hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 201/99, Beschluss v. 30.04.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 5 StR 201/99 - Beschluß v. 30. April 1999 (LG Berlin)

Gesamtstrafenbildung; Schuldunangemessenheit;

§ 55 Abs. 1 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Einzelfall der Aufhebung eines Gesamtstrafausspruches wegen Schuldunangemessenheit.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten W wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. November 1998 in sämtlichen Strafaussprüchen gegen diesen Angeklagten nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen für schuldig befunden, Dieser Schuldspruch begegnet keinen durchgreifenden sachlichrechtlichen Bedenken. Die Revision des Angeklagten führt jedoch mit der Sachrüge zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen der ersten fünf abgeurteilten Fälle unter Einbeziehung einer neunmonatigen Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt, wegen des sechsten, nach der Verurteilung zu der einbezogenen Strafe begangenen Verbrechens hat es auf eine weitere Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten erkannt.

Mit dieser Art der Gesamtstrafenbildung hat das Landgericht den Anforderungen aus § 55 Abs. 1 StGB entsprochen. Indes führte die Unmöglichkeit einer einheitlichen Gesamtstrafenbildung hier zu einer beträchtlichen Erhöhung des Gesamtstrafübels. Dessen Höhe überschreitet in der Summe das Maß des Schuldangemessenen (vgl. dazu BGHSt 41, 310, 313 f.; 43, 216, 219; BGHR StGB § 55 Bemessung 1; § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 12, 13).

Allerdings war mit der Zäsur, die der Bildung einer einzigen Gesamtstrafe - bislang - entgegenstand, hier tatsächlich auch ein gewisses strafschärfendes Gewicht, bezogen auf die letzte Tat, die in der Bewährungszeit nach der Zwischenverurteilung begangen wurde, verbunden. Die Menge der jeweils mit hoher Gewinnerwartung gehandelten Betäubungsmittel (ganz überwiegend Amphetamin und Ecstasy) war erheblich. Gleichwohl wird mit der Gesamthöhe des ausgesprochenen Freiheitsentzugs gegen einen geständigen Angeklagten in Fällen des unerlaubten Handels der hier vorliegenden Art, das nur im letzten Fall härteste Drogen zum Gegenstand hatte (215 Gramm sichergestelltes Kokain), im Ergebnis das unbedingt einzuhaltende Höchstmaß noch als angemessen anzusehender Sanktionierung übertroffen.

Um einem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, zu einem schuldangemessenen Gesamtstrafübel zu gelangen, hebt der Senat hier den gesamten Strafausspruch auf. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es angesichts eines bloßen Wertungsfehlers nicht. Sollte die zäsurbildende Strafe mittlerweile vollständig vollstreckt sein, müßte der neue Tatrichter nunmehr für alle hier abgeurteilten Fälle nur eine Gesamtstrafe verhängen, bei welcher auch bei unverändert hohen Einzelstrafen eine angesichts engen situativen Zusammenhangs zwischen den einzelnen Fällen angezeigte maßvolle Erhöhung der Einsatzstrafe zu einer im Ergebnis angemessenen Sanktionierung führen kann.

Bearbeiter: Karsten Gaede