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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1197

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 346/18, Beschluss v. 24.09.2019, HRRS 2019 Nr. 1197


BGH 1 StR 346/18 - Beschluss vom 24. September 2019 (LG Augsburg)

BGHSt 64, 195; Vorenthalten und Veruntreuen von Sozialversicherungsbeiträgen (Begriff des Arbeitgebers; Vorsatz: erforderliches Nachvollziehen der Wertungen des Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, erforderliche Vorstellung hinsichtlich der Arbeitgeberstellung); Steuerhinterziehung (Berechnung der vorenthaltenen Lohnsteuer bei Schwarzarbeit: anzuwendende Lohnsteuerklasse).

§ 266a StGB; § 15 StGB; § 16 StGB; § 370 Abs. 1 AO

Leitsätze

1. Vorsätzliches Handeln ist bei pflichtwidrig unterlassenem Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a Abs. 1 und 2 StGB) nur dann anzunehmen, wenn der Täter auch die außerstrafrechtlichen Wertungen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts - zumindest als Parallelwertung in der Laiensphäre - nachvollzogen hat, er also seine Stellung als Arbeitgeber und die daraus resultierende sozialversicherungsrechtliche Abführungspflicht zumindest für möglich gehalten und deren Verletzung billigend in Kauf genommen hat. (BGHSt)

2. Irrt der Täter über seine Arbeitgeberstellung oder die daraus resultierende Pflicht zum Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen, liegt ein Tatbestandsirrtum vor; an seiner entgegenstehenden, von einem Verbotsirrtum ausgehenden Rechtsprechung hält der Senat nicht fest. (BGHSt)

3. Ob eine Person Arbeitgeber ist, richtet sich nach dem Sozialversicherungsrecht. Der Beurteilung, die aufgrund einer Vielzahl von Kriterien zu erfolgen hat (unter anderem das Maß der Eingliederung des die Dienste Leistenden in den Betrieb, das Bestehen eines Direktionsrechts bezüglich Zeit, Dauer, Ort und Ausführung der Dienstleistung, das Vorliegen eines eigenen unternehmerischen Risikos des die Dienste Leistenden), kann eine komplexe Wertung zugrunde liegen, wobei sich die Ergebnisse, da die Kriterien im Einzelfall unterschiedliches Gewicht haben können, nicht immer sicher vorhersehen lassen. Entscheidend für die Abgrenzung von unselbständiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sind - ausgehend vom Vertragsverhältnis der Beteiligten - die tatsächlichen Gegebenheiten der „gelebten Beziehung“, die einer wertenden Gesamtbetrachtung zu unterziehen sind (st. Rspr.). (Bearbeiter)

4. Ob ein Arbeitgeber seine entsprechende Stellung und das Bestehen hieraus folgender sozialversicherungsrechtlicher Abführungspflichten für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat, muss vom Tatgericht im Rahmen der Beweiswürdigung im Einzelfall anhand der konkreten Tatumstände geklärt werden. Hierbei kann zunächst Bedeutung erlangen, wie eindeutig die Indizien sind, die - im Rahmen der außerstrafrechtlichen Wertung - für das Vorliegen einer Arbeitgeberstellung sprechen. Zudem kann von Relevanz sein, ob und inwiefern der Arbeitgeber im Geschäftsverkehr erfahren ist oder nicht und ob das Thema illegaler Beschäftigung in der jeweiligen Branche im gegebenen zeitlichen Kontext gegebenenfalls vermehrt Gegenstand des öffentlichen Diskurses war. Ein gewichtiges Indiz kann daneben überdies sein, ob das gewählte Geschäftsmodell von vornherein auf Verschleierung oder eine Umgehung von sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen ausgerichtet ist. Jedenfalls bei Kaufleuten, die als Arbeitgeber zu qualifizieren sind, sind auch die im Zusammenhang mit ihrem Gewerbe bestehenden Erkundigungspflichten in Bezug auf die arbeits- und sozialrechtliche Situation in den Blick zu nehmen, weil eine Verletzung einer Erkundigungspflicht auf die Gleichgültigkeit des Verpflichteten hinsichtlich der Erfüllung dieser Pflicht hindeuten kann. (Bearbeiter)

5. Zwar ist vollumfänglich illegaler Beschäftigungsverhältnisse der Umfang hinterzogener Lohnsteuer grundsätzlich anhand des Eingangssteuersatzes der Lohnsteuerklasse VI zu bestimmen (vgl. BGHSt 56, 153 Rn. 16 ff.). Dies gilt jedoch hinsichtlich des der Strafzumessung zu Grunde zu legenden Schadens dann nicht, wenn die tatsächlichen Verhältnisse der Arbeitnehmer bekannt waren oder ohne weiteres hätten festgestellt werden können, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die Arbeitnehmer durch das Tatgericht zeugenschaftlich vernommen werden. In diesen Fällen ist eine unterschiedliche Behandlung im Vergleich zu den Konstellationen der Teilschwarzlohnzahlungen oder der Lohnsteuerhinterziehung auf nicht gerechtfertigt, so dass der Umfang hinterzogener Sozialversicherungsbeiträge anhand der tatsächlich gegebenen Lohnsteuerklasse der Pflegekräfte hätte ermittelt werden müssen. (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 16. November 2017 aufgehoben

a) im Schuldspruch in den Fällen 12, 13, 30, 35, 42, 50, 56, 60, 66, 75, 77, 78 und 82 der Urteilsgründe; die zugehörigen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zum Vorstellungsbild der möglichen Haupttäter bleiben aufrechterhalten;

b) im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen;

c) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 26.731,20 €.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 82 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit verschiedenen Verfahrensbeanstandungen und mit der ausgeführten Sachrüge. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Der Angeklagte vermittelte in den Jahren 2008 bis 2014 über ein Einzelunternehmen osteuropäische Pflegekräfte in Privathaushalte in Deutschland.

Die meist ungelernten Pflegekräfte warb er in deren Heimatländern an, sorgte für ihre Reise nach Deutschland, brachte sie zu den Familien, gab diesen praktische Tipps für die Beschäftigung, sicherte den Familien zu, im Bedarfsfall für eine Ersatzkraft zu sorgen, und gewährleistete eine Absicherung für die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen durch die Pflegekräfte. Hierfür erhob der Angeklagte bei der jeweiligen Familie eine einmalige Vermittlungsgebühr in Höhe von in der Regel 285 € sowie monatliche Kostenpauschalen von maximal 88 €. Von der Monatspauschale sollten jeweils 30 € für eine Krankenversicherung verwendet werden; sofern anderweitig Versicherungsschutz bestand, reduzierte sich die Pauschale um diesen Betrag.

Für die Vermittlung schloss der Angeklagte jeweils einen Formularvertrag mit der zu pflegenden Person oder, wenn diese hierzu - wie meist - nicht mehr in der Lage war, mit einem ihrer Angehörigen ab. In dem Vertrag war vorgesehen, dass die jeweilige Pflegekraft zehn bis zwölf Wochen vor Ort tätig sein sollte; dieser Zeitraum wurde jedoch mitunter erheblich überschritten. Die genaue Dauer des einzelnen Arbeitseinsatzes der Pflegekraft war zumeist nicht im Vorhinein festgelegt, sondern wurde im Verlauf der Pflegetätigkeit einvernehmlich zwischen der Pflegekraft und dem Verantwortlichen auf Seiten der zu pflegenden Person bestimmt. Nach Ablauf des Pflegezeitraums kehrten die Pflegekräfte in der Regel in ihr Heimatland zurück. Über die bevorstehende Abreise wurde der Angeklagte im Vorfeld informiert, der dann bei Bedarf für eine andere Pflegekraft für die Familie sorgte. Mitunter kamen einzelne Pflegekräfte auch wiederholt zu bestimmten Familien oder es wechselten sich wenige Pflegekräfte bei der Versorgung eines Pflegebedürftigen ab. Während der Arbeitseinsätze der Pflegekräfte hatte der Angeklagte keinen Kontakt zu diesen, insbesondere kontrollierte er deren Tätigkeit nicht. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde in keinem der Fälle geschlossen. Auch standen die Pflegekräfte weder in einem Anstellungsverhältnis zu einem Arbeitgeber im Ausland noch verfügten sie über Entsendebescheinigungen oder Arbeitsgenehmigungen, die für die Tätigkeit der aus Polen und Rumänien stammenden Pflegekräfte bis zum 30. April 2011 (Polen) bzw. 31. Dezember 2013 (Rumänien) erforderlich gewesen wären. Auch lohnsteuerlich waren die Pflegekräfte nicht erfasst.

Die von der jeweiligen Pflegekraft konkret zu erbringende Tätigkeit wurde - soweit hierzu noch in der Lage - von der zu pflegenden Person bestimmt, anderenfalls von einem oder mehreren Angehörigen des Pflegebedürftigen. Die Pflegekräfte wurden von dem verantwortlichen Ansprechpartner in der Familie in die von ihnen jeweils erwartete Tätigkeit eingewiesen und - teilweise engmaschig - kontrolliert. Die Aufgaben der Pflegekräfte bestanden in der Regel in der Beaufsichtigung und Versorgung der zu pflegenden Person, einfachen pflegerischen Tätigkeiten sowie der Haushaltsführung. Diverse Kräfte mussten dabei rund um die Uhr zur Verfügung stehen, Freizeit wurde ihnen nur ausnahmsweise gewährt. Die Erledigung ihrer Aufgaben konnten sich die Pflegekräfte in den meisten Fällen zeitlich weitgehend frei einteilen; bei den Haushaltsaufgaben konnten sie mitunter auch über die Art der Ausführung befinden. Das monatliche Entgelt belief sich auf Beträge zwischen 600 und 1.300 €, wurde vom Ansprechpartner in der jeweiligen Familie festgelegt und den Pflegekräften - in der Regel in bar - ausgezahlt; in der mit dem Angeklagten geschlossenen Vereinbarung war dagegen nur ein unverbindlicher Vergütungsrahmen genannt. Neben dem ausgezahlten Lohn erhielten sämtliche Pflegekräfte freie Unterkunft in einem eigenen Zimmer im Haus der zu pflegenden Person sowie Vollverpflegung. In einigen Fällen wurde das Entgelt an die Pflegekraft auch während der Heimataufenthalte fortgezahlt. Ihre Reisekosten zwischen 60 und 120 € je Fahrt hatten die Pflegekräfte - wie in der Vereinbarung mit dem Angeklagten vorgesehen - jeweils zu verauslagen; regelmäßig übernahmen die Pflegefamilien aber zumindest die Kosten der Anreise der für sie tätigen Pflegekraft. Etwaige Kosten für eine Reisekrankenversicherung wurden den Pflegekräften vom Angeklagten erstattet. Die von einigen Pflegekräften im Heimatland gezahlte Vermittlungsgebühr wurde diesen von keiner Seite ersetzt.

Aufgrund dieser Ausgestaltung der Beschäftigungsverhältnisse ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Pflegekräfte bei den zu pflegenden Personen oder dem für sie jeweils handelnden Angehörigen abhängig beschäftigt waren. Die Beurteilung, wer im Einzelfall auf Seiten der zu pflegenden Person die Arbeitgeberstellung einnahm, hat die Strafkammer dabei im Wesentlichen davon abhängig gemacht, wer die Zahlungen gegenüber der Pflegekraft übernahm, wer über deren Auswechslung oder Wiederkehr entschied, wie der geistige Zustand der zu pflegenden Person war und - ergänzend - wer die Vereinbarung mit dem Angeklagten getroffen hatte. Anmeldungen der Pflegekräfte zur Sozialversicherung wurden seitens der Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen nicht vorgenommen; Sozialversicherungsbeiträge wurden nicht abgeführt. Lediglich in einem verfahrensgegenständlichen Fall (Fall Nr. 1 der Urteilsgründe) erfolgte zeitweise eine Anmeldung auf Minijob-Basis.

Sowohl die abhängige Beschäftigung der Pflegekräfte als auch deren fehlende Anmeldung zur Sozialversicherung waren dem Angeklagten bekannt. Sein Geschäftsmodell zielte gerade darauf ab, den Familien zu ermöglichen, die vermittelten Pflegekräfte ohne Anmeldung zur Sozialversicherung und Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen zu beschäftigen. Ihm war auch nicht an einer Anmeldung gelegen, weil er die Vereinnahmung der vollen Monatspauschale durch eine Anmeldung der Pflegekraft gefährdet sah und er seinen wettbewerblichen Vorteil gegenüber den Konkurrenten gerade darin erkannte, dass die Gesamtkosten für die Kunden besonders niedrig waren.

2. Nach den Feststellungen des Landgerichts hielten es die pflegebedürftigen Personen beziehungsweise die für sie handelnden Angehörigen für möglich und nahmen es billigend in Kauf, dass es sich bei dem Einsatz der Pflegekräfte um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse handelte, dass ihnen selbst eine Arbeitgeberstellung zukam und dass sie ihren danach bestehenden sozialversicherungsrechtlichen Pflichten nicht nachkamen. Dies war auch dem Angeklagten bewusst.

Im Rahmen der diesbezüglichen Beweiswürdigung hat das Landgericht in jedem Einzelfall überprüft, ob die jeweils auf Seiten des Pflegebedürftigen aufgetretene Person aufgrund einer Parallelwertung in der Laiensphäre die Tatsachen in ihrem rechtlichen Bedeutungsgehalt zumindest dahingehend erfasste, dass sie es für möglich hielt, selbst Arbeitgeber und zur Anmeldung der Pflegekraft und Abführung der Sozialversicherungsbeiträge verpflichtet zu sein. In Fällen einer etwa unzutreffenden Einschätzung dieser Person hat das Landgericht keinen Tatbestands-, sondern allenfalls einen vermeidbaren Verbotsirrtum angenommen, ist also von einem vorsätzlichen Verhalten ausgegangen.

Zum Zweck der Einzelfallprüfung hat die Strafkammer verschiedene Fallgruppen gebildet, innerhalb derer sie sodann auf unterschiedliche Aspekte abgestellt hat. Fallgruppenübergreifend hat sie als ein maßgebliches Indiz für den Vorsatz angesehen, wenn der auf Seiten des Pflegebedürftigen Handelnde ein Merkblatt vom Angeklagten erhalten und dieses zur Kenntnis genommen hatte, in dem alternative (legale) Konzepte für die Beschäftigung osteuropäischer Haushaltshilfen genannt waren, die jedoch als teuer und bürokratisch dargestellt wurden. Zudem fand sich gegen Ende des Hinweisblattes bezogen auf die Pflegkräfte der Satz: „Sie sollten diese als Haushaltshilfe anmelden“. Die Gesetzeslage wurde in dem Hinweisschreiben als „schwammig“ bezeichnet.

3. Zur Berechnung der Höhe der nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge hat das Landgericht das jeweilige monatliche Arbeitsentgelt - als solches hat es sowohl die als Vergütung ausgezahlten Geldbeträge als auch Sachbezugswerte für Kost und Logis bewertet - auf einen Bruttolohn hochgerechnet. Die Beitragssätze für die Sozialversicherungen hat es im Einzelnen aufgeführt, wobei es der Berechnung jeweils - auch in den Fällen, in denen die Pflegekraft namentlich bekannt war und sogar zeugenschaftlich vernommen wurde - die Lohnsteuerklasse VI zugrunde gelegt hat. Aus dem Vergleich der jeweiligen Netto- und Bruttoentgelte, ergibt sich ein - vom Landgericht weder hergeleiteter noch konkret benannter - Hochrechnungsfaktor von jeweils über 2,0. Insgesamt geht das Landgericht davon aus, dass in den urteilsgegenständlichen Fällen Sozialabgaben in Höhe von insgesamt 2.733.323,17 € pflichtwidrig nicht abgeführt wurden.

II.

1. Die Verfahrensrügen haben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift näher dargelegten Gründen keinen Erfolg.

2. Die Sachrüge führt in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angegriffenen Urteils.

a) Das Landgericht hat in den Fällen 12, 13, 30, 35, 42, 50, 56, 60, 66, 75, 77, 78 und 82 der Urteilsgründe jeweils die subjektive Tatseite der möglichen Haupttäter nicht rechtsfehlerfrei begründet, so dass der Schuldspruch wegen Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt insoweit keinen Bestand haben kann.

aa) Bei allen Varianten des § 266a StGB ist Vorsatz erforderlich, wobei bedingter Vorsatz ausreichend ist (BGH, Beschluss vom 28. Mai 2002 - 5 StR 16/02 Rn. 22, BGHSt 47, 318, 323 f.; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 266a Rn. 23 mwN). Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 24. April 2019 - 2 StR 377/18 Rn. 11; zu § 370 AO Beschluss vom 28. Juni 2017 - 1 StR 624/16 Rn. 12) voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt (Wissenselement) sowie dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (Willenselement).

(1) Hinsichtlich der Arbeitgebereigenschaft in § 266a StGB und der daraus folgenden Abführungspflicht kommt es für das Vorliegen von bedingtem Vorsatz entscheidend darauf an, ob der Arbeitgeber erkannt und billigend in Kauf genommen hat, dass aufgrund der Umstände des Einzelfalls möglicherweise von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist und daraus gegebenenfalls für ihn eine Abführungspflicht folgt. Er muss in einer zumindest laienhaften Bewertung erkannt haben, dass er selbst möglicherweise Arbeitgeber ist, dass eine Abführungspflicht existieren und er durch die fehlende Anmeldung oder unvollständige oder unrichtige Angaben die Heranziehung zum Abführen von Sozialabgaben ganz oder teilweise vermeiden könnte (vgl. zu § 370 AO BGH, Urteil vom 17. Februar 1998 - 5 StR 624/97 Rn. 7). Eine bloße Erkennbarkeit reicht insofern nicht aus.

2) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs musste sich der Vorsatz mit Blick auf die Eigenschaft als Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die daraus resultierenden sozialversicherungsrechtlichen Pflichten allerdings nur auf die hierfür maßgeblichen tatsächlichen Umstände beziehen, während es keiner zutreffenden rechtlichen Einordnung und damit auch keines Fürmöglichhaltens und keiner Billigung einer möglichen Verletzung der etwa in eigener Person bestehenden Verpflichtung zur Beitragsabführung bedurfte. Lag diese Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse vor, unterlag der Täter, wenn er glaubte, nicht Arbeitgeber zu sein oder für die Abführung der Beiträge nicht Sorge tragen zu müssen, nach bisheriger Rechtsprechung keinem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum, sondern (allenfalls) einem - in der Regel vermeidbaren - Verbotsirrtum (BGH, Beschlüsse vom 7. Oktober 2009 - 1 StR 478/09 und vom 4. September 2013 - 1 StR 94/13 Rn. 16, jeweils mwN).

(3) Hieran hält der Senat nicht fest. Wie bereits in dem Beschluss vom 24. Januar 2018 angedeutet (1 StR 331/17 Rn. 15), ist vorsätzliches Handeln nur dann anzunehmen, wenn der Täter über die Kenntnis der insoweit maßgeblichen tatsächlichen Umstände hinaus auch die außerstrafrechtlichen Wertungen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts - zumindest als Parallelwertung in der Laiensphäre - nachvollzogen hat (zustimmend Habetha, StV 2019, 39 ff.; von Galen/Dawidowicz, NStZ 2019, 148 f.; Schneider/Rieks, HRRS 2019, 62 ff.; Rode/Hinderer, wistra 2018, 341 f.; Reichling, StraFo 2018, 357 f.; Floeth, NStZ-RR 2018, 182 f.; MüKo-StGB/Radtke, 3. Aufl., § 266a Rn. 90; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 266a Rn. 23). Der Täter muss danach seine Stellung als Arbeitgeber und die daraus resultierende sozialversicherungsrechtliche Abführungspflicht zumindest für möglich gehalten und deren Verletzung billigend in Kauf genommen haben. Demgemäß ist eine Fehlvorstellung über die Arbeitgebereigenschaft in § 266a StGB und die daraus folgende Abführungspflicht als Tatbestandsirrtum im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB einzuordnen.

(a) Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Vorsatz und Irrtumsproblematik bei der Steuerhinterziehung, wonach zum Vorsatz der Steuerhinterziehung gehört, dass der Täter den Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennt oder zumindest für möglich hält und ihn auch verkürzen will (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 2011 - 1 StR 38/11 Rn. 21 mwN). Eine sichere Kenntnis des Steueranspruchs setzt der Hinterziehungsvorsatz allerdings weder dem Grunde noch der Höhe nach voraus (vgl. BGH aaO). Hat der Steuerpflichtige irrtümlich angenommen, dass ein Steueranspruch nicht entstanden ist, liegt nach dieser Rechtsprechung ein Tatbestandsirrtum vor, der den Vorsatz ausschließt (§ 16 Abs. 1 Satz 1 StGB), wobei es auf den Grund des Irrtums nicht ankommt (eingehend Radtke, GS-Joecks 2018, 543 ff., 557).

(b) Für eine vorsatz- und irrtumsdogmatische Ungleichbehandlung von Arbeitgeberstellung im Sinne von § 266a StGB und Pflichtenstellung im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO besteht kein sachlicher Grund. Bei der Pflichtenstellung handelt es sich in beiden Fällen um normative Tatbestandsmerkmale (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2018 - 1 StR 331/17 Rn. 15; ebenso Habetha, StV 2019, 39, 40; von Galen/Dawidowicz, NStZ 2019, 148; Schneider/Rieks, HRRS 2019, 62, 65 f.; Floeth, NStZ-RR 2018, 182, 183), hinsichtlich derer die bloße Kenntnis der ihnen zugrundeliegenden Tatsachen nicht genügt, um vorsätzliches Verhalten zu begründen. Vielmehr muss der Täter die für die Unrechtsbegründung wesentliche Bedeutung der maßgeblichen Tatumstände zutreffend erfasst und die rechtliche Wertung nachvollzogen haben (MüKo-StGB/Joecks, 3. Aufl., § 16 Rn. 70; Radtke aaO 549; LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 16 Rn. 26). Hat er dies nicht, unterliegt er einem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum, da ihn der spezifische strafrechtliche Normappell nicht erreicht (BeckOK-StGB/Kudlich, 42. Ed., § 16 Rn. 14 ff.).

Sowohl § 266a Abs. 1 bis 3 StGB - mit Ausnahme von § 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB - als auch § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO stellen im Übrigen echte Unterlassungssonderdelikte dar (zu § 266a StGB etwa MüKo-StGB/Radtke, 3. Aufl., Rn. 7 f.; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 266a Rn. 3; zu § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO BGH, Urteil vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 227 ff.), die sich in der Tatbestandsausformung dogmatisch nicht unterscheiden. Bei derartigen Sonderdelikten, die durch Unterlassen begangen werden, muss der Vorsatz die (handlungs-)pflichtbegründenden Umstände umfassen. Während bei § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO der die Erklärungspflicht begründende Umstand in der „Steuerobjektstellung“ liegt, handelt es sich im Bereich des § 266a StGB bei der Arbeitgeberstellung um den (abgabe-)pflichtbegründenden Umstand (Rode/Hinderer, wistra 2018, 341).

(4) Ob eine Person Arbeitgeber ist, richtet sich nach dem Sozialversicherungsrecht. Der Beurteilung, die aufgrund einer Vielzahl von Kriterien zu erfolgen hat (unter anderem das Maß der Eingliederung des die Dienste Leistenden in den Betrieb, das Bestehen eines Direktionsrechts bezüglich Zeit, Dauer, Ort und Ausführung der Dienstleistung, das Vorliegen eines eigenen unternehmerischen Risikos des die Dienste Leistenden, vgl. BSG, NJW 2018, 2662 Rn. 16 ff.), kann eine komplexe Wertung zugrunde liegen, wobei sich die Ergebnisse, da die Kriterien im Einzelfall unterschiedliches Gewicht haben können, nicht immer sicher vorhersehen lassen (vgl. Schneider/Rieks, HRRS 2019, 62, 64; von Galen/Dawidowicz, NStZ 2019, 148, 149). Entscheidend für die Abgrenzung von unselbständiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sind - ausgehend vom Vertragsverhältnis der Beteiligten (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 12 KR 16/13 R Rn. 18; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2018 - 5 StR 275/18, NStZ-RR 2019, 151 f. mwN) - die tatsächlichen Gegebenheiten der „gelebten Beziehung“, die einer wertenden Gesamtbetrachtung zu unterziehen sind (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2018 - 5 StR 275/18, aaO; vgl. auch BSG, NJW 2018, 2662 Rn. 16 ff.).

(5) Ob ein Arbeitgeber seine entsprechende Stellung und das Bestehen hieraus folgender sozialversicherungsrechtlicher Abführungspflichten für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat, muss vom Tatgericht im Rahmen der Beweiswürdigung im Einzelfall anhand der konkreten Tatumstände geklärt werden.

Hierbei kann zunächst Bedeutung erlangen, wie eindeutig die Indizien sind, die - im Rahmen der außerstrafrechtlichen Wertung - für das Vorliegen einer Arbeitgeberstellung sprechen. Zudem kann von Relevanz sein, ob und inwiefern der Arbeitgeber im Geschäftsverkehr erfahren ist oder nicht und ob das Thema illegaler Beschäftigung in der jeweiligen Branche im gegebenen zeitlichen Kontext gegebenenfalls vermehrt Gegenstand des öffentlichen Diskurses war. Ein gewichtiges Indiz kann daneben überdies sein, ob das gewählte Geschäftsmodell von vornherein auf Verschleierung oder eine Umgehung von sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen ausgerichtet ist. Jedenfalls bei Kaufleuten, die als Arbeitgeber zu qualifizieren sind, sind auch die im Zusammenhang mit ihrem Gewerbe bestehenden Erkundigungspflichten in Bezug auf die arbeits- und sozialrechtliche Situation in den Blick zu nehmen, weil eine Verletzung einer Erkundigungspflicht auf die Gleichgültigkeit des Verpflichteten hinsichtlich der Erfüllung dieser Pflicht hindeuten kann (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 2011 - 1 StR 38/11 Rn. 27).

bb) An diesen Maßgaben gemessen ist der Vorsatz der möglichen Haupttäter in den Fällen 12, 13, 30, 35, 42, 50, 56, 60, 66, 75, 77, 78 und 82 der Urteilsgründe nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.

In den genannten Fällen kann - anders als in den übrigen Fällen, in denen die nach den Feststellungen gegebenen gewichtigen Indizien die Annahme von zumindest bedingtem Vorsatz ohne Weiteres tragen - nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht unter Zugrundelegung des zutreffenden Maßstabes zu einer anderen Bewertung zum subjektiven Tatbestand gekommen wäre.

Dies folgt in den Fällen 13, 35, 50, 66, 75 und 77 der Urteilsgründe daraus, dass das Landgericht hier - auf der bisherigen Rechtsprechung basierend - davon ausgegangen ist, dass die jeweiligen Arbeitgeber falsche Vorstellungen von der eigenen Stellung als Arbeitgeber oder der hieraus resultierenden Pflicht zur Abführung von Sozialbeiträgen hatten, und es dementsprechend zur Annahme eines vermeidbaren Verbotsirrtums gelangt ist. Auch in den Fällen 12, 30, 42, 56, 60, 78 und 82 der Urteilsgründe kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht hinsichtlich der Frage, ob die Arbeitgeber zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt haben, zu einer anderen Bewertung gekommen wäre, da in diesen Fällen keine hinreichend gewichtigen Indizien festgestellt sind, die zur Annahme eines vorsätzlichen Verhaltens der Arbeitgeber zwingen.

cc) Der Rechtsfehler führt - weil beihilfefähige Haupttaten nicht rechtsfehlerfrei festgestellt sind - zur Aufhebung der Verurteilung und Zurückverweisung in den genannten Fällen, jedoch nicht zum Teilfreispruch des Angeklagten. Denn der Senat kann nicht ausschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die einen Vorsatz der jeweiligen Arbeitgeber begründen. Allein der Umstand, dass sich die jeweiligen Arbeitgeber auf einen - zum Teil nur sehr vage formulierten - Ausschlusstatbestand beriefen oder trotz Kenntnis sämtlicher Umstände, die ihre eigene Arbeitgeberstellung begründeten, diese nicht erkannt haben wollen, vermag eine diesbezügliche Fehlvorstellung nicht ohne weiteres zu begründen. Denn entsprechende Behauptungen zur inneren Tatseite müssen nicht als unwiderlegbar angesehen werden, wenn dafür im Übrigen keinerlei Anhaltspunkte vorliegen (vgl. Klein/Jäger, AO, 14. Aufl., § 370 Rn. 178 mwN). Gegen eine Fehlvorstellung der jeweiligen Arbeitgeber spricht es jedenfalls, wenn die Voraussetzungen des angeblich angenommenen Ausschlusstatbestandes schon nach deren eigenen Angaben nicht vorlagen (Fälle 13, 66 der Urteilsgründe: kurzzeitige Beschäftigung) oder sie einen solchen ohnehin nur sehr vage in den Raum stellten (Fälle 35, 50 und 77 der Urteilsgründe).

b) Die Aufhebung der Schuldsprüche in den genannten Fällen entzieht den insofern verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe die Grundlage. Die zugehörigen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zum Vorstellungsbild der jeweiligen Arbeitgeber sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen bleiben möglich, soweit diese zu den bisherigen nicht im Widerspruch stehen.

c) Der Strafausspruch hat auch in den übrigen Fällen keinen Bestand. Die Strafkammer hat die jeweils nicht abgeführten Sozialabgaben teilweise unzutreffend und im Übrigen nicht nachvollziehbar berechnet und damit den Schuldumfang nicht richtig bestimmt. Zum einen hätte sie die Sachbezugswerte für die freie Unterkunft nicht im Rahmen der zugrunde gelegten Nettoentgelte berücksichtigen dürfen. Zum anderen hätte sie bei der Hochrechnung auf die Bruttolöhne nicht pauschal von der Lohnsteuerklasse VI ausgehen dürfen. Schließlich ist die vorgenommene Hochrechnung auch im Übrigen nicht nachvollziehbar. Im Einzelnen:

aa) Die Sachbezugswerte für freie Logis gehören vorliegend nicht zum Arbeitsentgelt (vgl. im Einzelnen im Hinblick auf die Steuerbarkeit derartiger Leistungen BFH, Urteil vom 21. Juli 1994 - V R 21/92 Rn. 8 ff.). Denn die jeweiligen Arbeitgeber gewährten die Unterkunft nicht, um die Arbeitsleistung der Pflegekräfte als Gegenleistung zu erhalten, sondern vielmehr, um die vertragsgemäße Leistung überhaupt zu ermöglichen.

Eine Sachleistung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer ist als Entgelt anzusehen, wenn sich diese neben der Lohnzahlung erbrachte Zuwendung einerseits und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers andererseits aufgrund gegenseitiger rechtlicher Verpflichtungen und Ansprüche in der Weise gegenüberstehen, dass sie sich nach dem Willen der Beteiligten ausgleichen sollen, ohne dass sie gleichwertig sein müssen (vgl. BFH aaO Rn. 8 zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980).

Dies ist hier nicht der Fall. Anders als in Konstellationen, in denen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer neben dem Barlohn freie Unterkunft gewährt und beides zusammen nach dem Arbeitsvertrag die Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darstellt, handelt es sich vorliegend bei der Bereitstellung der Übernachtungsmöglichkeiten nicht um als Vergütungsbestandteil geleistete Zusatzleistungen der Arbeitgeber, sondern vielmehr um unentgeltliche Leistungen für Zwecke der jeweiligen Arbeitgeber. Diese erfüllen nicht den allgemeinen Wohnbedarf der Pflegekräfte, sondern decken einen durch das jeweilige Beschäftigungsverhältnis hervorgerufenen zusätzlichen besonderen Wohnbedarf ab (vgl. BFH aaO Rn. 9 f.), weil die unmittelbare Nähe der Pflegekräfte zu der zu pflegenden Person und deren jederzeitige - auch kurzfristige - Erreichbarkeit und Einsatzfähigkeit für die Erfüllung der geschuldeten Pflegeleistungen unabdingbar sind.

bb) Das Landgericht hätte bei der Hochrechnung der Netto- auf Bruttolöhne der Pflegekräfte nicht pauschal von der Lohnsteuerklasse VI ausgehen dürfen.

Zwar ist nach der Rechtsprechung des Senats beim Vorliegen vollumfänglich illegaler Beschäftigungsverhältnisse der Umfang hinterzogener Lohnsteuer grundsätzlich anhand des Eingangssteuersatzes der Lohnsteuerklasse VI (vgl. § 39c EStG) zu bestimmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 2014 - 1 StR 379/13 Rn. 31; vom 8. August 2012 - 1 StR 296/12 und vom 8. Februar 2011 - 1 StR 651/10, BGHSt 56, 153 Rn. 16 ff.). Dies gilt jedoch hinsichtlich des der Strafzumessung zu Grunde zu legenden Schadens dann nicht, wenn die tatsächlichen Verhältnisse der Arbeitnehmer bekannt waren oder ohne weiteres hätten festgestellt werden können, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die Arbeitnehmer durch das Tatgericht zeugenschaftlich vernommen werden (hier in den Fällen 1, 12, 25, 38, 53, 72 und 80). In diesen Fällen ist eine unterschiedliche Behandlung im Vergleich zu den Konstellationen der Teilschwarzlohnzahlungen (BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 2016 - 1 StR 185/16 Rn. 24; vom 8. August 2012 - 1 StR 296/12; vom 14. Juni 2011 - 1 StR 90/11 Rn.14 und vom 8. Februar 2011 - 1 StR 651/10, BGHSt 56, 153 Rn. 19) oder der Lohnsteuerhinterziehung auf Zeit (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 651/10, BGHSt 56, 153 Rn. 15) nicht gerechtfertigt, so dass der Umfang hinterzogener Sozialversicherungsbeiträge anhand der tatsächlich gegebenen Lohnsteuerklasse der Pflegekräfte hätte ermittelt werden müssen.

cc) Schließlich ist die von der Strafkammer vorgenommene Hochrechnung der Netto- auf Bruttolöhne nicht nachvollziehbar.

Zwar genügt die Darlegung der Berechnungsgrundlagen im Urteil den Anforderungen, die die Rechtsprechung bei Taten nach § 266a StGB stellt (vgl. zuletzt BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2017 - 1 StR 310/16 Rn. 16 und vom 24. August 2017 - 1 StR 625/16 Rn. 25; zu § 370 AO Urteil vom 7. Februar 2019 - 1 StR 485/18 Rn. 4; jeweils mwN). So sind im Urteil die jeweiligen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge - für die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte gesondert - nach Anzahl, Beschäftigungszeiten, Löhnen der Arbeitnehmer und der Höhe des Beitragssatzes der örtlich zuständigen Krankenkasse festgestellt.

Die auf dieser Grundlage von der Strafkammer vorgenommene Hochrechnung der angenommen Netto- auf Bruttolöhne (§ 14 Abs. 2 SGB IV) ist jedoch nicht nachvollziehbar. Da das Landgericht vorliegend nicht auf den Eingangssteuersatz der zugrunde gelegten Lohnsteuerklasse abstellt und der Steuersatz je nach Lohnhöhe differiert, ist es nicht möglich, einen für alle Fälle einheitlichen Hochrechnungsfaktor pro Jahr anzuwenden; er ist vielmehr jeweils individuell zu berechnen.

Die Rechenergebnisse des Landgerichts lassen vorliegend besorgen, dass das Landgericht unrichtige Hochrechnungsfaktoren ermittelt und diese den Berechnungen zugrunde gelegt hat. Setzt man nämlich die hier festgestellten Netto- und Bruttolöhne ins Verhältnis, ergeben sich Hochrechnungsfaktoren, die jeweils über 2,0 liegen und die damit die üblicherweise gegebenen Hochrechnungsfaktoren - diese liegen bei Werten zwischen 1,5 und 1,6 (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 5. Juli 2018 - 1 StR 111/18 Rn. 18 f.) - deutlich übersteigen.

Danach kann vorliegend dahinstehen, ob die Strafkammer gehalten gewesen wäre, auch den Berechnungsvorgang an sich nachvollziehbar darzustellen (in diese Richtung BGH, Beschlüsse vom 6. Juli 2018 - 1 StR 234/18 Rn. 13 und vom 25. Oktober 2017 - 1 StR 310/16 Rn. 16; anders zu § 370 AO Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08 Rn. 20). Offenbleiben kann damit auch, ob es ausreichend war, dass sich die Strafkammer für die Berechnungen lediglich auf die Ausführungen einer Zeugin von der Deutschen Rentenversicherung bezogen hat. Jedenfalls erscheint eine Berechnungsdarstellung zum Zwecke der Selbstkontrolle und weil sie die Nachvollziehbarkeit des Urteils erleichtert, sinnvoll (BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08 Rn. 20).

dd) Der Schuldspruch ist von dem Rechtsfehler nicht berührt, weil der Senat ausschließen kann, dass sich die fehlerhafte Berechnung der nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge dergestalt auf die Verwirklichung des Tatbestandes ausgewirkt hat, dass dieser entfällt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2017 - 1 StR 310/16 Rn. 21 und vom 24. August 2017 - 1 StR 625/16 Rn. 28).

d) Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen 12, 13, 30, 35, 42, 50, 56, 60, 66, 75, 77, 78 und 82 der Urteilsgründe entzieht auch der hierauf gestützten Einziehungsentscheidung die Grundlage. Der Ausspruch über die Einziehung von Wertersatz war daher in Höhe von 26.731,20 € aufzuheben.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1197

Externe Fundstellen: BGHSt 64, 195; NJW 2019, 3532; NStZ 2020, 89; StV 2020, 770

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede