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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1249

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 268/22, Beschluss v. 09.08.2022, HRRS 2022 Nr. 1249


BGH 6 StR 268/22 - Beschluss vom 9. August 2022 (LG Regensburg)

Erfolgreicher Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Revisionseinlegung (Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung: Elektronisches Dokument).

§ 44 Satz 1 StPO; § 341 Abs. 1 StPO; § 32a StPO; § 32d Satz 2 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Nach der seit dem 1. Januar 2022 geltenden Vorschrift des § 32d Satz 2 StPO müssen Verteidiger und Rechtsanwälte die Revision und ihre Begründung als elektronisches Dokument übermitteln. Insoweit handelt es sich um eine Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung der jeweiligen Prozesshandlung, welche bei Nichteinhaltung deren Unwirksamkeit zur Folge hat. .

Entscheidungstenor

Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag und auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 16. Februar 2022 gewährt.

Gründe

Das Landgericht Regensburg hat den Angeklagten am 16. Februar 2022 wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Mit Telefaxschreiben vom 23. Februar 2022 hat sein Verteidiger Revision hiergegen eingelegt. Mit Schreiben vom 27. Juni 2022, dem Angeklagten am 4. Juli 2022 zugestellt, hat der Generalbundesanwalt auf die Formunwirksamkeit des Rechtsmittels und die Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrags hingewiesen. Über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach hat der Verteidiger am 5. Juli 2022 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und im selben elektronischen Dokument im PDF-Format zugleich die Revisionseinlegung gegen das vorbezeichnete Urteil übermittelt. Nach dem - anwaltlich versicherten - Vortrag des Verteidigers hatte der Angeklagte diesen unmittelbar im Anschluss an die Hauptverhandlung mit der Revisionseinlegung beauftragt. Erst durch das Schreiben des Generalbundesanwalts war dem Verteidiger aufgefallen, dass das Rechtsmittel nicht den gesetzlichen Formvorgaben entsprechend eingelegt worden war.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig und begründet.

1. Der Angeklagte hat die Frist zur Einlegung der Revision (§ 341 Abs. 1 StPO) versäumt. Nach der seit dem 1. Januar 2022 geltenden Vorschrift des § 32d Satz 2 StPO müssen Verteidiger und Rechtsanwälte die Revision und ihre Begründung als elektronisches Dokument übermitteln. Insoweit handelt es sich um eine Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung der jeweiligen Prozesshandlung, welche bei Nichteinhaltung deren Unwirksamkeit zur Folge hat (vgl. BT-Drucks. 18/9416 S. 51; BGH, Beschlüsse vom 20. April 2022 - 3 StR 86/22; vom 28. April 2022 - 4 StR 59/22; vom 24. Mai 2022 - 2 StR 110/22; Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 32d Rn. 2). Diesen Anforderungen entspricht die am 23. Februar 2022 per Telefax übermittelte Revisionseinlegung nicht. Die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls nach § 32d Satz 3 StPO sind nicht dargetan.

2. An dieser Fristsäumnis traf den Angeklagten, wie sein Verteidiger fristgerecht vorgetragen und glaubhaft gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 1 StPO), allerdings kein Verschulden. Den Auftrag zur Revisionseinlegung hatte der Beschuldigte demzufolge rechtzeitig erteilt; es ist deshalb allein auf Anwaltsverschulden zurückzuführen, dass die Revision nicht formgerecht und mithin nicht wirksam eingelegt wurde.

3. Die versäumte Handlung hat der Verteidiger frist- und formwirksam nachgeholt (§ 45 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 1992 - 1 StR 704/91, BGHR StPO § 44 Satz 1 Verhinderung 11). Die innerhalb der Wochenfrist nach § 45 Abs. 1 StPO eingelegte Revision erfüllt die gesetzlichen Formerfordernisse der § 32d Satz 2, § 32a StPO.

a) Nach § 32a Abs. 3 StPO muss die schriftlich abzufassende Revisionseinlegung bei einer Übermittlung als elektronisches Dokument entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder aber von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg bei dem elektronischen Gerichts- oder Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht werden. Ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne des § 32a Abs. 3 StPO ist etwa gemäß § 32a Abs. 4 Nr. 2 StPO die Übersendung über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (§ 31a BRAO). Dabei muss die elektronisch übermittelte Revisionsbegründung gemäß § 32a Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1, § 14 Elektronische-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) ein Dokument im Dateiformat PDF sein (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2022 - 3 StR 89/22 Rn. 12; MüKo-ZPO/Fritsche, 6. Aufl., § 130a Rn. 4).

b) Dem entspricht die eingelegte Revision. Dies ergibt die gebotene Zusammenschau von Verteidigerschriftsatz und dem zu den Akten zu nehmenden Prüfvermerk des EGVP (vgl. BGH, aaO Rn. 13 mwN), der hier namentlich Angaben zur Einreichung über das besondere elektronische Anwaltspostfach durch den signierenden Verteidiger und zum Dateiformat des übermittelten Dokuments enthält.

4. Mit der Zustellung dieses Beschlusses beginnt die Frist zur Begründung der Revision zu laufen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 1982 - 2 StR 751/80, BGHSt 30, 335, 337 f.).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1249

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi