Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 146/00, Beschluss v. 20.04.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Auf die Revision des Angeklagten G wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. Oktober 1999, auch insoweit es die Angeklagte R betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO
a) aufgehoben, soweit die Angeklagten im Fall 3 der Urteilsgründe (Tat zum Nachteil von Z ) verurteilt worden sind; insoweit werden die Angeklagten - auf Kosten der Staatskasse, die auch ihre notwendigen Auslagen zu tragen hat - freigesprochen;
b) im Ausspruch über die - jeweils zur Bewährung ausgesetzte - Gesamtfreiheitsstrafe gegen den Angeklagten G auf ein Jahr und fünf Monate, gegen die Angeklagte R auf ein Jahr und sieben Monate herabgesetzt.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Der Angeklagte G bleibt danach wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung verurteilt, die Angeklagte R wegen Rechtsbeugung in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit Freiheitsberaubung.
3. Der Angeklagte G hat die verbleibenden Kosten seiner Revision zu tragen.
Das Landgericht hat den Beschwerdeführer G wegen Rechtsbeugung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, unter Einbeziehung einer rechtskräftig verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils und zur Freisprechung des Beschwerdeführers in einem Fall. Diese Entscheidung ist nach § 357 StPO auf die - wegen fünf entsprechender Fälle zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten mit Bewährung verurteilte - Mitangeklagte R, die keine Revision eingelegt hat, zu erstrecken. Der Teilfreispruch zieht die Reduzierung der Gesamtfreiheitsstrafen um jeweils einen Monat nach sich.
Die weitergehende Revision des Beschwerdeführers ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Das angefochtene Urteil erweist sich abgesehen vom Schuldspruch im Fall 3 der Urteilsgründe in jeder Beziehung als rechtsfehlerfrei. Insbesondere entspricht es zur Frage täterschaftlicher Verantwortlichkeit von DDR-Staatsanwälten und zur Annahme von Rechtsbeugung durch Verantwortlichkeit für die Anordnung von Untersuchungshaft in den hier in Frage stehenden Fällen von Kontakten Ausreisewilliger mit der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der abzugehen das Revisionsvorbringen keine Veranlassung gibt.
Da auch bei der vorliegenden Fallgruppe Rechtsbeugung aus subjektiven Gründen nicht bereits wegen rechtsstaatswidriger Überdehnung der angewendeten Strafnormen (§ 219, ggfs. auch § 214 StGB-DDR) in Betracht kommt, muß eine von der Regel abweichende Beurteilung gelten, wenn Untersuchungshaft gegen einen relevant vorgeahndeten Verfolgten in Frage steht. Dann kann nämlich aus der - im Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG maßgeblichen - Sicht der DDR-Justiz die - mit rechtsstaatlichen Anliegen fraglos unvereinbare - Anordnung von Untersuchungshaft nicht als schlechthin unnachvollziehbar gewertet werden. In einem derartigen Fall scheidet mit Rücksicht auf seine besonderen Gegebenheiten Rechtsbeugung allein wegen der Anordnung von Untersuchungshaft aus subjektiven Gründen aus (BGH NJ 2000, 101 m.w.N.). So liegt Fall 3 der Urteilsgründe mit Rücksicht auf die nur zwei Jahre zurückliegende Verurteilung des Verfolgten Z zu anschließend verbüßter Freiheitsstrafe wegen "ungesetzlichen Grenzübertritts". Da für eine weitergehende strafrechtliche Verantwortung des Beschwerdeführers - oder auch der Mitangeklagten - in diesem Fall nichts ersichtlich ist, hat der Senat insoweit - auch zugunsten der Mitangeklagten auf Freispruch durchzuerkennen (§ 354 Abs. 1 StPO).
Die vom Tatrichter gewählte übersichtliche Methode der Gesamtstrafenbildung läßt eindeutig erkennen, daß die Gesamtstrafe ohne die in diesem Fall jeweils verhängte Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat bei beiden Angeklagten um jeweils einen Monat niedriger ausgefallen wäre. Der Senat kann so zur Durchentscheidung auf die so verminderten Gesamtstrafen gelangen. Die bisherigen Bewährungszeit- und Pflichtenbeschlüsse des Tatrichters (§ 268a StPO) werden durch die Abänderung der zugrundegelegten Strafhöhe gegenstandslos; der Tatrichter wird hierzu auf der verminderten Basis erneut zu entscheiden haben.
Bearbeiter: Karsten Gaede