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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 331

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 383/22, Urteil v. 25.01.2023, HRRS 2023 Nr. 331


BGH 6 StR 383/22 - Urteil vom 25. Januar 2023 (LG Hof)

Untreue (Vermögensbetreuungspflicht: Vorstandsmitglied einer Genossenschaftsbank); Urkundenfälschung; Unrichtige Darstellung eines Jahresabschlusses.

§ 266 Abs. 1 StGB; § 267 StGB; § 331 Abs. 1 Nr. 1 HGB; § 340m Abs. 1 Satz 1 HGB

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 17. Mai 2022 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 31 Fällen, Urkundenfälschung sowie unrichtiger Darstellung eines Jahresabschlusses zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte war in den Jahren 2002 bis 2019 eines von zwei hauptberuflichen Vorstandsmitgliedern einer genossenschaftlichen Raiffeisenbank. Der Aufsichtsrat und die Mitarbeiter brachten ihm uneingeschränktes Vertrauen entgegen. So konnte er ein System schaffen, in dem keine wechselseitige Kontrolle stattfand und insbesondere das „Vier-Augen-Prinzip“ weitgehend unbeachtet blieb. In seinem Büro bewahrte der Angeklagte alle Tresorschlüssel auf. Zudem befüllte ausschließlich er den Geldautomaten.

In den Jahren 2015 bis 2018 fingierte er in vier Fällen Bargeldeinzahlungen in Höhe von insgesamt 197.000 Euro auf verschiedene Konten bei der Raiffeisenbank, um entweder das vermeintliche Guthaben auf eines seiner Konten zu überweisen oder das Konto seiner damaligen Lebensgefährtin auszugleichen. An vier Tagen buchte er von zwei Konten bei der Raiffeisenbank, die er bereits Jahre zuvor auf den Namen von Stiefbrüdern seiner damaligen Ehefrau eröffnet hatte, unter Inanspruchnahme der von ihm eingeräumten Kontokorrentkredite Beträge in Höhe von insgesamt 79.000 Euro auf seine Konten; 30.500 Euro überwies er später zurück. Bei 14 Gelegenheiten entnahm er von Januar 2018 bis Mai 2019 ohne entsprechende Buchungen aus dem Kassenbestand der Raiffeisenbank insgesamt 37.350 Euro, um damit seinen Anteil an den Kreditraten für das gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin bewohnte Haus zu bezahlen. Entweder aus dem Tresor oder dem Kassenbestand der Raiffeisenbank stammten insgesamt 189.900 Euro, die er ohne entsprechende Buchungen und Darlehensabreden an fünf Tagen der Jahre 2015 bis 2018 einem früheren Freund übergab, dessen Kreditlinien ausgeschöpft waren. Das Stammkapital einer von ihm mitgegründeten GmbH finanzierte der Angeklagte, indem er dem Kassenbestand der Raiffeisenbank Anfang Juni 2017 ohne Buchung 25.000 Euro entnahm. Am 1. Februar 2019 zahlte er von den zuvor dem Kassenbestand der Raiffeisenbank mit einem entsprechenden Auszahlungsbeleg entnommenen 600.000 Euro nur 200.000 Euro auf deren Girokonto bei der Deutschen Bundesbank ein, zweigte mindestens 120.000 Euro für sich und seine Familie ab und füllte mit dem Rest den Geldautomaten auf, um vorangegangene Entnahmen auszugleichen. Ferner unterschrieb er einen auf das Girokonto der Raiffeisenbank gezogenen Scheck über 900.000 Euro mit seinem und dem Namen eines Bankmitarbeiters, ohne von diesem dazu ermächtigt worden zu sein. Im Jahresabschluss für das Jahr 2018 wies er auf der Aktivseite zwei nicht existente Provisionsforderungen sowie zwei bereits ausgezahlte Versicherungsleistungen aus. Zudem bewertete er zahlreiche Versicherungsverträge mit deutlich überhöhten Aktivierungswerten.

2. Die Strafkammer hat die Geldentnahmen und Abbuchungen als Untreue (§ 266 StGB) gewertet. Bezüglich der weiteren Taten hat sie eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung (§ 267 StGB) und unrichtiger Darstellung eines Jahresabschlusses (§ 331 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 340m Abs. 1 Satz 1 HGB) bejaht.

3. Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Es weist keinen den Angeklagten benachteiligenden Fehler auf.

a) Insbesondere tragen die Feststellungen des Landgerichts die Verurteilung wegen Untreue in 31 Fällen.

aa) Die für beide Tatbestandsvarianten erforderliche Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB ist gegeben, wenn der Täter gegenüber dem (potentiell) Geschädigten eine inhaltlich besonders herausgehobene, nicht nur beiläufige Pflicht zur Wahrnehmung von dessen Vermögensinteressen innehat, die über die für jedermann geltenden Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten und die allgemeine Pflicht, auf die Vermögensinteressen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen, hinausgeht. Hinzukommen muss, dass dem Täter Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen bleibt und ihm eine gewisse Selbstständigkeit belassen wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2016 - 5 StR 313/15; Beschlüsse vom 26. November 2015 - 3 StR 17/15, BGHSt 61, 48, 62; vom 16. August 2016 - 4 StR 163/16, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 54).

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich die Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten aus seiner Stellung als Vorstandsmitglied der Genossenschaftsbank (vgl. für das Vorstandsmitglied einer Sparkasse BGH, Urteile vom 27. Januar 2021 - 3 StR 628/19; NStZ 2021, 738; vom 18. Mai 2021 - 1 StR 144/20, wistra 2022, 74). Als solches oblag ihm die zu seinen Hauptpflichten zählende Aufgabe, die Vermögensinteressen des von ihm vertretenen Unternehmens zu wahren (vgl. MüKo-StGB/Dierlamm/Becker, 4. Aufl., § 266 Rn. 85; Waßmer in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 266 Rn. 49; Hadamitzky in Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, 7. Aufl., Kapitel 32 Rn. 27a). Weiterer Darlegungen zu seinem Aufgabenkreis und zur internen Aufgabenverteilung zwischen den Vorstandsmitgliedern, die der Generalbundesanwalt ausweislich seiner Antragsschrift vermisst, bedurfte es nicht.

cc) Das Landgericht hat auch ausreichende Feststellungen dazu getroffen, dass der Angeklagte seine Vermögensbetreuungspflicht in strafrechtlich relevanter Weise verletzt hat, als er dem Kassenbestand oder Tresor der Bank Gelder entnahm, Einzahlungen fingierte und Überweisungen von Scheinkonten tätigte.

(1) Soweit im Hinblick auf die tatbestandliche Weite des § 266 Abs. 1 StGB zur Begrenzung des Tatbestandes ein innerer Zusammenhang zwischen der Vermögensbetreuungspflicht und ihrer Verletzung verlangt wird (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Urteil vom 3. Mai 1991 - 2 StR 613/90, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 20; Beschluss vom 12. Dezember 2012 - 5 StR 380/12, BGHR § 266 StGB Abs. 1 Treubruch 6; Waßmer, aaO, Rn. 104) besteht dieser hier unabhängig davon, ob namentlich auch Kassiertätigkeiten oder der Transfer von Buchgeld zu den dem Angeklagten zugewiesenen Aufgabenkreis zählten, weshalb es entsprechender Feststellungen insoweit nicht bedurfte. Denn die herausgehobene Stellung des Angeklagten als Vorstandsmitglied begründete eine umfassende Schutzpflicht für das gesamte Vermögen der von ihm vertretenen Bank.

(2) Dementsprechend gehört es zu den typischen Fällen des Treubruchs, unbefugt Geld zu entnehmen oder es für eigene Zwecke zu überweisen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 1981 - 3 StR 94/81; Beschlüsse vom 23. Februar 2012 - 1 StR 586/11; vom 29. Januar 2015 - 1 StR 587/14, NStZ 2015, 517, 519). Dabei steht einer Strafbarkeit nicht entgegen, dass die Tat auch von einem Dritten hätte begangen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 1962 - 1 StR 282/62, BGHSt 17, 360, 361).

b) Die Strafzumessung begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken.

In der Formulierung der Strafkammer, sie werte „zuungunsten des Angeklagten, dass dieser die Taten aus der bedeutenden Vertrauensstellung eines Bankvorstandes heraus beging“, liegt kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB). Wie sich aus dem Zusammenhang der Strafzumessungserwägungen ergibt, nimmt sie nicht allein die Vorstandseigenschaft und die daraus folgende strafbegründende Vermögensbetreuungspflicht in den Blick, sondern stellt auf den Missbrauch des dem Angeklagten von den Bankmitarbeitern sowie den Aufsichtsratsmitgliedern persönlich entgegengebrachten besonderen Vertrauens ab. Das ist nicht zu beanstanden, zumal es ihm dadurch gelang, in der Bank ein System zu schaffen, mit dem er sämtliche Kontrollmechanismen faktisch außer Vollzug setzte.

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 331

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede