hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 334

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 488/03, Beschluss v. 03.02.2004, HRRS 2004 Nr. 334


BGH 5 StR 488/03 - Beschluss vom 3. Februar 2004 (LG Cottbus)

Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen (Obhutsverhältnis bei der öffentlichen Jugendhilfe: höhere Anforderungen bei öffentlich-rechtlicher anstatt zivilrechtlicher Begründung und Doppelverwertungsverbot).

§ 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB; § 46 Abs. 3 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Im Vergleich zu den auf eine Anwendung des Zivilrechts begründeten Varianten des § 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB hat ein Angehöriger der öffentlichen Jugendhilfe höhere Anforderungen zu erfüllen (vgl. §§ 14 Abs. 2 Nr. 1, 27 ff., 72 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII), so dass im Hinblick auf das Doppelverwertungsverbot bedenkliche Erwägungen noch zu tolerieren sein können.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 24. März 2003 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

Es kann dahingestellt bleiben, ob das Landgericht verpflichtet war, den Angeklagten gemäß § 265 Abs. 1 StPO darauf hinzuweisen, daß eine Strafbarkeit nach § 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB in der Variante, zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut, in Betracht kommt. Der Angeklagte hatte sich nämlich gegen diesen Vorwurf verteidigt (UA 15).

Die Verfahrensrüge, das Landgericht habe gegen den Grundsatz der "Verfahrensfairneß" verstoßen (Revisionsbegründung S. 151), scheitert an unvollständigem Vortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Begründung enthält den von der Verteidigung auf Grund des Hinweises des Gerichts zur Anwendung von § 21 StGB zurückgenommenen Beweisantrag nicht.

Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen zur Betreuung des Jugendlichen S (UA 10, 20) reichen aus, um nach den maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen ein Obhutsverhältnis anzunehmen (vgl. BGHSt 19, 163, 165 f.). Die im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB an sich bedenklichen Erwägungen, der Angeklagte habe seine Funktion als Vertreter des Staates mißbraucht (UA 28), begründen hier keinen Verstoß gegen diese Vorschrift, weil der Angeklagte als Teil der öffentlichen Jugendhilfe - im Vergleich zu den auf eine Anwendung des Zivilrechts begründeten Varianten des § 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB - auch höhere Anforderungen zu erfüllen hatte (vgl. §§ 14 Abs. 2 Nr. 1, 27 ff., 72 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII).

HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 334

Bearbeiter: Karsten Gaede