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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 298

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 ARs 20/16, Beschluss v. 23.02.2017, HRRS 2017 Nr. 298


BGH 3 ARs 20/16 - Beschluss vom 23. Februar 2017 (Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofs)

BGHSt; Minderheitenrechte im parlamentarischen Untersuchungsausschuss (Rechtsschutz bei nicht vollzogenem Beweisbeschluss; Antrag auf Schaffung der Voraussetzungen für die Vernehmung eines Zeugen; „Edward Snowden“; Zulässigkeit; Statthaftigkeit; Antragsbefugnis; Quorum; qualifizierte Minderheit; Spannungsverhältnis zwischen Minderheitenrechten und Mehrheitsprinzip; verfassungsrechtliche Vorgaben; Grundsatz der Spiegelbildlichkeit bei der Zusammensetzung von Ausschüssen).

Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG; § 17 Abs. 2 und Abs. 4 PUAG; § 244 StPO

Leitsätze

1. Der Minderheit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses kommen im Verfahren nach § 17 Abs. 2 und 4 PUAG nur dann eigene Rechte zu, wenn sie entsprechend Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestags repräsentiert. (BGHSt)

2. Die Vorschriften des § 17 Abs. 2 und 4 PUAG sind ungeachtet ihrer sprachlichen Fassungen dahin zu verstehen, dass der Ausschussminderheit im Verfahren nach § 17 Abs. 2 und 4 PUAG nur dann eigene Rechte zukommen, wenn sie entsprechend Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestags repräsentiert. Dieses Ergebnis folgt aus Sinn und Zweck der Regelung, wie sie sich unter Beachtung des den Gesetzesmaterialien zu entnehmenden Willens des Gesetzgebers ergeben, sowie der Systematik des Untersuchungsausschussgesetzes und den für das Recht des Untersuchungsausschusses bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. (Bearbeiter)

3. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG statuiert ein austariertes System, das die Interessen der parlamentarischen Minderheit und das in der parlamentarischen Demokratie geltende Mehrheitsprinzip (Art. 42 Abs. 2 GG) - das auch im Verfahren vor dem Untersuchungsausschuss die gesetzliche Regel darstellt und in § 9 Abs. 4 Satz 1 PUAG seinen einfachrechtlichen Niederschlag gefunden hat - zum Ausgleich bringt. (Bearbeiter)

4. Nach dem sog. „Grundsatz der Spiegelbildlichkeit“ muss grundsätzlich jeder vom Bundestag gebildete Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und dessen Zusammensetzung in seiner politischen Gewichtung widerspiegeln. Dies folgt aus der von Art. 38 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit und Gleichheit des Mandats sowie der Repräsentationsfunktion des Bundestags. Wird die Repräsentation des Volkes in Ausschüsse verlagert, weil dort die Entscheidungen des Parlaments tendenziell vorbestimmt oder gar für das Parlament getroffen werden, müssen diese Gremien auch in ihrer politischen Prägung dem Plenum entsprechen. (Bearbeiter)

5. Das Untersuchungsausschussgesetz ist im Kern verfassungsinterpretatorisch und damit ein lediglich deklaratorisches Gesetz. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG wirkt daher konzeptionell in dessen Regelungsregime hinein. Jedenfalls im hier einschlägigen Regelungsbereich von § 17 Abs. 2 und 4 PUAG handelt es sich um die unmittelbare Umsetzung der aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden Vorgaben für die Beweiserhebung. Das Untersuchungsausschussgesetz kann deshalb bereits aufgrund seines Rechtscharakters in dem hier bedeutsamen Bereich der Beweisaufnahme keine über Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG hinausgehenden Minderheitenrechte festsetzen. (Bearbeiter)

6. Das Rechtsschutzverfahren nach § 17 Abs. 4 PUAG ist nicht nur eröffnet, wenn der Erlass eines Beweisbeschlusses abgelehnt wird, sondern auch dann, wenn ein bereits gefasster Beweisbeschluss nicht vollzogen wird. (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofs vom 11. November 2016 aufgehoben.

Der Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin erstrebt die Umsetzung eines im 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages gestellten Antrags, der darauf abzielt, dass die Voraussetzungen für den Vollzug eines vom Untersuchungsausschuss bereits gefassten Beweisbeschlusses geschaffen werden.

Der Bundestag setzte am 20. März 2014 den vorstehend genannten Untersuchungsausschuss ein, um unter anderem zu klären, „ob, in welcher Weise und in welchem Umfang durch Nachrichtendienste der Staaten der sogenannten „Five Eyes“ (der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königsreichs, Kanadas, Australiens und Neuseelands) eine Erfassung von Daten über Kommunikationsvorgänge (...), deren Inhalte sowie sonstige Datenverarbeitungsvorgänge (...) von, nach und in Deutschland auf Vorrat oder eine Nutzung solcher auf öffentliche Unternehmen der genannten Staaten oder private Dritte erfasste Daten erfolgte bzw. erfolgt und inwieweit Stellen des Bundes, insbesondere die Bundesregierung, Nachrichtendienste oder das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik von derartigen Praktiken Kenntnis hatten, daran beteiligt waren, diesen entgegenwirkten und gegebenenfalls Nutzen daraus zogen“, und ferner zu untersuchen, „ob und inwieweit Daten über Kommunikationsvorgänge und deren Inhalte (...) von Mitgliedern der Bundesregierung, Bediensteten des Bundes sowie Mitgliedern des Deutschen Bundestages oder anderer Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, durch Nachrichtendienste der (…) genannten Staaten nachrichtendienstlich erfasst oder ausgewertet wurden“ (BT-Drucks. 18/843, S. 1, 3 f. i.V.m. BT-Plenarprotokoll 18/23, S. 1816, 1828). Die Antragstellerin stellt zusammen ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses; die hinter ihr stehenden Fraktionen umfassen demgegenüber weniger als ein Viertel der Mitglieder des Bundestags.

Von Beginn an stand im Untersuchungsausschuss die Vernehmung von Edward Snowden im Raum. Im Rahmen eines Ersuchens des Antragsgegners äußerte sich die Bundesregierung erstmals in einer Stellungnahme vom 2. Mai 2014 zu den hiermit verbundenen rechtlichen Fragen. Sie kam unter anderem zu dem Ergebnis, dass auch eine Vernehmung des Zeugen im Ausland in Betracht komme und die außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem möglichen Interesse des Untersuchungsausschusses an einer Vernehmung von Snowden in Deutschland überwiegen dürften. Am 8. Mai 2014 beschloss der Untersuchungsausschuss, zu dem Untersuchungsauftrag Beweis zu erheben durch Vernehmung des Edward Snowden als Zeugen.

Im Untersuchungsausschuss bestand und besteht weiterhin Uneinigkeit darüber, wie dieser Beschluss umgesetzt werden soll. Auf ein weiteres Ersuchen des Antragsgegners erklärte die Bundesregierung in einer ergänzenden Stellungnahme vom 2. Juni 2014, es sei nach wie vor davon auszugehen, dass eine Vernehmung des Zeugen im Ausland möglich sei; es bestehe daher gegenwärtig kein Anlass für eine Neubewertung gegenüber der im Bericht vom 2. Mai 2014 dargelegten Rechtsauffassung. In der Folgezeit traf der Antragsgegner mehrere Beschlüsse mit dem Ziel, Snowden an seinem Aufenthaltsort in Russland zu vernehmen. Hierzu war dieser indes nicht bereit, da er befürchtete, durch umfassende Angaben zu dem Untersuchungsauftrag seinen ihm durch die russischen Behörden eingeräumten Aufenthaltsstatus zu gefährden. Im Gegensatz zu der von dem Antragsgegner verfolgten Vernehmung Snowdens in Russland ist es das Interesse der Antragstellerin, den Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss in Deutschland zu vernehmen. Im Juni und Juli 2014 stellte sie in diesem Zusammenhang mehrere Anträge, welche die Ausschussmehrheit jeweils ablehnte. In der Folge strengte die Antragstellerin ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht an mit dem Begehren festzustellen, dass sie durch die Weigerung der Bundesregierung, die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Zeugenvernehmung Snowdens in Berlin zu schaffen, sowie durch die Ablehnung ihrer diesbezüglichen Anträge durch den Antragsgegner in ihrem Recht aus Art. 44 Abs. 1 GG verletzt worden sei. Mit Beschluss vom 4. Dezember 2014 verwarf das Bundesverfassungsgericht (2 BvE 3/14, BVerfGE 138, 45) die Anträge. Soweit sich das Verfahren gegen die Weigerung der Bundesregierung richte, die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Vernehmung Snowdens in Deutschland zu schaffen, sei der Antrag mangels eines zulässigen Angriffsgegenstandes unzulässig, weil es sich bei den bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Schreiben der Bundesregierung nur um unverbindliche Stellungnahmen gehandelt habe. Hinsichtlich der Ablehnung ihrer auf die Vernehmung des Zeugen Snowden in Deutschland abzielenden Verfahrensanträge sei der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht nicht eröffnet. Insbesondere betreffe die Bestimmung des Vernehmungsortes und des Zeitpunktes der Vernehmung nur die Modalitäten des Vollzugs eines bereits ergangenen Beweisbeschlusses; hierüber habe grundsätzlich die jeweilige Ausschussmehrheit nach Maßgabe der §§ 17 ff. PUAG und der sinngemäß anzuwendenden Vorschriften der Strafprozessordnung zu entscheiden.

Am 8. Oktober 2015 beantragten die Antragsteller im Untersuchungsausschuss unter anderem (Ausschussdrucks. 423):

„Der 1. Untersuchungsausschuss möge beschließen: (...) II.

1. Die Bundesregierung wird ersucht, unverzüglich a) die Voraussetzungen für eine Vernehmung des Zeugen Snowden in Deutschland zu schaffen (insbesondere pass- und ausländerrechtliche Ermöglichung von Einreise und Aufenthalt sowie Zusage eines wirksamen Auslieferungsschutzes) b) dem Ausschuss mitzuteilen, zu welchem Zeitpunkt sie die genannten Voraussetzungen herstellen kann und (…).“ Diesen Antrag lehnte die Ausschussmehrheit in der Sitzung vom 15. Oktober 2015 ab. Weitere, auf eine im Wege der Videokonferenz in Russland durchzuführende Vernehmung des Zeugen gerichtete Beschlüsse des Antragsgegners blieben erfolglos. Die Haltung Snowdens, für eine Vernehmung als Zeuge in Russland nicht zur Verfügung zu stehen, ist unverändert.

Die Antragstellerin hat die Ansicht vertreten, die Ablehnung des Antrags vom 8. Oktober 2015 durch den Antragsgegner verstoße gegen § 17 Abs. 2 PUAG, da der Antragsgegner zu Unrecht den Vollzug des Beweisbeschlusses vom 8. Mai 2014 verweigere. Die Rechtsschutzmöglichkeit des § 17 Abs. 4 PUAG sei auch dann gegeben, wenn die Ausschussmehrheit den Vollzug einer bereits beschlossenen Beweiserhebung verweigere. Da die Vernehmung des Zeugen Snowden aufgrund dessen eindeutiger Weigerung, sich in Russland vernehmen zu lassen, nur noch in Deutschland möglich sei, handele es sich bei dem begehrten Ersuchen an die Bundesregierung nicht um einen Antrag, der lediglich die Art und Weise des Vollzuges des Beweisbeschlusses betreffe; vielmehr gehe es um die Schaffung der unabdingbaren Voraussetzungen für die Durchführung der Beweiserhebung. Versagungsgründe nach § 17 Abs. 2 PUAG oder der sinngemäß anzuwendenden Strafprozessordnung lägen nicht vor. Insbesondere sei weder die Beweisaufnahme unzulässig noch Snowden - nach bisherigem Sachstand - unerreichbar.

Die Antragsteller haben beantragt zu beschließen, der 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages habe nochmals über II. 1. a) und b) des am 8. Oktober 2015 gestellten Antrages (Ausschussdrucks. 423) abzustimmen und ihm - zumindest mehrheitlich - zuzustimmen.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag zu verwerfen.

Er hat die Auffassung vertreten, der Antrag sei bereits unzulässig. Dieser erweise sich als unstatthaft. Zwar vermittele § 17 Abs. 2 PUAG auch einen Vollzugsanspruch hinsichtlich bereits gefasster Beweisbeschlüsse, diesem Vollzugsanspruch korrespondiere jedoch kein Rechtsschutzverfahren. Für den Antrag fehle es überdies an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil er sich als rechtsmissbräuchlich erweise. Dies ergebe sich insbesondere mit Blick darauf, dass zwischen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Dezember 2014 und der Einleitung des Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof mehr als 20 Monate vergangen seien. Jedenfalls sei der Antrag aber unbegründet. Er sei nicht von dem der qualifizierten Minderheit zustehenden Beweiserhebungsrecht des § 17 Abs. 2 PUAG erfasst. Ob ein Zeuge in Deutschland oder im Ausland vernommen werden solle, sei eine bloße Frage der Verfahrensgestaltung, die zur Verfahrensherrschaft der jeweiligen Ausschussmehrheit gehöre. Selbst wenn dies anders zu beurteilen sei, werde der Anspruch auf Vollzug des Beweisbeschlusses nicht verletzt, weil sich aus § 17 Abs. 2 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG, § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO Gründe ergäben, die ein Absehen von der Vernehmung Snowdens in Deutschland rechtfertigten. Der Zeuge sei unter anderem deshalb unerreichbar im Sinne von § 17 Abs. 2 PUAG, weil die Bundesregierung durch eine etwaige Zusage, den Zeugen im Falle einer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland nicht an die USA auszuliefern, gegen völkerrechtliche Verpflichtungen verstieße. Überdies seien die Gründe für das Absehen von einer Beweiserhebung in § 17 Abs. 2 PUAG nicht abschließend geregelt; vorliegend sei auch der Ablehnungsgrund des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gegeben, wonach die Ladung eines Zeugen im Ausland unterbleiben könne, wenn diese nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei.

Mit Beschluss vom 11. November 2016 hat die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofs entschieden, der Antragsgegner habe nochmals über die Ziffern II.1.a) und b) des Antrags der Antragstellerin vom 8. Oktober 2015 abzustimmen und ihm - sollte er weiter von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses unterstützt werden - insoweit zumindest mehrheitlich zuzustimmen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Antrag sei zulässig. Er sei nach § 17 Abs. 4 PUAG statthaft. Die dort einfachrechtlich ausgestaltete Rechtsschutzmöglichkeit erfasse auch den Fall, dass ein bereits ergangener Beweisbeschluss nicht vollzogen werde. Dies folge aus dem Zweck der Minderheitenrechte, die der Gesetzgeber über verfassungsrechtliche Vorgaben hinaus einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses zubillige, gleichgültig ob diese Minderheit auch eine einsetzungsberechtige Minderheit repräsentiere. Der Antrag der Antragstellerin betreffe nicht nur eine Vollzugsmodalität, sondern die Frage, ob der bereits gefasste Beweisbeschluss überhaupt vollzogen werde, da die Beweiserhebung ausschließlich im Wege einer Vernehmung Snowdens vor dem Untersuchungsausschuss in Deutschland möglich sei. Es bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin, insbesondere sei der Antrag weder verfristet noch habe die Antragstellerin ihr Beweiserhebungsrecht verwirkt. Der Antrag sei begründet, insbesondere bestünden keine Ablehnungsgründe. Von einer Unerreichbarkeit Snowdens im Sinne von § 17 Abs. 2 PUAG sei nach derzeitigem Sachstand nicht auszugehen. Ob über die in § 17 Abs. 2 PUAG genannten Möglichkeiten hinaus die Vernehmung eines Auslandszeugen auch nach den Maßstäben des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO abgelehnt werden könne, bedürfe keiner Entscheidung. Der Antragsgegner habe nicht dargetan, dass die Aussage von Snowden zur Klärung des Untersuchungsauftrags nicht mehr erforderlich sei. Zudem fehle eine detaillierte Abwägung unter Darstellung des Untersuchungsauftrags, des von der Vernehmung zu erwarteten Erkenntnisgewinns und der angestellten außenpolitischen Erwägungen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Darlegungen in dem angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde des Antragsgegners. Er vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag und bringt vor, das Verfahren nach § 17 Abs. 4 PUAG sei auch deshalb unzulässig, weil die Antragstellerin nicht antragsbefugt sei. Das in § 17 Abs. 4 PUAG im Interesse der qualifizierten Minderheit geregelte Rechtsschutzverfahren könne kein von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG losgelöstes Minderheitenrecht vermitteln. Zur Unbegründetheit des Antrags macht er insbesondere erneut geltend, dass der Antrag nur eine Vollzugsmodalität zum Gegenstand habe, über die gemäß § 9 Abs. 4 PUAG die Ausschussmehrheit zu entscheiden habe. Hinsichtlich dieser Rechtsfrage bestehe zudem auch eine Bindung des Bundesgerichtshofs an die tragenden Gründe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Dezember 2014. Überdies sei der Zeuge unerreichbar im Sinne von § 17 Abs. 2 PUAG. Insoweit obliege ihm, dem Antragsgegner, gegenüber der Bundesregierung eine eigene Beurteilungskompetenz hinsichtlich der Frage einer möglichen Verletzung völkerrechtlicher Verträge und der mit einer Vernehmung des Zeugen in Deutschland einhergehenden rechtlichen und politischen Risiken. Schließlich sei die Vernehmung auch nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO nicht geboten. Unter ausführlicher Darlegung seiner Position setzt sich der Antragsgegner insoweit auseinander mit dem Untersuchungsauftrag, dem durch die Vernehmung des Zeugen zu erwartenden Beweiswert, der - nach Auffassung des Antragsgegners erwiesenen - Authentizität der vom Zeugen Snowden veröffentlichten Dokumente sowie den durch die Vernehmung zu erwartenden Gefahren für die Außenpolitik und innere Sicherheit.

Der Antragsgegner beantragt, den Beschluss der Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofs vom 11. November 2016 aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält ihr bisheriges Vorbringen aufrecht und führt ergänzend zu ihrer Antragsbefugnis nach § 17 Abs. 4 PUAG aus. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift genüge es, dass sie das Quorum von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses erfülle. Auf die engeren Voraussetzungen von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG komme es nicht an, weil das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof nach dem PUAG über die Möglichkeiten eines verfassungsrechtlichen Organstreitverfahrens hinausgehe; dies verdeutlichten auch die Gesetzesmaterialien. Der Zeuge Snowden sei auch erreichbar, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass er sich - ein entsprechendes Verhalten der Bundesregierung unterstellt - dem Untersuchungsausschuss für eine Vernehmung zur Verfügung stellen werde. Aus dem System der Rechtskontrolle, welches das PUAG in Ergänzung zum verfassungsrechtlichen Organstreitverfahren konstituiere, folge zudem, dass außenpolitische Erwägungen im Verfahren über die Beweiserhebung nach § 17 PUAG außer Betracht zu bleiben hätten. Ferner bedinge die Konzeption des § 17 PUAG, dass die Ausschussmehrheit die der Bundesregierung als im Wege der Amtshilfe zu ersuchenden Stelle obliegende rechtliche Prüfung nicht vorwegnehmen dürfe. Auch die Voraussetzungen des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO lägen nicht vor, insbesondere sei es dem Antragsgegner verwehrt, die zu erwartende Aussage Snowdens antizipierend zu würdigen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird ergänzend auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze, insbesondere die Beschwerdebegründung vom 14. Dezember 2016 und die Erwiderung vom 21. Dezember 2016 Bezug genommen.

II.

1. Die gemäß § 36 Abs. 3 PUAG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache Erfolg. Der auf § 17 Abs. 2 und 4 PUAG gestützte Antrag ist unzulässig, da die Antragstellerin das dort vorausgesetzte Quorum nicht erreicht.

a) Allerdings ist das Rechtsschutzverfahren nach § 17 Abs. 4 PUAG statthaft. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist es aus den in der angegriffenen Entscheidung dargelegten Gründen nicht nur eröffnet, wenn der Erlass eines Beweisbeschlusses abgelehnt wird, sondern auch dann, wenn ein bereits gefasster Beweisbeschluss nicht vollzogen wird (Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, 3. Aufl., § 17 Rn. 25; Waldhoff/Gärditz/Gärditz, PUAG, § 17 Rn. 33; zu Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG vgl. auch BVerfG, Urteil vom 8. April 2002 - 2 BvE 2/01, BVerfGE 105, 197, 225 f.). Dies macht die Antragstellerin geltend. Ob der Antragsgegner durch sein Vorgehen tatsächlich den Vollzug des Beweisbeschlusses vom 8. Mai 2014 verhindert, ist - soweit entscheidungserheblich - eine Frage der Begründetheit.

b) Indes ist die Antragstellerin im vorliegenden Organstreitverfahren (Glauben/Brocker, PUAG, § 17 Rn. 25; Waldhoff/Gärditz/Gärditz, PUAG, § 17 Rn. 32; zur Rechtsnatur des Verfahrens nach § 36 Abs. 1 PUAG vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2010 - 3 ARs 23/10, NJW 2010, 3251, 3252 [insoweit nicht in BGHSt 55, 257 abgedruckt]) nicht antragsbefugt. § 17 Abs. 4 PUAG dient der Durchsetzung unter anderem der Rechte, welche § 17 Abs. 2 PUAG der qualifizierten Minderheit einräumt. Das entsprechende Quorum kann deshalb nur einheitlich bestimmt werden. Die Antragstellerin setzt sich zwar dem reinen Wortlaut des § 17 Abs. 2 und 4 PUAG entsprechend aus einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses zusammen. Diese Regelungen sind ungeachtet ihrer sprachlichen Fassungen jedoch dahin zu verstehen, dass der Ausschussminderheit im Verfahren nach § 17 Abs. 2 und 4 PUAG nur dann eigene Rechte zukommen, wenn sie entsprechend Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestags repräsentiert, was hinsichtlich der Antragstellerin nicht der Fall ist. Dieses Ergebnis folgt aus Sinn und Zweck der Regelung, wie sie sich unter Beachtung des den Gesetzesmaterialien zu entnehmenden Willens des Gesetzgebers ergeben, sowie der Systematik des Untersuchungsausschussgesetzes und den für das Recht des Untersuchungsausschusses bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. Im Einzelnen:

aa) Nach seinem Wortlaut räumt § 17 Abs. 4 PUAG die Antragsbefugnis der qualifizierten Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses ein. Bei rein wörtlicher Interpretation knüpft die Norm damit ausschließlich an die Verhältnisse betreffend die Besetzung des Untersuchungsausschusses an. Dies steht indes einem Verständnis der Vorschrift im hier vorgenommenen Sinne unter Berücksichtigung der sonstigen Auslegungskriterien nicht von vorneherein entgegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15, NVwZ 2017, 137, 140 [zu § 18 Abs. 3 PUAG]).

bb) Es entspricht dem aus der Entstehungsgeschichte des Untersuchungsausschussgesetzes ersichtlichen Willen des Gesetzgebers und dem von diesem verfolgten Zweck, die (qualifizierten) Minderheitenrechte nur nach Maßgabe des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG einzuräumen, der als entsprechendes Quorum auf ein Viertel der Mitglieder des Bundestages abstellt.

Der Einführung des Untersuchungsausschussgesetzes gingen zwei Gesetzesentwürfe voraus, welche beide dem späteren § 17 Abs. 2 PUAG gleichlautende Gesetzesfassungen enthielten. Der Fraktionsentwurf der FDP führte hierzu aus, dass das qualifizierte Antragsrecht für die Mitglieder im Untersuchungsausschuss in Fortentwicklung des qualifizierten Antragsrechts für die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen gewährt werde (BT-Drucks. 14/2363, S. 13 f.). Der Gesetzesentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN enthielt insoweit zwar keine näheren Ausführungen, allerdings beruhte er - wie später auch in § 4 Satz 2 PUAG umgesetzt - auf dem Ansatz, dass der Untersuchungsausschuss die Mehrheits- und Minderheitsverhältnisse widerspiegeln müsse, die im Plenum des Bundestags herrschten (BT-Drucks. 14/2518, S. 12). Unter Zusammenführung der beiden vorgenannten Fraktionsentwürfe erarbeitete der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung im weiteren Verlauf eine Ausschussfassung (BT-Drucks. 14/5790). Während des Verfahrens im Ausschuss brachte die Fraktion der PDS einen Änderungsantrag ein, der darauf abzielte, das Quorum für die Einsetzung und bestimmte Verfahrensrechte - unter anderem derjenigen von § 17 Abs. 2 und 4 PUAG (BT-Drucks. 14/5790, S. 22 f.) - auf 5% des Deutschen Bundestages oder eine Fraktion herabzusetzen, um die Rechte kleinerer Fraktionen zu stärken. Diesen Antrag lehnten die übrigen Fraktionen im Ausschuss ab, da Art. 44 GG mit dem Quorum eines Viertels der Mitglieder des Bundestages eine für das Untersuchungsrecht als wichtiges Kontrollinstrument angemessene Entscheidung getroffen habe. Hiervon solle weder bei den Einsetzungsvoraussetzungen noch bei der Ausgestaltung des Verfahrens abgewichen werden (BT-Drucks. 14/5790, S. 13). Die Ausschussfassung wurde schließlich mit Unterstützung aller Fraktionen einstimmig vom Deutschen Bundestag verabschiedet (Waldhoff/Gärditz/Roßbach, PUAG, Vorbemerkung B Rn. 13 f. m.w. Einzelheiten zum Gesetzgebungsverfahren). Der somit eindeutige Wille des Gesetzgebers fordert mithin auch und gerade bei der Auslegung der mit Blick auf die Aufgaben eines Untersuchungsausschusses zentralen Verfahrensregelungen für die Beweiserhebung Beachtung.

cc) Dass die qualifizierte Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nur dann im Verfahren nach § 17 Abs. 4 PUAG eigene Rechte geltend machen kann, wenn sie gemäß § 1 Abs. 1 PUAG, Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG auch mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestags repräsentiert, wird darüber hinaus durch systematische Gesichtspunkte gestützt.

(1) Das für die Durchführung des Verfahrens nach § 17 Abs. 4 PUAG erforderliche Quorum knüpft - soweit hier von Bedeutung - an die gleichlautende Regelung in Abs. 2 der Vorschrift an. Beide Bestimmungen richten sich - wie dargelegt - ihrem Wortlaut nach zwar in Abweichung von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, § 1 Abs. 1 PUAG nicht an den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag aus, sondern nehmen diejenigen im Untersuchungsausschuss in Bezug. Indes ist nach § 4 Satz 2 PUAG bei der Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses darauf Bedacht zu nehmen, dass die Zahl der Ausschussmitglieder die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag widerspiegelt. Nach der Binnensystematik des Rechts der Untersuchungsausschüsse entsprechen sich daher die Quoren von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, § 1 Abs. 1 PUAG einerseits und § 17 PUAG andererseits.

(2) Diesem Verständnis von § 17 Abs. 2 und 4 PUAG entspricht es, dass im Rahmen des in § 18 Abs. 3 PUAG geregelten Rechtsschutzverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht ebenfalls nicht jede Viertelminderheit im Untersuchungsausschuss antragsbefugt ist. Auch dort sind die an die qualifizierte Minderheit zu stellenden formalen Kriterien im Lichte des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG auszulegen. Antragsbefugt ist daher im Rahmen von § 18 Abs. 3 PUAG nur die von der konkreten oder potenziellen Einsetzungsminderheit im Deutschen Bundestag im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG getragene Ausschussminderheit (BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 3/16, NVwZ 2017, 137, 140). Diese Einschränkung kann nicht nur für das in § 18 Abs. 3 PUAG geregelte verfassungsprozessuale Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gelten; sie muss vielmehr gleichfalls für das in derselben Vorschrift normierte einfachgesetzliche Rechtsschutzverfahren vor dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs Anwendung finden. Andernfalls wären die für eine gerichtliche Überprüfung erforderlichen Quoren unter Umständen - je nach den konkreten Mehrheitsverhältnissen im Bundestag und dem Untersuchungsausschuss - unterschiedlich und hingen davon ab, ob die Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Ersuchens betreffend die Vorlage von Beweismitteln oder die Rechtmäßigkeit der Einstufung eines Beweismittels als Verschlusssache im Streit steht. Eine in dieser Form unterschiedliche Auslegung derselben Verfahrensvoraussetzung innerhalb des § 18 Abs. 3 PUAG wäre in hohem Maße sachwidrig. Ist somit im Rahmen des § 18 Abs. 3 PUAG einheitlich als Quorum nur eine solche Ausschussminderheit anzusehen, die ein Viertel der Mitglieder des Bundestages repräsentiert, so wäre eine hiervon abweichende Betrachtung im Rahmen des § 17 Abs. 2 und 4 PUAG ebenfalls nicht sachgerecht; denn die §§ 17 und 18 PUAG sind beide wesentlicher Bestandteil des Regelungsgefüges über die Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss und formen gemeinsam das Beweiserhebungsrecht der qualifizierten Minderheit aus.

dd) Dieser Gleichlauf von Viertelminderheit im Sinne von § 17 Abs. 2 und 4 PUAG und Einsetzungsminderheit im Sinne von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, § 1 Abs. 1 PUAG folgt auch aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben.

(1) § 17 Abs. 2 und 4 PUAG kann nicht losgelöst von der verfassungsrechtlichen Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen Minderheitenrechten und Mehrheitsprinzip betrachtet werden (Brocker, DÖV 2014, 475, 477; aA zu § 17 Abs. 2 PUAG: Glauben, NVwZ 2017, 129, 130). Das Untersuchungsausschussgesetz ist im Kern verfassungsinterpretatorisch und damit ein lediglich deklaratorisches Gesetz. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG wirkt daher konzeptionell in dessen Regelungsregime hinein (BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15, NVwZ 2017, 137, 140). Ob und in welchem Maße das Untersuchungsausschussgesetz daneben auch Regelungen des parlamentarischen Geschäftsordnungsrechts enthält (vgl. Glauben/Brocker, PUAG, Einl. Rn. 14; Cancik, NVwZ 2014, 18, 21) und eine einfachrechtliche Regelung in Form des Untersuchungsausschussgesetzes angesichts der aus Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Geschäftsordnungsautonomie des - dem Grundsatz der Diskontinuität unterliegenden - Bundestags zulässig ist (hierzu Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschussgesetz, S. 175 ff.), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn jedenfalls im hier einschlägigen Regelungsbereich von § 17 Abs. 2 und 4 PUAG handelt es sich um die unmittelbare Umsetzung der aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden Vorgaben für die Beweiserhebung. Das Untersuchungsausschussgesetz kann deshalb bereits aufgrund seines Rechtscharakters in dem hier bedeutsamen Bereich der Beweisaufnahme keine über Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG hinausgehenden Minderheitenrechte festsetzen (Brocker, DÖV 2014, 475, 477 f.; ders., NVwZ 2015, 410, 411). Insoweit gilt:

Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG räumt dem Bundestag das Recht ein, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Damit erhält das Parlament die Möglichkeit, sich ohne Einflussnahme von Regierung und Verwaltung über Angelegenheiten zu informieren, deren Kenntnis es zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält. Das Schwergewicht der Untersuchungen liegt regelmäßig in der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung. Unter den Bedingungen des parlamentarischen Regierungssystems hat sich das Untersuchungsrecht dabei maßgeblich zu einem Recht der Opposition auf Sachverhaltsaufklärung unabhängig von der Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit entwickelt. Dementsprechend ist das parlamentarische Untersuchungsrecht durch das Grundgesetz als Minderheitenrecht ausgestaltet (BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15, NVwZ 2017, 137, 138). Indes war es angesichts der Erfahrungen aus der Zeit der Weimarer Republik die bewusste Entscheidung des historischen Verfassungsgebers, nur eine Viertelmehrheit des Bundestages als organisatorisch verfestigte selbständige Teilgliederung mit eigenen verfassungsrechtlichen Rechten auszustatten. Er hat damit die Belange des Minderheitenschutzes auf der einen Seite und der Gefahr des Missbrauchs von Minderheitenrechten auf der anderen Seite gegeneinander abgewogen (BVerfG, Urteile vom 8. April 2002 - 2 BvE 2/01, BVerfGE 105, 197, 223 f.; vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14, NVwZ 2016, 922, 927 f.; Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15, NVwZ 2017, 137, 139; Brocker, DÖV 2014, 475, 476; Cancik, NVwZ 2014, 18, 21). Mit Blick hierauf statuiert Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ein austariertes System, das die Interessen der parlamentarischen Minderheit und das in der parlamentarischen Demokratie geltende Mehrheitsprinzip (Art. 42 Abs. 2 GG) - das auch im Verfahren vor dem Untersuchungsausschuss die gesetzliche Regel darstellt und in § 9 Abs. 4 Satz 1 PUAG seinen einfachrechtlichen Niederschlag gefunden hat (BGH, Beschluss vom 17. August 2010 - 3 ARs 23/10, BGHSt 55, 257, 259 f.; Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, Kapitel 27 Rn. 2; Brocker, DÖV 2014, 475) - zum Ausgleich bringt (allgemein zum Verhältnis von Mehrheitsprinzip und Minderheitenrechten vgl. BVerfG, Urteil vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14, NVwZ 2016, 922, 923 ff.). Vor diesem Hintergrund widerspräche die Abkopplung des nach § 17 Abs. 2 und 4 PUAG erforderlichen Quorums von den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag dem verfassungsrechtlich verbindlich gelösten Ausgleich zwischen den Interessen und Rechten von parlamentarischer Minderheit und Mehrheit.

(2) Dies steht auch im Einklang mit dem von § 4 Satz 2 PUAG in einfaches Gesetzesrecht umgesetzten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Spiegelbildlichkeit. Danach muss grundsätzlich jeder vom Bundestag gebildete Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und dessen Zusammensetzung in seiner politischen Gewichtung widerspiegeln. Dies folgt aus der von Art. 38 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit und Gleichheit des Mandats sowie der Repräsentationsfunktion des Bundestags. Wird die Repräsentation des Volkes in Ausschüsse verlagert, weil dort die Entscheidungen des Parlaments tendenziell vorbestimmt oder gar für das Parlament getroffen werden, müssen diese Gremien auch in ihrer politischen Prägung dem Plenum entsprechen. Das gilt namentlich dann, wenn sie wesentliche Teile der dem Bundestag zustehenden Informations-, Kontroll- und Untersuchungsaufgaben wahrnehmen (BVerfG, Urteile vom 13. Juni 1989 - 2 BvE 1/88, BVerfGE 80, 188, 221 f.; vom 8. Dezember 2004 - 2 BvE 3/02, BVerfGE 112, 118, 133, 136; zur Anwendbarkeit des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit auf den Untersuchungsausschuss vgl. Maunz/Dürig/Klein, GG, 78. EL, Art. 44 Rn. 90; Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, § 4 PUAG Rn. 6 f.; Waldhoff/Gärditz/Georgii, PUAG, § 4 Rn. 4 ff.).

ee) Nach alldem kann schließlich aus der derzeit geltenden Fassung der Geschäftsordnung des Bundestages (GOBT), insbesondere deren § 126a, kein anderes Ergebnis folgen. Zwar hat der Bundestag insoweit für die Dauer der 18. Wahlperiode geregelt, dass er bereits auf Antrag von 120 seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss gemäß Art. 44 GG einsetzt und die Zahl der Mitglieder im Untersuchungsausschuss so bestimmt wird, dass die Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen, gemeinsam ein Viertel der Mitglieder stellen. Ungeachtet der Frage, welche Rechtspositionen für die Minderheitsfraktionen hieraus folgen, kann diese jederzeit änderbare (Cancik, NVwZ 2014, 18, 20 ff.) und jedenfalls durch die Diskontinuität des Bundestages begrenzte Regelung (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. März 1952 - 2 BvE 1/51, BVerfGE 1, 144, 148; Maunz/Dürig/Klein, GG, 78. EL, Art. 40 Rn. 62 mwN) die verfassungsmäßigen Rechte aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG nicht ausdehnen (BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15, NVwZ 2017, 137, 139). Ihr kommt deshalb auch bei der Auslegung des Untersuchungsausschussgesetzes in dem hier relevanten Zusammenhang mit Blick auf den Gleichklang zwischen verfassungs- und einfachrechtlicher Regelung bei der Gestaltung der Minderheitenrechte keine maßgebende Bedeutung zu (im Ergebnis ebenso Brocker, DÖV 2014, 475, 477).

2. Es bedarf keiner Entscheidung, ob aus Art. 38 Abs. 1 GG ein Anspruch der Antragstellerin auf willkürfreie Entscheidung über ihren Antrag folgt (so Brocker, DÖV 2014, 475, 477). Angesichts dessen, dass die von § 17 Abs. 2 und 4 PUAG eingeräumten Rechte nur der qualifizierten Minderheit zustehen, bestehen bereits Bedenken, ob dieser Anspruch in dem Verfahren nach § 17 Abs. 4 PUAG geltend gemacht werden kann und insoweit nicht allenfalls ein verfassungsprozessuales Organstreitverfahren eröffnet wäre (aA unter Hinweis auf § 126a GOBT Brocker, DÖV 2014, 475, 478). Jedenfalls erweist sich die Entscheidung des Antragsgegners, von einer Vernehmung des Zeugen Snowden in Deutschland abzusehen, mit Blick auf die etwa im Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 14. Dezember 2016 dargelegten Erwägungen nicht als unsachliche, sich von den einschlägigen rechtlichen Maßstäben völlig entfernende Entscheidung, die unter keinem Gesichtspunkt vertretbar erscheint, und damit nicht als objektiv willkürlich.

3. Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist im Beschwerdeverfahren nach § 36 Abs. 3 PUAG nicht veranlasst (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2009 - 3 ARs 6/09, juris Rn. 24).

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 298

Bearbeiter: Christian Becker