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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1094

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 196/19, Beschluss v. 27.08.2019, HRRS 2019 Nr. 1094


BGH 5 StR 196/19 - Beschluss vom 27. August 2019 (LG Berlin)

Verbringung erlaubnispflichtiger Schusswaffen in den Geltungsbereich des Waffengesetzes (Internethandel aus dem Ausland; Transportunternehmen; Handeltreiben; Überlassen; mittelbare Täterschaft; Tateinheit; Konkurrenzen; Handlungsort).

§ 52 WaffG; § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB; § 52 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Das in § 2 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3, § 21 Abs. 1 S. 1 WaffG geregelte Gebot, Waffenhandel nur mit behördlicher Erlaubnis vorzunehmen, an das die Strafbarkeitsbestimmung des § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG als Blankettnorm anknüpft, erfasst auch den an potenzielle Käufer in Deutschland gerichteten Internethandel mit Waffen aus dem Ausland.

2. Werden unter Einschaltung eines (gutgläubigen) Transportunternehmers erlaubnispflichtige Waffen aus dem Ausland nach Deutschland verbracht, liegt in der Person des den Transport veranlassenden Täters ein inländischer Handlungsort vor. Das Handeln des Transportunternehmers wird insoweit dem Hintermann im Sinne einer mittelbaren Täterschaft zugerechnet.

3. Zwischen dem unerlaubten Handeltreiben mit Schusswaffen und ihrem unerlaubten Verbringen in den Geltungsbereich des Waffengesetzes besteht regelmäßig Tateinheit. Das Verbringen tritt nicht hinter dem Handeltreiben zurück.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. Dezember 2018 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Schusswaffen in Tateinheit mit unerlaubtem Verbringen von Schusswaffen in den Geltungsbereich des Waffengesetzes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt, die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 99.100,33 Euro angeordnet sowie eine Anrechnungsentscheidung über in Ungarn vollzogene Auslieferungshaft getroffen. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

1. Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte, ein in Budapest lebender Deutscher, in Ungarn nach dortigem Recht erlaubnisfreie Schusswaffen und bot sie, ebenfalls von Ungarn aus, über deutschsprachige Internetdomänen insbesondere in Deutschland zum Kauf an. Dabei war ihm bewusst, dass es sich bei den von ihm versandten Waffen um nach deutschem Recht erlaubnispflichtige Schusswaffen handelte. Auch wusste er um die Gefährlichkeit dieser Waffen, aus denen Gummigeschosse mit potentiell tödlicher Wirkung abgefeuert werden konnten. In 176 Fällen wurden die Waffen von Erwerbern aus Deutschland bestellt. Der Angeklagte versandte die Waffen über einen ungarischen Postdienstleister an die von den Erwerbern angegebene Lieferadressen, wo sie von diesen in Empfang genommen wurden.

2. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Erörterung bedarf nur die - von ihr gerügte - Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf das Handeltreiben mit den Waffen.

a) Das in § 2 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3, § 21 Abs. 1 Satz 1 WaffG geregelte Gebot, Waffenhandel nur mit behördlicher Erlaubnis vorzunehmen, an das die Strafbarkeitsbestimmung des § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG als Blankettnorm anknüpft, erfasst auch den an potenzielle Käufer in Deutschland gerichteten Internethandel mit Waffen aus dem Ausland. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 21 Abs. 4 Nr. 2 Alt. 2 WaffG, wonach die Waffenhandelserlaubnis versagt werden kann, wenn der Antragsteller weder seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch eine gewerbliche Niederlassung im (räumlichen) Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, der dem Geltungsbereich des Grundgesetzes entspricht (vgl. Steindorf/Gerlemann, Waffenrecht, 10. Aufl., § 21 WaffG Rn. 21). Diese Ausschlussnorm bezieht sich gerade auf solche Fälle, in denen vom Ausland aus eine Waffenhandelstätigkeit im Inland entfaltet wird, da der Vertrieb von Waffen im Reisegewerbe oder in ähnlicher Weise außerhalb einer gewerblichen Niederlassung nach § 35 Abs. 3 WaffG grundsätzlich ohnehin verboten ist.

b) Nach §§ 3, 9 Abs. 1 StGB ist auf das Handeln des Angeklagten deutsches Strafrecht anwendbar, weil ihm die Überlassung der Waffen an die Erwerber durch den Transportunternehmer zuzurechnen ist.

aa) Der Senat kann dabei offenlassen, ob der Vorschrift des § 3 StGB ein materieller (NKStGB/Böse, 5. Aufl., Vor § 3 Rn. 53, § 3 Rn. 2) oder ein prozessualer Tatbegriff (MKStGB/Ambos, 3. Aufl., § 3 Rn. 6, § 9 Rn. 45; LKStGB/Werle/Jeßberger, 12. Aufl., Vor § 3 Rn. 314, § 9 Rn. 66) zugrunde liegt, der im vorliegenden Fall angesichts der tateinheitlichen Verurteilung wegen unerlaubten Verbringens von Schusswaffen in den Geltungsbereich des Waffengesetzes eine Anwendbarkeit deutschen Strafrechts begründen würde.

bb) Denn der Angeklagte hat im Inland Waffenhandel getrieben.

Nach der Begriffsbestimmung in Abschnitt 2 Nr. 9 Anlage 1 WaffG „treibt Waffenhandel, wer gewerbsmäßig oder selbstständig im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung Schusswaffen oder Munition ankauft, feilhält, Bestellungen entgegennimmt oder aufsucht, anderen überlässt oder den Erwerb, den Vertrieb oder das Überlassen vermittelt.“ Der Ankauf der Waffen, ihr „Feilhalten“ (zum Begriff vgl. MKStGB/Heinrich, 3. Aufl., § 1 WaffG Rn. 197; Steindorf/ B. Heinrich, Waffenrecht, 10. Aufl., § 1 WaffG Rn. 63) sowie die Entgegennahme von Bestellungen durch den Angeklagten erfolgten zwar in Ungarn. Jedoch ist durch das „Überlassen“ der Waffen in Deutschland ein inländischer Handlungsort begründet (§ 3 StGB).

Der Begriff des „Überlassens“ ist in Abschnitt 2 Nr. 3 Anlage 1 WaffG definiert. Danach „überlässt eine Waffe …, wer die tatsächliche Gewalt darüber einem anderen einräumt“. Dies geschah mit der Übergabe der Waffen durch das Beförderungsunternehmen an die jeweiligen Erwerber in Deutschland.

Der Beförderer wird in solchen Fällen in der Regel als gutgläubiger Tatmittler in den Transport eingeschaltet; bei der Bestimmung des Handlungsortes wird seine Tätigkeit dem (mittelbaren) Täter, vorliegend also dem Angeklagten, zugerechnet (LKStGB/Werle/Jeßberger, 12. Aufl., § 9 Rn. 40 f.). Dem entspricht, dass die Begriffsbestimmung des „Verbringens“ in Abschnitt 2 Nr. 5 Anlage 1 WaffG diesem auch das Transportieren-Lassen einer Waffe zuordnet.

Den Erwerbern ist die tatsächliche Gewalt über die Waffen durch das Beförderungsunternehmen als Tatmittler des Angeklagten in Deutschland eingeräumt worden. Entgegen der Ansicht der Revision enthält § 34 Abs. 1 Satz 5 WaffG insoweit keine „rechtliche Fiktion und Antizipation des Besitzwechsels“ an den Empfänger bereits zu dem Zeitpunkt, in dem eine Übergabe an das Beförderungsunternehmen erfolgt.

Nach ihrem systematischen Zusammenhang im Rahmen des § 34 Abs. 1 WaffG, der innerhalb des Unterabschnitts „Obhutspflichten, Anzeige-, Hinweis- und Nachweispflichten“ den Grundsatz des Überlassens von Waffen nur an waffenrechtlich Berechtigte regelt, stellt diese Regelung lediglich klar, dass bei der Übergabe der Waffen an einen Transporteur zur Beförderung an eine dritte Person auf deren Berechtigung (und nicht auf eine solche des Transporteurs) abzustellen ist (Steindorf/Gerlemann, aaO, § 34 WaffG Rn. 4).

Eine hierüber hinausgehende „gesetzliche Fiktion“ des Übergangs der tatsächlichen Gewalt auf den Erwerber bereits im Zeitpunkt der Übergabe an den Transporteur enthält die Norm demgegenüber nicht. Das zeigt sich auch darin, dass das Gesetz das Transportieren-Lassen einer Waffe dem „Verbringen“ zuordnet (Abschnitt 2 Nr. 5 Anlage 1 WaffG, s.o.); wer eine Waffe „verbringt“, hat sie noch nicht einem anderen „überlassen“. Für das „Überlassen“ kommt es mithin allein auf das Einräumen der tatsächlichen Gewalt über die Waffen durch den als Tatmittler des Angeklagten handelnden Transporteur an die Erwerber an; dies geschah in Deutschland.

c) Auch die Annahme von Tateinheit zwischen dem unerlaubten Handeltreiben mit Schusswaffen und ihrem unerlaubten Verbringen in den Geltungsbereich des Waffengesetzes begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das Verbringen tritt nicht hinter dem Handeltreiben zurück (anders Steindorf/B. Heinrich, aaO, § 34 Rn. 88; MKStGB/Heinrich, aaO, § 52 WaffG Rn. 35, 161 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 3. März 1977 - 2 StR 390/76, insoweit in BGHSt 27, 135 nicht abgedruckt). Das anders lautende Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3. März 1977 (aaO) erging zum alten Recht, das - abweichend vom früheren Recht - keine besondere Erlaubnispflicht für die Einfuhr von Schusswaffen vorsah. Mit § 29 WaffG ist der Gesetzgeber insoweit aber zum Erfordernis der Erlaubnis für das Verbringen ins Inland zurückgekehrt (Steindorf/Gerlemann, aaO, § 29 Rn. 3). Die Umgangsform (§ 1 Abs. 3, § 2 Abs. 3 WaffG) des Verbringens stellt daher gegenüber derjenigen des Handeltreibens weiteres Unrecht dar und tritt nicht im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück (vgl. MKStGB/Heinrich, aaO, § 52 WaffG Rn. 152).

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1094

Externe Fundstellen: NStZ 2019, 742

Bearbeiter: Christian Becker