HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

November 2011
12. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Zur Strafbarkeit der Verschleierung von Sanktionsansprüchen als Umsatzsteuerhinterziehung

Der Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16.06.2011 (2 BvR 542/09) = HRRS 2011 Nr. 1128

Von wiss. Mitarbeiter und RA Dr. Jens Bülte, Universität Heidelberg

Der Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG vom 16.06.2011[1] stellt einen weiteren Baustein in der Judikatur zur Umsatzsteuerhinterziehung im Kontext der Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen nach § 4 Nr. 1a, § 6a UStG dar. Hier hatte sich in der Rechtsprechung und Literatur eine heftige Kontroverse entwickelt, die durch eine Entscheidung des 1. Strafsenats des BGH[2] entzündet worden ist und in der Zwischenzeit auch den BFH, den EuGH und das BVerfG[3] beschäftigt hat.

1. Steuerrechtlicher Kontext der Entscheidung des BVerfG

Im Fokus der Betrachtung stand bis zur Entscheidung der Großen Kammer des EuGH vom 07.12.2010 die Frage, ob die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung versagt werden darf, wenn ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens zwar tatsächlich eine Lieferung von Waren oder Leistungen von einem Mitgliedstaat in einen anderen durchführt, dabei aber Kenntnis davon hat, dass der Empfänger die im Bestimmungsland anfallende Umsatzsteuer nicht abführen wird.

Diese Frage war in der Rechtsprechung zunächst unterschiedlich beantwortet worden. Der wesentliche Streitpunkt zwischen den Strafgerichten[4] und der Finanzgerichtsbarkeit [5] war ein steuerrechtlicher, nämlich die Frage, ob dem Unternehmer, der objektiv eine innergemeinschaftliche und damit grundsätzlich nach §§ 4 Nr. 1b, 6a UStG steuerbefreite Lieferung durchführt, diese Steuerbefreiung verwehrt werden darf, weil er durch im Kontext der Lieferung begangene Verschleierungshandlungen wie Scheinrechnungen dabei mitgewirkt hat, dass der Empfänger im Bestimmungsland sich der Erwerbsbesteuerung der Lieferung in krimineller Weise entziehen kann.[6] Der BGH hatte sich in der Entscheidung vom 22.11.2008[7] auf das gemeinschaftsrechtliche Missbrauchsverbot berufen und eine Versagung der Steuerbefreiung angenommen, um so die Strafbarkeit der Geltendmachung der Steuerfreiheit für die entsprechende Lieferung als Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO zu begründen. Die zu Haftstrafen Verurteilten hatten einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim BVerfG gestellt. Der begehrte Vollstreckungsschutz wurde durch Beschluss vom 23.07.2009 mit der Begründung gewährt, eine Verletzung des Art. 103 Abs. 2 GG durch die Entscheidungen des BGH könne nicht von vornherein ausgeschlossen werden.[8]

Damit ergaben sich im vorliegenden Kontext zunächst zwei Problemkreise: Zum einen musste die Frage erörtert werden, ob das Gemeinschaftsrecht eine Versagung der Steuerbefreiung trotz Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen im Hinblick auf das Missbrauchsverbot überhaupt zulässt. Diese Frage hat der EuGH zumindest für den Fall der aktiven und gezielten Mitwirkung des Lieferanten an der ausländischen Umsatzsteuerhinterziehung in dem Urteil der Großen Kammer vom 07.12.2009[9] zu

Recht bejaht[10] und insofern die Auffassung des BGH[11] bestätigt.

Zum anderen stand die vom BVerfG aufgeworfene verfassungsrechtliche Frage im Raum, ob die vom BGH vorgenommene Auslegung des § 6a UStG mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar ist. Hierauf gibt der Beschluss vom 16.06.2011 nun die Antwort der 1. Kammer des Zweiten Senats: Durch die Entscheidungen des BGH vom 22.11.2008 und 19.02.2009 sei Art. 103 Abs. 2 GG nicht verletzt. Die Ausführungen der Kammer bedürfen jedoch der Erörterung, um die verfassungsrechtlichen Fragen, die durch die Entscheidung lediglich angedeutet werden, näher zu beleuchten. Hier ist es notwendig, den europarechtlichen Kontext der Umsatzsteuerhinterziehung einzubeziehen, um die hier relevanten Fragen zutreffend einordnen zu können.

2. Strafrechtliches Analogieverbot: Teleologische Reduktion eines Steuerbefreiungstatbestandes

In ihrer Entscheidung über den vorläufigen Rechtsschutz hatte sich die nun erkennende Kammer auf die Feststellung beschränkt, eine Verletzung der strafrechtlichen Garantien des Art. 103 Abs. 2 GG durch die Entscheidungen des BGH sei "nicht von vornherein ausgeschlossen". Diese Andeutung einer Verfassungswidrigkeit der Auslegung von § 6a UStG im vorliegenden Kontext durch den BGH wurde nun durch den Beschluss vom 16.06.2011 beseitigt.

a) Ablehnung eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG durch das Bundesverfassungsgericht

Das BVerfG setzt sich insofern ausschließlich mit dem Aspekt des strafrechtlichen Analogieverbots auseinander. Dass die Kammer diesen Passus mit dem Zitat des Art. 103 Abs. 2 GG einleitet und daher auch von der hinreichenden Bestimmtheit des Strafgesetzes die Rede ist, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die relevanten Ausführungen des Gerichts (Rn. 58–64) ausschließlich mit dem Analogieverbot auseinandersetzen. Auch die späteren Ausführungen der Kammer, in denen die Problematik des Vertrauendürfens in die steuerrechtliche Rechtslage angesprochen wird (Rn. 67 ff.), betreffen nicht unmittelbar die verfassungsrechtliche Bestimmtheit der Strafnorm, sondern die Bedeutung von § 17 StGB.[12]

Die Analogieproblematik ergibt sich daraus, dass der BGH mit dem Missbrauchsverbot möglicherweise ein zusätzliches negatives Tatbestandsmerkmal in den § 6a UStG hineingelesen und damit den Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift entgegen dem Gesetzeswortlaut eingeschränkt hat.[13] Der 1. Senat verstand die Tatbestandsvoraussetzung, die Lieferung müsse "den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen", wohl dahingehend, dass die konkrete Lieferung faktisch der Umsatzbesteuerung unterworfen sein müsse. Dies sei dann nicht der Fall, wenn die Besteuerung des Erwerbsvorgangs gezielt umgangen werden solle.[14] Die Kritik in der Literatur, eine solche Auslegung sei vom Wortlaut des § 6a UStG nicht gedeckt und beinhalte daher einen Verstoß gegen das strafrechtliche Analogieverbot,[15] hat die Kammer mit dem Hinweis zurückgewiesen, man könne das Tatbestandsmerkmal des Unterliegens zwar in der Weise verstehen, dass die Lieferung lediglich rechtlich in den Anwendungsbereich der Vorschriften über die Umsatzbesteuerung fallen müsse, also "dass lediglich die Existenz entsprechender Vorschriften erforderlich" sei. Das Verständnis des BGH, dass "der Erwerb beim Abnehmer diesen Vorschriften auch tatsächlich unterworfen" werden müsse – das im Übrigen zu der gefestigten Judikatur des BFH,[16] die die Steuerbarkeit ausreichen lässt, in einem gewissen Widerspruch steht –, sei jedoch ebenso vom Wortlaut des § 6a UStG gedeckt (Rn. 60 f.). Zur Stützung dieser These zieht die Kammer die Systematik des Umsatzsteuergesetzes heran: § 4 Nr. 1 b UStG verweise auch auf § 6a Abs. 3 UStG, woraus geschlossen werden könne, dass die Steuerbefreiung auch von der Erfüllung der Nachweispflichten abhänge. Zumindest könne die Steuerbefreiung dann nicht eingreifen, wenn die Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland unterlaufen werde (Rn. 63).

b) Zur Tragfähigkeit der systematischen Argumentation

Diese systematischen Ausführungen des BVerfG beinhalten jedoch einen gewissen Widerspruch zum Colleé-Urteil[17] des EuGH. In dieser Entscheidung wurde klargestellt, dass die umsatzsteuerrechtlichen Nachweispflichten des nationalen Rechts keinesfalls als materielle Voraussetzung der Gewährung einer Steuerbefreiung angesehen werden dürfen.[18] Ist die Erbringung des Nachweises jedoch allein formelle Voraussetzung der Steuerbefreiung, so wird nicht deutlich, inwiefern der Verweis des § 4 Nr. 1b UStG auf den gesamten § 6a UStG und damit auch auf die rein formellen Beweisregeln materiell-systematische Bedeutung haben soll. Zudem überzeugt das Argument, § 4 Nr. 1b UStG verweise nicht nur auf § 6a Abs. 1 UStG, sondern auch auf dessen Absatz 3, deswegen nicht, weil dieser Schluss zu kurz greift: In § 4

Nr. 1b UStG heißt es gerade nicht, dass die Steuerfreiheit vorliegt, wenn der Tatbestand des § 6a UStG erfüllt ist, sondern dass "die innergemeinschaftliche Lieferung (§ 6a)" steuerfrei ist. Der Begriff der innergemeinschaftlichen Lieferung ist ausschließlich in § 6a Abs. 1 UStG definiert. Dies spricht dafür, dass sich der Verweis des § 4 Nr. 1b UStG allein auf diese Definition in § 6a UStG bezieht. Dementsprechend ist auch der Rückverweis in § 6a Abs. 1 UStG gestaltet. Dort heißt es: "Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nr. 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn…". Insofern überzeugt die systematische Argumentation der Kammer nicht.

Ferner erschöpft sich die Begründung des BVerfG dafür, dass keine Überschreitung des Gesetzeswortlauts und damit keine Verletzung des Art. 103 Abs. 2 GG durch die Auslegung des BGH gegeben sei, in der Aussage, das dort zugrunde gelegte Verständnis sei möglich. Einer etymologischen oder semantischen Begründung[19] enthält sich die Kammer. Dies erscheint zur Klärung dieser grundlegenden Frage im Hinblick auf die Kritik aus der Literatur[20] zu wenig. Schließlich stellt die Kammer fest, dass die Auslegung des BGH, der zwischenzeitlich erfolgten verbindlichen Auslegung der zur Tatzeit geltenden gemeinschaftsrechtlichen Regelungen durch den EuGH entspreche. Diese Feststellung greift insofern zu kurz, als der BGH die Auslegung eines deutschen Straftatbestandes vorgenommen hat, während der EuGH eine Frage des europäischen Mehrwehrtsteuerrechts zu beantworten hatte. Die Auslegung durch den EuGH hatte der BGH fraglos zugrunde zu legen, musste und durfte sie aber nicht unkritisch in das deutsche Steuerstrafrecht transferieren.

c) "Steuerlich erheblich" als Blankettverweisung

Diese Monita bedeuten noch nicht zwingend, dass die Entscheidung des BGH und damit auch des BVerfG im Ergebnis unzutreffend sind. Denn die Problematik der verfassungsrechtlich unzulässigen Wortlautüberschreitung lässt sich vermeiden, wenn man der herrschenden Lehre folgt, die § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht – wie die Kammer (Rn. 59) – als Blankettstraftatbestand, sondern das Merkmal der steuerlichen Erheblichkeit in dieser Vorschrift als rechtsnormatives Tatbestandsmerkmal ansieht.[21] In diesem Fall würde nämlich nach herrschender Meinung das strafrechtliche Analogieverbot zwar für den Straftatbestand selbst gelten, jedoch müsste die Auslegung des außerstrafrechtlichen Merkmals steuerliche Erheblichkeit nach rein steuerrechtlichen Maßstäben erfolgen.[22] Wird die Gewährung der Steuerbefreiung in steuerrechtlicher Hinsicht, die nicht in dieser strengen Weise an ein Analogieverbot gebunden ist, mit Blick auf das europäische Recht abgelehnt, so hat das grundsätzlich zur Folge, dass diese steuerrechtliche Bewertung auch für das Strafrecht verbindlich ist.[23] Denn der Straftatbestand übernimmt mit dem rechtsnormativen Tatbestandsmerkmal, vorbehaltlich der Verletzung anderer strafrechtlicher Garantien, die außerstrafrechtliche Wertung. Anders als bei einem Blankettstraftatbestand, bei dem die außerstrafrechtliche Bezugsvorschrift als Teil der Strafvorschrift zu behandeln ist,[24] wird das rechtsnormative Tatbestandsmerkmal durch die außerstrafrechtliche Wertung ausgefüllt.[25]

Wäre die Kammer daher der Auffassung der Lehre gefolgt und hätte § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO im Hinblick auf das Merkmal der steuerlichen Erheblichkeit als rechtsnormatives Tatbestandsmerkmal verstanden, so hätte die Ausfüllung des Straftatbestandes über die steuerrechtliche Wertung keinen

Verstoß gegen das strafrechtliche Analogieverbot bedeutet.[26] Doch die Kammer hat sich gegen diesen Weg entschieden und hat die in der jüngeren Judikatur des BVerfG bisweilen offen gelassene Frage nach der Natur der steuerlichen Erheblichkeit[27] mit der Feststellung entschieden, § 370 Abs. 1 AO sei eine Blankettstrafvorschrift,[28] ohne hieraus die Konsequenzen im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG zu ziehen. Vor dem Hintergrund der weit reichenden Konsequenzen einer Bewertung als Blankettverweisung oder rechtsnormatives Tatbestandsmerkmal gewinnt die von Rönnau im Kontext des § 266 StGB geäußerte Auffassung, eine formale Abgrenzung werde "der fundamentalen Bedeutung des verfassungsrechtlich garantierten Bestimmtheitsgebots nicht gerecht",[29] im steuerstrafrechtlichen Zusammenhang besonderes Gewicht.

3. Verfassungsrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz: Erkennbarkeit des Strafbarkeitsrisikos bei steuerlich unklarer Rechtslage

Die Entscheidung des BVerfG ist damit in der Begründung wenig überzeugend, steht aber im Ergebnis mit der wohl herrschenden Ansicht in Literatur und strafgerichtlicher Rechtsprechung im Einklang, dass die durch den BGH vorgenommene Auslegung des § 6a UStG keinen Verstoß gegen das strafrechtliche Analogieverbot darstellt. Damit ist jedoch die Frage nach einer Verletzung von Art. 103 Abs. 2 GG nicht abschließend beantwortet. Denn vor dem Hintergrund, dass ein heftiger Streit zwischen den Strafgerichten und der Finanzgerichtsbarkeit[30] ausgebrochen ist, ob die Steuerbefreiung zu gewähren ist, muss die weiter führende Frage gestellt werden, ob § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO in Verbindung mit dem im Lichte der Missbrauchsrechtsprechung des EuGH ausgelegten § 6a UStG eine hinreichend bestimmte Grundlage für die Verhängung von Strafsanktionen darstellt. Diese Problematik der hinreichenden Bestimmtheit hat zumindest die schriftliche Begründung des Beschlusses nicht im Blick.

a) Zur Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes

In der Literatur ist der Hinweis auf eine möglicherweise mangelnde Bestimmtheit der auf diese Weise geschaffenen "Strafvorschrift"[31] mit der Argumentation zurückgewiesen worden, der Gesetzgeber könne nicht jede kriminelle Denkweise voraussehen und dafür eine gesetzliche Regelung treffen, weil diese Anforderungen das Strafrecht überfrachten würden.[32] Außerdem sei den Verurteilten im konkreten Fall die Gefahr des Strafbarkeitsrisikos nachweisbar bewusst gewesen. Letzteres Argument kann wohl nur indizielle Wirkung haben, weil es für die Beurteilung einer hinreichenden Bestimmtheit der Strafvorschrift nicht auf die konkret-individuelle Bewertung im Einzelfall, sondern auf die Vorhersehbarkeit für den einzelnen Bürger ankommt.[33] Der Bestimmtheitsgrundsatz darf nicht mit dem individuellen Vorsatz oder dem Unrechtsbewusstsein in Zusammenhang gebracht werden. Das Bestimmtheitsgebot soll "Orientierungsgewissheit für den Bürger" schaffen, so dass die Erkennbarkeit nicht als "individualpsychologischer Befund, sondern als generalisierende Erkenntnismöglichkeit" anzusehen ist, "die durch die Objektivierung nicht frei von generalisierenden Elementen sein kann" .[34]

Das Bestimmtheitsgebot richtet sich grundsätzlich an den Gesetzgeber, und der Vorwurf der mangelnden Bestimmtheit kann den Normanwender nur dann treffen, wenn er eine Vorschrift zur Vervollständigung oder Ausfüllung einer Strafvorschrift heranzieht, die grundsätzlich nicht oder nicht typischerweise als Strafgesetz konzipiert ist. Wenn auf diese Weise das außerstrafrechtliche Gesetz zur Ausfüllung eines Strafgesetzes dient, ist das Ergebnis auch am strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz zu messen.[35] Zudem ist fraglich, ob sich die Verurteilten tatsächlich des strafrechtlichen Risikos oder nur der Gefahr einer steuerlichen Versagung der Befreiung bewusst gewesen sind. Aus der Entscheidung des BVerfG ergibt sich lediglich, dass sie Kopien aus einer Kommentierung des § 6a UStG mit Markierungen einschlägiger finanzgerichtlicher Entscheidungen aufbewahrt hatten. Auf diesen "individualpsychologischen Befund" kommt es jedoch im Ergebnis auch nicht an.

b) Zu den Kriterien der Bestimmtheit

Für die Frage der hinreichenden Bestimmtheit ist letztlich entscheidend, ob die Strafbarkeit objektiv so klar erkennbar war, dass die Verurteilten ihr Verhalten nach diesem Appell des Strafrechts ausrichten konnten. Ob sie objektiv damit rechnen mussten, dass ihre Lieferungen steuerrechtlich anerkannt würden, ist nur dann entscheidend, wenn man im Hinblick auf die Bestimmtheit der Blankettvorschrift oder des normativen Tatbestandsmerkmals im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG die Erkennbarkeit der Möglichkeit ausreichen lässt, dass eine steuerrechtliche Konstruktion zwar von den Finanzgerichten anerkannt, von der grundsätzlich unabhängig entscheidenden Strafgerichtsbarkeit und letztlich auch vom EuGH aber abgelehnt wird. Ein solches Verständnis des Bestimmtheitsgebots weicht diesen Verfassungsgrundsatz jedoch in erheblicher Weise auf und wälzt steuerrechtliche Rechtsunsicherheiten vollkommen auf den Steuerpflichtigen ab. Die in der Literatur vorgetragene Argumentation, die Verurteilten hätten gewusst, dass ihr Handeln nicht rechtmäßig sei,[36] vermischt konkretes Unrechtsbewusstsein und Bestimmtheit der Strafnorm im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG. Daher erörtert die Kammer diese Fragen auch völlig zu Recht im Kontext des Verbotsirrtums (Rn. 68).

Zwar stehen die vorgenannten Kriterien für die Bestimmtheit der Strafvorschrift wohl in formeller Übereinstimmung mit der verfassungsgerichtlichen Judikatur, die die Erkennbarkeit des Strafbarkeitsrisikos "in Grenzfällen" als ausreichend ansieht, um eine Strafvorschrift als hinreichend bestimmt zu bewerten.[37] Doch sollte nicht vernachlässigt werden, dass der Erste Senat des BVerfG in der ersten Sitzblockade-Entscheidung die Tragfähigkeit der Argumentation, dass ein Straftatbestand hinreichend bestimmt sei, wenn das Risiko der Strafbarkeit erkennbar sei, selbst ausdrücklich in Frage gestellt hat. Es heißt dort wörtlich:

"Die erforderliche Bestimmtheit ergibt sich auch nicht daraus, daß aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung zumindest das Risiko der Bestrafung erkennbar ist. Abgesehen von der Fragwürdigkeit dieses Arguments, demzufolge das Risiko der Bestrafung um so höher ist, je vager ein Straftatbestand formuliert wird, kann es bei der Bestimmtheitsprüfung jedenfalls nur in bezug auf die Norm, nicht auch in bezug auf ihre Auslegung herangezogen werden. Das Bundesverfassungsgericht wollte mit dem Verweis auf die Erkennbarkeit des Risikos dem Umstand Rechnung tragen, daß der Gesetzgeber auch im Strafrecht vor der Notwendigkeit steht, die Vielgestaltigkeit des Lebens in

generellen und abstrakten Normen einzufangen, und nur denjenigen Grad an tatbestandlicher Präzision aufbringen kann, den der Regelungsbereich zuläßt (vgl. BVerfGE 71, 108[115]). Insoweit hängt die verfassungsrechtlich verlangbare Bestimmtheit von der Möglichkeit der gesetzlichen Beschreibung des als strafwürdig angesehenen Verhaltens ab. Der Grundsatz kann aber nicht Auslegungen einer unvermeidlich vagen Strafnorm rechtfertigen, welche die Unbestimmtheit abermals erhöhen und sich damit noch weiter vom Ziel des Art. 103 Abs. 2 GG entfernen." [38]

c) Zur Bestimmtheit des Straftatbestandes der Steuerhinterziehung im konkreten Entscheidungskontext

Dem Gesetzgeber wäre es jedoch im hier relevanten Kontext möglich gewesen, eine Ausnahmeklausel in den § 6a UStG aufzunehmen, die die Gewährung der Steuerbefreiung versagt, soweit der Lieferant aktiv an der Begehung einer Hinterziehung ausländischen Erwerbsbesteuerung mitwirkt. Daher scheidet eine Berufung auf die Erkennbarkeit des Risikos der Strafbarkeit zur Begründung der Bestimmtheit der aus §§ 370 Abs. 1 AO und der Nichtanwendung von § 6a UStG unter Berücksichtigung der Grundsätze des europäischen Missbrauchsverbots gebildeten Strafvorschrift wohl aus. Es handelt sich hier nicht um einen Grenzfall in dem Sinne, wie die oben zitierte Judikatur des BVerfG diesen Begriff versteht. Gesetzgeber und Rechtsanwender können sich hier nicht auf eine mangelnde Formulierbarkeit der Strafvorschrift, die eine hinreichende Bestimmtheit hindern könnte, berufen.

Zudem sollte in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden, dass hier allein aus dem Erkennen-Können der steuerrechtlichen Bewertung, also der Möglichkeit der zutreffenden Auslegung steuerrechtlicher Normen, die hinreichende Bestimmtheit der Strafvorschrift gefolgert werden müsste. Vor dem Hintergrund, dass die Rechtsprechung des BVerfG – die eine Norm, deren Strafbarkeitsrisiko erkennbar ist, als hinreichend bestimmt ansieht – in der Literatur mit guten Gründen angegriffen worden ist,[39] ist eine solche Steigerung der Ungewissheit besonders bedenklich.

Schließlich muss berücksichtigt werden, dass die Fallgestaltungen, in denen das BVerfG bislang die Erkennbarkeit des Risikos einer Strafbarkeit hat ausreichen lassen, um die Sanktionsvorschrift als hinreichend bestimmt anzusehen, keine Fälle schwerer Kriminalität waren. Es handelte sich nicht wie bei § 370 AO um Strafdrohungen von fünf Jahren Freiheitsstrafe oder sogar mehr (§ 370 Abs. 3 AO), sondern um § 131 StGB, der eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr androht,[40] sowie um einen Bußgeldtatbestand aus § 15 BAZG.[41]

4. Europarechtliche Implikationen: Versagung der Steuerbefreiung als Sanktionsmaßnahme und das strafrechtliche Analogieverbot

Im Hinblick auf den hier erhobenen Vorwurf der mangelnden Bestimmtheit muss eingeräumt werden, dass die Große Kammer des EuGH offensichtlich davon ausgegangen ist, dass § 6a UStG als Ausformung der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen des Art. 28c Teil A lit. a der damals noch geltenden Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG eine hinreichend bestimmte Grundlage zur Verhängung einer Sanktion bildet. Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung mehrfach betont, dass die Verhängung einer Sanktion einer "klaren und unzweideutigen Rechtsgrundlage" bedürfe. Der Rechtsunterworfene müsse "anhand des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung und nötigenfalls mit Hilfe ihrer Auslegung durch die Gerichte erkennen" können, "welche Handlungen und Unterlassungen seine strafrechtliche Verantwortung begründen". [42]

a) Versagung der Umsatzsteuerbefreiung als Sanktion

Zu den Sanktionen zählt die Große Kammer ausweislich ihrer Entscheidung vom 7.12.2010 auch die Versagung der Steuerbefreiung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, weil sie eine finanziell nachteilige Wirkung für den Steuerpflichtigen hat und sich hierbei nicht lediglich in der Rückzahlung eines gewährten Fiskalvorteils erschöpft; es handelt sich um eine abschreckende Verwaltungssanktion.[43] Dem Steuerpflichtigen wird aufgrund seines Fehlverhaltens und seiner Verwicklung in kriminelle Machenschaften und wegen Handlungen, die die Lieferung als solche nicht unmittelbar berühren, sondern sie flankieren, der ihm grundsätzlich zustehende Steuervorteil verwehrt. Entsprechend hat der EuGH bereits anderweitig entschieden, dass eine "zusätzliche Steuerschuld", die dem Unternehmer aufgrund unrechtmäßig geltend gemachter Vorsteuern auferlegt werde, keine Steuer sondern eine Verwaltungssanktion.[44] Insofern ist zweifelhaft, ob eine solche Sanktion überhaupt die Steuerneutralität berühren kann.[45]

Damit, dass der EuGH nun die Versagung dieses Steuervorteils zulässt und sogar vorgibt, lässt er eine strafähnliche Sanktion zu und muss damit zwangsläufig davon ausgehen, dass die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen hinreichend klar und eindeutig sind, um diese Maßnahme zu rechtfertigen. Der EuGH sieht in der Auslegung und Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zu Sanktionszwecken also offensichtlich keinen

Verstoß gegen den europäischen Bestimmtheitsgrundsatz. Damit dürfte zumindest eine Verletzung grundrechtsgleicher Garantien nach dem Unionsrecht (Art. 49 Abs. 1 S. 1 GR-Charta) auszuschließen sein. Jedoch folgt daraus noch nicht zwangsläufig, dass eine verfassungsrechtlich hinreichende Bestimmtheit auch nach dem deutschen Verfassungsrecht anzunehmen ist. Denn in Bezug auf die Frage nach der Bestimmtheit der Strafvorschrift als Grundlage einer Kriminalsanktion in Form einer erheblichen Freiheitsstrafe sagt diese Feststellung vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips wenig aus, da die Bestimmtheit einer Sanktionsvorschrift nicht abstrakt-generell beurteilt werden kann, sondern nach der Judikatur des BVerfG stets in Relation zu den Rechtsfolgen bewertet werden muss: Je schwerer die drohenden Rechtsfolgen sind, desto strenger sind die Maßstäbe, die das Gesetzlichkeitsprinzip an die Rechtsgrundlage der Sanktion anlegen muss.[46]

b) Verfassungsrechtliches Folgeproblem: analoge Anwendung des § 370 Abs. 1 AO auf Sanktionen durch Ausweitung des Steuerbegriffs in § 3 Abs. 1 AO

Die Bewertung einer Versagung der Steuerbefreiung als Sanktion wirft ein weiteres Problem auf: Die nicht angegebenen und abgeführten Umsatzsteuern, die auf die Lieferungen angefallen sind, sind keine Steuern, sondern strafähnliche Sanktionen. Einfachgesetzlich und strafrechtsdogmatisch hat dies zur Folge, dass diese "Umsatzsteuer", die auf die innergemeinschaftlichen Lieferungen anfällt, nicht mehr vom Schutzbereich des § 370 AO erfasst ist. Demnach sind unrichtige Angaben des Steuerpflichtigen darüber, dass er an einer ausländischen Umsatzsteuerhinterziehung seine innergemeinschaftliche Lieferung betreffend bewusst mitgewirkt hat, nicht steuerlich erheblich, weil sie sich nicht auf den Steueranspruch auswirken können. Es besteht kein Anspruch auf die Leistung von Umsatzsteuern; durch die Mithilfe an der Auslandstat entsteht lediglich ein Anspruch auf Zahlung einer Fiskalsanktion in Höhe der auf die Lieferung anfallenden Umsatzsteuer.[47]

Zwar ist diese strafrechtliche Frage deswegen nicht vom Prüfungsumfang im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde erfasst, weil sie nicht unmittelbar die Verletzung von Verfassungsrecht betrifft. Dennoch ergibt sich hier die verfassungsrechtliche Problematik einer Überschreitung der Wortlautgrenze:[48] § 370 AO verwendet im Rahmen einer Blankettverweisung, für die Art. 103 Abs. 2 GG uneingeschränkt gilt, den Begriff der Steuer, der in § 3 Abs. 1 AO legaldefiniert ist. Danach sind "Steuern Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von steuerlichen Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein". Im Hinblick auf die Versagung der Steuerbefreiung zur Verhinderung eines Missbrauchs des europäischen Steuersystems ist die Frage zu stellen, ob die Erzielung von Einnahmen hier tatsächlich noch einen Nebenzweck der Maßnahmen darstellt. Diesbezügliche Zweifel ergeben sich daraus, dass die Große Kammer des EuGH in ihrer Entscheidung allein darauf abstellt, dass die Versagung der Steuerbefreiung dazu dient, Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und Steuermissbrauchshandlungen zu verhindern.[49] Die entsprechende Missbrauchsrechtsprechung des EuGH steht damit mit der Einnahmenerzielung nur insofern im Zusammenhang, als sie diese ermöglich will; sie dient mithin nur mittelbar der Einnahmenerzielung. Damit begründet die Sanktionsvorschrift keinen Steueranspruch und wird deshalb nicht durch den Begriff der Steuerverkürzung in Bezug genommen.

Die Strafbarkeitslücken, die sich aus dieser Auslegung ergeben, hat der Gesetzgeber wohl im Wesentlichen durch die Neufassung des § 370 Abs. 6 AO durch das Jahressteuergesetz 2010[50] beseitigt, wonach nunmehr auch die von anderen Mitgliedstaaten verwalteten EU-Umsatzsteuern taugliches Tatobjekt des § 370 Abs. 1 AO sind,[51] mag er dies auch nicht beabsichtigt haben.[52]

c) Verstoß gegen das Nemo-tenetur-Prinzip durch Sanktionierung einer "Hinterziehung" von Sanktionszahlungen?

Geht man ferner mit dem EuGH davon aus, dass es sich bei der Versagung der Steuerbefreiung um eine Sanktion handelt, so muss die Folgefrage gestellt werden, ob eine strafrechtliche Sanktionierung der Nichtoffenbarung der Sanktionsvoraussetzungen durch den Betroffenen gegen den Nemo-tenetur-Grundsatz verstößt und deswegen verfassungswidrig sein könnte.[53]

5. Fazit: Keine Steuerhinterziehung – Verschleierung der Voraussetzungen einer Sanktion

Die Entscheidung des BVerfG überzeugt letztlich weder im Ergebnis noch in der Begründung: Der Weg, den das BVerfG eingeschlagen hat, ist zwar im Hinblick auf die bisherige Judikatur des Gerichts und auch des BGH konsequent, setzt sich aber aufgrund seiner Prämisse, § 370 Abs. 1 AO beinhalte einen Blanketttatbestand, zumindest dem Monitum der unzureichenden Begründung, wenn nicht sogar der Zweifelhaftigkeit des Ergebnisses aus. Das von der Kammer gewünschte Ergebnis wäre auf anderem Wege besser zu begründen gewesen, nämlich wenn das Merkmal der steuerlichen Erheblichkeit in § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO als rechtsnormatives Tatbestandsmerkmal eingestuft worden wäre. Dann hätte sich das Gericht

mehr Argumentationsraum geschaffen und hätte dem Vorwurf, die Wortlautgrenze des § 6a UStG sei durch die Auslegung verletzt, entgehen können.

Mag man aber dem Beschluss in seinem Ergebnis noch so weit folgen und sogar noch akzeptieren, dass der BGH in seinen Entscheidungen zur Umsatzsteuerhinterziehung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen keinen zu unbestimmten Straftatbestand geschaffen habe, so berücksichtigt der Nichtannahmebeschluss vom 16.06.2011 nicht hinreichend die europarechtlichen und sich daraus ergebenden verfassungsrechtlichen Implikationen, die im hiesigen Kontext durch die EuGH-Judikatur entstehen, nach der die Versagung der Steuerbefreiung eine Sanktionsmaßnahme, im weiteren Sinne eine Strafe, darstellt. Diese Bewertung hat zur Folge, dass der gegen den Lieferanten gerichtete Zahlungsanspruch kein Steueranspruch im Sinne von § 370 AO ist, weil die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AO nicht erfüllt sind. Daher fällt dieser Anspruch nicht in den Schutzbereich des § 370 AO, weil dieser nur Steueransprüche erfasst. Zudem dürfte eine Anwendung des § 370 Abs. 1 AO auf die Verschleierung der Anspruchsvoraussetzungen durch unrichtige Angaben in der Umsatzsteuervoranmeldung oder Umsatzsteuerjahreserklärung den Wortlaut des § 370 AO überschreiten. § 370 Abs. 1 AO setzt Angaben über steuerlich erhebliche Umstände und eine Verkürzung eines Steueranspruchs voraus. Den Inhalt des Begriffs der Steuer und damit auch steuerlich definiert § 3 Abs. 1 AO, der bestimmt, dass nur die Geldleistungen Steuern sind, die zumindest auch der Einnahmenerzielung dienen. Mag die sanktionsweise Versagung der Steuerbefreiung auch Steuereinnahmen schützen und reflexartig zu Einnahmen führen, so ist sie doch nicht auf die Einnahmenerzielung selbst gerichtet, dient ihr mithin nicht. Eine Anwendung des § 370 Abs. 1 AO auf die "Hinterziehung" dieses Strafanspruchs stellt eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Strafvorschrift auf Nichtsteuern dar. Darin liegt eine nach Art. 103 Abs. 2 GG verbotene Analogie.

In der Gesamtbewertung kann festgehalten werden, dass der hier zugrunde liegende Sachverhalt nicht nur die zweifelhafte verfassungsrechtliche Belastbarkeit einer formalen Abgrenzung zwischen normativem Tatbestandsmerkmal und Blankettverweisung im Kontext des § 370 AO, sondern auch die Vielschichtigkeit der Bedeutung von Art. 103 Abs. 2 GG in diesem Kontext deutlich werden lässt. Das strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip kommt im Zusammenhang mit der europäischen Missbrauchsjudikatur zumindest in drei Aspekten zum Tragen: Das strafrechtliche Analogieverbot wirft sowohl bezüglich § 6a UStG in Verbindung mit § 370 Abs. 1 AO als auch auf § 370 Abs. 1 AO unmittelbar Zweifelsfragen auf. Zudem bestehen Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit des durch Inkorporierung der EuGH-Judikatur zur Versagung der Steuerbefreiung gebildeten Straftatbestandes der Steuerhinterziehung. Ohne eine hinreichende Abschichtung dieser Problemfelder, die gesondert betrachtet und bewertet werden müssen, ist eine Lösung, die sowohl den europarechtlichen als auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben für das Strafrecht Rechnung trägt, nicht zu erreichen.


[1] BVerfG UR 2011, 775 ff. = HRRS 2011 Nr. 1986; Randnummernangaben im Text beziehen sich auf diese Entscheidung.

[2] BGHSt 53, 45 ff. = HRRS 2009 Nr. 178

[3] BFHE 226, 449 ff.; IStR 2011, 638 ff.; EuGH NJW 2011, 203 ff. (Rechtssache "R”)= HRRS 2011 Nr. 276; BVerfG HFR 2009, 1031 f. = HRRS 2009 Nr. 656; vgl. ferner Bülte in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht (2011), § 370 AO Rn. 375 ff.

[4] BGHSt 53, 45 ff.; BGH wistra 2009, 238 = HRRS 2009 Nr. 311; DStR 2009, 1688 ff. = HRRS 2009 Nr. 728; OLG Karlsruhe PStR 2009, 57.

[5] FG Baden-Württemberg, Beschl. vom 11.03.2009, 1 V 4305/08, BeckRS 2009, 26026977, Rn. 24 ff.; FG Rheinland-Pfalz, 6 K 1463/08, zitiert nach juris; vgl. auch BFHE 226, 449, 454 ff.; a.A. nunmehr BFH BStBl II 2011, 769, 771, Rn. 23 ff.; BFH DStR 2011, 1901, 1904, Rn. 24 ff.

[6] Vgl. hierzu ausführlich Bülte BB 2010, 1759 ff.

[7] BGHSt 53, 45 ff.; zust. Sterzinger BB 2009, 1563; abl. Bielefeld DStR 2009, 580 f.; vgl. auch BGH wistra 2009, 238.

[8] BVerfG HFR 2009, 1031 f., Rn 10.

[9] EuGH NJW 2011, 203, 206, Rn. 49 ff. auf Vorlage des BGH mit Beschluss vom 07.07.2009, DStR 2009, 1688 ff.; vgl. hierzu auch Billig UR 2009, 710, 711.

[10] Vgl. hierzu im Einzelnen Billig UR 2009, 710 ff.; Bülte BB 2010, 1759 ff.

[11] BGH DStR 2009, 1688 ff.; vgl. auch Bülte DB 2011, 442 ff.

[12] Vgl. hierzu BVerfG HRRS 2011 Nr. 737, Rn. 15 f.

[13] Vgl. grundlegend zur Problematik der teleologischen Reduktion zum Nachteil des Handelnden Dannecker in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl. (2007), § 1 Rn. 140, 262.

[14] BGHSt 53, 45, 50 f. Rn. 13.

[15] So Schauf / Hoink PStR 2009, 200; Wulf Stbg 2009, 313; a.A. Sterzinger BB 2009, 1563, 1566; vgl. ferner Bülte in: Graf/Jäger/Wittig (Fn. 3), § 370 Rn. 376.

[16] Vgl. nur BFHE 219, 469, 473; 226, 449, 454 m.w.N.; ferner Schwarz in: Vogel/Schwarz, Kommentar zum UStG, Stand 15.02.2010, § 6a UStG Rn. 112.

[17] EuGH IStR 2007, 748 ff. (Collé), Rn 26 ff.

[18] Vgl. auch BFHE 219, 422, 427; 219, 469, 474 f.; 226, 449, 455 m.w.N.; BGHSt 54, 133 ff. für die Ausfuhrlieferung; a.A. noch BFHE 130, 118 ff.; BGHSt 31, 248, 249 ff.; vgl. hierzu auch Dannecker, NBW Nr. 4 v. 20.01.2003, Fach 13, S. 1013 ff.

[19] Vgl. hierzu Bülte in: Graf/Jäger/Wittig (Fn. 3), § 370 AO Rn. 383 f.

[20] Bielefeld DStR 2009, 580; Bülte BB 2010, 1759, 1765 f.; Ransiek HRRS 2009, 421, 423; Schauf/Hoink PStR 2009, 200; Wulf Stbg 2009, 313, 318.

[21] Dannecker (in: LK § 1[Fn. 13]Rn. 149) spricht von einem "hochgradig normativ bestimmten" Tatbestandsmerkmal; ders. in: Achenbach FS (2011), S. 83, 86 ff. m.w.N; vgl. ferner Rolletschke, Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 2008, Rn. 14; Tiedemann, Wirtschaftstrafrecht Besonderer Teil, 2. Aufl. 2008, Rn. 113; Hellmann in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Stand Mai 2010, § 370 AO Rn. 47; Ransiek in: Tiedemann FS (2008), 171, 184 ff.; ders. HRRS 2009, 421 ff.; Walter in: Tiedemann FS (2008), S. 969, 970.

[22] Vgl. hierzu auch BVerfGE 126, 170, 196.

[23] Vgl. Ransiek HRRS 2009, 421.

[24] Dannecker in: Achenbach FS (2011), S. 83, 87 m.w.N.

[25] Dannecker in: LK (Fn. 13) § 1 Rn. 149; ders. in: Achenbach FS (2011), S. 83, 86 f.

[26] Vgl. hierzu Ransiek HRRS 2009, 421, 423; ferner Dannecker in: LK (Fn. 13) § 1 Rn. 149; ders. in: Achenbach FS (2011), S. 83, 87.

[27] Vgl. nur BVerfG wistra 2010, 396, 403 = HRRS 2010 Nr. 656; NJW 2008, 3346 f. = HRRS 2008 Nr. 1016.

[28] So auch die st. Rspr. des BGH, vgl. nur BGHSt 53, 222, 229, Rn. 36 = HRRS 2009 Nr. 483; ferner BVerfG NJW 1995, 1883; relativierend jedoch BVerfG NJW 2008, 3346 f. = HRRS 2011 Nr. 120; vgl. zudem Dannecker in: Achenbach FS (2011), S. 83, 86.

[29] Rönnau NStZ 2011, 559 zu BGH NStZ 2010, 632 ff. m.Anm. Beckemper ZJS 2010, 554 ff.

[30] Vgl. im Einzelnen hierzu Bülte in: Graf/Jäger/Wittig (Fn. 3) § 370 AO Rn. 376 ff.

[31] So Bülte BB 2010, 1759, 1767; Wulf/Alvermann DB 2011, 731, 735 f. mit Hinweis auf BVerfG wistra 2010, 380, 386 Rn. 69 ff. = BVerfGE 126, 170, 194 ff. = HRRS 2010 Nr. 656.

[32] So Schenkewitz BB 2011, 350, 356; vgl. auch Hölzle DStR 2011, 602, 607.

[33] Vgl. nur Dannecker in: LK (Fn. 13) § 1 Rn. 9; ferner ders. in: Samson FS (2010), S. 257, 263; Rönnau NStZ 2011, 558 f. jeweils m.w.N.

[34] Dannecker in: LK (Fn. 13) § 1 Rn. 179 m.w.N.

[35] Dannecker in: LK (Fn. 13) § 1 Rn. 118, 152 m.w.N.; ders. in: Samson FS (2010), S. 257, 263.

[36] Schenkewitz BB 2011, 350, 356.

[37] So BVerfGE 87, 209, 224; 87, 363, 391 f.; 92, 1, 12; 126, 170, 195; vgl. ferner Radtke/Hagemeier in: Epping/Hill­gruber, Grundgesetz (2009) Art. 103 Abs. 2 Rn. 24 m.w.N.

[38] BVerfGE 92, 1, 18 f.

[39] Dannecker in: LK (Fn. 13) § 1 Rn. 184 m.w.N.; Appel, Verfassung und Strafe (1998), S. 119; Schmidhäuser, Form und Gehalt der Strafgesetze (1988), S. 49; Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht (1991), S. 44 f.

[40] BVerfGE 87, 209 ff.

[41] BVerfGE 87, 363 ff.

[42] EuGH NJW 2007, 2237, 2239 (Europäischer Haftbefehl), Rn. 50; vgl. auch DStR 2006, 420, 426, Rn. 93 (Halifax).

[43] EuGH NJW 2011, 203, 205, Rn. 50; vgl. auch Korf, IStR 2011, 30, 31 f.

[44] EuGH DStRE 2009, 370, 372 (Dyrektor Izby Skarbowej w Bydgoszczy), Rn. 18 ff.

[45] So aber Korf, IStR 2011, 30, 31; mit diesen Bedenken auch BFHE 226, 449, 455; FG Baden-Württemberg, Beschl. v. 11.03.2009, 1 V 4305/08.

[46] BVerfGE 75, 329, 342; 126, 170, 196; krit. im Hinblick auf die Gefahr einer Aufgabe der Bestimmtheitsanforderungen bei Bagatellkriminalität Dannecker in: LK (Fn. 13) § 1 Rn. 186 m.w.N.; ders. in: Samson FS (2010), S. 257, 266.

[47] Vgl. Bülte DB 2011, 442, 444; ebenso Wulf/Alvermann DB 2011, 731, 736.

[48] Folgt man dem BGH (St 43, 381, 400), so handelt es sich eher um ein Problem des Bestimmtheitsgrundsatzes.

[49] Vgl. EuGH NJW 2011, 203, 206, Rn. 50.

[50] BGBl. I 2010, 1768.

[51] Vgl. Lipsky in: Graf/Wittig/Jäger (Fn. 3) § 370 Rn. 204 ff.

[52] Vgl. die Nachweise BVerfG UR 2011, 775, 779, Rn. 64.

[53] Dahin tendierend Wulf/Alvermann DB 2011, 731, 736.