HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juli 2018
19. Jahrgang
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V. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

564. BGH 2 StR 416/16 - Urteil vom 14. März 2018 (LG Köln)

Strafzumessung (Berücksichtigung von Organisationsmängeln in Unternehmen; Darlegung der für die Strafe bestimmenden Gründe in den schriftlichen Urteilsgründen; keine Anwendung der Grundsätze bezüglich der Bedeutung des Hinterziehungsbetrages bei der Steuerhinterziehung auf die Untreue); Auskünfte und Prüfungen nach dem Kreditwesengesetz (Schutzrichtung des staatlichen Auskunftsrechts).

§ 46 Abs. 1 StGB; § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB; § 266 StGB; § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO; § 44 Abs. 1 Satz 1 KWG

1. Die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof in Fällen der Steuerhinterziehung bezüglich der Bedeutung des Hinterziehungsbetrages entwickelt hat, sind auf Fälle der Untreue nicht in gleicher Weise anzuwenden.

2. Zwar ist nicht zu verkennen, dass bei der Untreue und sonstigen Straftaten, die sich gegen fremdes Vermögen richten, die Höhe des verursachten Schadens regelmäßig den Unrechtsgehalt der Tat wesentlich prägt und als bestimmender Grund in die Strafzumessungserwägungen des Tatgerichts einzustellen. Jedoch verlieren hierdurch gesetzlich geregelten allgemeinen Grundsätze der Strafzumessung nicht ihre Bedeutung. Danach ist die individuelle Schuld des Täters Grundlage der Zumessung der Strafe, bei der nach der gesetzgeberischen Wertung die für und gegen den Täter sprechenden Umstände gegeneinander abgewogen werden sollen. Mit diesen auf eine

Gesamtbewertung aller für die Strafzumessung wesentlichen Umstände durch das Tatgericht abstellenden, für das System des Strafzumessungsrechts essentiellen Grundsätzen ist eine Bewertung nicht vereinbar, die sich so stark an einem durch das Revisionsgericht vorgegebenen Schadensbetrag und damit an einem einzelnen Strafzumessungsgesichtspunkt orientiert, dass sie im Wesentlichen allein von diesem die Wahl der Strafart oder eine bestimmte Höhe einer festzusetzenden Freiheitsstrafe abhängig macht.

3. Organisationsmängel in einem Unternehmen oder einer Gesellschaft können strafmildernd wirken, wenn dadurch ein Täter in die Lage versetzt wird, sein Vorhaben ohne die an sich vorgesehene und gebotene Kontrolle umzusetzen. Fehlt es insoweit an der verkehrsüblichen Aufsicht, ist dies ein für den Täter sprechender Umstand.

4. Eine sorgfältige Planung und vor der eigentlichen Tat unternommene Verschleierungshandlungen können grundsätzlich bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten gewertet werden, denn sie können Ausdruck des bei der Tat aufgewendeten Willens sein.

5. Auch das Verhalten des Täters nach der Tat ist grundsätzlich ein Umstand, der bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden kann. Insoweit können Verschleierungshandlungen, sofern in ihnen nicht nur der Versuch zum Ausdruck kommt, sich der Strafverfolgung zu entziehen, sondern sich darin eine rechtsfeindliche Gesinnung des Täters dokumentiert oder neues Unrecht geschaffen wird, geeignet sein, eine Strafschärfung zu begründen.

6. Schutzrichtung des staatlichen Auskunftsrechts aus § 44 Abs. 1 Satz 1 KWG ist nicht das Vermögensinteresse der Bank. Vielmehr sollen Auskunft und dadurch ermöglichte Aufsicht das Entstehen von Schäden im Kreditwesen und von Verlusten der Institutsgläubiger verhindern, mithin vorwiegend gefahrenabwehrend zugunsten der Gesamtwirtschaft wirken. Der gesetzlich geregelte Mechanismus schützt somit lediglich als Reflex auch das Vermögen der geschädigten Bank selbst. Vor diesem Hintergrund stellt auch seine nach der Tat durch die unzureichenden Auskünfte bewirkte Umgehung jedenfalls keinen bestimmenden Strafzumessungsgrund dar.


Entscheidung

566. BGH 2 StR 529/16 - Urteil vom 18. Oktober 2017 (LG Meiningen)

Beschränkung von Rechtsmitteln (Widerspruch zwischen Revisionsantrag und Revisionsbegründung); Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (Grundsätze revisionsgerichtlicher Überprüfbarkeit); Vorteilsgewährung (Voraussetzungen einer Unrechtsvereinbarung).

Nr. 156 Abs. 2 RiStBV; § 261 StPO; § 333 Abs. 1 StGB

1. Die für eine Vorteilsgewährung erforderliche Unrechtsvereinbarung setzt voraus, dass der Vorteilsgeber mit dem Ziel handelt, auf eine künftige Dienstausübung des Amtsträgers Einfluss zu nehmen und/oder seine vergangene Dienstausübung zu honorieren. Dies setzt naturgemäß voraus, dass er eine hinreichende Vorstellung von der Amtsträgereigenschaft des Vorteilsnehmers hat.

2. Ob in diesem Sinne eine Unrechtsvereinbarung vorliegt, ist Tatfrage und unterliegt der wertenden Beurteilung des Tatgerichts, die regelmäßig im Wege einer Gesamtschau aller in Betracht kommenden Indizien zu erfolgen hat. Als mögliche Indizien für oder gegen das Ziel, mit dem Vorteil auf die künftige Dienstausübung Einfluss zu nehmen oder die vergangene Dienstausübung zu honorieren, fließen neben der Plausibilität einer anderen – behaupteten oder sonst in Betracht kommenden – Zielsetzung in die wertende Beurteilung namentlich ein: die Stellung des Amtsträgers und die Beziehung des Vorteilsgebers zu dessen dienstlichen Aufgaben, die Vorgehensweise bei dem Angebot, dem Versprechen oder dem Gewähren von Vorteilen sowie die Art, der Wert und die Zahl solcher Vorteile. So können dienstliche Berührungspunkte zwischen Vorteilsgeber und Amtsträger ebenso in ausschlaggebender Weise für eine Unrechtsvereinbarung sprechen, wie die Heimlichkeit des Vorgehens. Dies ist in einer Gesamtschau aller Indizien zu würdigen.

3. Widersprechen sich der Revisionsantrag und der Inhalt der Revisionsbegründung, ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln.