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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 371

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 2601/17, Beschluss v. 11.04.2018, HRRS 2018 Nr. 371


BVerfG 2 BvR 2601/17 (2. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 11. April 2018 (OLG München / AG Neu-Ulm)

Zulässigkeit der weiteren Beschwerde gegen einen aufgehobenen oder gegenstandslos gewordenen Haftbefehl (Recht auf effektiven Rechtsschutz; Feststellungsinteresse bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen; Rehabilitierungsinteresse bei Freiheitsentziehungen; Überprüfung der Untersuchungshaft und der Sitzungshaft auch nach deren Beendigung; Auslegung des Begriffs der „Verhaftung“; Vorrang des fachgerichtlichen Rechtsschutzes).

Art. 19 Abs. 4 GG; § 230 Abs. 2 StPO; § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes ist es grundsätzlich vereinbar, ein Rechtsschutzinteresse nur solange anzunehmen, wie in dem gerichtlichen Verfahren eine gegenwärtige Beschwer ausgeräumt, einer Wiederholungsgefahr begegnet oder eine fortwirkende Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff beseitigt werden kann.

2. Darüber hinaus kann ein Feststellungsinteresse allerdings auch bei schwerwiegenden, tatsächlich nicht mehr fortwirkenden Grundrechtseingriffen fortbestehen. Hierunter fallen insbesondere Anordnungen, die nach dem Grundgesetz einem vorbeugenden Richtervorbehalt unterliegen.

3. Die Anordnung der Untersuchungs- oder Sitzungshaft steht wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht einer gerichtlichen und verfassungsgerichtlichen Überprüfung auch dann offen, wenn die Maßnahme inzwischen beendet ist. Dies gilt wegen des bei Freiheitsentziehungen bestehenden Rehabilitierungsinteresses unabhängig vom Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme sowie davon, ob Rechtsschutz typischerweise noch vor Beendigung der Haft erlangt werden kann.

4. Die Vorschrift des § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO, die für den Fall der „Verhaftung“ eine weitere fachgerichtliche Überprüfungsinstanz eröffnet, ist mit Blick auf die vorrangig den Fachgerichten übertragene Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes dahingehend auszulegen, dass die weitere Beschwerde auch noch zulässig ist, nachdem der (Sitzungs-)Haftbefehl aufgehoben worden oder - angesichts des Endes der Hauptverhandlung - gegenstandlos geworden ist.

Entscheidungstenor

1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 16. Oktober 2017 - 1 Ws 928/17 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Oberlandesgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

3. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer zwei Drittel seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 Euro (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob Art. 19 Abs. 4 GG das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde gemäß § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO auch in Bezug auf einen zwischen Erhebung und Entscheidung über das Rechtsmittel gegenstandslos gewordenen Sitzungshaftbefehl gewährleistet.

I.

Der am 18. Februar 1999 geborene und zum Tatzeitpunkt minderjährige Beschwerdeführer wurde mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Memmingen vom 8. Mai 2017 zum Amtsgericht Neu-Ulm - Jugendrichter - wegen des vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 58 tatmehrheitlichen Fällen im Zeitraum vom 1. August 2015 bis zum 15. Dezember 2016 angeklagt.

Das Amtsgericht Neu-Ulm ließ mit Beschluss vom 20. Juni 2017 die Anklage zur Hauptverhandlung zu und eröffnete das Hauptverfahren vor dem Jugendrichter. Termin zur Hauptverhandlung wurde auf den 31. Juli 2017 bestimmt. Der Beschwerdeführer wurde mit Datum vom 7. Juli 2017 zum Termin geladen.

Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2017 bestellte sich Rechtsanwalt Gnjidic unter Vorlage einer Vollmacht als Verteidiger des Beschwerdeführers und beantragte Akteneinsicht. Am 25. Juli 2017 lud das Amtsgericht den Verteidiger zum Hauptverhandlungstermin am 31. Juli 2017 und wies ihn darauf hin, dass die Akte per Post zur Einsicht übersandt wurde und zudem auf der Geschäftsstelle zur Einsicht bereitliege.

Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2017 beantragte der Verteidiger die Verlegung des Hauptverhandlungstermins. Er befinde sich vom 31. Juli 2017 bis einschließlich zum 20. August 2017 in seinem Jahresurlaub im Ausland.

Mit Schriftsatz vom 26. Juli 2017 behauptete der Verteidiger unzutreffend, der Beschwerdeführer befinde sich bereits im Auslandsurlaub. Zudem habe er die Akten bislang nicht erhalten und eine Einarbeitung in die Sache habe daher noch nicht erfolgen können. Die bis zum Termin zur Verfügung stehende Zeit reiche für eine hinreichende Vorbereitung nicht mehr aus. Der Termin sei daher aufzuheben.

Das Amtsgericht lehnte den Terminverlegungsantrag vom 25. Juli 2017 mit Beschluss vom 26. Juli 2017 ab. Die Mandatierung eines am bereits bestimmten Termin verhinderten Verteidigers rechtfertige die Verlegung eines Termins nicht. Eine solche Verlegung würde überdies dem „besonderen Beschleunigungsgebot“ in Jugendsachen nicht ausreichend Rechnung tragen.

Gegen diesen Beschluss wandte sich der Verteidiger des Beschwerdeführers mit seiner Beschwerdeschrift vom 28. Juli 2017. Er trug vor, der Beschwerdeführer und er würden sich am 31. Juli 2017 jeweils im Urlaub befinden. Zudem habe er erst am Tag der Abfassung der Beschwerdeschrift Akteneinsicht erhalten. Die verbleibende Zeit sei zur Vorbereitung des Termins nicht mehr ausreichend. Er bat darum, von dem Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO abzusehen.

Am 30. Juli 2017 begab sich der Beschwerdeführer in seinen Urlaub in die Türkei.

Zum Hauptverhandlungstermin am 31. Juli 2017 erschienen weder der Beschwerdeführer noch sein Verteidiger. Das Amtsgericht half der Beschwerde vom 28. Juli 2017 nicht ab und erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer den angegriffenen Haftbefehl gemäß § 230 Abs. 2 StPO - 1 Ds 229 Js 1684/17 jug -.

Die Beschwerde vom 28. Juli 2017 wurde mit Beschluss des Landgerichts Memmingen vom 16. August 2017 als unzulässig verworfen.

Nach Beendigung seines Urlaubs am 28. August 2017 und seiner Rückkehr nach Deutschland wurde der Beschwerdeführer am 30. August 2017 festgenommen. Er wurde am selben Tag dem zuständigen Jugendrichter vorgeführt, der ihm den Haftbefehl eröffnete und diesen in Vollzug setzte.

Bei der Eröffnung des Haftbefehls gab der Beschwerdeführer an, er sei am 30. Juli 2017 mit seinen Eltern „mit dem Auto“ in den Urlaub in die Türkei gefahren und „mit einem Bus“ ohne diese zurückgereist. Der Urlaub sei schon vor Zugang der Ladung gebucht gewesen, und er sei davon ausgegangen, der Hauptverhandlungstermin finde nicht statt, weil sein Verteidiger urlaubsbedingt verhindert gewesen sei. Ein späterer Urlaubsbeginn sei nicht möglich gewesen, da verabredet gewesen sei, am 30. Juli 2017 zu fahren.

Das Amtsgericht bestimmte neuen Termin zur Hauptverhandlung auf den 20. September 2017.

Mit Schriftsatz vom 30. August 2017 erhob der Verteidiger Beschwerde gegen den Haftbefehl. Der Haftbefehl sei unverhältnismäßig, weil eine Vorführung als weniger einschneidende Maßnahme hätte angeordnet werden können. Darüber hinaus sei das Ausbleiben im Termin vom 31. Juli 2017 entschuldigt gewesen.

Mit Schriftsatz vom 31. August 2017 ergänzte ein weiterer Verteidiger des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Müller, die Beschwerdebegründung vom 30. August 2017. Er wandte insbesondere ein, die Dauer der bis zum Hauptverhandlungstermin am 20. September 2017 bevorstehenden Inhaftierung sei verfassungswidrig.

Das Amtsgericht half der Beschwerde vom 30. August 2017 mit Beschluss vom 1. September 2017 nicht ab.

Das Landgericht Memmingen verwarf die Beschwerde vom 30. August 2017 mit Beschluss vom 11. September 2017 als unbegründet. Es führte aus, der Beschwerdeführer sei dem Termin zur Hauptverhandlung am 31. Juli 2017 unentschuldigt ferngeblieben. Er habe auf die Verlegung des Termins nicht vertrauen dürfen. Es erschließe sich auch nicht, weshalb der Beschwerdeführer am 30. Juli 2017 - und damit einen Tag vor dem Hauptverhandlungstermin - in die Türkei gereist sei und seinen Urlaubsantritt nicht um einen Tag auf einen Zeitpunkt nach der Hauptverhandlung verschoben habe. Er hätte notfalls mit einem Bus reisen können. Auf diesem Wege sei er schließlich auch zurückgekehrt. Das Amtsgericht sei nicht gehalten gewesen, zunächst einen „Vorführungsbefehl“ zu erlassen. Ein solcher wäre nicht geeignet gewesen, die Durchführung der Hauptverhandlung zu sichern. Dies gelte zunächst für den Hauptverhandlungstermin am 31. Juli 2017, weil aufgrund der Darstellung des Verteidigers Gnjidic mit Schriftsatz vom 26. Juli 2017 das Gericht habe annehmen müssen, der Beschwerdeführer befinde sich bereits nicht mehr in Deutschland. Nach dem Ausbleiben des Beschwerdeführers im Termin vom 31. Juli 2017 sei das Amtsgericht nicht gehalten gewesen, einen neuen Termin zu bestimmen und diesen mittels einer Vorführung zu sichern. Dem Amtsgericht hätten zur Dauer des Auslandsaufenthalts keine verlässlichen Informationen vorgelegen. Zudem habe das Amtsgericht in den Blick nehmen müssen, dass der Beschwerdeführer sich nach der Auskunft seines Vaters aufgrund seiner Ausbildung „immer wieder mal für mehrere Wochen außer Haus“ befinde. Ferner sei der Beschwerdeführer umgezogen, ohne sich umzumelden. Die Anordnung der Sicherungshaft sei auch nicht unverhältnismäßig. Das Amtsgericht habe den neuen Termin zur Hauptverhandlung bereits auf den 20. September 2017 bestimmt. Eine frühere Terminierung auf den 18. September 2017 sei an einer Verhinderung der Verteidigung gescheitert.

Der Verteidiger des Beschwerdeführers wandte sich unter dem 15. September 2017 mit der weiteren Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss des Landgerichts Memmingen. Er trug vor, der Erlass des Haftbefehls sei unverhältnismäßig und der Angeklagte am 31. Juli 2017 ausreichend entschuldigt gewesen. Zudem sei die Invollzugsetzung des Haftbefehls am 30. August 2017 unverhältnismäßig gewesen, weil sich der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt wieder in Deutschland befunden habe, seiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen sei und weitere Auslandsaufenthalte oder Ortsabwesenheiten in nächster Zeit nicht zu erwarten gewesen seien.

Am 20. September 2017 verurteilte das Amtsgericht Neu-Ulm - Jugendrichter - den Beschwerdeführer wegen des vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 20 Fällen. Ihm wurde auferlegt, 500 Euro an die „Förderung der Bewährungshilfe e.V.“ zu zahlen und binnen eines halben Jahres an sechs Drogenberatungsgesprächen teilzunehmen. In den Urteilsgründen heißt es, der Beschwerdeführer befinde sich seit dem 30. August 2017 „in Untersuchungshaft“, die jedoch nicht auf die Geldauflage anzurechnen sei. Das Amtsgericht hob den Haftbefehl vom 31. Juli 2017 auf, weil ein Haftgrund nicht mehr bestehe. Der Beschwerdeführer wurde aus der Haft entlassen.

Am 21. September 2017 beschloss das Landgericht Memmingen, der weiteren Beschwerde vom 15. September 2017 nicht abzuhelfen. Der Haftbefehl sei mit der Durchführung der Hauptverhandlung gegenstandslos geworden. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde bestehe nicht mehr, weil der Haftbefehl erst nach der Entscheidung des erstinstanzlichen Beschwerdegerichts aufgehoben worden sei und dieses bereits über die Rechtmäßigkeit der Haft entschieden habe. Ein weiterer Instanzenzug sei in diesem Fall im Hinblick auf die begrenzten Ressourcen der Justiz verfassungsrechtlich nicht geboten.

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2017 beantragte der Generalstaatsanwalt in München festzustellen, dass eine Entscheidung über die weitere Beschwerde nicht mehr veranlasst sei. Mit der Entlassung sei die rein verfahrenssichernde Verhaftung erledigt und die weitere Beschwerde mithin gegenstandslos.

Mit Beschluss vom 16. Oktober 2017 stellte das Oberlandesgericht München fest, die weitere Beschwerde vom 15. September 2017 gegen den Beschluss des Landgerichts Memmingen vom 11. September 2017 habe sich erledigt. Das Oberlandesgericht führte zur Begründung aus:

„Die weitere Beschwerde […] wurde zulässig eingelegt.

[…]

Der Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO dient allerdings nur der Sicherung der Durchführung der Hauptverhandlung, er wirkt daher nur bis zu deren Ende. Mit dem Ende der Hauptverhandlung wird er gegenstandlos. Vorliegend hat das Amtsgericht Neu-Ulm - Jugendrichter - den Haftbefehl vom 20.09.2017 zusätzlich - deklaratorisch - aufgehoben.

Infolge des Umstands, dass der Haftbefehl seit 20.09.2017 nicht mehr besteht, ist hinsichtlich der weiteren Beschwerde vom 15.09.2017 prozessuale Überholung eingetreten, weswegen sich das Rechtsmittel erledigt hat.“

II.

Mit der am 20. November 2017 erhobenen und am 21. November 2017 beim Bundesverfassungsgericht eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, sowohl der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 16. Oktober 2017 als auch der Haftbefehl des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 31. Juli 2017 verletzten sein Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.

1. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München sei zulässig. Insbesondere sei die Beschwerdefrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG noch nicht abgelaufen, da die angegriffene Entscheidung dem Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 23. Oktober 2017 zugegangen sei. Die Verfassungsbeschwerde sei auch begründet, da das Oberlandesgericht verkannt habe, dass dem Beschwerdeführer trotz Erledigung des Haftbefehls ein Rechtsschutzbedürfnis an dessen fachgerichtlicher Prüfung zugekommen sei. Das Oberlandesgericht habe sich mit der Rechtmäßigkeit des Haftbefehls auseinandersetzen müssen.

2. Die Verfassungsbeschwerde sei auch im Übrigen zulässig und begründet. Der Haftbefehl des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 31. Juli 2017 könne unter Berücksichtigung der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf Freiheit der Person des Beschwerdeführers keinen Bestand haben. Es unterliege schon Bedenken, ob der Beschwerdeführer der Hauptverhandlung am 31. Juli 2017 unentschuldigt ferngeblieben sei. Der Beschwerdeführer habe sich in der üblichen Sommerferienzeit im lang geplanten Sommerurlaub mit seinen Eltern befunden und darauf vertraut, dass der beauftragte Verteidiger die Terminverlegung „schon regeln werde“. Darauf komme es jedoch gar nicht an, da jedenfalls die Invollzugsetzung des Haftbefehls am 30. August 2017 unverhältnismäßig gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei allenfalls der Erlass eines Vorführbefehls in Betracht gekommen. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls sei auch die Länge der Haft vom 30. August bis zum Hauptverhandlungstermin am 20. September 2017 unverhältnismäßig gewesen. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass dieser Termin nur wegen eines Urlaubs des Richters auf einen so späten Zeitpunkt bestimmt worden sei.

III.

1. Nach Auffassung des Generalbundesanwalts muss die zulässig erhobene Verfassungsbeschwerde in der Sache teilweise Erfolg haben. Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 16. Oktober 2017 verletze den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Zwar rüge der Beschwerdeführer ausdrücklich nur einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Das hindere jedoch nicht eine Prüfung des angegriffenen Beschlusses auch am Maßstab des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Eine ausdrückliche Benennung des als verletzt gerügten Grundrechtsartikels verlangten § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG nicht (BVerfGE 47, 182 <187>; 85, 214 <217>; 91, 176 <181>; BVerfGK 4, 261 <264>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 7. September 1994 - 2 BvR 598/93 -, NJW 1995, S. 2279 <2279 f.>). Der Beschwerdeführer habe den maßgeblichen Sachverhalt vorgetragen und insbesondere gerügt, das Oberlandesgericht München habe verkannt, dass dem Beschwerdeführer trotz Erledigung des Haftbefehls ein Rechtsschutzbedürfnis an dessen fachgerichtlicher Prüfung zukomme, und sich zudem mit der Rechtmäßigkeit des Sitzungshaftbefehls nicht auseinandergesetzt. Damit habe er auch einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG hinreichend dargelegt und dem Begründungserfordernis aus § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG genügt. In Bezug auf den gerügten Haftbefehl des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 31. Juli 2017 sei die Verfassungsbeschwerde wegen des Grundsatzes der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde hingegen unzulässig, da eine abschließende Sachprüfung durch das Oberlandesgericht München noch nicht stattgefunden habe.

2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat von einer Stellungnahme zu dem Verfahren abgesehen.

3. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens (Stand: 22. Dezember 2017) vorgelegen.

B.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Entscheidung an und gibt ihr nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG statt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchst. b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich überwiegend begründet. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

I.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 16. Oktober 2017, die weitere Beschwerde vom 15. September 2017 gegen den Beschluss der Beschwerdekammer des Landgerichts Memmingen vom 11. September 2017 habe sich erledigt, verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.

1. Art. 19 Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 8, 274 <326>; 67, 43 <58>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231>). Die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes wird in erster Linie von den Prozessordnungen gesichert. Diese treffen Vorkehrungen dafür, dass der Einzelne seine Rechte tatsächlich wirksam durchsetzen kann und die Folgen staatlicher Eingriffe im Regelfall nicht ohne gerichtliche Prüfung zu tragen hat (vgl. BVerfGE 94, 166 <213>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231>). Dabei fordert Art. 19 Abs. 4 GG zwar keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 49, 329 <343>; 83, 24 <31>; 87, 48 <61>; 92, 365 <410>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231>). Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 65, 76 <90>; 96, 27 <39>; 104, 220 <232>). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer „leerlaufen“ lassen (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <232>; BVerfGK 6, 303 <308>). Hiervon muss sich das Rechtsmittelgericht bei der Antwort auf die Frage leiten lassen, ob im jeweiligen Einzelfall für ein nach der Prozessordnung statthaftes Rechtsmittel ein Rechtsschutzinteresse besteht (BVerfGK 6, 303 <308>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. August 2017 - 2 BvR 77/16 -, juris, Rn. 33; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 21. September 2017 - 2 BvR 1071/15 -, juris, Rn. 21).

a) Mit der durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sowie durch Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG verbürgten Effektivität des Rechtsschutzes ist es grundsätzlich vereinbar, ein Rechtsschutzinteresse nur solange als gegeben anzusehen, wie eine gegenwärtige Beschwer ausgeräumt, einer Wiederholungsgefahr begegnet oder eine fortwirkende Beeinträchtigung beseitigt werden kann (BVerfGK 6, 303 <308>). Darüber hinaus kann aber ein Feststellungsinteresse vor allem bei schwerwiegenden, tatsächlich aber nicht mehr fortwirkenden Grundrechtseingriffen fortbestehen (BVerfGK 6, 303 <308>). Solche kommen vor allem bei Anordnungen in Betracht, die das Grundgesetz - wie in den Fällen des Art. 13 Abs. 2 GG und Art. 104 Abs. 2 und 3 GG - vorbeugend dem Richter vorbehalten hat, so dass ein Feststellungsinteresse wegen des Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht auch bei der unter Beachtung der Unschuldsvermutung vollzogenen Untersuchungshaft zu bejahen ist (vgl. BVerfGE 9, 89 <93>; 53, 152 <157 f.>; BVerfGK 6, 303 <308 f.>). In der Sache nichts anderes gilt für einen Sitzungshaftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Oktober 2006 - 2 BvR 473/06 -, juris, Rn. 17; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 21. September 2017 - 2 BvR 1071/15 -, juris, Rn. 22). Auf diese Weise stehen Anordnungen einer Freiheitsentziehung (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 104 Abs. 2 und 3 GG) einer gerichtlichen und verfassungsgerichtlichen Überprüfung offen, auch wenn die angeordnete Maßnahme inzwischen durchgeführt und beendet ist (vgl. BVerfGE 96, 27 <40>; 104, 220 <233>; BVerfGK 6, 303 <309>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. August 2017 - 2 BvR 77/16 -, juris, Rn. 34; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 21. September 2017 - 2 BvR 1071/15 -, juris, Rn. 22).

b) Während früher generell eine nachträgliche gerichtliche Klärung schwerwiegender Grundrechtseingriffe davon abhängig gemacht wurde, dass deren direkte Belastung sich typischerweise auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in dem von der maßgeblichen Prozessordnung vorgesehenen Verfahren kaum erlangen kann (vgl. BVerfGE 96, 27 <39 f.>; 110, 77 <85 f.>), hängt nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Gewährung von Rechtsschutz im Hinblick auf das bei Freiheitsentziehungen bestehende Rehabilitierungsinteresse weder vom konkreten Ablauf des Verfahrens und dem Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme noch davon ab, ob Rechtsschutz typischerweise noch vor Beendigung der Haft erlangt werden kann (vgl. BVerfGE 104, 220 <235>; BVerfGK 6, 303 <309>). Dies gilt sowohl für den Fall der strafrechtlichen Untersuchungshaft (vgl. BVerfGK 6, 303 <309>) als auch für die Konstellation eines Sitzungshaftbefehls (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Oktober 2006 - 2 BvR 473/06 -, juris, Rn. 17; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 21. September 2017 - 2 BvR 1071/15 -, juris). Die Beschwerde darf in solchen Fällen nicht wegen prozessualer Überholung als unzulässig verworfen werden; vielmehr ist die Rechtmäßigkeit der zwischenzeitlich erledigten Maßnahme zu prüfen und gegebenenfalls deren Rechtswidrigkeit festzustellen (vgl. BVerfGE 96, 27 <41 f.>; 104, 220 <235 f.>; BVerfGK 6, 303 <309>; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Februar 2001 - 1 Ws 33/01 -, juris; OLG Celle, Beschluss vom 21. Februar 2003 - 2 Ws 39/03 -, juris; OLG München, Beschluss vom 31. Januar 2006 - 3 Ws 61/06 -, StV 2006, S. 317; OLG Braunschweig, Beschluss vom 20. Juni 2012 - Ws 162/12 -, juris; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 5. Januar 2015 - 1 Ws 166/14 -, juris). Besteht bei Freiheitsentziehungen durch Haft ein schutzwürdiges Interesse an der (nachträglichen) Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit auch dann, wenn sie erledigt sind, so müssen die Fachgerichte dies bei der Beantwortung der Frage nach einem Rechtsschutzinteresse gemäß Art. 19 Abs. 4 GG beachten (BVerfGE 104, 220 <235 f.>). Insoweit kann dem Beschwerdeführer ein „subsidiärer“ Charakter des Feststellungsbegehrens nicht entgegengehalten werden.

2. Diesen Maßstäben wird der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts München nicht gerecht.

a) Die Vorschrift des § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO eröffnet für den Fall der „Verhaftung“ eine weitere fachgerichtliche Überprüfungsinstanz. Gegen die Anordnung und Aufrechterhaltung einer Freiheitsentziehung statthafte Rechtsbehelfe dürfen nicht durch eine zu enge Anwendung der einschlägigen prozessualen Regeln „leerlaufen“; auch mit Rücksicht auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde haben die Fachgerichte die zuvörderst ihnen übertragene Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes sicherzustellen (vgl. BVerfGK 6, 303 <314 f.>). Eine Auslegung des § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO, wonach die weitere Beschwerde nach Aufhebung des Haftbefehls nicht mehr zulässig ist, genügt diesen aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Anforderungen an die Ausgestaltung des Rechtsschutzes nicht (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. August 2017 - 2 BvR 77/16 -, juris, Rn. 37; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 21. September 2017 - 2 BvR 1071/15 -, juris, Rn. 25). Nichts anderes gilt für den Fall, dass eine Sachentscheidung über die zulässig erhobene weitere Beschwerde deshalb unterbleibt, weil das zur Entscheidung berufene Gericht infolge prozessualer Überholung von deren Erledigung ausgeht.

b) Eine nachträgliche gerichtliche Klärung schwerwiegender Grundrechtseingriffe - insbesondere des Rechts auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG) - darf nicht davon abhängig sein, ob deren direkte Belastung sich typischerweise auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in dem von der maßgeblichen Prozessordnung vorgesehenen Verfahren kaum erlangen kann. Die zwischenzeitliche Aufhebung des Haftbefehls und die Freilassung des Beschwerdeführers führen angesichts der Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigung für sich allein nicht dazu, dass sein Interesse an gerichtlichem Rechtsschutz hinter dem bei einer weiteren Inhaftierung gebotenen zurückbleibt oder gänzlich entfällt. Das ursprüngliche Interesse an gerichtlichem Schutz gegen den vollzogenen Haftbefehl wandelt sich vielmehr in ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Inhaftierung (vgl. BVerfGK 6, 303 <308 ff.>). Die Gewährung von Rechtsschutz und die Eröffnung des nach der Prozessordnung dafür vorgesehenen Instanzenzuges hängen insbesondere nicht vom Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme ab (vgl. BVerfGK 6, 303 <309>). Gilt dies für den Fall der Erhebung der weiteren Beschwerde erst nach Aufhebung des Haftbefehls und Freilassung (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. August 2017 - 2 BvR 77/16 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 21. September 2017 - 2 BvR 1071/15 -, juris), ist dies erst recht dann anzunehmen, wenn - wie hier - die weitere Beschwerde sogar noch vor Aufhebung des Haftbefehls und Freilassung erhoben wurde.

c) Unerheblich ist ferner, dass dem Beschwerdeführer im Rahmen seiner Beschwerde bereits Rechtsschutz vor dem Landgericht Memmingen gewährt worden ist. Vor der Aufhebung des Haftbefehls und der Freilassung wäre ein Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers auch für die weitere Beschwerde zu bejahen gewesen. Dieses Rechtsschutzinteresse ist - wie ausgeführt - nicht entfallen, sondern besteht nach Aufhebung des Haftbefehls und Freilassung des Beschwerdeführers als Feststellungsinteresse fort (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. August 2017 - 2 BvR 77/16 -, juris, Rn. 38; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 21. September 2017 - 2 BvR 1071/15 -, juris, Rn. 26).

d) Der Begriff der „Verhaftung“ in § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO ist bei Beachtung der norminternen Direktiven von Art. 19 Abs. 4 GG mithin dahin zu verstehen, dass auch nach Aufhebung des Haftbefehls und Freilassung des Beschwerdeführers eine Rechtmäßigkeitsprüfung im fachgerichtlichen Instanzenzug möglich bleiben muss. Einem solchen Verständnis stehen weder der Wortlaut des § 310 Abs. 1 StPO noch der Umstand entgegen, dass die weitere Beschwerde auf die in § 310 Abs. 1 StPO enumerativ aufgezählten Fälle (vgl. BVerfGE 48, 367 <376>) - wie hier den der „Verhaftung“ - beschränkt bleibt. Diese Interpretation des § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO entspricht zudem der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGK 6, 303 <314 f.> für den Fall der Untersuchungshaft; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Oktober 2006 - 2 BvR 473/06 -, juris, Rn. 9 und 17 für den Fall eines Sitzungshaftbefehls). Die genannten Entscheidungen betreffen im Übrigen nicht lediglich eine von den Fachgerichten zu beantwortende Frage der Auslegung von § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO, sondern statuieren aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgende Anforderungen an die Ausgestaltung des Rechtsschutzes für den Fall eines aufgehobenen Haftbefehls. Der Umstand, dass es sich bei der weiteren Beschwerde um ein nicht fristgebundenes Rechtsmittel handelt, das die Möglichkeit eines taktischen Einsatzes eröffnet, führt ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Ungeachtet dessen, dass eine solche Fallkonstellation vorliegend nicht gegeben ist, wäre ein (rein) taktischer Einsatz des Rechtsmittels ein bei der einzelfallbezogenen Prüfung des Feststellungsinteresses heranzuziehender Umstand. Aus diesem Gesichtspunkt können indes keine Rückschlüsse auf die von Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten generellen Anforderungen an die Ausgestaltung des Rechtsschutzes gezogen werden (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. August 2017 - 2 BvR 77/16 -, juris, Rn. 39; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 21. September 2017 - 2 BvR 1071/15 -, juris, Rn. 27).

II.

Es ist daher gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG festzustellen, dass der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 16. Oktober 2017 den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzt. Der angegriffene Beschluss ist unter Zurückverweisung der Sache aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Das Oberlandesgericht München wird unter Beachtung der dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen erneut zu prüfen haben, ob die weitere Beschwerde vom 15. September 2017 zulässig und begründet ist.

III.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Sie ist insoweit bereits unzulässig. Eine - über die behauptete Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG hinausgehende - verfassungsgerichtliche Sachprüfung widerspräche dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, weil eine abschließende fachgerichtliche Prüfung des angegriffenen Haftbefehls des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 31. Juli 2017 bislang - entgegen den Vorgaben von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG - nicht erfolgt ist. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

IV.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.

V.

Der nach § 37 Abs. 2 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren ist unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 RVG genannten Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen und beträgt mindestens 5.000 Euro. Er liegt höher, wenn der Verfassungsbeschwerde aufgrund einer Entscheidung der Kammer stattgegeben wird. Im Hinblick auf die objektive Bedeutung der Sache ist ein Gegenstandswert von 10.000 Euro angemessen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 371

Bearbeiter: Holger Mann