HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

November 2011
12. Jahrgang
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IV. Strafverfahrensrecht (mit Gerichtsverfassungsrecht)


Entscheidung

1117. BGH 5 StR 355/11 – Beschluss vom 14. September 2011 (LG Berlin)

Verweis auf eine Abbildung in den Urteilsgründen (Video auf CD-ROM; wirksame Einbeziehung).

§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO

1. Ein wirksamer Verweis auf Abbildungen gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO setzt jedenfalls die Angabe einer Fundstelle in der Akte voraus. Bezüglich eines Videos muss auch der Umfang der Verweisung hinreichend bestimmt sein. Auch hier kann es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts sein, anhand der Beschreibungen des Tatverdächtigen im Urteil die Körpermerkmale eines auf einem Videofilm in Bezug genommenen Mannes nach wertender Betrachtung selbst an parater Stelle des Films aufzufinden.

2. Es bleibt offen, ob es sich bei Videofilmen, die auf einer CD gespeichert sind, um Abbildungen im Sinne dieser Vorschrift handelt.


Entscheidung

1154. BGH 2 StR 652/10 – Beschluss vom 30. August 2011 (LG Koblenz)

Inbegriffsrüge (Inbegriff der Hauptverhandlung: Protokollierung der Verlesung von Urkunden, Vorhalt); Insolvenzverschleppung; Bankrott (omissio libera in causa; Feststellung der Zahlungsunfähigkeit); Untreue zulasten von GmbH und Personengesellschaften (Kommanditgesellschaft).

§ 266 StGB; § 283 StGB; § 266a StGB; § 261 StPO; § 249 StPO; § 130b Abs. 1 HGB; § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB; § 15a Abs. 1 S. 1 InsO

1. Der Eintrag in einem Hauptverhandlungsprotokoll, Bankordner seien „zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht und in richterlichen Augenschein“ genommen worden, ist nicht geeignet, eine förmliche Verlesung der Urkunden zu beweisen (BGHSt 11, 29, 30). Die Inaugenscheinnahme einer Urkunde beinhaltet im Übrigen nur dann eine zureichende Beweiserhebung, wenn es nicht auf ihren Inhalt, sondern auf ihr Vorhandensein oder ihren Zustand ankommt (BGHR StPO § 249 Abs. 1 Kontoauszüge 1).

2. Zwar kann der Inhalt einer Urkunde auch durch ihren Vorhalt an Zeugen zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden (vgl. BGHR StPO § 249 Abs. 1 Verlesung, unterbliebene 1). Beweisgrundlage ist dann allerdings nicht der Vorhalt selbst, sondern die bestätigende Erklärung desjenigen, dem der Vorhalt gemacht wurde (BGHSt 11, 159, 160). Der Einführung einer Urkunde mittels Vorhalt sind deshalb Grenzen gesetzt.

3. Insbesondere wenn es sich um längere oder sehr komplexe Ausführungen handelt, besteht die Gefahr, dass die Auskunftsperson den Sinn der schriftlichen Erklärung auf den bloßen inhaltlichen Vorhalt hin nicht richtig oder nur unvollständig erfasst oder sich an den genauen Wortlaut eines Schriftstücks nicht zuverlässig erinnern kann (BGHSt 11, 159, 160; BGH NStZ 1991, 500). So liegt es etwa dann, wenn eine hohen Anzahl von Kontoauszügen und Einzelbuchungen zu verwerten ist. In diesem Fall ist auszuschießen, dass als Zeugen gehörte Bankmitarbeiter und Polizeibeamten das entsprechende Zahlenwerk aus eigener Erinnerung heraus im Einzelnen bestätigen konnten (vgl. BGH NJW 2002, 2480).

4. Im Rahmen des § 266 StGB kommt die Schädigung des Gesamthandvermögens einer Kommanditgesellschaft nur insoweit in Betracht, als sie gleichzeitig das Vermögen der Gesellschafter berührt. Für die Frage des Nachteilseintritts ist demnach nicht allein auf die Gesellschaft,

sondern auf das Vermögen der einzelnen Gesellschafter abzustellen (vgl. BGHSt 34, 221, 223). Hierbei schließt ein Einverständnis des Gesellschafters die Annahme eines Vermögensnachteils auch dann aus, wenn er seine Kommanditanteile verpfändet hat.

5. Bei einer Komplementär-GmbH kommt ein Vermögensschaden insbesondere in Form der anteiligen Schädigung der GmbH im Verhältnis ihrer Einlageleistung zur Gesamteinlage in Betracht (vgl. BGH NStZ 1987, 279).

6. Auf die Strafbarkeit nach § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB finden die Grundsätze der omissio libera in causa Anwendung. Die finanzielle Unmöglichkeit, einen Steuerberater mit der Erstellung von Bilanzen zu beauftragen, kann den Angeklagten nicht entlasten, wenn er trotz sich abzeichnender Liquiditätsprobleme vorhandene Mittel nicht zur Bildung von Rücklagen, sondern zur Begleichung anderer Verbindlichkeiten verwendet hat.

7. Zur Feststellung einer tatsächlichen oder drohenden Zahlungsunfähigkeit empfiehlt es sich, einen Liquiditätsstatus zu erstellen oder durch einen Sachverständigen erstellen zu lassen, in dem übersichtlich die Barmittel sowie die kurzfristig liquidierbaren Vermögenswerte aller bestehenden oder zu erwartenden Verbindlichkeiten entsprechend ihrer jeweiligen Fälligkeit gegenübergestellt werden (BGH NStZ 2003, 546; NJW 2010, 2894, 2898). Wird die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit anhand wirtschaftskriminalistischer Beweisanzeichen vorgenommen, ist zu beachten, dass hierbei nur solche Verbindlichkeiten herangezogen werden können, die zu dem möglichst konkret zu bezeichnenden Bewertungszeitpunkt auch fällig waren (vgl. § 17 Abs. 2 S. 1 InsO; BGHR GmbHG § 64 Abs. 1 Zahlungsunfähigkeit 2).