hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 354

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 87/16, Beschluss v. 24.11.2016, HRRS 2017 Nr. 354


BGH 4 StR 87/16 - Beschluss vom 24. November 2016 (LG Bielefeld)

Betrug (Mitursächlichkeit der Täuschung für den Irrtum; Umgang mit massenhaft vorliegenden Sachverhalten); Tateinheit (uneigentliches Organisationsdelikt: Darstellung im Urteil).

§ 263 Abs. 1 StGB; § 52 Abs. 1 StGB; § 267 Abs. 1 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Der Annahme eines vollendeten Betruges steht die Mitursächlichkeit der Täuschung für den Irrtum selbst dann nicht entgegen, wenn daneben noch ein anderer Beweggrund bestand, der für sich allein zu demselben Entschluss geführt hätte (vgl. BGHSt 13, 13, 14 f.).

2. Nach den Grundsätzen des sog. uneigentlichen Organisationsdelikts können einzelne Beiträge eines Mittäters, mittelbaren Täters oder Gehilfen, die der Errichtung, Aufrechterhaltung und dem Ablauf eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebs dienen, zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden, indem die aus der Unternehmensstruktur heraus begangenen Tathandlungen in der Person des betreffenden Tatbeteiligten zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammengeführt werden (st. Rspr.). Dies gilt namentlich für wiederkehrende gleichartige Einzelbetrugstaten im Rahmen einer betrieblichen Organisation (vgl. BGHSt 49, 177, 184).

3. Auch bei Straftaten, die unter Schaffung und Ausnutzung einer Unternehmensstruktur „organisiert“ begangen werden, sind aber im Urteil hinreichend konkrete Feststellungen zu den Einzelakten dergestalt zu treffen, dass das Revisionsgericht auch in die Lage versetzt wird zu beurteilen, ob der Tatrichter von einem zutreffenden Schuldumfang ausgegangen ist.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 14. Juli 2015 mit den Feststellungen sowie hinsichtlich der nicht revidierenden Verfallsbeteiligten im Ausspruch über das Absehen von Verfallsanordnungen gemäß § 111i Abs. 2 StPO aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des gewerbsmäßigen Betrugs schuldig gesprochen. Den Angeklagten M. hat es zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, von denen wegen überlanger Verfahrensdauer drei Monate als vollstreckt gelten. Die Angeklagte Ma. hat es zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, von denen ebenfalls drei Monate wegen überlanger Verfahrensdauer als vollstreckt gelten. Ferner hat das Landgericht Entscheidungen gemäß § 111i Abs. 2 StPO i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB getroffen, die sich gegen die Finanzberatung Z. GmbH und die R. AG richten. Die gegen ihre Verurteilungen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg.

I.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

a) Nachdem der Angeklagte M. bereits seit 2004 ein Callcenter zur Vermittlung von Lottotippgemeinschaften betrieben hatte, kam er mit der Mitangeklagten, seiner damaligen Ehefrau, spätestens Ende 2008/Anfang 2009 überein, sich mit eigenen Lottospielprodukten am Markt zu etablieren. Dabei beinhaltete ihr Geschäftskonzept nicht die eigene Veranstaltung von Glücksspielen. Vielmehr beabsichtigten die Angeklagten, interessierte Personen unter wahrheitswidriger Vorspiegelung von gesteigerten Gewinnaussichten zum Abschluss von Lottospielverträgen dergestalt zu bewegen, dass ihnen die Teilnahme an tatsächlich existierenden Lotterien, unter anderem der europäischen Lotterie „E. “, in Form von Spielgemeinschaften mit jeweils 149 bis 199 Personen in Aussicht gestellt wurde. Die monatlich zu leistenden Kundenbeiträge für die Beteiligung an den Lottoprodukten der Angeklagten unter Bezeichnungen wie etwa „Eu.“ oder „Eur.“ sollten sich auf 49,00 € bis 59,90 € belaufen und waren per Lastschriftverfahren zu zahlen. Die Verschaffung einer Gewinnchance sollte jedoch nur vorgetäuscht werden. Tatsächlich wollten die Angeklagten die eingeworbenen Gelder für sich selbst verbrauchen und sich durch ihr Vorgehen eine erhebliche und dauerhafte Einnahmequelle verschaffen.

Zur Realisierung ihres Vorhabens gründeten die Angeklagten verschiedene, personell miteinander verflochtene Unternehmen im In- und Ausland. Ferner schalteten sie „diverse“ Callcenter ein, die auf Provisionsbasis Personen in ganz Deutschland für die Teilnahme an den Lottotippgemeinschaften telefonisch anwerben sollten. Dabei gaben sie den Callcentern vor, ausschließlich Neukunden zu akquirieren und bei den Werbeanrufen nach einem von ihnen entwickelten Gesprächsleitfaden vorzugehen. Die Mitarbeiter der Callcenter teilten den Angerufenen in den Werbegesprächen entsprechend den Vorgaben des Leitfadens u.a. mit, die zu zahlenden Monatsbeiträge würden - entgegen der ihnen nicht bekannten, gegenteiligen Absicht der Angeklagten - für die Beteiligung des Kunden an den beworbenen Lottotippgemeinschaften verwendet.

b) Nach den Feststellungen des Landgerichts wichen die Callcenter-Mitarbeiter von den Vorgaben der Angeklagten ohne deren Wissen und Billigung in den Gesprächsleitfäden „mitunter“ ab, und zwar in mehrfacher Hinsicht, ohne dass den Urteilsgründen insoweit eine nähere zahlenmäßige Eingrenzung zu entnehmen ist:

So nannten die Beschäftigten der Callcenter den angerufenen Personen teilweise Vertragslaufzeiten, die von der durch die Angeklagten vorgegebenen Produktbeschreibung abwichen, oder versprachen eine tatsächlich nicht gegebene Geld-zurück-Garantie im Fall ausbleibender Gewinne. Der als Neukundin für das Produkt „Eur.“ geworbenen Zeugin W., die bei Vertragsschluss vom Bestehen einer Gewinnchance ausging, wurde beispielsweise zugesagt, dass die ersten drei Monate der sechsmonatigen Vertragslaufzeit kostenlos seien und dass sie bei ausbleibenden Gewinnen auch die restlichen drei Monatsbeiträge würde erstattet bekommen. In anderen Fällen wurde den angerufenen Personen suggeriert, sie hätten bereits in der Vergangenheit einen - in Wahrheit nicht bestehenden - Vertrag geschlossen und könnten diesen nach Ablauf von drei weiteren Monaten kündigen, wofür man jedoch ihre Kontodaten benötige (sog. Negativverkauf). Teilweise verschafften sich Callcenter-Mitarbeiter - ohne Kenntnis der Angeklagten - die Kunden- und Kontodaten auch durch den Ankauf von unbekannten Dritten oder sie brachten entsprechende Datensätze „sonstwie ohne eigene Akquise“ in Erfahrung. In diesen Fällen wurden die betroffenen Kontoinhaber telefonisch nicht kontaktiert. Die insoweit von den Lastschrifteinzügen betroffenen Personen gingen teilweise irrig davon aus, es sei ein entsprechender Vertrag über das auf dem Kontoauszug aufgeführte Produkt geschlossen worden, da sie sich den Zugriff auf ihr Konto nicht anders erklären konnten, teilweise bemerkten die Kontoinhaber die jeweilige Lastschrift mangels ausreichender Kontrolle nicht.

c) Die Callcenter übermittelten die bei den Telefonaten erlangten Daten und - sofern vorhanden - Gesprächsaufzeichnungen, die dem Nachweis des Vertragsschlusses dienten, an die von den Angeklagten gegründete, für die Kundenverwaltung zuständige Firma T. mit Sitz in Te., wo sie zur Senkung der Rücklastschrift-Quote jedenfalls teilweise auf Unstimmigkeiten überprüft wurden. In der Annahme, sämtliche Daten seien entsprechend ihren Vorgaben erlangt worden, allen Personen sei also eine Beteiligung an einer Lotterie vorgespiegelt worden, gaben die Angeklagten die Bankdaten an den Zahlungsdienstleister weiter, der die Monatsbeträge der Kunden sodann im Lastschriftverfahren einzog und die Beträge nach Abzug von Gebühren an die Angeklagten überwies.

Zur Verschleierung ihres Vorhabens veranlassten die Angeklagten die Zeugin F., eine Mitarbeiterin der T., in einem gewissen Umfang tatsächlich Lottospieleinsätze vorzunehmen. Dies geschah in der Lottoannahmestelle des Tabak- und Zeitschriftengeschäfts der Zeugin Fe. in D. Die Angeklagten setzten hierfür im Tatzeitraum circa 540.000 € ein, also etwa 20 % der erfolgreich eingeworbenen Monatsbeiträge. Tatsächlich hatten die Angeklagten niemals vor, etwaige Gewinne an die Kunden auszuzahlen, sondern wollten diese ebenfalls für sich behalten.

Von der T. für die einzelnen Kunden gleichwohl vorgenommene und elektronisch dokumentierte Gewinnberechnungen dienten lediglich dazu, den Anschein des Rechtmäßigen - auch gegenüber den Strafverfolgungsbehörden - zu wahren; Auszahlungen erfolgten in keinem Fall.

d) Die Angeklagten bewirkten auf diesem Weg, dass im Zeitraum vom 30. April 2009 bis zum 16. Juli 2010 in 81.398 Einzelfällen Monatsbeiträge von insgesamt 36.075 Kontoinhabern - teils mehrfach - abgebucht wurden. 36.510 Lastschriften wurden widerrufen, die entsprechenden Beträge daraufhin zurückgebucht; insoweit sind Verfahrensbeschränkungen nach § 154a Abs. 1 und 2 StPO erfolgt. Durch die verbleibenden, der Verurteilung allein zu Grunde liegenden 44.888 erfolgreichen Lastschriften wurden von 12.878 Kontoinhabern insgesamt 2.177.434,30 € abgebucht; sie werden im angefochtenen Urteil in Tabellenform aufgeführt. Von der Zeugin W. wurde durch fünf Lastschriften jeweils ein Monatsbeitrag in Höhe von 59,90 €, insgesamt 299,50 €, eingezogen.

2. Rechtlich hat die Strafkammer das Tatgeschehen - unter Heranziehung der Grundsätze des uneigentlichen Organisationsdelikts - als vollendeten bzw. versuchten (Eingehungs-)Betrug in 44.888 tateinheitlich zusammentreffenden Einzelakten gewertet und dabei auf die Zahl der Lastschriften abgestellt. Die gutgläubigen Callcenter-Mitarbeiter hätten, soweit sie sich nach den Vorgaben der Angeklagten richteten, die Angerufenen als mittelbare Täter durch die Erklärung getäuscht, die eingezogenen Gelder würden zur Errichtung der Spielerpools eingesetzt, was von den Angeklagten tatsächlich nicht beabsichtigt gewesen sei. Auf Grund dieser Täuschung hätten sich die Angerufenen „zum Teil auch geirrt“. Der infolge der irrtumsbedingten Vermögensverfügung eingetretene Schaden liege in dem jeweils abgebuchten Geldbetrag, da die Angeklagten die Erbringung der Gegenleistung von Anfang an nicht beabsichtigten. In den Fällen der sog. Negativverkäufe scheide ein vollendeter Betrug dagegen aus, weil der Vorsatz der Angeklagten eine solche Begehungsweise nicht umfasst habe. Dies ändere jedoch nichts daran, dass die Angeklagten auch in diesen Fällen zumindest versucht hätten, die Betroffenen über die Spielbeteiligung zu täuschen. Das unmittelbare Ansetzen liege hier in der Beauftragung der Callcenter. Entsprechendes gelte für die Fälle, in denen die Lastschrifteinzüge ohne vorherigen Kundenkontakt erfolgt seien. Zum Vorstellungsbild der Kunden, soweit das Landgericht Vollendung angenommen hat, wird in den Urteilsgründen ausgeführt, dass die geworbenen Neukunden sich nicht für eine Spielteilnahme entschieden hätten, wenn ihnen die tatsächliche Verwendung der Gelder und der fehlende Erwerb einer Gewinnchance bekannt gewesen wären.

II.

Die Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg. Auf die von ihnen erhobenen Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.

1. Die Verurteilung der Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Betruges hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil ausreichende Feststellungen zum Schuldumfang fehlen.

a) Zwar hat das Landgericht - im Ausgangspunkt zutreffend - bei der Bewertung des Tatgeschehens die Grundsätze des sog. uneigentlichen Organisationsdelikts herangezogen. Danach können einzelne Beiträge eines Mittäters, mittelbaren Täters oder Gehilfen, die der Errichtung, Aufrechterhaltung und dem Ablauf eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebs dienen, zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden, indem die aus der Unternehmensstruktur heraus begangenen Tathandlungen in der Person des betreffenden Tatbeteiligten zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammengeführt werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 26. August 2003 - 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 341; Beschluss vom 29. Juli 2009 - 2 StR 160/09, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 15; Beschluss vom 3. März 2016 - 4 StR 134/15, wistra 2016, 309, 310). Dies gilt namentlich für wiederkehrende gleichartige Einzelbetrugstaten im Rahmen einer betrieblichen Organisation (BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 184).

Aber auch bei Straftaten, die unter Schaffung und Ausnutzung einer Unternehmensstruktur „organisiert“ begangen werden, sind im Urteil hinreichend konkrete Feststellungen zu den Einzelakten dergestalt zu treffen, dass das Revisionsgericht auch in die Lage versetzt wird zu beurteilen, ob der Tatrichter von einem zutreffenden Schuldumfang ausgegangen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2009 - 2 StR 160/09 aaO, Tz. 7 f.).

aa) Gemessen daran ist es zwar aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer angenommen hat, in den Fällen der sog. Negativverkäufe sowie in denen aufgekaufter oder anderweitig beschaffter Kundendaten scheide ein vollendeter Betrug aus. Denn der Vorsatz der Angeklagten bezog sich ausschließlich auf mittelbar begangene Täuschungen im Wege der Neukundenakquise und ausdrücklich nicht auf die vorgenannten Fallgruppen. Für die Annahme einer bloß unwesentlichen Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf ist - nach den getroffenen Feststellungen - insoweit kein Raum. Die Angeklagten schrieben den Callcentern ein tatplangemäßes Vorgehen in allen wesentlichen Einzelheiten u.a. durch die Gesprächsleitfäden vor, so dass das Risiko abweichenden Verhaltens der Tatmittler gerade nicht in der - festgestellten - Organisation des Geschäftsbetriebs angelegt war. Dass das eigenmächtige Verhalten der Mitarbeiter der Callcenter den Angeklagten bekannt war, diese damit rechneten oder ihnen die Art der Datenbeschaffung gleichgültig war, ist nicht festgestellt. Die Strafkammer hat aber in keiner Weise zahlenmäßig eingegrenzt, wie viele der insgesamt 12.878 betroffenen Kontoinhaber tatplangemäß im Wege der Neukundenakquise über das Bestehen einer Gewinnchance getäuscht wurden. Im angefochtenen Urteil wird hierzu lediglich ausgeführt, dass dies „zum Teil“ der Fall gewesen sei. Dementsprechend bleibt offen, von wie vielen Vollendungsfällen das Landgericht im Ergebnis ausgegangen ist.

bb) Belegt wird eine den Angeklagten zuzurechnende Tatvollendung lediglich im Fall der Zeugin W. Zwar wurden dieser im Rahmen der telefonischen Anwerbung von dem vorgegebenen Gesprächsleitfaden inhaltlich teilweise abweichende Versprechungen gemacht, indem man ihr eine dreimonatige Kostenfreiheit sowie eine Geld-zurück-Garantie im Fall ausbleibender Gewinne zusagte. Der Annahme eines vollendeten Betruges steht aber die - hier festgestellte - Mitursächlichkeit für den täuschungsbedingten Irrtum selbst dann nicht entgegen, wenn daneben noch ein anderer Beweggrund bestand, der für sich allein zu demselben Entschluss geführt hätte (BGH, Urteil vom 24. Februar 1959 - 5 StR 618/58, BGHSt 13, 13, 14 f.; und vom 14. Juli 1999 - 3 StR 188/99, NStZ 1999, 558, 559; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 263 Rn. 87; MüKo-StGB/Hefendehl, 2. Aufl., § 263 Rn. 276). Dementsprechend belegen die Urteilsgründe insoweit einen hinreichenden Kausalzusammenhang des Irrtums der Zeugin W. mit der Täuschung über die grundsätzlich bestehende Gewinnchance mit der Eingehung des Vertragsverhältnisses und der Zahlung der Monatsbeiträge. Bezüglich der Zeuginnen G. und Gi. hat die Strafkammer hingegen keine Täuschung im Wege der Neukundenakquise festgestellt, so dass keine Tatvollendung belegt ist. Die übrigen als Zeugen vernommenen Kunden betreffen keinen der Fälle, die der Verurteilung zu Grunde liegen.

b) Es kommt hinzu, dass auch die Begründung des Landgerichts dafür, dass in jedem Fall einer erfolgreich eingezogenen Lastschrift die Voraussetzungen zumindest eines versuchten Betruges erfüllt seien, durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.

Sollen - wie hier - mehrere Personen durch eine Täuschung dazu veranlasst werden, wiederholte (hier monatlich erfolgende) Lastschrifteinzüge zu dulden und damit selbstschädigend über ihr Vermögen zu verfügen, bestimmt sich die Zahl der einzelnen Betrugstaten nämlich nicht nach der Zahl der Lastschriften, sondern nach der Zahl der getäuschten Personen (vgl. Senatsurteil vom 2. April 1987 - 4 StR 81/87, wistra 1987, 257 für mehrere, durch eine Täuschung veranlasste Überweisungen).

c) Die aufgeführten sachlichrechtlichen Fehler führen angesichts der schwerwiegenden Mängel bei der Eingrenzung des Schuldumfangs zur Aufhebung des Schuldspruchs und nicht nur des Strafausspruchs (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - 5 StR 468/12, wistra 2014, 176, 179; LR-StPO/ Franke, 26. Aufl., § 353 Rn. 11, 13).

2. Nach § 357 Satz 1 StPO war die Entscheidung auf die nicht revidierenden Verfallsbeteiligten zu erstrecken, da den Entscheidungen nach § 111i Abs. 2 StPO durch die mit der Sachrüge erfolgreichen Revisionen der Angeklagten die Grundlage entzogen wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. November 2014 - 4 StR 290/14, NStZ-RR 2015, 44; und vom 3. Juni 1997 - 4 StR 235/97, BGHR StGB § 73 Gewinn 2; Meyer-Goßner, aaO, § 357 Rn. 15).

3. Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:

a) Sollte der neue Tatrichter ebenfalls zu der im angefochtenen Urteil festgestellten, beträchtlichen und den Angeklagten bekannten Rücklastschriftquote gelangen, wird er diesem Umstand bei Prüfung der subjektiven Tatseite in Bezug auf eine durchgängige Unkenntnis der Angeklagten von einem teilweise tatplanwidrigen Vorgehen der Callcenter-Mitarbeiter besonderes Augenmerk zuwenden müssen. Sollte die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer erneut von einer solchen Unkenntnis ausgehen, wird sich die Prüfung der Frage aufdrängen, ob sich das Verhalten der Callcenter-Mitarbeiter als unwesentliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf darstellt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 11. Juli 1991 - 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 34; Senatsurteil vom 3. Dezember 2015 - 4 StR 223/15, BGHR StGB § 16 Abs. 1 Kausalverlauf 4; SSW-StGB/Kudlich, 3. Aufl., vor §§ 13 ff. Rn. 61 f.).

b) Sollte mit Blick auf die unterschiedlichen Täuschungsvarianten die Aufklärung der genauen Zahl der jeweiligen Einzelakte des vollendeten bzw. versuchten Betruges auch im Wege einer Schätzung eine umfangreiche Beweisaufnahme erfordern, wird eine Verfahrensbeschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO zu erwägen sein (vgl. Senat, Urteil vom 22. Mai 2014 ? 4 StR 430/13, NStZ 2014, 459, 460 f.). Eine einseitige Beschränkung der Strafverfolgung auf den bloßen Tatversuch ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft, wie sie das Landgericht hier - wenn auch im Rahmen gleichartiger Tateinheit mit einem vollendeten Delikt - vorgenommen hat, sieht die Strafprozessordnung nicht vor (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 - 1 StR 263/12, NJW 2013, 1545, 1546).

c) Sollten in der neuen Hauptverhandlung wiederum Entscheidungen nach § 111i Abs. 2 StPO in Betracht kommen, wird die Härtevorschrift des § 73c StGB zu prüfen sein.

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 354

Externe Fundstellen: NStZ 2017, 340 ; StV 2018, 34

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede