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HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 188

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 519/04, Beschluss v. 01.02.2005, HRRS 2005 Nr. 188


BGH 4 StR 519/04 - Beschluss vom 1. Februar 2005 (LG Dortmund)

Mittäterschaftlich begangene bandenmäßige Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Zurechnung der einzelnen Tat nach den Grundsätzen der Beteiligungsformen, nicht infolge der Bandenmitgliedschaft).

§ 25 Abs. 2 StGB; § 30a Abs. 1 BtMG

Leitsatz des Bearbeiters

1. Die Feststellung der Bandenmitgliedschaft eines Angeklagten genügt für sich allein jedoch nicht, um ihm jede im Rahmen der Bande begangene Tat zurechnen zu können. Vielmehr sind die Mitgliedschaft in der Bande einerseits und die mittäterschaftliche Begehung andererseits begrifflich und tatsächlich voneinander zu trennen (vgl. BGHSt 47, 214, 216).

2. Die Zurechnung einer Bandentat richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung zu den Beteiligungsformen der §§ 25 f. StGB (vgl. BGHSt aaO S. 218). Dazu hätte es zumindest der Feststellung bedurft, dass der Beschwerdeführer auch in diesem Fall in die Tatplanung eingeweiht war und die Tatausführung in irgendeiner Weise unterstützt hat.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 1. Juli 2004 mit den Feststellungen aufgehoben,

a) soweit dieser Angeklagte im Fall II 4 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; insoweit bleiben jedoch die Feststellungen zur Bandenmitgliedschaft des Angeklagten aufrechterhalten,

b) im Gesamtstrafenausspruch.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, bandenmäßigen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen vorsätzlicher Falschaussage in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung einer Pistole angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er allgemein die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit ihn das Landgericht in den Fällen II 3 und 5 bis 7 der Urteilsgründe verurteilt hat. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 29. November 2004.

2. Dagegen hält das Urteil rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht den Beschwerdeführer im Fall II 4 der Urteilsgründe der mittäterschaftlich begangenen bandenmäßigen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge für schuldig befunden hat.

a) Die Feststellungen weisen eine Beteiligung des Angeklagten an dieser im Juli 2003 begangenen Einfuhr nicht aus. Vielmehr werden insoweit lediglich Tatbeiträge seines Bruders, des Mitangeklagten Mohamed B., sowie des Yasar Ba. geschildert. Auch der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe im übrigen belegt eine Beteiligung des Beschwerdeführers nicht. So teilt das Urteil seine Einlassung zu diesem Fall nicht mit. Auch die Beweiswürdigung im übrigen verhält sich insoweit lediglich zu den Umständen, die die Bandenmitgliedschaft des Angeklagten und seines Bruders "als Nachfolger von Nasser B." (UA 38/39) betreffen. Die Feststellung der Bandenmitgliedschaft des Angeklagten genügt für sich allein jedoch nicht, um ihm jede im Rahmen der Bande begangene Tat zurechnen zu können. Vielmehr sind die Mitgliedschaft in der Bande einerseits und die mittäterschaftliche Begehung andererseits begrifflich und tatsächlich voneinander zu trennen (vgl. BGHSt 47, 214, 216). Die Zurechnung einer Bandentat richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung zu den Beteiligungsformen der §§ 25 f. StGB (vgl. BGHSt aaO S. 218). Dazu hätte es zumindest der Feststellung bedurft, daß der Beschwerdeführer auch in diesem Fall in die Tatplanung eingeweiht war und die Tatausführung in irgendeiner Weise unterstützt hat. An derartigen Feststellungen fehlt es im angefochtenen Urteil. Sie sind auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil zu diesem Fall allgemein mitgeteilt wird, daß nach den vorangegangenen Rauschgiftgeschäften auch der Angeklagte "weiterhin ... Kontakt zu dem Lieferanten in Brasilien" hatte (UA 21; ebenso UA 54). Denn dies läßt einen konkreten Bezug dieses "Kontakts" mit der Einfuhrhandlung im Fall II 4 nicht erkennen.

b) Über die Verurteilung des Angeklagten im Fall II 4 der Urteilsgründe ist deshalb ohne Bindung an die bisher getroffenen Feststellungen neu zu entscheiden.

Ausgenommen von der Aufhebung sind insoweit nur die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zur Bandenmitgliedschaft; diese können deshalb bestehen bleiben.

c) Die Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten im Fall II 4 der Urteilsgründe hat den Wegfall der insoweit erkannten Einzelfreiheitsstrafe von sechs Jahren zur Folge. Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich, über den deshalb ebenfalls neu zu befinden ist.

HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 188

Bearbeiter: Karsten Gaede