hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1329

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 421/19, Beschluss v. 08.10.2019, HRRS 2019 Nr. 1329


BGH 4 StR 421/19 - Beschluss vom 8. Oktober 2019 (LG Dortmund)

Urteilsgründe (Feststellung der für erwiesen erachteten Tatsachen); Bildung der Gesamtstrafe (Ausgleich des Gesamtstrafenübels bei Zäsurwirkung); Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (Therapiemotivation des Angeklagten; revisionsgerichtliche Überprüfbarkeit).

§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO; § 54 StGB; § 64 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die Feststellung der für erwiesen erachteten Tatsachen erfordert eine genaue und in sich geschlossene Sachverhaltsdarstellung, die erkennen lässt, durch welche bestimmten Umstände die einzelnen gesetzlichen Merkmale des äußeren und inneren Tatbestands erfüllt werden. Andernfalls ist das Urteil revisionsrechtlich nicht überprüfbar. Fehlt eine solche Darstellung oder ist sie in wesentlichen Teilen unvollständig, so ist dies ein Mangel des Urteils, der auf die Sachrüge zu dessen Aufhebung führt. Die Beweiswürdigung soll keine umfassende Dokumentation der Beweisaufnahme enthalten, sondern lediglich belegen, warum bestimmte bedeutsame Umstände so festgestellt worden sind. Eine breite Darstellung des vorhandenen Beweisstoffes kann dabei die notwendige Darlegung der eigenverantwortlichen tatrichterlichen Beweiswürdigung nicht ersetzen.

2. Führt eine Zäsurwirkung zur Bildung mehrerer (Gesamt-)Strafen, muss ein zu hohes Gesamtstrafenübel ausgeglichen werden. Dabei hat der Tatrichter darzulegen, dass er sich dieser Sachlage bewusst gewesen ist und er das Gesamtmaß der Strafen für schuldangemessen hält. Gegebenenfalls ist eine nicht in die Gesamtstrafe einbeziehbare Einzelstrafe herabzusetzen, um eine insgesamt gerechte Bestrafung zu erreichen.

3. Zwar handelt es sich bei der Therapiemotivation des Angeklagten um einen prognosegünstigen Umstand. Dieser vermag die Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht aber allein nicht zu belegen, wenn nach den Feststellungen auch gewichtige prognoseungünstige Faktoren bestehen. In einem solchen Fall bedarf es einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen prognoserelevanten Umstände.

4. Der Umstand, dass der Angeklagte die Maßregelanordnung von der revisionsrechtlichen Überprüfung ausgenommen wissen will, steht der Aufhebung nicht entgegen. Diese Beschränkung ist unwirksam, weil sich der Angeklagte zugleich gegen den Schuldspruch wendet, der sich auf alle Symptomtaten bezieht.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 24. April 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) soweit der Angeklagte im Fall III. 1. der Urteilsgründe verurteilt worden ist;

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafen;

c) soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr aus dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 29. Mai 2018 und „Einbeziehung der dortigen Freiheitsstrafe betreffend die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Dortmund Az.: 114 Js 522/17“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 29. Mai 2018 und „Einbeziehung der dortigen Freiheitsstrafen aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Dortmund Az.: 803 Js 1246/16 und dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 16. Februar 2017“ zu einer (weiteren) Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Entscheidung über einen Vorwegvollzug getroffen. Seine Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall III. 1. der Urteilsgründe war auf die Sachrüge aufzuheben, weil das Urteil keine in sich geschlossene und verständliche Darstellung des als Beihilfe bewerteten Tatgeschehens enthält und die zugrundeliegende Beweiswürdigung nicht nachvollziehbar ist (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO).

a) Nach den Feststellungen kam es kurz vor dem 30. Oktober 2017 zu einem telefonischen Kontakt zwischen dem Angeklagten und einem unbekannt gebliebenen niederländischen Betäubungsmittelhändler („D. “), bei dem der Angeklagte zusicherte, dass der Zeuge W. für ein Betäubungsmittelgeschäft zur Verfügung stehe. Noch am selben Tag teilte der Angeklagte dem Zeugen „in verschlüsselter Kommunikation“ mit, dass er den Kontakt zu „D.“ hergestellt habe und er bei ihm Marihuana bestellen könne. W. entschied sich daraufhin, von „D.“ Marihuana im Kilobereich zu kaufen. In der Zeit zwischen dem 30. Oktober und dem 17. November 2017 führten der Angeklagte und der Zeuge W. sodann mehrere Telefongespräche, „in denen sie konspirativ und unter Verwendung von Synonymen (essen gehen, Winterräder, Reifen, Hosen) über die geplante Lieferung des Marihuanas korrespondierten und bei denen der Angeklagte den Zeugen W. bei der Umsetzung des Geschäfts unterstützte“. Im Anschluss an diese Feststellung werden in den Urteilsgründen über 10 Druckseiten (UA 18 bis 28) Telefongespräche zwischen einer Person namens A. und einem Da. im vollen Wortlaut und mit allen begleitenden nicht artikulierten Lautäußerungen wiedergegeben. Dabei ist an verschiedenen Stellen auch von „essen gehen“, „Reifen“, „Winterreifen“ oder „Hosen“ die Rede. Weiterhin wird festgestellt, dass der Angeklagte mit dem Zeugen W. den Ankauf von einem Kilogramm Marihuana vereinbarte, das er auf eigene Rechnung mit Gewinn verkaufen wollte, W. bei „D.“ drei Kilogramm Marihuana bestellte und am 17. November 2017 von einem Kurier etwa 5.600 Gramm Marihuana (1.019 g THC) statt der bestellten drei Kilogramm erhielt.

In der Beweiswürdigung zu den Unterstützungshandlungen führt die Strafkammer aus, dass sich der über die (eingeräumte) Bestellung von einem Kilogramm Marihuana hinausgehende Tatbeitrag des Angeklagten auch aus den Niederschriften der Telekommunikationsüberwachung ergebe. Diese ließen den Rückschluss zu, dass der Angeklagte den Zeugen W. bei der Anbahnung und Durchführung der gesamten Lieferung unterstützte (UA 30).

b) Diese Abfassung der Urteilsgründe genügt im Hinblick auf den Vorwurf der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1StPO.

aa) Die Feststellung der für erwiesen erachteten Tatsachen erfordert eine genaue und in sich geschlossene Sachverhaltsdarstellung, die erkennen lässt, durch welche bestimmten Umstände die einzelnen gesetzlichen Merkmale des äußeren und inneren Tatbestands erfüllt werden. Andernfalls ist das Urteil revisionsrechtlich nicht überprüfbar. Fehlt eine solche Darstellung oder ist sie in wesentlichen Teilen unvollständig, so ist dies ein Mangel des Urteils, der auf die Sachrüge zu dessen Aufhebung führt (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 - 4 StR 597/16, NZV 2017, 278 f.; Beschluss vom 18. Oktober 2007 - 4 StR 481/07, NStZ 2008, 352; Meyer-Goßner, NStZ 1988, 529, 531 mwN). Die Beweiswürdigung soll keine umfassende Dokumentation der Beweisaufnahme enthalten, sondern lediglich belegen, warum bestimmte bedeutsame Umstände so festgestellt worden sind. Eine breite Darstellung des vorhandenen Beweisstoffes kann dabei die notwendige Darlegung der eigenverantwortlichen tatrichterlichen Beweiswürdigung nicht ersetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2013 - 3 StR 121/13; Beschluss vom 23. April 1998 - 4 StR 106/98, NStZ-RR 1998, 277 mwN).

bb) Dem werden die Urteilsgründe in Bezug auf den Beihilfevorwurf nicht gerecht. Soweit als Bestandteil der Feststellungen zur Sache angeführt wird, dass der Angeklagte in der Zeit zwischen dem 30. Oktober und dem 17. November 2017 mit dem Zeugen W. mehrere Telefongespräche geführt habe, durch die der Angeklagte den Zeugen bei der Umsetzung des Betäubungsmittelgeschäfts unterstützte, fehlt eine nachvollziehbare Darstellung, welche konkrete Hilfeleistung durch welchen Gesprächsinhalt bewirkt wurde. Die sich daran anschließende Wiedergabe des Ergebnisses der Telekommunikationsüberwachung ist dafür ungeeignet, weil die Kommunikation zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen W. verschlüsselt erfolgte und deshalb nicht aus sich heraus verständlich ist. Auch wird in keiner Weise zwischen relevanten und redundanten Passagen unterschieden. In der zugehörigen Beweiswürdigung wäre dann auszuführen gewesen, wie die - allein dem Tatrichter vorbehaltene - Entschlüsselung der relevanten Passagen im Einzelnen vollzogen wurde und aufgrund welcher Erwägung es zur Feststellung dieser Gesprächsinhalte gekommen ist. Der allgemein gehaltene Hinweis auf den Gebrauch von Codewörtern und deren bloße Benennung lassen keine revisionsrechtliche Überprüfung dieses Vorgangs zu und reichen deshalb nicht aus.

c) Die Verurteilung wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kann daher nicht bestehen bleiben. Dies hat auch die Aufhebung der tateinheitlich erfolgten Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Kaufvereinbarung mit dem Zeugen W. in Bezug auf ein Kilogramm Marihuana zu Handelszwecken) zur Folge.

2. Der Wegfall der für die Tat unter III. 1. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe zieht auch die Aufhebung der aus dieser Strafe und der Einzelstrafe wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis aus dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 29. Mai 2018 (Az.: StA Dortmund 114 Js 522/17) gebildeten Gesamtstrafe von drei Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe nach sich.

Insoweit weist der Senat auf das Folgende hin:

a) Sollte der neue Tatrichter im Fall III. 1. der Urteilsgründe erneut zu einer Verurteilung gelangen, wird er zu beachten haben, dass der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe mit der Strafe wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis aus dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 29. Mai 2018 (Az.: StA Dortmund 114 Js 522/17) entgegenstehen könnte, dass die dieser Verurteilung zugrunde liegende Tat am 28. März 2017 und damit vor dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 21. Juli 2017 begangen worden ist. Dies könnte zur Folge haben, dass diese Strafe und die am 29. Mai 2018 noch nicht erledigte Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 21. Juli 2017 gesamtstrafenfähig sind und diesem Urteil deshalb eine Zäsurwirkung zukommt. In diesem Fall bliebe die neu festzusetzende Einzelstrafe für die in der Zeit vom 30. Oktober 2017 bis zum 17. November 2017 begangene neue Tat (Fall III. 1. der Urteilsgründe) isoliert bestehen; eine Auflösung der vom Amtsgericht Dortmund am 29. Mai 2018 aus der Einzelstrafe für die von ihm abgeurteilte Tat vom 28. März 2017 und der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 21. Juli 2017 gebildeten nachträglichen Gesamtstrafe käme dann ebenso wenig in Betracht wie eine Einbeziehung einer dieser Gesamtstrafenbildung zugrunde liegenden Einzelstrafe.

b) Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls das Schlechterstellungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) zu beachten (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2012 - 3 StR 220/12, NStZ-RR 2013, 6 mwN [zur fehlerhaften Einbeziehung einer urteilsfremden Strafe]) und eindeutige Feststellungen zur Rechtskraft der in Rede stehenden Entscheidungen zu treffen haben. Schließlich wird auch zu berücksichtigen sein, dass ein durch die Bildung mehrerer (Gesamt-) Strafen eintretendes zu hohes Gesamtstrafenübel ausgeglichen werden muss (dazu näher unter 3. a).

3. Die weitere aus den Einzelstrafen für die rechtsfehlerfrei festgestellten Taten unter III. 2. der Urteilsgründe (unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen), der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 16. Februar 2017 und der Einzelstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 29. Mai 2018 für die dort abgeurteilte Tat vom 3. November 2018 (Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis) gebildete (zweite) Gesamtstrafe von vier Jahren Freiheitsstrafe hält revisionsrechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.

a) Denn das Landgericht hat (auch) bei der Bestimmung dieser Gesamtstrafe nicht beachtet, dass einem durch die Eigenheiten der nachträglichen Gesamtstrafenbildung bedingten Nachteil zu begegnen ist. Führt eine Zäsurwirkung zur Bildung mehrerer (Gesamt-) Strafen, muss ein zu hohes Gesamtstrafenübel ausgeglichen werden. Dabei hat der Tatrichter darzulegen, dass er sich dieser Sachlage bewusst gewesen ist und er das Gesamtmaß der Strafen für schuldangemessen hält. Gegebenenfalls ist eine nicht in die Gesamtstrafe einbeziehbare Einzelstrafe herabzusetzen, um eine insgesamt gerechte Bestrafung zu erreichen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2018 - 1 StR 582/17, Rn. 5; Urteil vom 20. Juli 2016 - 2 StR 18/16, NStZ-RR 2016, 368, 369; Beschluss vom 9. November 1995 - 4 StR 650/95, BGHSt 41, 310, 313). Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei Berücksichtigung dieser Grundsätze auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte.

b) Die neu entscheidende Strafkammer wird auch zu prüfen haben, ob eine Einbeziehung der zuletzt bis zum 14. August 2018 in Unterbrechung der Untersuchungshaft vollstreckten Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 18. November 2016 (UA 6) in Betracht kommt.

aa) Soweit sich die Strafkammer daran durch die festgestellte Vollstreckung dieser Strafe gehindert gesehen hat, hat sie verkannt, dass mit der Einbeziehung dieser Strafe in eine der Gesamtstrafen im Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 29. Mai 2018 - deren nicht eindeutig festgestellte, aber vom Landgericht ersichtlich angenommene Rechtskraft vorausgesetzt - nur noch diese Gesamtstrafe vollstreckt werden konnte und die einbezogene Strafe ihre selbstständige Bedeutung damit verloren hatte. Da diese Gesamtstrafe im Urteilszeitpunkt noch nicht vollstreckt war, mussten nach einer Auflösung dieser Gesamtstrafe alle zugrundeliegenden Einzelstrafen als unerledigt angesehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2012 - 1 StR 530/11, NStZ 2012, 380, 381; BayObLG, Beschluss vom 13. September 1957 - ObJs 111/56, NJW 1957, 1810).

bb) Der Angeklagte kann durch die rechtsfehlerhaft unterbliebene Einbeziehung hier ausnahmsweise auch beschwert sein, weil er die Geldstrafe - zumindest weitgehend - in Unterbrechung der Untersuchungshaft als Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt hat (UA 6). Da eine Einbeziehung unter den hier gegebenen Umständen nicht notwendig zu einer Erhöhung der Gesamtfreiheitsstrafe führen muss und es im Übrigen auf eine Gesamtschau der Ahndungsmaßnahmen ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 1980 - 2 StR 10/80, BGHSt 29, 269, 270 mwN), steht hier auch das Schlechterstellungsverbot der Nachholung einer Einbeziehung nicht grundsätzlich entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2009 - 3 StR 463/09 mwN).

4. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB kann nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht mit einer nicht tragfähigen Begründung bejaht hat.

a) Die sachverständig beratene Strafkammer hat ihre positive Behandlungsprognose allein auf die ausreichende Therapiemotivation des Angeklagten gestützt, der erstmalig die Chance sehe, sich stationär mit seiner Drogenabhängigkeit auseinander zu setzen (UA 39). Damit wird das Landgericht den rechtlichen Anforderungen, die an die Bejahung einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB zu stellen sind, nicht gerecht. Zwar handelt es sich bei dem angeführten Gesichtspunkt um einen prognosegünstigen Umstand. Dieser vermag die Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht aber allein nicht zu belegen, wenn nach den Feststellungen - wie hier - auch gewichtige prognoseungünstige Faktoren bestehen. In einem solchen Fall bedarf es einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen prognoserelevanten Umstände (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2018 - 2 StR 72/18, Rn. 4; Beschluss vom 15. März 2016 - 5 StR 26/16, Rn. 5; Beschluss vom 21. April 2015 - 4 StR 92/15, NJW 2015, 2898 Rn. 15 mwN). Hieran fehlt es. Denn die Strafkammer hat sich nicht damit auseinandergesetzt, dass der seit dem Erreichen der Strafmündigkeit im Jahr 1994 vielfach - auch wegen Gewaltstraftaten - straffällig gewordene Angeklagte bereits mehrfach zu Haftstrafen verurteilt werden musste. Bereits seit seinem 14. Lebensjahr konsumiert er Marihuana und nimmt seit dem Jahr 2004 mit steigender Intensität Kokain zu sich. Bei ihm besteht deshalb ein polyvalentes Abhängigkeitssyndrom. Sowohl der langjährige Betäubungsmittelkonsum, als auch die von dem Sachverständigen bestätigte dissoziale Charakterstruktur als Mitursache für die Taten des Angeklagten sind prognoseungünstige Faktoren (vgl. Schalast in: Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 3, S. 341; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 462 mwN), die im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung einer näheren Erörterung bedurft hätten.

b) Die Unterbringungsanordnung kann danach nicht bestehen bleiben. Dadurch verliert auch die Anordnung über einen Vorwegvollzug ihre Grundlage.

c) Der Umstand, dass der Angeklagte die Maßregelanordnung von der revisionsrechtlichen Überprüfung ausgenommen wissen will, steht der Aufhebung nicht entgegen. Diese Beschränkung ist unwirksam, weil sich der Angeklagte zugleich gegen den Schuldspruch wendet, der sich auf alle Symptomtaten bezieht (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2012 - 2 StR 605/11, NStZ-RR 2013, 54).

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1329

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2020, 28

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner