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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1319

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 2473/17, Beschluss v. 21.10.2020, HRRS 2020 Nr. 1319


BVerfG 2 BvR 2473/17, 2 BvR 2696/18 (1. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 21. Oktober 2020 (OLG Köln / LG Köln)

Fortdauer der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus (Freiheitsgrundrecht; verfassungsrechtliches Gebot bestmöglicher Sachaufklärung; Pflicht zur Ausschöpfung von Beweismitteln; Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zur Frage des Wegfalls der Unterbringungsvoraussetzungen; eigenständige Prognoseentscheidung des Vollstreckungsgerichts; Begründungsanforderungen bei Abweichung von Sachverständigengutachten; Unschuldsvermutung; zulässige Verwertung möglicherweise strafbaren Verhaltens ohne rechtskräftige Verurteilung; Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Gefährlichkeitsprognose; Art und Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Taten; unzureichende Konkretisierung innerhalb des Straftatbestandes des sexuellen Missbrauchs von Kindern; keine Erledigterklärung der Unterbringung bei „rechtlicher Fehleinweisung“).

Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG; Art. 104 Abs. 1 GG; § 20 StGB; § 63 StGB; § 67d Abs. 1 StGB; § 67d Abs. 2 StGB; § 67d Abs. 6 StGB; § 176 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Geht eine Strafvollstreckungskammer bei einer Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus vom Fortbestehen einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ im Sinne des § 20 StGB aus und lehnt sie deshalb eine Erledigterklärung der Maßregel nach § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB ab, so wird sie dem verfassungsrechtlichen Gebot bestmöglicher Sachaufklärung gerecht, wenn sie sich mit einem Sachverständigengutachten, das die bestehende Hebephilie des Untergebrachten mangels Dranghaftigkeit keinem Merkmal im Sinne des § 20 StGB zugeordnet hatte, auseinandergesetzt und im Einzelnen begründet hat, aufgrund welcher Umstände sie nach mündlicher Anhörung sowohl des Sachverständigen als auch der behandelnden Ärzte zu dem zwischen diesen streitigen Merkmal der Auffassung letzterer gefolgt ist.

2. Die Berücksichtigung des Fundes kinderpornographischer Bilder bei einem wegen vielfachen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern Untergebrachten bei dessen prognostischer Beurteilung verletzt auch ohne diesbezügliche rechtskräftige Verurteilung nicht die Unschuldsvermutung. Den Vollstreckungsgerichten ist es nicht verwehrt, im Rahmen der von ihnen zu treffenden Prognoseentscheidungen ein die Rechtsordnung möglicherweise verletzendes Verhalten des Betroffenen zu berücksichtigen, wenn und soweit der Anknüpfungspunkt das Verhalten als solches und nicht dessen strafrechtlicher Gehalt ist.

3. Ein Fortdauerbeschluss genügt insbesondere bei langjähriger Unterbringung nicht den verfassungsrechtlichen Begründungsanforderungen hinsichtlich der Bestimmung der Art und des Grades der Wahrscheinlichkeit künftig von dem Untergebrachten zu erwartender Straftaten, wenn die Vollstreckungsgerichte nach unkommentierter Wiedergabe der Ausführungen des Sachverständigen von einer „hohen Gefahr künftiger sexueller Missbrauchshandlungen an Kindern“ ausgehen und dabei außer Acht lassen, dass § 176 StGB eine breite Palette von Straftaten mit einem weiten Strafrahmen umfasst, so dass unklar bleibt, welche konkreten rechtswidrigen Delikte nach Auffassung der Gerichte zu erwarten sind.

4. Das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung gilt auch für den Straf- und Maßregelvollzug. Es ist jedenfalls dann verletzt, wenn das Tatgericht unter Berücksichtigung der Beweislage zu einer bestimmten Überzeugung noch nicht hätte gelangen dürfen, weil nach allgemeiner Lebenserfahrung damit zu rechnen war, dass die Ausschöpfung eines noch nicht verwerteten Beweismittels eine entscheidungserhebliche Tatsache widerlegen, infrage stellen oder erst bestätigen würde.

5. Bei der Prognose über die Gefährlichkeit eines in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten ist das Vollstreckungsgericht in der Regel verpflichtet, einen erfahrenen Sachverständigen hinzuzuziehen. Dabei darf das Gericht die Prognoseentscheidung nicht dem Sachverständigen überlassen, sondern hat diese selbst zu treffen. Es ist darauf Bedacht zu nehmen, dass das Gutachten hinreichend substantiiert ist und das Gericht in den Stand setzt, sich die tatsächlichen Voraussetzungen für eine eigene Prognoseentscheidung zu erarbeiten.

6. Einen weiteren Sachverständigen hat das Gericht im Einzelfall beizuziehen, wenn die Beweisfrage nach wie vor offen oder (möglicherweise) unzulänglich beantwortet ist und die Befragung eines anderen Sachverständigen Klärung erwarten lässt. Hingegen kann die Einholung eines weiteren Gutachtens unterbleiben, wenn hiervon keine weitere Aufklärung zu erwarten ist, weil die tatsächlichen Grundlagen der zu treffenden Entscheidung bereits geklärt sind.

7. Bei der rechtlichen Zuordnung der tatsächlichen Feststellungen zu den Eingangsmerkmalen der §§ 20, 21 StGB im Ausgangsurteil handelt es sich um einen juristischen Subsumtionsvorgang, der der Rechtskraft fähig ist. Daher ist in Fällen „rechtlicher Fehleinweisung“ - wenn also die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus von Anfang an nicht erfüllt waren - für eine Erledigterklärung der Unterbringung gemäß § 67d Abs. 6 StGB kein Raum.

Entscheidungstenor

Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ... werden abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. §§ 114, 121 ZPO).

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

Die beiden Verfassungsbeschwerden betreffen die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus.

I.

1. Mit Urteil des Landgerichts Duisburg vom 16. Dezember 2004 wurde der Beschwerdeführer wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern, sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in drei Fällen, wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 90 Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 54 Fällen und wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen verurteilt. Im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten festgelegt. Darüber hinaus wurde die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

Der Beschwerdeführer hatte Missbrauchshandlungen in Form von Vaginal- und Oralverkehr zulasten der Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin und später auch zulasten der Freundin der Tochter über einen Tatzeitraum von nahezu zwei Jahren begangen. Zu Beginn der Missbrauchshandlungen waren beide Opfer circa zwölf Jahre alt. Das durch den Sachverständigen Prof. Dr. F. beratene Landgericht stellte fest, dass die Steuerungsfähigkeit des Beschwerdeführers bei Begehung der Taten aufgrund einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB - aufgrund einer Paraphilie in Form einer Pädophilie - erheblich vermindert gewesen sei (§ 21 StGB).

Vom 21. März 2005 bis zum 6. August 2007 war der Beschwerdeführer im Maßregelvollzug nach § 63 StGB untergebracht, der nach dem vollständigen Vorwegvollzug der Haftstrafe ab dem 11. April 2010 fortgesetzt wurde und bis heute andauert.

2. Nachdem bei dem Beschwerdeführer im Juli 2014 kinderpornographische Videos und Bilder auf einem MP-4-Player im psychiatrischen Krankenhaus gefunden worden waren, wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Köln vom 13. Juli 2016 wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts Köln waren auf den aufgefundenen 16 Videos und circa elf Bildern insbesondere Mädchen unter 12 Jahren zu sehen. Das Urteil des Amtsgerichts ist nach der Verwerfung der Revision durch das Oberlandesgericht Köln seit dem 5. September 2018 rechtskräftig.

3. Am 29. Februar 2016 erstattete der Sachverständige Prof. Dr. F. ein Gutachten, in dem er die Auffassung vertrat, dass bei dem Beschwerdeführer eine Hebephilie in der Form einer paraphilen Störung vorliege. Diese stelle sich jedoch nicht als „schwere andere seelische Abartigkeit“ dar, da es an dem hierfür erforderlichen Element der Dranghaftigkeit fehle. Gleichwohl gehe von dem Beschwerdeführer eine hohe Gefahr weiterer Missbrauchshandlungen an Kindern aus.

4. Mit vorliegend nicht angegriffenen Beschlüssen des Landgerichts Köln vom 8. Juli 2016 und des Oberlandesgerichts Köln vom 22. September 2016 wurde die Fortdauer der Unterbringung angeordnet. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde mit Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Februar 2019 - 2 BvR 2234/16 - nicht zur Entscheidung angenommen.

5. Das Landgericht Köln ordnete mit angegriffenem Beschluss vom 3. August 2017 die Fortdauer der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus an.

a) Die Vollstreckung der Maßregel könne nicht nach § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden, da auch gegenwärtig nicht zu erwarten sei, dass der Beschwerdeführer keine erheblichen rechtswidrigen Taten begehen werde. Bei dem Beschwerdeführer habe wegen seiner mangelnden Mitarbeit keine Behandlung der Anlassproblematik stattgefunden. Von ihm gehe weiterhin trotz der langen Unterbringungsdauer eine „hohe Gefahr erheblicher rechtswidriger, vor allem gegen die Möglichkeit zur Entwicklung freier sexueller Selbstbestimmung von Kindern gerichteter Taten“ und von „sexuellen Missbrauchshandlungen an Kindern“ aus.

b) Die Maßnahme könne auch nicht nach § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB für erledigt erklärt werden, weil der bei den Anlasstaten bestehende Defektzustand weggefallen wäre oder nie bestanden hätte. Das Vorbringen des Beschwerdeführers gebe keine Veranlassung, von der Beurteilung im Beschluss des Landgerichts vom 8. Juli 2016 abzuweichen. Der vergangene Behandlungszeitraum habe weiterhin keine Anhaltspunkte ergeben, aufgrund derer von einem Nichtbestehen oder einem Wegfall der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ auszugehen sei. Die Vollstreckung der Maßregel sei auch nicht aufgrund einer fehlenden Verhältnismäßigkeit im Sinne von § 67d Abs. 6 Satz 1, 2 StGB für erledigt zu erklären. Angesichts der aufgezeigten Risikofaktoren und der Schwere der von dem Beschwerdeführer zu befürchtenden Straftaten könne in der Gesamtschau nicht davon ausgegangen werden, dass der Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers gegenüber dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit Vorrang genösse.

6. Das Oberlandesgericht Köln verwarf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde mit angegriffenem Beschluss vom 20. September 2017 als unbegründet. Zur Begründung verwies das Gericht auf die angefochtene Entscheidung und die Erwägungen in seinen Beschlüssen vom 22. September 2016 und vom 14. Oktober 2014. Im Übrigen trage der Beschwerdeführer keine neuen Tatsachen oder vom Oberlandesgericht noch nicht bedachte Erwägungen vor, so dass keine Veranlassung zu ergänzenden Ausführungen bestehe.

7. Mit angegriffenem Beschluss vom 24. August 2018 ordnete das Landgericht Köln erneut die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers im psychiatrischen Krankenhaus an.

a) Die Vollstreckung der Maßregel könne nicht nach § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden, da auch gegenwärtig nicht zu erwarten sei, dass der Beschwerdeführer keine erheblichen rechtswidrigen Taten begehen werde. Von ihm gehe eine „weiterhin (eine) hohe Gefahr erheblicher rechtswidriger, vor allem gegen die freie sexuelle Selbstbestimmung und Entwicklung von Kindern gerichteter Taten“ aus, durch welche „die potentiellen Opfer seelisch und körperlich schwer geschädigt würden“. Während der rund neun Jahre und neun Monate der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus habe aufgrund der mangelnden Mitarbeit des Beschwerdeführers keine Behandlung der Anlassproblematik stattfinden können. Auch im vergangenen Behandlungsjahr sei das Verhalten des Beschwerdeführers durch eine umfassende Verweigerungshaltung geprägt gewesen; jegliche Therapie- und Gesprächsangebote seien von ihm abgelehnt worden.

Auch der Sachverständige S. komme in seinem Gutachten vom 8. Juli 2018 zu dem Ergebnis, dass nach wie vor ein hohes Risiko für die Begehung weiterer Straftaten im Sinne der Anlassdelinquenz gegeben sei. Der bisherige Behandlungsverlauf habe keinerlei günstige Effekte im Sinne einer Deliktprävention bewirken können. Für eine Reduktion der in den Anlassdelikten dokumentierten Gefährlichkeit sei es unerlässlich, dass der Beschwerdeführer sich insoweit öffne und therapeutische Maßnahmen diesbezüglich zulasse. Diese Einschätzungen des Sachverständigen seien nachvollziehbar und überzeugend, auch wenn das Gutachten mangels Mitwirkungsbereitschaft des Beschwerdeführers ohne Exploration nach Aktenlage habe erstellt werden müssen.

Weniger belastende Maßnahmen als die Aufrechterhaltung des Maßregelvollzugs reichten mangels hinreichender Wirksamkeit nicht aus, um die von dem Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für höchste Rechtsgüter besonders schutzwürdiger potentieller Opfer in einem Maße zu mindern, dass sie der Allgemeinheit zugemutet werden könnten.

b) Die Vollstreckung der Maßregel sei auch nicht aufgrund fehlender Verhältnismäßigkeit im Sinne von § 67d Abs. 6 Satz 1 bis 3 StGB für erledigt zu erklären. Angesichts der aufgezeigten Risikofaktoren und der Schwere der von dem Beschwerdeführer zu befürchtenden Straftaten könne trotz der langen Unterbringungsdauer in der Gesamtschau weiterhin nicht davon ausgegangen werden, dass der Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers gegenüber dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit Vorrang genösse. Nach der übereinstimmenden und überzeugenden Einschätzung der behandelnden Therapeuten und des externen Sachverständigen S., der sich die Kammer anschließe, müsse im Falle einer sofortigen Entlassung mit hoher Wahrscheinlichkeit mit sexuellen Missbrauchsdelikten zum Nachteil von Mädchen im Alter von etwa 12 Jahren gerechnet werden.

8. Das Oberlandesgericht Köln verwarf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde mit angegriffenem Beschluss vom 19. November 2018 als unbegründet.

a) Hinsichtlich der Frage der Erledigung der Unterbringung gemäß § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB und des Vorliegens einer schweren anderen seelischen Abartigkeit verwies das Oberlandesgericht auf seine Erwägungen in den vorangegangenen Entscheidungen vom 14. Oktober 2014, 22. September 2016 und 20. September 2017. Weder in der aktuellen Beschwerdebegründung noch in dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 11. September 2018 seien neue Tatsachen oder bisher nicht bedachte Erwägungen vorgetragen, die ergänzende Ausführungen erforderten.

Das neue Gutachten des Sachverständigen S. sei nachvollziehbar und in sich stimmig. Dabei habe es auch die Ermittlungsergebnisse aus dem gegen den Beschwerdeführer geführten Verfahren wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften im Jahr 2014 in die Begutachtung einbeziehen dürfen. Im Rahmen der Entscheidung über die weitere Gefährlichkeit eines Untergebrachten nach § 67d Abs. 2, Abs. 6 StGB seien sämtliche prognoserelevanten tatsächlichen Umstände umfassend zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob diese von strafrechtlicher Relevanz seien. Im Übrigen sei die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften durch das Amtsgericht Köln vom 13. Juli 2016 inzwischen rechtskräftig.

b) Es bestehe unverändert die „konkrete Gefahr“, dass der Beschwerdeführer „im Falle seiner Entlassung zeitnah erhebliche Straftaten begehen werde, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt“ würden. Ausgehend von der fehlenden Einsicht des Beschwerdeführers in seine Erkrankung sei „mit hoher Wahrscheinlichkeit mit sexuellen Gewaltdelikten gegen pubertierende Mädchen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren zu rechnen“. Angesichts dessen trete der mit Dauer der Unterbringung zunehmende Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers gegenüber dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit zurück.

II.

Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

1. Das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. F. aus 2016 belege das Vorliegen einer Fehleinweisung des Beschwerdeführers; jedenfalls sei aufgrund dieses Gutachtens von einem nunmehr eingetretenen Wegfall des Defektzustandes und somit von der Erledigung der Unterbringung auszugehen. Ein Rückgriff auf die Vorgutachten aus den Jahren 2004 und 2014 zur Begründung der Fortdauer der Unterbringung habe nicht erfolgen dürfen. Vielmehr hätte angesichts des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. F. das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung erfordert, dass eine angemessene Tatsachengrundlage durch die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens geschaffen worden wäre.

2. Hinsichtlich des neuen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen S. moniert der Beschwerdeführer, dass dieses in der Sache keine eigenen Feststellungen getroffen, sondern sich vielmehr der Argumentation des Oberlandesgerichts Köln in seinem Beschluss vom 22. September 2016 angeschlossen habe. Damit liege eine wechselseitige Bestätigung, jedoch keine sachverständige Beratung des Gerichts vor.

Darüber hinaus habe der Sachverständige S. klargestellt, dass er die im Gutachten von Prof. Dr. F. aufgeworfene Frage nach dem Vorliegen einer anderen schweren seelischen Abartigkeit nicht beantworten könne. Eine Widerlegung des Gutachtens von Prof. Dr. F. sei nicht erfolgt. Der Sachverständige S. äußere vielmehr plakativ sein Unverständnis, ohne dass den Feststellungen in dem Vorgutachten eigene widersprechende Erkenntnisse entgegengesetzt oder aber die entsprechenden Argumente des Vorgutachters entkräftet würden. Damit bleibe das Gutachten von Prof. Dr. F. weiterhin das maßgebliche, das nur durch ein Obergutachten erschüttert werden könne.

Ferner habe das Landgericht durch seine Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten S. und dessen Bezugnahme auf das damals noch nicht rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Köln vom 13. Juli 2016 gegen die Unschuldsvermutung verstoßen, da dadurch die Rechte des Beschwerdeführers in seinem noch nicht abgeschlossenen Verfahren beeinträchtigt worden seien.

III.

1. Nach Auffassung des Generalbundesanwalts in seiner Stellungnahme vom 20. März 2019 haben die beiden Verfassungsbeschwerden keine Aussicht auf Erfolg, da sie jedenfalls unbegründet seien.

a) Die Fachgerichte seien aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. F. weder gehalten, ein weiteres (Ober-)Gutachten einzuholen, noch sich den Ausführungen des Sachverständigen, wonach die bei dem Beschwerdeführer diagnostizierte Hebephilie nicht die Kriterien für die Feststellung einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ erfülle, anzuschließen.

Soweit der Sachverständige das Vorliegen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB bereits im Tatzeitpunkt in Abrede stelle, stehe einer Erledigterklärung der Unterbringung gemäß § 67d Abs. 6 StGB bereits die Rechtskraft des Ausgangsurteils entgegen. Das Oberlandesgericht Köln habe sich im Übrigen zuletzt in seinem Beschluss vom 22. September 2016 eingehend mit dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. auseinandergesetzt; auf diesen nähmen sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht in ihren Entscheidungen Bezug. Demgemäß könne nicht von einem Wegfall der Unterbringungsvoraussetzungen ausgegangen werden. Auch stelle das Absehen von der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens keinen Verstoß gegen das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung dar, da von einem solchen aufgrund der Explorationsverweigerung des Beschwerdeführers kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten gewesen sei.

b) Im Hinblick auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei der Vortrag des Beschwerdeführers nicht ausreichend substantiiert. Insoweit sei bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gemäß den §§ 174 ff. StGB in der Regel davon auszugehen, dass diese eine schwere sexuelle Schädigung zur Folge hätten. Ferner hätten alle eingeholten Sachverständigengutachten den bisherigen Behandlungsverlauf als negativ beurteilt und betont, dass es aufgrund der Verweigerungshaltung des Beschwerdeführers zu keinerlei Behandlung gekommen sei. Auch werde die Legalprognose von den Sachverständigen Prof. Dr. F. und Dr. S. als schlecht beurteilt.

2. Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen hat von einer Stellungnahme abgesehen.

3. Dem Bundesverfassungsgericht hat das Vollstreckungsheft vorgelegen.

IV.

Die Verfahren werden miteinander verbunden. Die Kammer nimmt beide Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung an, weil die Annahmevoraussetzungen nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Den Verfassungsbeschwerden kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerden maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen - insbesondere die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Gebot bestmöglicher Sachaufklärung ergebenden Anforderungen an die Anordnung der Fortdauer von Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus - bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG; vgl. BVerfGE 70, 297; BVerfGK 4, 176; BVerfGE 58, 208; BVerfGK 15, 287). Die Annahme der Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung ist - mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg - auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG bezeichneten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

1. Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zulässig.

Sie genügen den sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ergebenden Anforderungen an eine hinreichend substantiierte Behauptung der Verletzung des Beschwerdeführers in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte (a) hinsichtlich des in der Sache geltend gemachten Verstoßes gegen das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung nicht (b).

a) Eine § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügende Begründung der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der die Rechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen wird (vgl. BVerfGE 81, 208 <214>; 89, 155 <171>; 99, 84 <87>; 108, 370 <386 f.>; 113, 29 <44>). Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen (vgl. BVerfGE 82, 43 <49>; 86, 122 <127>; 88, 40 <45>; 105, 252 <264>). Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 78, 320 <329>; 99, 84 <87>; 115, 166 <179 f.>). Der verfassungsrechtliche Bezug ist unter Rückgriff auf die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäbe herzustellen (vgl. BVerfGE 77, 170 <214 ff.>; 99, 84 <87>; 101, 331 <345 f.>; 123, 186 <234>). Zur Substantiierung kann außerdem die Vorlage von Dokumenten erforderlich sein, damit dem Bundesverfassungsgericht die Prüfung der Verfassungsbeschwerde ohne weitere Ermittlungen möglich ist (vgl. BVerfGE 93, 266 <288>).

b) Diesen Anforderungen werden die Verfassungsbeschwerden nicht gerecht. Der Beschwerdeführer legt nicht hinreichend dar, dass ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Gebot bestmöglicher Sachaufklärung vorliegend die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zur Frage des Wegfalls der Unterbringungsvoraussetzungen geboten war.

aa) Das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung gilt auch für den Straf- und Maßregelvollzug (vgl. BVerfGE 70, 297 <309>; BVerfGK 15, 287 <295>). Im Rahmen dieses Gebotes besteht bei Prognoseentscheidungen, bei denen geistige und seelische Anomalien in Frage stehen, in der Regel die Pflicht, einen erfahrenen Sachverständigen hinzuzuziehen. Dies gilt insbesondere dort, wo die Gefährlichkeit eines in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten zu beurteilen ist; denn die Umstände, die diese bestimmen, sind für den Richter oft schwer erkennbar und abzuwägen (vgl. BVerfGE 70, 297 <309>). Dabei hat der Strafvollstreckungsrichter die Aussagen oder Gutachten des Sachverständigen selbstständig zu beurteilen. Er darf die Prognoseentscheidung nicht dem Sachverständigen überlassen, sondern hat diese selbst zu treffen (vgl. BVerfGE 58, 208 <223>; 70, 297 <310>). Es ist darauf Bedacht zu nehmen, dass das ärztliche Gutachten hinreichend substantiiert ist und den Richter in den Stand setzt, sich die tatsächlichen Voraussetzungen für seine Entscheidung zu erarbeiten (vgl. BVerfGE 70, 297 <310>; vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. August 2017 - 2 BvR 1496/15 -, Rn. 19 m.w.N.).

Das an den Tatrichter gerichtete Gebot bestmöglicher Sachaufklärung ist jedenfalls dann verletzt, wenn das Tatgericht unter Berücksichtigung der Beweislage zu einer bestimmten Überzeugung noch nicht hätte gelangen dürfen, weil es bei verständiger Würdigung aller Umstände des zu entscheidenden Falles damit rechnen musste, dass ihm bekannte oder erkennbare, nicht verwertete weitere Beweismittel einen Sachverhalt erbringen, der im Gegensatz zu seiner bisherigen Überzeugung eine Tatsache widerlegt, infrage stellt oder bestätigt. Ergibt eine umfassende, verständige und allgemeiner Lebenserfahrung Rechnung tragende Würdigung der Sachlage, dass das Gebot umfassender Sachaufklärung danach drängt, ein bekanntes oder erkennbares weiteres Beweismittel zu nutzen oder ein bereits genutztes Beweismittel weiter auszuschöpfen, so ist entsprechend zu verfahren (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. August 2017 - 2 BvR 1496/15 -, Rn. 20 m.w.N.).

Dabei hängt es auch von den Umständen des jeweiligen Falles ab, ob sich das Gericht im Rahmen der Erhebung eines Sachverständigenbeweises mit dem oder den zugezogenen Sachverständigen begnügen darf. Das Gericht hat von Amts wegen oder auf Antrag insbesondere einen weiteren Sachverständigen beizuziehen, wenn die Beweisfrage nach wie vor offen oder (möglicherweise) unzulänglich beantwortet ist und die Befragung eines anderen Sachverständigen Klärung erwarten lässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. August 2017 - 2 BvR 1496/15 -, Rn. 21 m.w.N.).

bb) Nach diesen Maßstäben liegt eine Verletzung des Freiheitsgrundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 GG nicht vor.

(1) Dabei kann dahinstehen, ob die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. in seinem Gutachten aus dem Jahr 2016 das Vorliegen einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ im Sinne der §§ 20, 21 StGB bereits im Tatzeitpunkt in Zweifel ziehen. Bei der rechtlichen Zuordnung der tatsächlichen Feststellungen zu den Merkmalen dieser Normen handelt es sich um einen juristischen Subsumtionsvorgang, der der Rechtskraft fähig ist. Demgemäß ist in Fällen rechtlicher Fehleinweisung für eine Erledigterklärung der Unterbringung gemäß § 67d Abs. 6 StGB kein Raum (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. November 2014 - 2 BvR 2774/12 -, Rn. 41, 42).

(2) Hinsichtlich der Frage eines nachträglichen Wegfalls der Unterbringungsvoraussetzungen und des Verzichts auf die Einholung eines diesbezüglichen weiteren Sachverständigengutachtens ergibt sich im Ergebnis nichts anderes.

(a) Dies gilt zunächst für die angegriffenen Beschlüsse im Verfahren 2 BvR 2473/17. Dass die Gerichte in diesen Beschlüssen ungeachtet der Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. in seinem Gutachten vom 29. Februar 2016 ohne Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens die Fortdauer der Unterbringungsvoraussetzungen angeordnet haben, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Soweit die Gerichte dabei von der Bewertung des Sachverständigen Prof. Dr. F. hinsichtlich des Vorliegens einer schweren anderen seelischen Abartigkeit abweichen, ist den verfassungsrechtlichen Anforderungen Rechnung getragen.

(aa) In seinem Gutachten schließt sich Prof. Dr. F. ausdrücklich der Einschätzung der Vorgutachterin Dr. S. an, dass bei dem Beschwerdeführer eine Hebephilie in der Form einer paraphilen Störung vorliege. Diese stelle aber keine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB dar, weil das für eine Persönlichkeitsstörung erforderliche Element der Dranghaftigkeit des Handelns nicht nachgewiesen sei.

(bb) Dem folgen die Gerichte in den angegriffenen Beschlüssen des Verfahrens 2 BvR 2473/17 nicht. Sie nehmen dabei ausdrücklich Bezug auf die vorangegangenen Fortdauerbeschlüsse des Landgerichts Köln vom 8. Juli 2016 und des Oberlandesgerichts Köln vom 22. September 2016. Diese setzten sich bereits mit der Frage auseinander, ob bei dem Beschwerdeführer die Voraussetzungen der Unterbringung im Sinne von § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB weggefallen seien und welche Bedeutung diesbezüglich dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. aus dem Februar 2016 zukomme. Das Landgericht Köln stellte dabei in Rechnung, dass eine Hebephilie erst dann den Grad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB erreicht, wenn sie einer krankhaften seelischen Störung gleichkommt und Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Betroffenen vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen. Hierzu hatte das Landgericht Prof. Dr. F. sowie die behandelnden Ärzte mündlich angehört und diese zu dem zentralen Element der Dranghaftigkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers befragt. Auf dieser Grundlage kamen die Gerichte in den Beschlüssen vom 8. Juli und 23. September 2016 im Gegensatz zu dem Sachverständigen Prof. Dr. F. zu dem Ergebnis, dass bei dem Beschwerdeführer weiterhin eine schwere andere seelische Abartigkeit vorliege. Zur Begründung dieser Feststellung nahmen sie Bezug auf die vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen und verwiesen auf die durch die fehlende Exploration des Beschwerdeführers schwächere Bewertungsgrundlage des Gutachtens von Prof. Dr. F. Dies habe der Sachverständige selbst in seinem Gutachten sowie in der mündlichen Anhörung mehrfach betont. Ferner bezogen sie sich auf die in der mündlichen Anhörung deutlich gewordene Bandbreite der Interpretationsspielräume bezüglich des Verhaltens des Beschwerdeführers. Außerdem habe sich die Sachlage seit der Einweisung nicht entscheidend geändert; es gebe keinen Anhaltspunkt für eine Anerkennung oder Auseinandersetzung des Beschwerdeführers mit seiner Persönlichkeitsstörung. Die hohe Gefahr künftiger sexueller Missbrauchshandlungen an Kindern bestehe fort, woran auch Prof. Dr. F. keinen Zweifel habe. Ergänzend betonte das Oberlandesgericht im Beschluss vom 22. September 2016 den fließenden Übergang zwischen einer Persönlichkeitsakzentuierung und einer Persönlichkeitsstörung im Sinne des § 20 StGB. Insgesamt könne daher ein Wegfall der Unterbringungsvoraussetzungen beim Beschwerdeführer nicht festgestellt werden.

Davon ausgehend verweisen die Gerichte in den angegriffenen Beschlüssen des Verfahrens 2 BvR 2473/17 darauf, dass keine neuen Tatsachen ersichtlich seien, die Veranlassung zu einer Abweichung von den Feststellungen in den vorangegangenen und in Bezug genommenen Fortdauerbeschlüssen aus dem Jahr 2016 oder zur Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens gäben.

(cc) Verfassungsrechtlich ist hiergegen nichts zu erinnern. Die Gerichte haben damit ihrer Verpflichtung, die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. zur Kenntnis zu nehmen und sich mit diesen auseinanderzusetzen, genügt. Sie sind an dessen Bewertungen jedoch nicht gebunden. Vielmehr haben sie selbstständig zu beurteilen, ob die der Unterbringung des Beschwerdeführers zugrundeliegende „schwere andere seelische Abartigkeit“ entfallen ist (vgl. BVerfGE 70, 297 <310>; 109, 133 <164>). Dem haben sie durch die Bezugnahme auf die vorangegangenen Fortdauerbeschlüsse Rechnung getragen. Soweit sie dabei von den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. abgewichen sind, haben sie das verfassungsrechtliche Erfordernis sorgfältiger Begründung (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Juli 2013 - 2 BvR 2957/12 -, Rn. 35; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. August 2017 - 2 BvR 1496/15 -, Rn. 30) beachtet.

(dd) Dem steht der Vortrag des Beschwerdeführers nicht entgegen. Warum die Gerichte gehindert sein sollen, auf die Vorgutachten und insbesondere das auf einer persönlichen Exploration des Beschwerdeführers beruhende Gutachten der Sachverständigen Dr. S. vom 8. Juni 2014 sowie die Stellungnahme der Vollzugsklinik vom 14. März 2014 zurückzugreifen, erschließt sich nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die den Gerichten vorbehaltene Entscheidung über das Vorliegen oder den Fortbestand einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ gemäß §§ 20, 21 StGB auf der Grundlage einer umfassenden Berücksichtigung sämtlicher im Vollstreckungsverfahren getroffener Feststellungen zu erfolgen hat.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass es vorliegend an einer ausreichenden Sachgrundlage für die zu treffende Fortdauerentscheidung fehlt. Der Beschwerdeführer lässt insoweit insbesondere außer Betracht, dass auch der Sachverständige Prof. Dr. F. vom Vorliegen einer Hebephilie sowie einer hohen Gefahr weiterer Missbrauchshandlungen des Beschwerdeführers an Kindern ausgeht. Lediglich die Frage der Dranghaftigkeit beurteilt er anders als die Sachverständige Dr. S.

Dass die Gerichte dieser Beurteilung unter Hinweis auf den Zeitraum, die Umstände und die Häufigkeit der Anlassdelikte nicht gefolgt sind, erscheint nachvollziehbar und ist jedenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich.

Auch bestand für die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens keine Veranlassung, da nicht erkennbar ist, welcher Erkenntnisgewinn hierdurch hätte erzielt werden können. Die tatsächliche Grundlage für die Entscheidung über den Fortbestand einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ war geklärt und von der Befragung eines weiteren Sachverständigen keine zusätzliche Aufklärung zu erwarten. Schließlich kann auch der Hinweis des Beschwerdeführers, die Sachverständige Dr. S. habe ihrerseits das Vorliegen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit nicht ausdrücklich festgestellt, dahinstehen, da hierüber durch die Vollstreckungsgerichte selbstständig zu entscheiden ist.

(b) Auch die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in den im Verfahren 2 BvR 2696/18 angegriffenen Beschlüssen begegnet im Ergebnis keinen durchgreifenden verfassungsgerichtlichen Bedenken.

Soweit der Beschwerdeführer diesbezüglich seine bereits im Verfahren 2 BvR 2473/17 erhobenen Einwände lediglich wiederholt, kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Soweit er sich darüber hinaus dagegen wendet, dass die Gerichte die Fortdauerentscheidung ergänzend auf das eingeholte Gutachten des Sachverständigen S. vom 8. Juli 2018 und die Stellungnahme der Unterbringungseinrichtung vom 11. April 2018 gestützt haben, gehen die hiergegen erhobenen Einwände fehl:

Der Hinweis des Beschwerdeführers, das Gutachten des Sachverständigen S. sei zu einer Widerlegung der Einschätzungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. nicht geeignet, lässt bereits außer Betracht, dass aus den vorstehend dargelegten Gründen allein aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. F. vom 29. Februar 2016 für das Gericht keine Notwendigkeit bestand, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Umstände, die geeignet wären, eine hiervon abweichende Beurteilung zu rechtfertigen, trägt der Beschwerdeführer nicht vor.

Ebenso erschließt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht, aus welchem Grund bei der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung das Gutachten des Sachverständigen S. hätte außer Betracht bleiben müssen. Seiner Berücksichtigung steht insbesondere nicht entgegen, dass der Sachverständige auch den Fund kinderpornographischer Bilder beim Beschwerdeführer im Jahr 2014 in die Begutachtung einbezogen hat. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers liegt darin kein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung. Ungeachtet des Umstands, dass das diesbezügliche Strafverfahren mittlerweile rechtskräftig abgeschlossen ist, verkennt der Beschwerdeführer, dass es den Vollstreckungsgerichten nicht verwehrt ist, im Rahmen der von ihnen zu treffenden Prognoseentscheidungen ein die Rechtsordnung möglicherweise verletzendes Verhalten des Betroffenen zu berücksichtigen, wenn und soweit der Anknüpfungspunkt das Verhalten als solches und nicht dessen strafrechtlicher Gehalt ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Juni 2005 - 2 BvR 841/05 -, Rn. 5 m.w.N.). Bedenken gegen die Einbeziehung des Fundes kinderpornographischer Bilder im Jahr 2014 in die sachverständige Begutachtung des Beschwerdeführers bestehen daher nicht.

Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, der Sachverständige S. widerlege die Aussagen des Sachverständigen Prof. Dr. F. nicht und beschränke sich hinsichtlich der Feststellung des Vorliegens einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ darauf, sich der Auffassung des Oberlandesgerichts anzuschließen, verkennt er, dass die Entscheidung über das Vorliegen oder den Wegfall der Unterbringungsvoraussetzungen den Vollstreckungsgerichten vorbehalten ist. Außerdem hat der Sachverständige S. lediglich ausgeführt, dass sich für ihn nicht erschließt, wie der Sachverständige Prof. Dr. F. ohne persönliche Exploration des Beschwerdeführers zu der Auffassung gelangen konnte, dass bei diesem eine schwere andere seelische Abartigkeit nicht vorliege. In diesem Zusammenhang schließt er sich der Auffassung des Oberlandesgerichts an, dass die den Akten zu entnehmenden Informationen, ein Antrag des Beschwerdeführers auf Prostituiertenbesuch und dessen Behauptung befriedigender Beziehung zu Frauen als Beleg für das Fehlen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit nicht genügten. Verfassungsrechtliche Einwendungen gegen die gerichtliche Verwertbarkeit des Gutachtens des Sachverständigen S. ergeben sich hieraus nicht.

(3) Insgesamt erschließt sich daher aus dem Vortrag des Beschwerdeführers nicht, dass die angegriffenen Beschlüsse das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung verletzten. Die Verfassungsbeschwerden sind nicht hinreichend substantiiert und konnten daher nicht zur Entscheidung angenommen werden.

2. Für die Überprüfung sonstiger, vom Beschwerdeführer nicht gerügter verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die angegriffenen Beschlüsse war daher gemäß dem Grundsatz materieller Subsidiarität (vgl. BVerfGE 73, 322 <325>; 81, 22 <27>; 95, 163 <171> stRspr) kein Raum. Es muss demgemäß dahinstehen, ob die angegriffenen Beschlüsse angesichts der Dauer der Unterbringung den verfassungsrechtlichen Begründungsanforderungen insbesondere hinsichtlich der Bestimmung der Art und des Grades der Wahrscheinlichkeit künftig vom Beschwerdeführer zu erwartender Straftaten (vgl. BVerfGE 70, 297 <314 ff.>) genügen.

Dem könnte entgegenstehen, dass in den im Verfahren 2 BvR 2473/17 angegriffenen Beschlüssen das Landgericht lediglich eine „hohe Gefahr künftiger sexueller Missbrauchshandlungen an Kindern“ beziehungsweise „erheblicher rechtswidriger, vor allem gegen die Möglichkeit zur Entwicklung freier sexueller Selbstbestimmung von Kindern gerichteter Taten“ festgestellt und das Oberlandesgericht diesbezüglich auf eigenständige Ausführungen verzichtet hat. Auch in dem Verfahren 2 BvR 2696/18 beschränkt das Landgericht sich in seinem Beschluss vom 24. August 2018 auf die Feststellung, dass im Falle einer Entlassung des Beschwerdeführers „mit hoher Wahrscheinlichkeit mit sexuellen Missbrauchsdelikten zum Nachteil von Mädchen im Alter von etwa 12 Jahren“ gerechnet werden müsse. Das Oberlandesgericht geht demgegenüber in seinem Beschluss vom 19. November 2018 davon aus, dass „mit hoher Wahrscheinlichkeit mit sexuellen Gewaltdelikten gegen pubertierende Mädchen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren“ zu rechnen sei. Da der sexuelle Missbrauch von Kindern gemäß § 176 StGB aber eine breite Palette von Straftaten mit einem Strafrahmen von 6 Monaten bis 10 Jahren Freiheitsstrafe umfasst, bleibt letztlich unklar, welche konkreten rechtswidrigen Delikte nach Auffassung der Gerichte vom Beschwerdeführer zu erwarten sind. Ob demgegenüber die bloße unkommentierte Wiedergabe der Ausführungen des Sachverständigen S. im Beschluss des Landgerichts, wonach ein hohes Risiko für die Begehung weiterer Straftaten im Sinne der Anlassdelinquenz besteht, und der nicht näher begründete Hinweis auf „sexuelle Gewaltdelikte“ im Beschluss des Oberlandesgerichts eine andere Einschätzung rechtfertigen, erschließt sich nicht ohne Weiteres. Ebenso erscheint fraglich, ob die Gerichte sich mit weiteren Einzelheiten des vorliegenden Falles (z.B. Berücksichtigung der im Strafverfahren wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften erstatteten Gutachten, Entwicklung der Therapie- und Explorationsbereitschaft, Lockerungsmaßnahmen) hinreichend auseinandergesetzt haben. Daher bestehen erhebliche Bedenken, ob in den angegriffenen Beschlüssen die Abwägung zwischen dem Freiheitsrecht des Beschwerdeführers und den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht. Für deren abschließende Entscheidung war aber aus Gründen der materiellen Subsidiarität kein Raum.

3. Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt … abgelehnt (vgl. §§ 114, 121 ZPO).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1319

Bearbeiter: Holger Mann