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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 491

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 518/19, Beschluss v. 23.01.2020, HRRS 2020 Nr. 491


BGH 5 StR 518/19 - Beschluss vom 23. Januar 2020 (LG Lübeck)

Keine Abschöpfung der durch die Tötung des Erblassers erlangten Vermögenswerte (Vorrang der Regelungen über die Erbunwürdigkeit).

§ 73 StGB; § 2339 Abs. 1 BGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Der Abschöpfung deliktisch erlangten Vermögens liegt der sämtliche Rechtsgebiete übergreifende Gedanke zugrunde, eine nicht mit der Rechtsordnung übereinstimmende Vermögenslage zu berichtigen. Soll die durch die rechtswidrige Tat entstandene Störung der Vermögenslage nach der Rechtsordnung erkennbar mit anderen Mitteln als der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung beseitigt oder gar hingenommen werden, hat die Einziehung nach §§ 73 ff. StGB daher ausnahmsweise zu unterbleiben, sofern diese rechtliche Wertung dadurch unterlaufen würde.

2. Im Falle einer Tötung des Erblassers durch dessen Erben ist die Einziehung des Nachlasses gemäß § 73 Abs. 1 StGB nicht zulässig, weil die diesbezügliche Rechtslage betreffend die Erbschaft vorrangig und abschließend in § 2339 Abs. 1 Nr. 1, §§ 2340 ff. BGB geregelt ist. Die Regelungen über die Erbunwürdigkeit sind insoweit gegenüber §§ 73 ff. StGB als abschließend zu betrachten, zumal auch in rechtssystematischer Hinsicht Bedenken gegen die Einziehung eines Nachlasses bestehen, weil der Staat sich auf diesem Wege solcher Vermögensgegenstände bemächtigen würde, die den Nachlassgläubigern zur Befriedigung ihrer Ansprüche zugewiesen sind.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 14. Juni 2019 im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben; dieser entfällt.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den vermindert schuldfähigen Angeklagten wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Zudem hat es die Einziehung des Nachlasses der Getöteten angeordnet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung. Im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Nach den Feststellungen tötete der Angeklagte seine Mutter. Das Landgericht hat die Einziehung des vor allem aus einem Hausgrundstück, einem Kraftfahrzeug und mehreren Bankguthaben bestehenden Nachlasses nach § 73 Abs. 1 StGB angeordnet, da der Angeklagte die Erbschaft durch eine rechtswidrige Tat nach § 211 StGB erlangt habe.

2. Die Einziehungsentscheidung hat keinen Bestand.

Zwar hat das Landgericht zutreffend angenommen, dass der Angeklagte den Nachlass durch die abgeurteilte rechtswidrige Tat erlangt hat (§ 73 Abs. 1 StGB). Denn der Vermögenszufluss in Form der Erbschaft (§ 1922 BGB) geht ursächlich auf die Tötung der Erblasserin durch den Angeklagten zurück. Eine Einziehung nach den §§ 73 ff. StGB ist aber ausgeschlossen, wenn - wie hier - der Anwendungsbereich der Vorschriften über die strafrechtliche Vermögenabschöpfung nicht eröffnet ist (vgl. zur Einziehung des Geldwäscheobjekts BGH, Beschluss vom 27. März 2019 - 2 StR 561/18, NJW 2019, 2182, 2183).

a) Der Abschöpfung deliktisch erlangten Vermögens liegt der sämtliche Rechtsgebiete übergreifende Gedanke zugrunde, eine nicht mit der Rechtsordnung übereinstimmende Vermögenslage zu berichtigen (vgl. BT-Drucks 18/9525, S. 58, 66; BVerfGE 110, 1, Rn. 20; BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 - 1 StR 651/17, NStZ-RR 2018, 241). Soll die durch die rechtswidrige Tat entstandene Störung der Vermögenslage nach der Rechtsordnung erkennbar mit anderen Mitteln als der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung beseitigt oder gar hingenommen werden, hat die Einziehung nach §§ 73 ff. StGB daher ausnahmsweise zu unterbleiben, sofern diese rechtliche Wertung dadurch unterlaufen würde.

b) Danach ist die Einziehung des Nachlasses gemäß § 73 Abs. 1 StGB nicht zulässig, weil die Rechtslage betreffend die Erbschaft im Falle einer Tötung des Erblassers durch dessen Erben vorrangig und abschließend in § 2339 Abs. 1 Nr. 1, §§ 2340 ff. BGB geregelt ist.

Wesentliches Kennzeichen dieser Vorschriften ist es, dass die Folgen der Erbunwürdigkeit nicht unmittelbar kraft Gesetzes eintreten. Vielmehr ist es den Anfechtungsberechtigten überlassen, im Wege einer Gestaltungsklage (§ 2342 BGB) über die Rechte am Nachlass zu bestimmen. Entscheiden sich die Berechtigten gegen die Geltendmachung der Erbunwürdigkeit, widerspricht der Verbleib des Nachlasses beim Täter mithin nicht den Wertungen der Rechtsordnung. Verursacht der Erbe den Tod des Erblassers lediglich fahrlässig, betrachtet das Gesetz ihn von vornherein nicht als erbunwürdig. Diese gesetzliche Wertung würde durch die Anwendung des § 73 StGB unterlaufen, da die Einziehung des Nachlasses auch in diesem Fall zwingend anzuordnen wäre.

Die strafrechtliche Einziehung des Nachlasses unterscheidet sich auch in ihrer Wirkung grundsätzlich von der Erbunwürdigkeitserklärung. Die Einziehung des Nachlasses ändert nichts an der Stellung des Täters als Erben. Hingegen bestimmt § 2344 Abs. 1 BGB, dass im Fall der Erbunwürdigkeitserklärung der Anfall der Erbschaft auf den Erben als nicht erfolgt gilt. Die Zulassung der Einziehung des Nachlasses nach § 73 Abs. 1 StGB liefe im Ergebnis darauf hinaus, dass eine grundlegende Regelung des Erbrechts für eine Konstellation wie die hier vorliegende außer Kraft gesetzt würde. Außerdem würde die Einziehung des Nachlasses von der Rechtsordnung nicht gewollte Folgen bewirken. So würde der Einziehungsadressat als Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten haften (§ 1967 Abs. 1 BGB), ohne allerdings den Nachlass zu erhalten. Zudem würde der Nachlass bei einer Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB - anders als von § 2344 Abs. 2 BGB bestimmt - nicht dem Nächstberufenen zugutekommen, da die Vorschriften über die Opferentschädigung nur die Rückübertragung auf den Verletzten oder dessen Rechtsnachfolger erfassen (§ 459h Abs. 1 StPO). Rechtsnachfolger des Erblassers bleibt im Falle der strafrechtlichen Einziehung aber gerade der Einziehungsadressat.

Angesichts dessen sind die Regelungen über die Erbunwürdigkeit gegenüber §§ 73 ff. StGB als abschließend zu betrachten, zumal auch in rechtssystematischer Hinsicht Bedenken gegen die Einziehung eines Nachlasses bestehen, weil der Staat sich auf diesem Wege solcher Vermögensgegenstände bemächtigen würde, die den Nachlassgläubigern zur Befriedigung ihrer Ansprüche zugewiesen sind (vgl. § 1990 Abs. 1 BGB; Soergel/Stein, BGB, 13. Aufl., § 1990 Rn. 1, 9; Erman/Horn, BGB, 15. Aufl., § 1990 Rn. 11; MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl., § 1990 Rn. 7).

3. Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 491

Externe Fundstellen: NStZ 2020, 477; StV 2021, 103

Bearbeiter: Christian Becker