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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 393/01, Urteil v. 29.11.2001, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 5 StR 393/01 - Urteil vom 29. November 2001 (LG Berlin)

Strafzumessung bei besonders schweren Fällen der Bestechlichkeit; Minder schwerer Fall bei Annahme eines Regelbeispiels

§ 335 Abs. 2 Nr. 2 StGB; § 332 Abs. 1 Satz 2 StGB; § 46 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Auch wenn zutreffend das Regelbeispiel des besonders schweren Falles der Bestechlichkeit nach § 335 Abs. 2 Nr. 2 StGB bejaht wird ist das Gericht nicht gehindert, im Einzelfall den Strafrahmen der Vorschrift des § 332 Abs. 1 Satz 2 StGB zu entnehmen (vgl. zu der gleichgelagerten Problematik im Rahmen des § 177 StGB: BGH NStZ 1999, 615, BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 13; BGHR StGB § 177 Abs. 5 Strafrahmenwahl 2). Die Annahme eines minder schweren Falles bei Vorliegen eines Regelbeispiels kommt allerdings nur in ganz ungewöhnlichen Ausnahmefällen in Betracht (vgl. BGH aaO).

Entscheidungstenor

1. Die Revisionen des Angeklagten S und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. Januar 2001 werden verworfen.

2. Der Angeklagte hat die Kosten seiner Revision, die Staatskasse diejenigen der Revision der Staatsanwaltschaft sowie die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat nach Zurückverweisung der Sache durch den Senat (NStZ 20001 596) den Angeklagten S wegen Bestechlichkeit in elf Fällen, davon einmal in Tateinheit mit Untreue, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, wobei der Generalbundesanwalt die Revision der Staatsanwaltschaft vertritt. Beide Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

1. Die Angriffe der Staatsanwaltschaft gegen die Strafzumessung des Landgerichts zeigen keinen Rechtsfehler auf.

a) Das Landgericht hat zwar zutreffend bei sämtlichen Taten des Angeklagten das Regelbeispiel des besonders schweren Falles der Bestechlichkeit nach § 335 Abs. 2 Nr. 2 StGB bejaht (vgl. BGHR StGB § 335 Abs. 2 Nr. 2 Annahme, fortgesetzte 1). Damit war es jedoch nicht gehindert, im Einzelfall den Strafrahmen der Vorschrift des § 332 Abs. 1 Satz 2 StGB zu entnehmen (vgl. zu der gleichgelagerten Problematik im Rahmen des § 177 StGB: BGH NStZ 1999, 615, BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 13; BGHR StGB § 177 Abs. 5 Strafrahmenwahl 2). Die Annahme eines minder schweren Falles bei Vorliegen eines Regelbeispiels kommt allerdings nur in ganz ungewöhnlichen Ausnahmefällen in Betracht (vgl. BGH aaO).

Diese Voraussetzungen hat das Landgericht rechtsfehlerfrei in sechs Fällen angenommen und dies neben einer ganzen Reihe angeführter Milderungsgesichtspunkte damit begründet, daß den weitergegebenen Daten der Geheimnischarakter fehle. In diesen Fällen erschöpfte sich das Handeln des Angeklagten jeweils in der bloßen Überlassung von Wohnanschriften. Solche Daten sind Gegenstand einer einfachen Melderegisterauskunft, die gemäß § 21 Abs. 1 MRRG auf Antrag grundsätzlich jedem zu gewähren ist (BGH NStZ 2000, 596, 597). Ein etwaiger Eingriff in das Recht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfGE 65, 1 ff.) läge allenfalls auf unterster Ebene. Dies hat das Landgericht erkennbar auch so gewichtet. Damit hat es - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - den Schutzzweck der Datensicherung und Datenkontrolle erkannt und in die erforderliche Gesamtabwägung einbezogen.

b) Die festgesetzte Gesamtstrafe hält rechtlicher Prüfung stand. Insbesondere durfte das Landgericht den zeitlichen und situativen Zusammenhang der Taten auch vor dem Hintergrund des Regelbeispiels nach § 335 Abs. 2 Nr. 2 StGB bei der Gesamtstrafenbildung berücksichtigen.

2. Die Revision des Angeklagten ist ebenfalls unbegründet. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei einen minder schweren Fall bei den Taten abgelehnt, in denen die übermittelten Informationen über die bloße Weitergabe von Anschriften hinausgingen und Geheimnischarakter hatten. Die dabei vorgenommene Differenzierung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, weil der Grad der Dienstpflichtverletzung, der sich in der Vertraulichkeit der weitergegebenen Daten widerspiegelt, bei der Strafzumessung ganz entscheidend zu berücksichtigen ist. Im übrigen läßt - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - das landgerichtliche Urteil bei der Strafrahmenwahl die erforderliche Gesamtwürdigung erkennen. Es berücksichtigt insbesondere umfänglich die Folgen der Straftat in ihrer Wirkung auf den Angeklagten.

Bearbeiter: Karsten Gaede