. Auch die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung weist - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 95

Bearbeiter: Christian Becker