hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 238/00, Beschluss v. 11.07.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 238/00 - Beschluß v. 11. Juli 2000 (LG Stralsund)

Natürliche Handlungseinheit bei gefährlicher Körperverletzung bei Verwirklichung zweier Qualifikationsmerkmale; das Leben gefährdenden Behandlung; Tatmehrheit

§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB; § 52 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Verwirklicht der Angeklagte im Verlauf des Tatgeschehens nacheinander zwei Varianten des Straftatbestands der gefährlichen Körperverletzung, rechtfertigt dies nicht die Annahme von Tatmehrheit, wenn die weiteren Körperverletzungshandlungen zum Nachteil des Tatopfers wegen des engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhangs der Verletzungshandlungen und wegen des Umstandes, daß diesen ein einheitlicher Wille zugrunde lag, eine natürliche Handlungseinheit (vgl. BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit Entschluß, einheitlicher 7 m.w.N.) bilden. Auch soweit zwei der Tatmodalitäten des § 224 StGB verwirklicht sind, liegt nur eine Gesetzesverletzung und nicht (gleichartige) Tateinheit vor (vgl. BGHR StGB § 223a Konkurrenzen 4).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 24. Januar 2000 dahin geändert, daß der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wird.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Änderung des Schuld- und des Strafausspruchs; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Nach den Feststellungen liegt nur eine Tat im Rechtssinne vor. Zwar hat das Landgericht zutreffend den Stich, den der Angeklagte seiner früheren Lebensgefährtin zu Beginn des mehraktigen Tatgeschehens "mit einem kugelschreiberähnlichen, runden, spitzen Gegenstand" versetzte, der zu einer perforierenden Verletzung der linken Brusthöhle führte (Mantelpneumothorax), als Körperverletzung "mittels eines gefährlichen Werkzeugs" (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und das spätere Würgen des Tatopfers bis zum Eintritt der Bewußtlosigkeit als Körperverletzung "mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung" (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) gewertet. Daß der Angeklagte im Verlauf des Tatgeschehens nacheinander zwei Varianten des Straftatbestands der gefährlichen Körperverletzung verwirklicht hat, rechtfertigt aber unter den hier gegebenen Umständen nicht die Annahme von Tatmehrheit. Vielmehr bilden die vorgenannten Betätigungen und die weiteren Körperverletzungshandlungen zum Nachteil des Tatopfers (mehrfaches Ziehen an den Haaren, Schläge ins Gesicht sowie mindestens zwei Faustschläge gegen die linke Schläfe) wegen des engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhangs der Verletzungshandlungen und wegen des Umstandes, daß diesen ein einheitlicher Wille zugrunde lag, eine natürliche Handlungseinheit (vgl. BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit Entschluß, einheitlicher 7 m.w.N.). Auch soweit zwei der Tatmodalitäten des § 224 StGB verwirklicht sind, liegt nur eine Gesetzesverletzung und nicht (gleichartige) Tateinheit vor (vgl. BGHR StGB § 223a Konkurrenzen 4; Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 52 Rdn. 28 m.N.).

Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte insoweit nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

Die Schuldspruchänderung führt dazu, daß nur eine - die höhere - Freiheitsstrafe bestehen bleibt, so daß der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wird.

Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlaß, den Angeklagten von den Kosten des Verfahrens gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise zu entlasten.

Bearbeiter: Karsten Gaede