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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 508/02, Beschluss v. 27.03.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 5 StR 508/02 - Beschluss vom 27. März 2003 (LG Mannheim)

Betrug (Vermögensschaden; Kausalität; Risikoerhöhung; Schadensermittlung; wirtschaftlicher Betrachtung; Sicherheiten); Kreditbetrug (Unternehmen).

§ 263 StGB; § 265b StGB

Leitsatz des Bearbeiters

§ 265b Abs. 1 Satz 1 StGB verlangt, dass die Kreditgewährung für einen Betrieb oder ein Unternehmen erfolgt sein muss. Dies erfordert, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung der Kreditnehmer ein solches Unternehmen sein muss, das - nach der Legaldefinition des § 265b Abs. 3 Nr. 1 StGB - einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb hat.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 16. Juli 2002 mit den zugehörigen Feststellungen nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte wegen Betrugs verurteilt worden ist,

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen und wegen Betrugs unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt.

Seine hiergegen gerichtete Revision führt zur Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte wegen Betrugs verurteilt worden ist, wie auch im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Im übrigen ist das Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Die Verurteilung wegen Betrugs hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte die B V, ohne sich dingliche Sicherheiten bestellen zu lassen, dem Angeklagten im September 1992 einen Kredit für den Ankauf eines Villengrundstücks in Höhe von 1 Million DM gewährt. Das Grundstück wurde von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts erworben, die aus dem Angeklagten und der A GmbH bestand.

Das Landgericht hat zutreffend eine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 StGB darin gesehen, daß der Angeklagte am 24. Februar 1993 gegenüber der B V ein schriftliches Negativattest ausstellte, in dem er wahrheitswidrig erklärte, daß er das vorher mit den Kreditmitteln der Bank erworbene Grundstück vor Rückführung des Darlehens nicht mit Grundpfandrechten zugunsten Dritter belasten werde. Tatsächlich hatte er vorher bereits der S F für eine Kreditzusage die entsprechende Bestellung einer Grundschuld zugesagt und diese dann auch am 15. März 1993 bewilligt.

Ein Vermögensschaden der B V ist aufgrund der Täuschungshandlung aber nur dann entstanden, wenn sich die Vermögenssituation dadurch insgesamt verschlechtert hat. Das Landgericht sieht eine Verschlechterung der Vermögenssituation der B V darin, daß diese auf die Stellung von Grundpfandrechten verzichtet habe.

Dieser Ansatz des Landgerichts begegnet schon deshalb rechtlichen Bedenken, weil nicht erkennbar ist und vom Landgericht auch nicht begründet wird, inwieweit die B V einen Anspruch auf Absicherung ihres ursprünglich ungesichert ausgereichten Darlehens durch eine Grundschuld speziell auf diesem Villengrundstück gehabt haben soll. Selbst wenn ein solcher Anspruch bestanden hätte, ist nicht ersichtlich, wieso die B V über einen derart langen Zeitraum nicht eine Nachholung der Bestellung dinglicher Sicherheiten betrieben hat. Insofern wäre schon zu bezweifeln, ob die Täuschungshandlung für eine entsprechende Vermögensverfügung der Bank kausal geworden ist.

Bestand dagegen kein Anspruch auf die Absicherung des Kredits durch ein Grundpfandrecht, hätte das Landgericht eine Kausalitätsprüfung anstellen müssen, welche wirtschaftliche Entwicklung das Kreditengagement der B V im Falle einer wahrheitsgemäßen Erklärung des Angeklagten genommen hätte. Dies erfordert eine Prüfung, in welchem Umfang die Rückzahlung des Darlehens im Zeitpunkt der Täuschungshandlung bereits gefährdet war. Nur wenn sich durch die Erklärung des Angeklagten das Risiko einer Nichterfüllung der Darlehensschuld erhöht haben sollte, ist die Täuschungshandlung für den Eintritt des Vermögensschadens im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB ursächlich (BGH wistra 1993, 17; 1986, 170 f.; vgl. auch BGH Beschl. vom 12. Februar 2003 - 5 StR 165/02). Zur Feststellung dieses hypothetischen Kausalverlaufes wäre zu prüfen gewesen, ob die B V das Darlehen aus wichtigem Grund hätte kündigen und welchen Betrag sie in diesem Falle hätte realisieren können.

Nur die Verschlechterung oder Gefährdung der Beitreibung der Darlehensforderung, die durch die Täuschungshandlung des Angeklagten bedingt ist, darf für die Berechnung des Vermögensschadens im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB herangezogen werden.

Dieser Betrag entspricht nicht der Summe, in deren Höhe die B V ausgefallen ist und den das Landgericht hier offenbar zugrundegelegt hat. Der betrugsbedingte Schaden kann dabei im Einzelfall sogar höher liegen, wenn der Schaden durch spätere günstige Ereignisse verringert wird. Ein solcher Umstand, der sich dann wie die nachträgliche Aufhebung der bereits eingetretenen Gefährdungslage als Schadenswiedergutmachung ausgewirkt hätte, wäre hier der spätere Verkauf des Villengrundstücks im Januar 1994 für mehr als den doppelten Preis an B K . Andererseits kann auch die vom Landgericht nicht festgestellte Vermögenssituation des Angeklagten zum Zeitpunkt der Täuschungshandlung vom 24. Februar 1993 insgesamt so schlecht gewesen sein, daß die Täuschungshandlung sich nicht mehr zum Nachteil der Bank auswirken konnte. In diesem Fall ist der spätere, unvorhergesehen günstige Verkauf außer Betracht zu lassen.

II.

Die Aufhebung der Verurteilung wegen Betrugs mit den zugehörigen Feststellungen zieht auch die Aufhebung der höchsten Einzelfreiheitsstrafe nach sich. Der Senat kann hier jedoch ausschließen, daß die beiden Einzelfreiheitsstrafen wegen Steuerhinterziehung von der rechtsfehlerbehafteten Verurteilung wegen Betrugs beeinflußt sein könnten. Es liegt aber ein offensichtliches Fassungsversehen vor, weil das Landgericht ersichtlich die Einzelstrafen vertauscht hat. Der Senat stellt deshalb klar, daß der Angeklagte wegen Einkommensteuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten und wegen Umsatzsteuerhinterziehung zu einer solchen von fünf Monaten verurteilt ist.

Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

1. Der neue Tatrichter wird, falls sich ein Vermögensschaden nicht nachweisen läßt, zu prüfen haben, ob ein Kreditbetrug gemäß § 265b StGB gegeben sein könnte. Eine Strafbarkeit nach § 265b StGB kommt auch in Betracht, wenn kein Vermögensschaden eingetreten ist. Allerdings verlangt § 265b Abs. 1 Satz 1 StGB, daß die Kreditgewährung für einen Betrieb oder ein Unternehmen erfolgt sein muß. Dies erfordert, daß bei wirtschaftlicher Betrachtung der Kreditnehmer ein solches Unternehmen (vgl. Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 265b Rdn. 26) sein muß, das - nach der Legaldefinition des § 265b Abs. 3 Nr. 1 StGB - einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb hat.

2. Hinsichtlich einer neu vorzunehmenden Gesamtstrafenbildung ist der genaue Zeitpunkt der Zahlung der Geldstrafe aus der Vorverurteilung des Landgerichts Freiburg vom 13. April 1999 in Höhe von 100 Tagessätzen festzustellen. Dabei wird der neue Tatrichter zu bedenken haben, daß der Umstand einer rechtskräftig zunächst gebildeten Gesamtstrafe gemäß § 460 StPO auch hier Beachtung finden muß. Die Geldstrafe darf bei einer Gesamtstrafenbildung jedenfalls dann nicht außer Betracht bleiben, wenn die Voraussetzungen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB vorgelegen haben (vgl. Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 460 Rdn. 13). Soweit die Geldstrafe dann noch vor Rechtskraft des Gesamtstrafenbeschlusses bezahlt worden sein sollte, ist diese Zahlung auf die Gesamtfreiheitsstrafe anzurechnen (§ 51 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 StGB). Eine solche Anrechnung ist aber nicht Sache des Gerichts, sondern der Strafvollstreckungsbehörde (vgl. BGHSt 21, 186; RG GA Bd. 47, 296).

Externe Fundstellen: NStZ 2003, 539; StV 2003, 446

Bearbeiter: Karsten Gaede