hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 508

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 584/15, Beschluss v. 06.04.2016, HRRS 2016 Nr. 508


BGH 5 StR 584/15 - Beschluss vom 6. April 2016 (LG Cottbus)

Bestechlichkeit (Einfließenlassen von zugewandten Vorteilen bei der Ermessensausübung; Regelbeispiel; Vorteil großen Ausmaßes; Übertragung der Grundsätze vom Betrug und der Steuerhinterziehung).

§ 332 StGB; § 335 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Der Senat hält es für sachgerecht, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum „Vermögensverlust großen Ausmaßes“ im Sinne des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Variante 1 StGB und zur Steuerverkürzung sowie der Erlangung von Steuervorteilen „in großem Ausmaß“ nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO, in denen er das Bedürfnis nach Rechtssicherheit hervorgehoben und die Wertgrenze nach objektiven Kriterien auf jeweils grundsätzlich 50.000 € festgesetzt hat, auf die Bemessung des „Vorteils großen Ausmaßes“ nach § 335 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu übertragen.

Entscheidungstenor

Die Revisionen der Angeklagten A. und G. gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 10. Juli 2015 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Das Verfahren gegen den Angeklagten K. wird betreffend Tat 6 der Urteilsgründe nach § 206a StPO eingestellt. Im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last.

Seine Revision gegen das vorbezeichnete Urteil wird nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen, dass er der Bestechung und der Urkundenfälschung schuldig ist.

Die Angeklagten A. und G. haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels, der Angeklagte K. hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend zum Antrag des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

1. Die Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch: Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich - auch betreffend Tat 3 - hinreichend deutlich entnehmen, dass der Angeklagte A. im Rahmen seiner Tätigkeit als Verbandsvorsteher des M. über Ermessens- und Gestaltungsspielräume verfügte und bei seiner Entscheidungsfindung in der Weise pflichtwidrig handelte, dass er dabei auch die ihm zugewandten bzw. zugesagten Vorteile einfließen ließ (vgl. BGH, Urteile vom 9. Juli 2009 - 5 StR 263/08, NJW 2009, 3248, 3250; vom 14. Februar 2007 - 5 StR 323/06, NStZ-RR 2008, 13, 14; vom 21. März 2002 - 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 263, und vom 25. Juli 1960 - 2 StR 91/60, BGHSt 15, 88; vgl. auch MüKo-StGB/Korte, 2. Aufl., § 332 Rn. 30 f.; Heine/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 332 Rn. 11).

2. Das Landgericht hat zutreffend die Voraussetzungen des Regelbeispiels des besonders schweren Falles der Bestechlichkeit nach §§ 332, 335 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB für nicht gegeben erachtet. Der Senat hält es für sachgerecht, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum „Vermögensverlust großen Ausmaßes“ im Sinne des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Variante 1 StGB (BGH, Urteil vom 7. Oktober 2003 - 1 StR 274/03, BGHSt 48, 360) und zur Steuerverkürzung sowie der Erlangung von Steuervorteilen „in großem Ausmaß“ nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71), in denen er das Bedürfnis nach Rechtssicherheit hervorgehoben und die Wertgrenze nach objektiven Kriterien auf jeweils grundsätzlich 50.000 € festgesetzt hat, auf die Bemessung des „Vorteils großen Ausmaßes“ nach § 335 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu übertragen (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2015 - 5 StR 352/15, juris Rn. 18 bis 24).

3. Der Senat kann offen lassen, ob die seitens des Angeklagten A. erhobene Rüge der Verletzung des Zügigkeitsgebots aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Im Hinblick auf die geringe Belastung des Beschwerdeführers durch die - mit seiner Revision nicht mitgeteilte - Auflage bei Außervollzugsetzung des Haftbefehls während des zehn Monate währenden Zeitraums unzureichender Verfahrensförderung liegt ein Verstoß gegen das Gebot zügigen Prozessierens noch nicht vor (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 755 ff.); der erhebliche Zeitablauf zwischen Tat und Urteil als solcher ist bereits strafmildernd berücksichtigt worden.

4. Der durch die Einstellung von Tat 6 bedingte Wegfall der festgesetzten Geldstrafe wirkt sich nicht auf die Gesamtstrafe aus, nachdem die Einsatzfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit Blick auf die weitere Geldstrafe von 60 Tagessätzen allein auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten erhöht werden durfte (§ 39 StGB).

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 508

Bearbeiter: Christian Becker