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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 26

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 64/21, Beschluss v. 22.09.2021, HRRS 2022 Nr. 26


BGH 3 StR 64/21 - Beschluss vom 22. September 2021 (LG Duisburg)

Rechtsfehlerhafter Gesamtstrafenausspruch.

§ 55 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 23. September 2020 wird

das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 9. der Urteilsgründe wegen versuchten schweren Bandendiebstahls verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

das vorgenannte Urteil

im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren Bandendiebstahls in neun Fällen schuldig ist;

im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gemeinschaftlichen“ schweren Bandendiebstahls in neun Fällen sowie wegen versuchten schweren Bandendiebstahls unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Wuppertal vom 7. Januar 2020 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen wendet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Soweit der Angeklagte im Fall II. 9. der Urteilsgründe wegen versuchten schweren Bandendiebstahls verurteilt worden ist, stellt der Senat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts aus prozessökonomischen Gründen gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, weil auf der Grundlage der bisherigen Urteilsgründe Bedenken hinsichtlich der Strafzumessung bestehen.

2. Die Teileinstellung des Verfahrens hat eine Änderung des Schuldspruchs sowie den Wegfall der im Fall II. 9. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe zur Folge. Die Bezeichnung der verbleibenden Taten als „gemeinschaftlich“ begangen ist nicht erforderlich und kann entfallen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 1977 - 2 StR 410/77, BGHSt 27, 287, 289; vom 10. November 2020 - 3 StR 308/20, juris Rn. 2).

3. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe kann unbeschadet des Wegfalls der Einzelstrafe im Fall II. 9. der Urteilsgründe bereits deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht den Vollstreckungsstand hinsichtlich der einbezogenen Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Wuppertal vom 7. Januar 2020 nicht mitgeteilt hat. Der Generalbundesanwalt hat insoweit das Folgende ausgeführt:

„Das angefochtene Urteil erweist sich insoweit als rechtsfehlerhaft, weil es sich nicht dazu verhält, ob die gegen den Angeklagten verhängte Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Wuppertal vom 7. Januar 2020 bereits erledigt ist. Das Revisionsgericht kann daher nicht beurteilen, ob das Landgericht die Geldstrafe zu Recht gem. § 55 Abs. 1 StGB in die Bildung der nachträglichen Gesamtstrafe einbezogen hat oder - für den Fall ihrer Erledigung - ein Härteausgleich vorzunehmen gewesen wäre (vgl. Senat Beschl. v. 29.11.2011 - 3 StR 358/11, BeckRS 2012, 385; BGH Beschl. v. 9.11.2010 - 4 StR 441/10, NJW 2011, 868 = BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 20; LK/Rissing-van Saan/Scholze 13. Aufl. § 55 Rn. 22).

Von dieser Frage abgesehen liegen die Voraussetzungen des § 55 StGB auch hinsichtlich der Tat vom 10. Januar 2020 (Ziffer 10. der Urteilsgründe) nicht vor, weil diese Tat nach dem Erlass des Strafbefehls des Amtsgerichts Wuppertal am 7. Januar 2020 begangen wurde. Es wären deshalb eine Gesamtstrafe und eine Einzelstrafe für die Tat am 10. Januar 2020 zu bilden gewesen (LK/Rissing-van Saan/Scholze 13. Aufl. § 55 Rn. 14).

Die Feststellungen können aufrechterhalten werden, da sie durch den zur Aufhebung und Zurückverweisung führenden Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Anwendung des § 55 StGB nicht betroffen werden.“ Dem tritt der Senat bei.

4. Der Rechtsfehler führt zur Zurückverweisung der Sache unter Aufrechterhaltung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen (§ 354 Abs. 2 Satz 1, § 353 Abs. 2 StPO). Dabei wird die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer zu bedenken haben, dass für die Gesamtstrafenbildung der Vollstreckungsstand der im Jahr 2020 verhängten Geldstrafe zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils (23. September 2020) maßgebend ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Juli 2011 - 3 StR 188/11, juris Rn. 5; vom 24. Juli 2018 - 3 StR 245/18, juris Rn. 9; vom 17. Juni 2021 - 3 StR 83/21, juris Rn. 4 mwN).

5. Der Senat ist an einer Entscheidung über die Revision des Angeklagten in dem nach erfolgter Teileinstellung verbleibenden Umfang durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO nicht gehindert. Mit Blick darauf, dass in der Begründung der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 8. März 2021 ausschließlich die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs zum Gegenstand gemacht wird, ist sein Antrag dahin zu verstehen, dass eine Aufhebung des Urteils lediglich in diesem Umfang erstrebt wird, obwohl in der Antragsformel der Zuschrift die weitergehende Aufhebung des gesamten Strafausspruchs als Antragsziel bezeichnet wird.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 26

Bearbeiter: Christian Becker